Special - Lucifers Kirasch
Das Maßband legte sich um Maze' Hüfte und wanderte kurz darauf noch ein Stück höher. Jede Zahl wurde konzentriert notiert, während er still auf dem Podest stand und die Schneiderin ihre Arbeit machen ließ.
Für einen Moment fuhr er sich durch seine langen, schwarzen Haare, die ihm bis zu den Rippen reichten. Sie waren zu einem Zopf geflochten, damit sie ihn bei seiner Arbeit nicht störten. Froh darüber, als die Dämonin endlich von ihm abließ und er von dem Podest heruntertreten konnte, verabschiedete er sich mit einer höflichen Geste und verließ den Raum. In Augenblicken wie diesen bereute er, all dem zugestimmt zu haben. Verstecken ist jedoch keine Lösung mehr.
Die Stimmen waren lauter geworden und all das wegen eines einzelnen Dämons, der diesen Aufruhr begonnen hatte. Maze hatte die Ruhe der letzten Jahre genossen, doch diese war nun unweigerlich vorbei, das wusste er. Ganz unschuldig war er an seiner Misere nicht, doch sein herzallerliebster Gefährte hatte es auch nicht unterbunden.
Seufzend betrat er die Bibliothek, in der bereits ein Gelehrter saß, der ihn unterrichtete. Die Zeit verflog und ein Klopfen beendete die Stunde. Verschiedenfarbige Augen blickten ihn mit einem angestrengten Ausdruck an und er wusste, dass er es verdiente. „Auf geht's. Wir haben einiges vor uns", begrüßte ihn Cypher.
Maze verabschiedete sich und trat zu der Furie. Er lief neben diesem, während sie sich auf den Weg in den Besprechungsraum machten. Ein ungutes Gefühl breitete sich in Maze' Bauch aus. „Achte darauf, keinerlei Schwäche zu zeigen", erinnerte Cypher ihn nochmals. Er nickte nur.
Gemeinsam betraten sie den Raum, in dem sich die mächtigsten Dämonen in Lucifers Reich bereits versammelt hatten – die Kommandanten der ersten bis fünften Division, Asheron und sein Gefährte selbst. Alle Augen waren auf ihn gerichtet, denn alle stellten sich eine Frage: Weshalb war Lucifers Liebhaber Teil dieser Runde?
Auf Maze' Gesicht war nichts abzulesen. Er trug die Maske wie eine zweite Haut. Stumm stellte er sich zu Lucifer, der sich erhoben hatte. „Wir sind vollzählig und ich eröffne die Sitzung", erklang dessen tiefe Stimme. Macht schwang in dieser mit und Maze bekam eine Gänsehaut. Das war der Höllenfürst, der keine Gnade zeigte, nicht der Mann, der ihn nachts vor Lust zum Schreien brachte.
„Wenn mir eine Frage gestattet sei, Kuro, doch weshalb ist Euer Gespiele anwesend?", fragte Zegrad, Kommandant der dritten Division. Der Wolfdämon mit hellbraunen Haaren und hellgrünen Augen schien wie die anderen sichtlich verwirrt.
Lucifers kalter Blick traf auf den des Dämons. „Er ist der Grund für die Sitzung." Er umschlang Maze und zog ihn an sich.
Elvira, eine Mara- Dämonin und Kommandantin der fünften Division, meldete sich zu Wort. „Hat es etwas mit den Gerüchten zu tun, die gerade im Umlauf sind?" Sie hatten den Verursacher aufgespürt, doch dessen Erzählung schien ihr zweifelhaft. Dass Lucifer sie deswegen einberufen hatte, verwunderte sie nun. Hatte der Dämon etwa die Wahrheit gesagt? Sie konnte Lucifer nicht einschätzen.
Gerüchte um Maze hatte es schon immer gegeben. Grund war nicht nur der Reif, den er um dessen Hals trug, sondern die Tatsache, dass er ein Engel war. Viele glaubten, er hielt den Engel als Sklave. Andere glaubten, er war ein Spielzeug und im Himmel in Ungnade gefallen, dennoch war er kein gefallener Engel, was dem widersprach. Andererseits hatte Maze nie einen Fluchtversuch unternommen. Er war ein Mysterium. Alles, was sie wussten, war, dass er vom Himmel entsendet wurde, um das Verschwinden der Seelen zu untersuchen und nicht mehr zurückgekehrt war.
Lucifer legte seine rechte Hand an Maze' Hals. „Ich bin kein Freund unnützer Konversation. Ihr seid die mächtigsten und fähigsten Krieger meines Reiches und habt mir eure Treue geschworen. Diese Treue wird vom heutigen Tag nicht nur mir, sondern auch Maze gelten."
Fünf ungläubige Gesichter starrten den Höllenfürsten an. „Mit Verlaub, Kuro, haben wir das richtig verstanden?", fragte Plato als Erster.
„Ich habe Maze als meinen Gefährten erwählt. Er wird an meiner Seite als Kirasch diesem Reich dienen."
Auf Maze' Gesicht war nichts abzulesen. Weder die Unsicherheit noch die Angst davor, verurteilt zu werden. Würden sie ihn anerkennen? Die Stille war bedrückend. Mit Sicherheit stellten sie Lucifers Zurechnungsfähigkeit infrage. In ihren Augen war er ein einfacher Bettgespiele – kein Krieger oder jemand, der in irgendeiner Funktion nützlich war.
„Maze wird in zwei Wochen offiziell als mein Kirasch eingeführt. Cypher ist bereits mit den Vorbereitungen beschäftigt und wird euch eure Aufgaben zuweisen", fuhr Lucifer fort und blickte zu seiner rechten Hand, die nickte.
„Kuro", meldete sich erneut Elvira zu Wort. „Hat Maze die Qualitäten, die er für diese Position benötigt?" Nein. Sie sprach das aus, was jeder Anwesende dachte, auch mit der Gefahr, Lucifers Zorn auf sich zu ziehen.
Zu ihrer Überraschung erfolgte nicht der Wutausbruch, den sie erwartet hatten. Stattdessen legte Lucifer seine Finger an das Kinn des Engels. „Erläutere mir doch, welche Qualitäten er besitzen muss, außer meine Seite zu schmücken? Glaubt ihr, ich benötige jemanden, der meine Position kräftigt? Haltet ihr mich für so schwach?" Seine Stimme besaß eine eiskalte Tonlage, wie eine Klinge, die über ihre Haut glitt. Die Augen des Höllenfürsten glühten auf eine Weise, die die Anwesenden schlucken ließ.
Die Antwort war nein. Lucifer hatte es nicht nötig, einen Gefährten zu nehmen. Er erfüllte keine Erwartungen, wie es andere Höllenfürsten taten. Er tat das, was ihm beliebte. Dennoch konnte der Engel Lucifer als Schwäche ausgelegt werden. „Nein, natürlich nicht", antwortete Elvira und senkte den Kopf.
„Ich hatte auch nichts anderes erwartet. Doch Elvira, sei unbesorgt, Maze ist mehr als eine hübsche Hülle." Daraufhin legte Lucifer seine Hand auf Maze' Brust und sendete einen Impuls durch dessen Körper.
Der Engel gab einen überraschten Laut von sich. Seine Flügel schossen aus seinem Rücken, doch gleichzeitig entfesselte Lucifer auch dessen Soul Reaper-Aura, ohne diesen Teil seiner Seele zu offenbaren. Wie eine Welle aus Eis überrollte sie alle Anwesenden. Dunkel, fremd. Der schleichende Tod, den niemand kommen sah. Das spürten auch seine Krieger instinktiv. Sie wussten nicht, was Maze war. Auch wenn Soul Reaper an sich keine machtvollen Wesen waren, so waren sie den Lebenden in vielerlei Hinsicht überlegen.
„Kuro, was ist Euer Gefährte?", presste Zegrad hervor, der sich in den Tisch gekrallt hatte.
Lucifer blickte ihn an und fuhr Maze' Wange entlang. „Ein Juwel, dass der Himmel unbedingt zurückerhalten will und nun in meinen Händen liegt." Die Worte unterstrichen seine Handlung nur und beseitigten jegliche Zweifel.
Plato erhob sich als Erster und trat vor Maze. Er ging auf die Knie und schwor ihm die Treue. Die anderen folgten.
Elvira blickte zu Cypher und Asheron. Keiner der beiden hatten eine Reaktion gezeigt. Sie schienen nicht überrascht zu sein, wussten vermutlich, was Maze in Wirklichkeit war. Sie trat zum Meisterspion ihres Reiches. „Wenn der Himmel diesen Engel zurückfordert, was hält ihn dann in dieser Sphäre?" Mit anderen Worten: Was hielt Maze davon ab, Lucifer zu verlassen? War er freiwillig hier oder wurde er von Lucifer gefangen gehalten? Niemand erwartete Zuneigung zwischen den beiden, doch als Gefährten teilten sie eine Verbindung. Wenn diese vergiftet war, würde sie mehr schaden, als günstig sein.
Asherons Augen schienen ihr bis auf die Seele zu schauen. „Sei unbesorgt. Maze wird Lucifer nicht hintergehen, immerhin hat er ihn von seinen Fesseln befreit." Die Worte waren so kryptisch wie Asherons Wesen, doch sie hatte ihre Antwort. Mit einem Nicken trat sie als Letzte zu dem Engel mit den schwarzen Flügeln und schwor ihre Treue dem Mann, der den launischsten Höllenfürsten als Gefährten gewählt hatte.
Asheron folgte Maze im Anschluss aus dem Raum. „Begleitest du mich in den Garten?", fragte Maze mit gefasstem Blick. Der Dämon wusste, dass dessen Nerven bis zum Zerreißen gespannt waren, also nickte er nur.
Maze lief zu der Bank, auf der er oftmals saß. Er verband viele Erinnerungen mit ihr. Die Maske fiel. Er beugte sich nach vorne und vergrub sein Gesicht in den Händen. Ein frustrierter Laut kam ihm über die Lippen. „Sag mir, dass ich keinen Fehler gemacht habe. Nein. Dass es ein Traum ist und ich bald aufwache."
Der Meisterspion setzte sich zu ihm und blickte auf den Garten. „Dir war bewusst, dass es irgendwann so weit kommen würde. Niemand kann eine Ewigkeit der Liebhaber eines Höllenfürsten sein, der sein Leben lang nur flüchtige Bettbekanntschaften gepflegt hat." Es war ein Wunder, dass das nicht schon viel früher geschehen war.
„Ich weiß, Asheron. Das musst du mir nicht sagen." Dennoch wollte er zurück in das Schneckenhaus, in dem er die letzten Jahre gelebt hatte. Dieser verdammte Thron. Doch nun hatte er keine Wahl mehr. Er musste seinen Platz neben Lucifer einnehmen.
Asheron klopfte ihm auf die Schulter. „Maze. Du hast zwar keine Wahl, welche Position du bekleidest, doch auf welche Weise du das tun wirst, obliegt alleine dir. Löse dich von den Erwartungen, die du dir selbst auferlegst."
Die Worte brauchten etwas, doch sie brachten eine Erkenntnis mit sich, die Maze ruckartige aufsetzen ließ. Er schaute den Dämon an. „Aber natürlich." Lucifers Worte waren nicht willkürlich gewesen.
Ein gebundener Dämon war in jeglicher Hinsicht stabiler als ein ungebundener. Viele würden diese Verbindung als ein Schachzug Lucifers sehen, um seine Position zu stabilisieren. Sie wussten nicht, dass er Lucifers Herz war und es sich um einen Seelenbund handelte. Alles, was er tun musste, war den gehorsamen Gefährten zu spielen, mehr nicht. Er blickte Asheron an. „Dann wird sich dieses Juwel herausputzen, damit dessen Besitzer strahlen kann."
Er hat es begriffen. Vermutlich war das das Beste, was Maze tun konnte.
Am Abend lag Maze nachdenklich in ihrem Bett. Sein Gespräch mit Asheron beschäftigte ihn mehr, als er zugeben wollte. Die Tür zum Schlafgemach öffnete sich und Lucifer trat ein. Mit einer geschmeidigen Bewegung entledigte er sich seiner Kleidung bis auf die Unterwäsche und entblößte das Bindungsmal, das Maze ihm geschenkt hatte. Sein aschblondes Haar schimmerte leicht im Licht der Leuchtsteine.
Maze' Blick wanderte über den Körper seines Gefährten, der von den Göttern persönlich geformt worden war. Kein Makel, keine Unebenheit – Perfektion. Er war nicht umsonst als der schönste Engel aller Zeiten in den Geschichtsbüchern verzeichnet. Der grausame Zug um seine Lippen tat dem nichts ab.
„Sprich. Was liegt dir auf der Seele, Amaar?"
Natürlich konnte Maze es nicht verstecken. Er richtete sich auf und die Bettdecke rutschte unterhalb seines Bauchnabels. Lucifers Bindungsmal hob sich von seiner Haut ab. Er spürte, wie sein Dämon dieses mit den Augen nachfuhr.
„Ich würde gerne einige Anpassungen an meiner Robe für den Ball vornehmen", sagte Maze geradeheraus.
Lucifer setzte sich auf den Rand des Bettes und löste das Band, das Maze' Zopf zusammenhielt, sodass seine Haare frei über seine Brust fielen. Daraufhin fuhr er mit seinen Fingern in diese. „Meine Zustimmung ist hierfür nicht notwendig, Mazekin." Seine Finger schlossen sich zu einem festen Griff.
Sanft legte Maze seine Hand an Lucifers. Unsicherheit spiegelte sich für einen Moment in seinem Gesicht wider. „Ich könnte mir nicht verzeihen, wenn dein Ansehen Schaden erleidet."
„Und was lässt dich glauben, dass mich interessiert, was andere über mich denken? Du solltest es besser wissen, kleiner Engel."
Bei den letzten Worten zuckte Maze zusammen. Lucifer hatte ihn unvorbereitet erwischt. Ein Funkeln trat in seine Augen. „Verzeih mir meine Dummheit. Ich habe vergessen, dass du der Rebell Gottes bist und keinerlei Regeln für dich Bestand haben."
Einen Herzschlag später lag Maze unter dem Höllenfürsten. „Es gelten die Regeln, die ich mache, Maze. Ich handle, wie es mir beliebt, und nehme mir das, was ich begehre. Und nun entledige dich deiner Kleidung."
Ein Lachen entkam dem Engel unter Lucifer. Der Einzige, der ihm widersprach. Der Einzige, der außerhalb der Regeln spielte, die für alle anderen galten. Der wahre Rebell. „Wie ihr wünscht, mein Fürst", erwiderte Maze mit sinnlichem Unterton, der Lucifer unter die Haut ging. Nur dieser Mann konnte ihn auf diese Weise reizen und gleichzeitig erden. Zu seiner Überraschung zog Maze nur die Decke zur Seite. Er hatte ihn bereits unbekleidet erwartet.
Ein Knurren entkam Lucifer. „Du ungezogener, kleiner Teufel", grollte er und eroberte die verfluchten Lippen seines Gefährten. „Erwarte heute keine Gnade."
Maze biss ihm in die Unterlippe. „Das würde ich nie tun, Kuro."
༻✧༺
Zwei Wochen später...
Der Saal füllte sich. Alle warteten auf die Ankunft ihres Höllenfürsten. Die großen Flügeltüren öffneten sich schwungvoll und eine machtvolle Aura erfüllte den Raum.
Lucifer betrat den Raum und alle Augen waren auf ihn gerichtet. Zur Verwunderung aller Anwesenden war er in Begleitung.
Maze trat neben den Höllenfürsten des Reiches der Verdammten Seelen. Stille trat ein und jeder Dämon und jede Dämonin in diesem Saal hegte denselben Gedanken: Dieser Mann sah atemberaubend aus. Seine obsidianschwarzen Haare waren zu einem anmutigen Zopf geflochten, in den goldene Federn mit aschgrauer Färbung und goldenen Perlen eingearbeitet worden waren. Sein ärmelloses Oberteil, welches aus gerafften, schwarzen Samtschichten bestand, auf die ein goldenes Muster gestickt war, ging direkt in eine schwarze Hose über, die sich an seinen Körper schmiegte. Um seinen Hals lag der Halsreif mit dem Buchstaben L in eine Muschel graviert und zwei weitere goldene Armreifen zierten seine Handgelenke. Von diesen hingen goldene Ketten nach unten, welche nach hinten verliefen und in der geschlossenen Hand des Höllenfürsten endeten.
Langsam entließ Lucifer die Ketten und diese fielen zu Boden, sodass ein metallisches Klirren erklang. Daraufhin legte er seinen Arm um Maze' Unterbauch und zog ihn vor sich.
„Ich begrüße Euch", sprach der mächtigste Dämon dieses Reiches. „Verneigt euch vor meinem Gefährten, eurem Kirasch."
Ein Herzschlag verging und jeder senkte das Haupt vor dem Engel, den der Höllenfürst zu dem Seinen gemacht hatte.
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gewünscht von anonymer Leser
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