Kapitel 37
Aaron lief im Besprechungsraum nervös auf und ab. Vor einigen Momenten hatte ihn eine Leere eingenommen, die er nicht beschreiben konnte. Irgendetwas ist passiert. Doch er wusste nicht was.
Die Luft begann zu schwingen und ein Portal öffnete sich direkt vor ihm. Sein Gefährte, der Maze stützend trug, traten heraus, dann schloss es sich. Verschiedenfarbige Augen blickten ihn an und er wusste, dass etwas Schreckliches passiert war.
„Cypher, wo ist Lucifer?", fragte Aaron mit zitternder Stimme, griff sich an die Brust.
Der Blick seines Dämons schlug sich zu Boden. Er hievte den Engel auf ein Sofa, wo dieser die Beine anzog, diese mit den Armen umschlang und immer wieder vor und zurück wippte.
„Er hat ihn gefangen genommen. Lucifer ist in dem Krug gefangen."
Cyphers Worte brauchten einen Moment, bis sie sich setzten. Aaron schnappte nach Luft, musste sich setzen. „Wie?", presste er hervor. Wie hatte ihr Feind Lucifer gefangen nehmen können?
„Lucifer wurde im Kampf verletzt. Daraufhin war es ihm ein Leichtes", antwortete sein Gefährte ruhig, auch wenn er das nicht wahr. Dennoch musste er einen kühlen Kopf bewahren. „Er hat Maze angegriffen und Lucifer ist dazwischen gegangen. Die Macht, die er den Seelen entzogen hat, hat ein Ausmaß angenommen, dem wir nicht mehr beikommen konnten. Er hat mich aus dem Kampf genommen und Maze hatte keine Chance." Das war die harte Wahrheit. Nicht einmal Cypher wusste, ob er gegen Dantanian hätte ankommen können.
Maze wiegte sich nach wie vor hin und zurück, flüsterte immer wieder ein Wort, das sie nicht verstanden. Cypher trat vor den Engel. „Beruhige dich. Wir brauchen jede Hand, um Lucifer zu retten." Der Engel reagierte nicht.
Schmerz erblühte an Maze' Wange und er hielt inne. Sein Blick hob sich und er schaute in wütende Augen. „Reiß dich zusammen, auch wenn es dir unmöglich erscheint. Wenn du nicht bei dir bist, können wir dein Herz auch nicht retten, verdammt."
Aaron blickte entgeistert zu seinem Dämon, dann zu dem Engel. Sein Herz? Oh nein, bitte nicht. „Cypher, ist Maze-"
„Lucifers Herz. Ja. Es scheint, als habe Lucifer ihn anerkannt."
Gefallene Engel – sie verloren die Fähigkeit, ihr Herz zu erkennen und konnten sich nur mit ihrem Herz fortpflanzen. Sie konnten es jedoch nur erkennen, wenn sie aufrichtige Gefühle für dieses empfanden, es anerkannten. Lucifer war diesen letzten Schritt gegangen, so hatte er sich als Maze' Herz offenbart.
Aaron blickte den jungen Engel mit mitleidigem Blick an. Er hat sein Herz gefunden und einen Augenblick später wird es ihm entrissen. Hinzu kam, dass Maze sich vermutlich die Schuld daran gab, denn Lucifer wäre nicht verletzt worden, wäre er nicht eingeschritten. Stumm lief er zu Maze und nahm ihn in den Arm.
Als die warmen Arme sich um ihn schlossen, konnte Maze zum ersten Mal aufatmen. Es war, als würde er nach Hause kommen. Das Zittern stellte sich ein und er wurde ruhig. Wortlos schmiegte er sich an Aaron, der ihn einfach nur hielt. „Du bist nicht allein. Wir werden ihn befreien." Der Engel nickte nur stumm.
Cypher wusste, weshalb Maze sich so schnell beruhigte. Sein Gefährte war Lucifers Kindred, ein Teil von ihm. Maze erkannte seinen Gefährten in ihm wieder.
Aaron löste sich, hielt aber nach wie vor Maze' Hand, gab ihm Halt. „Erzählt mir genaustens, was passiert ist", sagte er mit ernster Stimme.
Cypher setzte sich und schilderte den Kampf, zumindest das, was er mitbekommen hatte. Dann wanderte sein Blick zu Maze. „Du bist ein Soul Reaper, zumindest zum Teil." Das war eine Feststellung. Maze konnte es nicht leugnen, der Engel würde seine Lüge schmecken. Instinktiv schloss sich seine Hand enger um die von Aaron. „Hast du eine Fähigkeit, Lucifer zu finden? Kannst du ihn wie Dantanian finden?"
„Nein. Dafür hätte ich meine Spur an ihn haften müssen." Makaber. Er hatte die Gelegenheit gehabt, hatte Lucifers Hand gehalten.
Der Dämon lehnte sich zurück. „Gut. Wir werden ihn finden, immerhin hat Dantanian seinen Unterschlupf verloren. Es ist nur eine Frage der Zeit. Wir müssen zunächst herausfinden, wie wir Lucifer aus diesem Krug bekommen." Leider hatte ihre Recherche ihnen keine Antwort darauf geliefert. Sie wussten, wie man diese einsperren konnte, doch nicht wie man sie befreien konnte.
„Vielleicht ergibt sich die Möglichkeit, wenn wir das Artefakt in unserem Besitz haben", sagte Aaron.
Maze blickte zu dem Engel, sein Blick verengte sich. Er hatte sich beruhigt. Ruhig. Wie konnte er in eine solche Ruhe gleiten? Das war nicht möglich. Was hatte der Engel mit ihm angestellt? „Was hast du mit mir gemacht?", fragte er mit kalter Stimme und entzog ihm die Hand. Sofort war die Kälte zurück, doch er sperrte sie hinter eine Mauer. Die Maske, die er perfektioniert hatte, legte sich auf sein Gesicht, schützte ihn.
Aaron blickte den Engel an. Er sollte die Wahrheit erfahren. „Ich habe nichts getan. Dass du dich beruhigt hast liegt daran, dass ich Lucifers Kindred bin."
„Aaron", unterbrach ihn sein Dämon, doch er brachte Cypher mit einer Handbewegung zum Schweigen.
„Ich war früher ein Mensch und bin in die Hölle hinabgefahren, als ich gestorben bin. Dort bin ich Cypher begegnet. Als ich wiedergeboren werden sollte, hat Lucifer dies verhindert. Er hat mir einen Körper aus seinem eigenen Fleisch und Blut geschenkt. Wir sind über Blut verbunden, teilen eine Verbindung, als sei ich ein Teil von Lucifer. Du spürst ihn durch mich, denn ich bin eine Art Spiegel von ihm. Ähnlich und doch nicht gleich."
Maze wusste, dass der Engel die Wahrheit sprach. Er manipulierte ihn nicht mit einer Fähigkeit. Spiegel. Er spürte, dass dieses Wort etwas auslöste. Etwas, was er vergessen hatte. „Spiegel", flüsterte er erneut. Was hatte er vergessen?
Beide blickten ihn an, sahen, dass Maze konzentriert nachdachte. Minuten vergingen, doch sie hatten das Gefühl, dass es wichtig war. Dann hob der Engel den Blick, die Erkenntnis stand in diesem.
„Erblüht die rote Blüte, wird trüb zu klar. Nur ein Selbst kann sich selbst erretten, doch nur der Spiegel kann das Tor öffnen. Sprich es aus, das, was tief begraben liegt", sprach Maze die Worte. Er schaute auf. „Diese Prophezeiung habe ich von Nix erhalten."
„Wann?", fragte Cypher mit ernster Stimme. Weshalb hatte der Engel das bisher verschwiegen?
„Wenn die rote Blüte erblüht, wird trüb zu klar", murmelte Aaron. „Ist damit vielleicht Lucifers Verletzung gemeint? Maze hat ihn doch infolgedessen als Herz erkannt." Zumindest laut der Beschreibung seines Gefährten, konnte es kein anderer Moment gewesen sein.
Maze sprang auf. „Doch was ist mit dem Rest gemeint? Ist es vielleicht der Schlüssel, Lucifer zu retten?" Diese Worte waren ein Rätsel und der Frust wuchs.
„Beruhige dich. Es war das Wort Spiegel, das dich aufkratzt, weil Aaron es verwendet hat. Gehen wir das Ganze in Ruhe durch. Um in den Krug gesperrt zu werden, benötigt man das Blut und den Namen der Person. Doch kein Gefängnis kommt ohne Schlüssel, keines ist absolut. Vielleicht sind diese auch der Schlüssel, um zu entkommen", sprach der Dämon ruhig.
Nur ein Selbst kann sich selbst retten, doch nur der Spiegel kann das Tor öffnen. „Es würde zu dem passen. Unser Blut und Name machen unser Selbst aus, also werden sie auch zur Rettung benötigt. Erinnert ihr euch noch an die Worte, die der Dämon gesprochen hat?"
Cypher schüttelte den Kopf. „Nein, doch Lucifer hat sie in einem unserer Berichte aufgeschrieben. Ich suche sie heraus, auch wenn es nicht viel bringt. Er sagte, die Worte seien eine alte Sprache. Solange wir niemanden finden, der sie auch spricht, werden wir nicht weiter kommen." Erneut eine Sackgasse.
„Ich kenne vielleicht jemanden, der die Sprache spricht", sagte Maze ruhig. Es widerstrebte ihm in jeder Hinsicht, doch an dieser Stelle war Gabriel seine einzige Hoffnung. Er war ein Erzengel und alt. Zudem hatte er die Möglichkeit, Michael zu fragen. Wenn Lucifer die Sprache beherrschte, dann beherrschte Michael sie mit Sicherheit auch.
„Gut. Dann zum zweiten Teil. Das Blut und der Name. Wir haben kein Blut von Lucifer", sprach Cypher mit nachdenklichem Blick. Sie hatten keine Blutprobe von Lucifer, das war das Problem.
Aaron legte seine Hand auf Cyphers Arm und dieser schaute ihn an. „Doch, mein Herz. Wir haben sein Blut und zwar in ausreichender Menge."
Es dauerte einen Moment, bis der Dämon verstand. Natürlich. Sein Gefährte besaß Lucifers Blut.
Auch Maze verstand, was der Engel sagte. „Vielleicht ist das des Rätsels Lösung. Aaron, du hast dich als Lucifers Spiegel bezeichnet. Also bist du eine Art Selbst von ihm, nicht wahr? Und mit deinem Blut kannst du das Tor öffnen, kannst Lucifer befreien."
All das war nur eine Theorie, dennoch mussten sie daran glauben. Cypher erhob sich. „Ich werde die Abschrift der Worte holen und einen Spezialisten aufsuchen und ihn befragen, ob dies eine Möglichkeit ist. Maze, du wirst deine Quelle bezüglich der Worte befragen."
Der Engel nickte und erhob sich, um den Dämon zu begleiten. Aaron erhob sich ebenfalls. „Ich werde in unserem Anwesen warten." Mehr konnte er leider nicht tun.
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Gabriel saß über seinen Schreibtisch gebeugt, fuhr über die Aufzeichnung der Sitzung, in der der Erzengelkader über die Prophezeiung beraten hatte. Es bereitete ihm Kopfzerbrechen, dass ihnen nicht klar war, was mit Traum, Realität, Bindung und Trennung gemeint war. Die Stimme, die gesprochen hat, war nicht Nix'. Dem Erzengel war bewusst, dass diese Prophezeiung direkt vom Schicksalsgott Niyati gesprochen worden war. Dieses Mal betrifft es alle Sphären. Und das war das Problem. Sie hatten bis auf Michael keinen direkten Zugang zur göttlichen Sphäre und die höchste Gottheit hatte sich noch nicht dazu geäußert. Seufzend fuhr er sich mit den Fingern über die Stirn.
Ein Klopfen an der Tür ließ ihn aufschauen. Als Gabriel den Gast erblickte, war er überrascht. „Maze, was bringt dich her?" Gabriel hatte nicht mit solch einem schnellen Besuch gerechnet. Der dunkle Blick in den Augen des Engels, auch wenn er diese undurchdringliche Maske über dem Gesicht trug, sprach Bände. Seine Haare waren verwuschelt und Staub hing an seiner Wange. Irgendetwas war geschehen und das verhieß nichts Gutes. „Setz dich."
Maze setzte sich und atmete tief durch. Er wusste, dass er Gabriel die Wahrheit sagen musste, denn seine Hilfe war unerlässlich. Ohne ihn würde er Lucifer nicht befreien können. Stumm zog er einen Zettel aus seiner Manteltasche und legte diese vor den Erzengel. Gabriel blickte auf die Buchstaben und runzelte die Stirn.
„Was ist das?"
„Könnt Ihr das lesen?", fragte Maze, ohne auf dessen Frage zu antworten.
Gabriel lehnte sich zurück, schaute auf die verschlungenen Zeichen der alten, fast vergessenen Sprache. „Michael beherrscht diese Sprache um einiges besser als ich, ebenso Lucifer." Sofort schaute er auf und Maze wusste um die Erkenntnis, die in dessen Augen stand. Gabriels Augen verengten sich. „Weshalb kommst du mit diesem Anliegen zu mir? Wenn Lucifer viel besser geeignet wäre?"
Er ahnt es. Maze ballte die Faust. Es hatte keinen Sinn, er konnte weder lügen, noch hatte er die Zeit, Spielchen zu spielen. Es ging um Lucifers Leben. „Es ist mir nicht möglich, Lucifer zu befragen." Sein Blick senkte sich. „Wir machten den Feind ausfindig und bei diesem Auseinandertreffen geriet er in deren Fänge."
Gabriel sprang auf, blickte Maze entgeistert an. „Wiederhole das, Maziel. Wo ist Lucifer?" Er musste es missverstanden haben.
„Er ist in dem Krug gefangen."
Der Feind hatte einen Höllenfürsten in seinen Fängen, den Höllenfürsten, der für das Gleichgewicht der Seelen verantwortlich war. Das war keine Katastrophe mehr, das war weitaus mehr. Wie hatte es so weit kommen können? „Ich werde sofort den Kader einberufen." Sie mussten handeln.
„Nein, noch nicht." Maze saß dort, absolut ruhig, auch wenn sein Inneres das Gegenteil war. Er war kurz davor zusammenzubrechen, die Maske bekam Risse, doch er musste stark bleiben, einen kühlen Kopf behalten. „Der Feind ist geschwächt und wir kennen sein nächstes Ziel."
Gabriel setzte sich. „Wer oder was? Wer ist der Feind?" Hatten sie dessen Identität aufgedeckt?
„Lucifer nannte ihn Dantanian. Er ist ein gefallener Engel. Er hat das Artefakt von einer Göttin erhalten und sein nächstes Ziel... er will mich. Er ist auf Rache aus, doch wofür er mich braucht, ist mir unbekannt. Im Moment muss er sich regenerieren. Wir glauben, einen Weg gefunden zu haben, Lucifer zu befreien, doch dafür müssen wir die Worte kennen, mit der wir ihn aus diesem Gefängnis holen können", sagte Maze mit Nachdruck.
Der Erzengel ergriff das Blatt. Dort stand: Āmi tōmākē bēm̐dhē rākhi. „Es bedeutet so viel wie ich binde, fessle dich." Sehr schlichte Worte für eine Beschwörung. Dann war die Umkehrung mit Sicherheit ebenfalls so einfach – so war die Natur des Kruges. „Die Umkehrung wäre ich entlasse dich, also Āmi tōmākē chēṛē dicchi", antworte Gabriel. Er nahm ein Pergament und schrieb die Worte mit der genauen phonetischen Aussprache auf. „Ich werde Michael nochmals fragen, doch ich bin mir sicher."
Maze nahm den Zettel an. Sie waren Lucifer einen Schritt näher gekommen. Nun müssen wir ihn nur noch finden. Er hoffte, Cypher hatte ebenfalls positive Neuigkeiten.
Gabriel hob die Hand, als Maze sich erhob. „Ich gebe dir drei Tage. Wenn Lucifer bis dahin nicht zurück ist, wird der Erzengelkader informiert und einschreiten." Es würde zu einem offenen Krieg kommen. In der Zwischenzeit würde er alles über Dantanian recherchieren. „Und hüte dich, in seine Fänge zu geraten." Maziel war zu wertvoll und eine unberechenbare Waffe in den Händen anderer.
Der Engel nickte, dann ging er. Gabriel blickte auf seinen Tisch. Das Ganze war aus dem Ruder gelaufen. Sie hatten ihren Feind unterschätzt. Nun mischt auch noch eine Göttin mit. Ein Zufall? Es war schlimmer, als er sich ausgemalt hatte. Mit finsterem Blick erhob er sich. Zeit, Michael einen Besuch abzustatten, und er hatte keine gute Nachrichten.
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