Kapitel 31
Leichte Kreise zogen sich über seinen Bauch, welcher eine leichte Wölbung aufwies. Eine Wange rieb darüber und süße Worte wurden in Richtung diesem geflüstert. Lyric schloss die Augen und genoss die Zuwendung. Dann begann sein Gefährte zu singen. Eine tiefe Ruhe überkam ihn, als dessen melodische Stimme den Raum erfüllte und ihm jegliches Unwohlsein nahm. Als die Melodie endete, genoss er die Nachwehen.
Nix küsste die Stelle unterhalb Lyrics Nabel, an der sein Kind verweilte. Das dies tatsächlich kein Traum war, konnte er an so manchem Morgen immer noch nicht glauben, doch die Zeichen waren unbestreitbar. Auch wenn Lyric erst bei der Hälfte der Schwangerschaft war, so zeigte sich neben den körperlichen Anzeichen, wie die Veränderung seines Geruches oder seines Aussehens, nun auch Änderungen in seiner Magiestruktur. Noch war sein Gefährte nicht den Launen der Schwangerschaft unterworfen, doch er hatte bemerkt, dass Lyric oft unruhig, manchmal auch ungeduldig war. Er ist zauberhaft.
Seine Küsse wanderten über den Bauch nach oben, bis er an den sinnlichen Lippen des Runendämons ankam. „Wenn unser Kleines so lieblich wie du wird, werde ich meinen Job an den Nagel hängen", flüsterte er an Lyrics Lippen und vertiefte den zärtlichen Kuss. Die Schatten, die seine Haut bedeckten, wanderten auf seinen Gefährten über, als wollten sie diesen beschützen. Natürlich, immerhin trug er ihren größten Schatz unter dem Herz.
Das mächtigste Orakel der Hölle, vielleicht aller Sphären erwartete Nachwuchs – vor mehreren Jahrzehnten noch undenkbar. Jeder Nix war in Einsamkeit gestorben, hatte sich im Wahnsinn selbst das Leben genommen. Unfähig, andere zu berühren, anderen nur nahe zu sein. Immer allein. Latíz war der erste Nix, welcher sich gebunden hatte, den jahrhundertelangen Fluch gebrochen hatte.
„Heute bist du sehr anhänglich, Latíz", erklang eine belustigte Stimme und Nix blickte in die schwarzen Augen mit dem silbernen Ring. Einmalig, wunderschön.
Ein Lächeln wanderte auf Nix' Gesicht. „Bin ich das? Vielleicht liegt das an deiner unwiderstehlichen Anziehungskraft, mein Herz."
Ein Räuspern erklang und beide schreckten auf. Sofort war Nix in Verteidigungsstellung, die Schatten bildeten eine undurchdringliche Mauer vor ihnen.
Vor dem Bett stand Niyati – der Gott des Schicksals. „Ich wollte nicht stören, doch du hast gekonnt meine Rufe ignoriert. Also habe ich beschlossen, dir ebenfalls auf den Sack zu gehen."
Das war das Schicksal – das allmächtige Schicksal, welches die Fäden aller Lebewesen sponn. Mit verschränkten Armen stand er vor dem Bett der beiden Dämonen und Nix' Augen leuchteten rot, ein Knurren entkam ihm.
„Beruhige dich. Ich habe keine Lust, eure Zweisamkeit zu stören, doch ich möchte dich daran erinnern, dass du einen Job hast, Nix, und dieser braucht nun deine Aufmerksamkeit. Wenn du also nicht möchtest, dass Lyric einen netten mehrtägigen Ausflug zu Tori macht, wirst du jetzt deinen Arsch aus dem Bett schwingen", fügte Niyati angepisst hinzu.
Lyric legte seine Hand in Nix' Rücken und dieser beruhigte sich. Die bedrohliche Aura verschwand. „Nix, geh. Ich werde auf dich warten", sagte dieser.
„Vernünftig, wie immer. Da habe ich den richtigen Partner für dich gewählt. Ich warte in deinem tollen Orakelsaal", antwortete Niyati und einen Moment später war er verschwunden.
Schlecht gelaunt stieg Nix aus dem Bett. Er beugte sich vor und drückte Lyric einen Kuss auf die Lippen. „Ich werde mich beeilen." Sein Liebster nickte nur und murrend öffnete er ein Portal in seine Orakelhöhle. Niyati wartete bereits auf seinem Thron, den Kopf auf seinem rechten Arm abgestützt.
„Ich bin immer wieder fasziniert von deinem Ausstattungsstil. Es passt zu deinem Image", begrüßte der Gott ihn.
„Was willst du? Ich habe keine Zeit für Geplauder", erwiderte Nix. Er war nicht hier, um den Schicksalsgott zu unterhalten.
Niyati richtete sich auf und wurde ernst. „Nix. Es hat begonnen. Du spürst es, nicht wahr?"
Auf diese Worte hin versteifte sich Nix. Er wusste, wovon Niyati sprach. „Was ist es? Erneut eine Prophezeiung der Verdammnis?" Was lag vor ihnen? Was ließ ihn in manchen Nächten nicht schlafen?
Der Gott senkte den Blick. „Ich weiß es nicht. Es ist nichts, was ich gesponnen habe, sondern etwas, das aus der Natur der Sphären entstanden ist, aus dem ursprünglichen Schicksal."
Was viele nicht wussten, es gab einen Faden, der alle Sphären verband. Dieser sponn sich selbst aus der Magie, die diese durchdrang. Um diesen Faden herum sponn Niyati die Fäden der Lebewesen. Doch für Wesen, die keinen Schicksalsfaden besaßen, leitete der Ursprungsfaden ihr Schicksal, zumindest könnte man es so nennen. Dessen Veränderung wirkte sich auf alle Sphären aus, auch die göttliche. Wie dieser entstanden ist und wohin dieser verlief, wusste niemand. Nur dessen Sprachrohre konnten seinen Verlauf deuten.
„Du bist der Gott des Schicksals und kannst nichts über das ursprüngliche Schicksal sagen? Hast du deine Job-Beschreibung nicht richtig gelesen?", antwortete Nix mit sarkastischem Unterton. Er versteckte das Gefühl des Unwohlseins.
Niyati rollte mit den Augen. „Du Narr. Ich spüre, dass es Wellen schlägt. Jahrhunderte war es ruhig, doch etwas ist geschehen, das diesen Faden zum Schwingen bringt. Es hat bereits weit vor der Prophezeiung der Verdammnis begonnen, Nix."
Weit vorher? „Wann?"
Ernste Augen blickten ihn an. „Es begann mit dem großen Fall."
Dem großen Fall – der größten Lüge aller Zeiten. Damals erfolgte ein Ungleichgewicht der Sphären, als zahlreiche Engel fielen und eine gesamte Rasse beinahe vom Antlitz der Welt getilgt wurde. Die Folgen waren verheerend gewesen. Niyati hatte das Chaos über Jahrhunderte bereinigt, die Schicksalsfäden gesponnen, um das Gleichgewicht wieder herzustellen.
„Damals waren ich, Tori und Metis verantwortlich. Doch ich befürchte, dass unser Handeln nicht nur den Fall zahlreicher Engel und die Auslöschung der Deva zur Folge hatte. Etwas ist durch die erneute Erschütterung der Sphären durch die Prophezeiung der Zerstörung erwacht. Etwas, was über die letzten Jahrhunderte Stück für Stück weiter an die Oberfläche gedrungen ist. Etwas, oder jemand."
Nix spürte, wie sich eine Gänsehaut auf seinen Oberarmen bildete. Niyatis Stimmlage ließ nur zu, dass dieses etwas oder dieser jemand mächtig war. „Wer oder was ist es?"
„Ich weiß es nicht." Es gab zahlreiche Götter und Kreaturen, die versiegelt und eingesperrt waren. Wesen, die niemals die Freiheit erlangen durften. „Doch ich weiß, dass die Erschütterung der Sphären, das Gefängnis von diesem gelockert hat. Wir haben es nicht bemerkt, doch ich spüre die Wellen, die das schlägt, und das spürt auch das ursprüngliche Schicksal. Etwas, was eigentlich erst in Äonen geschehen sollte, nimmt nun seinen Lauf."
Das hörte sich alles andere als gut an.
„Nix, wenn dieses Etwas seinem Gefängnis entkommt, dann wird es vermutlich das Gleichgewicht der Sphären zerstören", schloss Niyati ab. Milliarden Leben, vielleicht ganze Sphären würden ausgelöscht werden. „Ich weiß nicht, welches Ziel es verfolgt, doch wenn es über so lange Zeit in einem Gefängnis eingesperrt war, wird es wohl kaum in friedlicher Absicht kommen."
„Wie können wir das aufhalten?", fragte Nix. Sie mussten verhindern, dass dieses Etwas aus dessen Gefängnis entkam.
Der Schicksalsgott erhob sich und er tat etwas, was er seit sehr langer Zeit nicht mehr getan hatte. Seine Augen wurden vollständig weiß und seine Stimme begann zu schwingen.
„Traum trifft auf Realität, Bindung trifft auf Trennung. Vereint bilden sie den Schlüssel, umarmen die Fesseln. Das Schicksal empfängt das Chaos, legt dessen Hand an dieses. Worte der Unschuld besiegeln das Ende."
Nix spürte es. Jeder Bewohner der Hölle, des Himmels und der Menschenwelt spürte es. Der Schicksalsgott hatte eine Prophezeiung gesprochen.
Niyatis Beine gaben nach und er hielt sich die Brust. Sein Atem ging schneller. Er blickte zu dem Orakel. „Nix. Findet die Hüter. Nur sie können das Gefängnis öffnen." Mehr konnte der Gott nicht sagen, denn das war alles, was das ursprüngliche Schicksal ihm eröffnet hatte.
Das Orakel nickte nur stumm.
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Eine Prophezeihung, gesprichen vom Gott des Schicksals.
Was könnte die bedeuten?
Welche "Hüter" könnten gemeint sein?
Was könnte dieses Etwas sein, was seinem Gefängnis zu entkommen versucht?
Eure Mausegöttin
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