Kapitel 2
Logan Quinn
Endlich kam Trainer Ajax, unser Sportlehrer. Ich hatte es kaum erwarten können, endlich wieder Sportunterricht zu haben. Der ganze andere theoretische Unterricht ödete mich unglaublich an. Und die morgendliche Stunde, die ich mit Gwen trainierte, war einfach auch nicht so gut, wie ein Kampf mit Oliver oder Kenzie.
Gwen machte in der letzten Zeit zwar riesige Fortschritte, aber mit meinen spartanischen Freunden konnte sie unmöglich mithalten. Diese hatten sich mit mir schon umgezogen, sodass wir jetzt wartend auf der Tribüne saßen.
Die restlichen Kursmitglieder waren auch schon da, wobei es nicht mal um ein Dutzend Schüler handelte. Damit war der Sportkurs für Fortgeschrittene fast halb so klein, wie die anderen normalen Klassen.
Aber in diesem Kurs waren wirklich nur die Besten der Besten. Es kam selten vor, dass ein Römer, ein Wikinger, oder eine Walküre oder Amazone an diesem Kurs teilnahmen. Momentan waren wir vier Spartaner, zwei Bogatyri, ein Ninja und nur eine Walküre.
Zumindest war das bis heute so gewesen. Denn jetzt fiel mir plötzlich auf, dass sich unser Kurs um ein Mitglied erweitert hatte.
"Ey, Oliver, Kenzie", sprach ich meine Freunde direkt darauf an, „wer ist die Neue da drüben? Habt ihr die schon mal gesehen?" Ich beobachtete die Braunhaarige weiter, welche sich gerade ihre Brille zurück auf die Nase schob.
„Noch nie gesehen", meinte Oliver, woraufhin Kenzie zustimmend nickte. „Muss wohl neu hier sein. Aber interessant, dass sie hier bei uns im Kurs ist. Ich bin gespannt, was sie so drauf hat."
"Gegen uns hat sie doch eh keine Chance", behauptete Kenzie so selbstsicher, und vermutlich auch etwas zu überheblich, wie immer. „Du, Oliver und ich wurden schon seit Jahren von keinem Gleichaltrigen auf Mythos geschlagen. Und das wird sich bestimmt auch nicht so schnell ändern. Vor allem nicht durch ein Mädchen, dass in ihrer Emo-Phase stecken geblieben ist."
Das Mädchen hatte scheinbar bemerkt, dass wir uns über sie unterhielten und schaute unverwandt in unsere Richtung. Das Seltsame war, dass sie tatsächlich leicht grinste, anstatt darüber verärgert zu sein, was Kenzie gerade über sie gesagt hatte.
Ich verzichtete darauf, Kenzie zu erklären, dass man nicht so simpel behaupten könne, jemand sei ein Emo. Er hatte noch nie ein Talent dafür anderen zuzuhören, geschweige denn zuzustimmen. Bevor er aber weiter lästern und dumme Vermutungen aufstellen konnte, fing Trainer Ajax den Unterricht an.
„Guten Morgen. Schön, dass ihr alle pünktlich seid", begrüßte uns Ajax sarkastisch, da es nicht gerade selten vorkam, dass sich jemand aus unserem Kurs verspätete. „Ihr habt wahrscheinlich schon gesehen, dass ihr ab heute eine neue Mitschülerin habt."
Die Angesprochene seufzte leise, als sie bemerkte, dass sie sich vor der versammelten Truppe vorstellen musste. „Mein Name ist Myla, ich habe bis jetzt die Academy in London besucht."
Mehr Informationen gab sie uns nicht, sodass ich weiter nur Vermutungen darüber anstellen konnte, zu welcher Kriegerart sie gehörte. Wobei diese am Ende zu nichts führen würden, solange ich sie nicht kämpfen gesehen hatte. Sie konnte genauso gut eine Amazone, wie eine Spartanerin oder Walküre sein.
Unsere Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf Ajax und wir warteten gespannt darauf, was er als nächstes sagen würde. Es war zu einer Art Tradition geworden, dass neue Kursmitglieder zu Beginn auf Probe gestellt wurden, indem sie mit einem von uns kämpften. Dadurch merkte man schnell, wie gut diese Person war und ob sie überhaupt im richtigen Kurs gelandet war.
Ich fand es immer wieder interessant neue Gegner haben zu können, da es eine willkommene Herausforderung war. Die Kampfstile meiner Freunde kannte ich schon in und auswendig. Dadurch war es eine willkommene Abwechslung mal gegen jemand anderen kämpfen zu können.
"Ihr kennt das Prinzip ja schon", sagte Trainer Ajax zu unserer Freude, woraufhin ich grinsend mit meinen Freunden einen Blick wechselte. "Einer von euch bekommt die Ehre als erstes mit Myla zu kämpfen."
Bevor er jemanden auswählen konnte, erhob ich mich schon von meinem Platz. "Dürfte ich das diesmal übernehmen?", fragte ich unseren Lehrer und unterdrückte mühsam ein Grinsen.
Ajax musterte mich einen Moment skeptisch, da er nicht zu wissen schien, ob eine gute Idee war, die Neue direkt gegen den besten Schüler antreten zu lassen. Aber heute schien mein Glückstag zu sein. "Klar, wieso denn nicht?", meinte er leichthin und bedeutet uns beiden die Tribüne runterzukommen. "Myla bestimmt die Kampfart und wann Schluss ist."
Ich hörte auf mein Grinsen zu unterdrücken und klatschte kurz Oliver und Kenzie ab. "Mach sie platt, Alter", wies Kenzie mich amüsiert an. Scheinbar ging er von vorne herein davon aus, dass die Neue nicht den Hauch einer Chance hatte. Das sah vermutlich auch der Rest des Kurses so, einschließlich mir.
Die Neue hatte währenddessen ihr Schwert herausgeholt und sich neben Trainer Ajax auf die Matte gestellt. Anstatt etwas zu sagen, schaute sie mich nur auffordernd an und teilte mir so schweigend mit, dass ich mir ebenfalls ein Schwert nehmen sollte.
Ich nickte ihr zu und ging zur Turnhallenwand, an welcher sich Dutzende Gestelle mit Waffen aufreihten. Die langen Überlegungen sparte ich mir und nahm das erstbeste Schwert.
"Wir kämpfen bis die erste Wunde geschlagen ist oder einer aufgibt", entschied Myla und drehte ihr Schwert einmal. Es handelte sich um ein schwarzes, auf den ersten Blick ziemlich normales Schwert. Das einzig besondere war der Schwertheft, welcher kunstvoll verziert war. Was genau dargestellt war, konnte ich jedoch aufgrund der Entfernung nicht erkennen.
"Aufgeben kommt nicht in Frage", sagte ich ernst und ging auf der Matte in Position. Das Grinsen auf meinen Lippen ließ sich jedoch nicht unterdrücken, da ich dem Kampf so entgegen fieberte.
Trainer Ajax wartete bis wir beide bereit waren und gab das Startsignal für den Kampf.
Für einen Moment blieben wir beide auf der Stelle stehen und bewegten uns dann langsam aufeinander zu. In dieser Zeit überlegte ich mir, ob ich sie lieber schnell besiegen oder das Ende hinauszögern sollte. Ein schneller Sieg würde beweisen, wie viel besser ich bin. Allerdings wäre ein längerer Kampf auch interessant, da ich so genügend Zeit hätte ihren Kampfstil zu analysieren. Und zusätzlich dazu würde es für meine Mitschüler eine gute Show abgeben.
Mit der Entscheidung den Kampf nicht sofort zu beenden, bewegte ich mich mit sicheren Schritten auf sie zu und führte eine erste Reihe von Angriffen durch.
Sie parierte jeden meiner Angriffe problemlos, machte allerdings den Fehler, sich von mir zurückdrängen zulassen. Ich grinste selbstsicher, als ich diesen Fehler ihrerseits bemerkte und beschloss innerlich schonmal, erfolgreich gegen sie gewonnen zu haben. Nicht, dass ich jemals daran gezweifelt hatte.
Ich ließ von ihr ab, um ihr Zeit zu geben sich wieder richtig zu positionieren. Aber anstatt erneut eine sichere Verteidigungsstellung einzunehmen, kam sie mit erstaunlich schnellen Schritten auf mich zu und vollführte mit dem Schwert eine schnelle Kombination von Schlägen. Ich schaffte es selbstverständlich die Hiebe abzulenken, tat dabei aber unbewusst etwas, was ich fast nie tat: Ich wich zurück, anstatt weiter vorwärtszudrängen.
Als mir das bewusst wurde, stolperte ich doch tatsächlich zwei Schritte zurück und hatte Glück, dass sie ihren Angriff unterbrach, um mir amüsiert dabei zuzusehen, wie ich wieder einen festen Stand bekam. Ich hörte am Rande, wie ein Raunen von der Tribüne aus ertönte, blendete es aber schnell aus, um mich richtig konzentrieren zu können.
"Du hast ja doch was drauf, Emo-Mädchen!", sagte ich gespielt locker, um von meinem Fehler abzulenken und lachte gekünstelt auf.
„Das war noch lange nicht alles, Spartaner", erwiderte sie gelassen und lächelte mich an, als könne sie kein Wässerchen trüben.
Und damit hatte sie meinen Kampfgeist geweckt. Ich warf mich in den Kampf und wendete jeden fiesen Trick an, den ich kannte. Aber ich kam nicht durch ihre Deckung. Egal wie perfekt ich die Tricks ausführte, sie parierte jeden Angriff und schien dabei nicht einmal ins Schwitzen zu kommen.
Als Myla aufhörte bloß zu verteidigen und wieder in den Angriff ging, wusste ich, dass ich verloren hatte. Ich, Logan Quinn, würde gegen ein Emo-Mädchen verlieren, von dem ich nicht mal wusste, welcher Kriegerart sie angehörte.
Mit ihrem ersten Schlag brachte sie mich aus dem Gleichgewicht, sodass ich einige Schritte nach hinten strauchelte.
Der zweite Angriff zielte auf meinen Schwertarm. Sie führte die Technik so schnell und präzise aus, dass ich nachher unmöglich hätte sagen können, wie sie mich entwaffnet hatte. Aber das dumpfe Geräusch, das ertönte als mein Schwert auf die Matte fiel, ließ mich realisieren, was Myla geschafft hatte.
Nur war sie noch nicht fertig. Während der Entwaffnung hatte sie mich nicht verletzt, sodass der Kampf immer noch weiterlief. Aber bevor ich eine Gelegenheit hatte darüber nachzudenken, wie ich sie vielleicht doch noch hätte besiegen können, hielt sie mir das Schwert vor den Hals.
„Gibst du auf?", ertönte ihre ruhige Stimme, während sie ihre Klinge nur Milimeter von meiner Kehle entfernt war. Es schien als hätte sie der gesamte Kampf überhaupt nicht erschöpft. Im Gegensatz, sie wirkte viel energiegeladener als zuvor.
Abgesehen von meinem rasselndem Atem konnte man nichts hören, da alle gespannt auf meine Antwort warteten. Mir blieben jegliche Worte im Hals stecken. Als Myla meine Denkphase zu lange dauerte, entschied sie sich dazu die andere Bedingung zu erfüllen, um den Kampf zu beenden.
Mit ungeheurer Präzision führte sie ihr Schwert an meinem Hals entlang, wodurch ein winziger Schnitt entstand. Das Adrenalin, welches immer noch druch meinen Körper strömte, übertönte den Schmerz und würde ich nicht das Blut an meinen Fingern gesehen, nachdem ich über die Wunde gestrichen hatte, würde ich behaupten, dass sei mich gar nicht verletzt hatte.
Ich stand immer noch fassungslos auf der Matte, während Myla seelenruhig ihre Brille zurück auf die Nase schob und zur Tribüne ging, um einen Schluck zu trinken.
In diesem Moment brach tosender Applaus aus. Meine Mitschüler sprangen begeistert von ihren Sitzen und jubelten der Siegerin des Kampfes zu. Selbst Trainer Ajax schloss sich der Begeisterung der anderen an, schien aber noch sehr überrascht zu sein, wegen dem, was gerade passiert war.
Ich setzte mich in Bewegung und ging mit langsamen Schritten zu Oliver und Kenzie, welche mich wie verrückt angrinsten. „Du wurdest von dem Emo-Mädchen besiegt!", stieß Kenzie lachend aus, woraufhin ich nur genervt die Augen verdrehte.
Ja, ich hatte gegen sie verloren und glaubt mir, dass ging mir gewaltig gegen den Strich. Aber Kenzie hatte nicht das Recht dazu sich über mich lustig zu machen, wenn er selbst so häufig gegen mich verlor.
Nachdem die Begeisterung der Schüler wieder abgenommen hatte, begann Ajax den normalen Unterricht und tat so, als sei nichts geschehen.
Noch war mir nicht bewusst, was für Auswirkungen der Kampf und mein Versagen haben würden.
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