Kapitel 13
Als ein Klopfen an der Türe erfolgte, blickte Lucifer auf. Ein Diener? Er erteilte ihm die Erlaubnis einzutreten.
Mit gesenktem Haupt trat dieser ein. „Mein Fürst", sagte dieser, ohne den Blick zu heben.
„Sprich, was ist dein Anliegen."
Lucifer konnte sehen, dass dieser einen besorgten Ausdruck trug. „Euer Gast, es scheint ihm nicht gut zu gehen. Ich habe bereits einen Heiler zu ihm geschickt, da ich vermute, dass er an einem Fieber leidet", antwortete dieser.
Fieber. Vielleicht vom Aufstieg. Er erhob sich und nickte, daraufhin verließ er den Raum. Seine Finger legten sich an die Tür von Maze' Gästezimmer und er öffnete sie.
Im Raum befand sich außer dem Engel nur einer seiner Heiler. Dieser flößte dem Schlafenden Medizin ein und blickte ihn an. „Das sollte das Fieber senken. Was dieses ausgelöst hat, ist mir unklar, doch sein Magie-Kreislauf ist im Aufruhr. Das sollte ihn beruhigen", sagte der Suanggi-Dämon, dann verneigte er sich, um mit seinen Utensilien zu gehen.
Lucifer setzte sich auf den Stuhl, den sein Heiler hatte stehen lassen. Sein Blick wanderte über den schlafenden jungen Mann, dem Schweißperlen auf der Stirn standen. Er holt ein kühles Tuch aus dem Waschraum und fuhr über dessen Stirn. Weshalb mache ich mir Sorgen? Weshalb saß er an dem Bett eines unbedeutenden Engels, anstatt weiter seiner Arbeit nachzugehen?
Falten zogen sich über die Stirn des Engels. „Du bist faszinierend und gleichzeitig ein Ärgernis", sagte Lucifer und lehnte sich zurück. Nach wie vor war dieser Mann ein Rätsel, das er noch nicht gelöst hatte. Cypher und Asheron hatten nichts über ihn herausfinden können, als wäre er abgeschottet gewesen. Was hat Gabriel zu verbergen?
Mit den Fingern strich er eine Strähne aus der Stirn und legte das kühle Tuch darauf. „Vielleicht sollte ich dich einfach kosten, dich unterwerfen. Dann würden diese unsinnigen Gedanken ein Ende finden." Der Geruch von Immergrün mit einer Pfeffernote lag in der Luft. Er war präsenter als sonst. Lucifer würde sich nicht belügen, Maze hatte ein ansehnliches Gesicht, doch es war etwas anderes, das ihn anzog.
„Wirst du dich wehren, oder wirst du dich mir unterwerfen?" Welchen Blick würden diese waldgrünen Augen tragen?
„Es ist lange her, dass mich jemand so gereizt hat wie du." Dieser Gedanke hatte sich in letzter Zeit manifestiert. Seit... dieses verdammte Orakel. Die Worte hatten sich in sein Gedächtnis gebrannt.
Rote Augen schauten ihn an, dann erklang eine tiefe Stimme.
„Wenn die Tore sich öffnen, erscheinen die schwarzen Flügel des Todes. Unsichtbar nähert es sich, legt die Fesseln um. Öffne deine Hand und es wird dir entgleiten."
Nix schaute ihn an und lachte. „Wenn sogar Nix ein Herz erhält... Unsinn", sagte er zum Abschied.
Lucifer öffnete die Hand und schaute auf den Stein. Ein Auge mit waldgrüner Iris.
Ihm war bewusst, dass das Orakel die Worte nur geäußert hatte, um Unfrieden zu stiften. Den Zwischenfall mit dessen Gefährten hatte Nix ihm nicht verziehen. Launisches Orakel. Er würde diesem nicht zu Kreuze kriechen wie die anderen Höllenfürsten. Der Grund war einfach, Nix konnte ihm nichts bieten, was er nicht selbst erhalten konnte. Es gab nichts, was Lucifer begehrte und nicht haben konnte, Nix es ihm jedoch geben konnte.
„Selbst wenn du mir mein Herz auf dem Silbertablett servierst, würde ich dir mit Freuden eines deiner Augen ausreißen." Mit diesen Worten stand er auf und verließ den Raum.
Indessen war Maze weiterhin tief im Schlaf, gefangen in einem Fiebertraum.
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„Liebling. Liebling, wach auf."
Maze blinzelte, das Tageslicht blendete ihn. Er war noch müde, doch als er in die waldgrünen Augen blickte und das Licht in der lockigen, roten Mähne seine Mutter eingefangen wurde, musste er lächeln. Langsam richtete er sich auf und blickte den Engel an, der ihn auf die Welt gebracht hatte. Sie hatte das schönste Lächeln der Welt. „Guten Morgen, Mutter."
Die Augenbrauen seiner Mutter wanderten nach oben und sie gab ihm einen Klapps auf die Schulter. „Na los, aus dem Bett mit dir. Du willst doch nicht zu spät zum Unterricht kommen. Keine Ausreden, auf auf."
Mit erhobenen Händen stand er auf und zog sich schnell an, während seine Mutter wieder in der Küche verschwunden war. Wie jeden Morgen aßen sie gemeinsam, begannen den Tag zusammen. Es gab nur sie zwei, denn sein Vater war verschollen. Viel wusste Maze auch nicht über ihn.
Zum Abschied umarmte er seine Mutter, die wie jeden Morgen seinen Arm für einen Moment hielt. Ihre Finger strichen über den Armreif. Der Reif, der seine Flügel verbarg, ihre falsche Farbe. Weshalb sie falsch war, wusste er nicht. Seine Mutter hatte ihm einst gesagt, es sei das Erbe seines Vaters – dennoch versteckte er dieses Erbe. Darüber schwiegen beide, denn er wollte nicht erneut den schmerzlichen Ausdruck in den warmen Augen sehen.
Gewissenhaft nahm Maze am Unterricht teil, achtete darauf weder positiv noch negativ aufzufallen. Er würde sich einreihen, wie jeder andere, nicht hervorstechen. Ich bin wie die anderen.
Gegen Mittag spürte er eine Unruhe. Er konnte sie nicht wirklich fassen, schob sie einfach bei Seite.
„Heute stehen die Monde besonders. Anscheinend ein Fest der Magie."
Das ist heute? Alle paar Jahrzehnte traten besondere kosmische Ereignisse ein, die unter anderem von der Konstellation der Monde und Sterne herrührten. Die Magie sättigte die Luft, verdichtete sich. Viele übernatürliche Wesen reagierten darauf.
Die Unruhe wurde mit jeder Stunde schlimmer. Als er seinen Stift auf einem Papier aufsetzte, begann seine Hand zu zittern. Sofort ergriff er sie mit der anderen. Sein Nachbar schaute besorgt zu ihm. „Ist alles in Ordnung? Deine Wangen sind rot."
Rot? Maze berührte seine Stirn, spürte die Wärme. Wärme war untertrieben – er glühte. Die Hitze stieg an. Ich muss sofort von hier verschwinden. Auch wenn es ihm unangenehm war, er lief zur Lehrperson und meldete sich ab. Diese schaute ihn besorgt an und entließ ihn.
Sobald er das Gebäude verlassen hatte, entfaltete Maze seine Flügel und erhob sich in die Luft. Ohne anzuhalten, flog er so schnell es ging nach Hause. Mit jeder Sekunde konnte er spüren, wie es ihm schlechter ging. Seine Sicht begann zu verschwimmen, er schwitzte und die Schweißperlen rannen über seine Schläfe, wurden vom Wind fortgetragen. Ich muss es schaffen. Als er auf seine Hand blickte, sah er schwarzen Rauch, der aus seiner Haut waberte. Nein!
Panik ergriff ihn, plötzlich spürte er seinen linken Flügel nicht mehr. Er gab einfach nach und er verfiel in einen trudelnden Sinkflug, bei dem sein rechter Flügel wild flatterte. Der Boden kam näher und hart trafen seine Beine auf den Boden, woraufhin er taumelte und stürzte. Die Steinchen am Boden gruben sich in die Haut seiner linken Wange und der Geruch von Eisen trat in seine Nase.
Kraftlos lag er am Boden, die Flügel neben ihm wirr auf den Boden. Muss nach Hause. Seine Gedanken wanderten fieberhaft. Maze versuchte sich aufzuraffen, doch seine Muskeln versagten ihren Dienst. „Mutter", keuchte er.
Die Welt vor seinen Augen begann sich zu verändern, Stück für Stück wichen die Farben. Seine Augen fokussierten seinen linken Flügel und musste mitansehen, wie das reine Weiß von Schwarz aufgefressen wurde.
Eine Stimme rief seinen Namen, dann spürte er kühle Hände an seiner Wange. Sie waren so kühl, beruhigend. Die Geräusche waren dumpf und sein Blickfeld ruckelte, bewegte sich. Sein Kopf sagte ihm, dass er sich bewegte. Jemand trug ihn mit sich. Rote Haare färbten sich langsam grau.
Die Tür schloss sich und die vertraute Umgebung umgab ihn. Ich bin zuhause. Seine Mutter hatte ihn gefunden.
Kurz darauf spürte er eine Kühle an seiner Wange und er wurde gedreht, lag auf dem Rücken. Immer wieder wischte seine Mutter ihm den Schweiß von der Stirn und der Wange, redete beruhigend auf ihn ein, doch er hörte sie nur dumpf.
Die Luft wurde schwer und er konnte es spüren. Die Magie verdichtete sich, wanderte in Wellen durch seinen Körper, veränderte ihn. Schwarzer Rauch begann aus seiner Haut zu treten, die eine schneeweiße Farbe annahm. Seine Augen hatten ihre waldgrüne Farbe verloren, wurden gänzlich schwarz. Nur seine Iris leuchtete in einem hellen Weiß. Er versuchte gegen den Schmerz anzuatmen.
Was geschieht mit mir?
Verschwommen durch die Tränen, die ihm über die Wange liefen, sah er den ängstlichen Blick seiner Mutter. „Es wird alles gut, mein Liebling", flüsterte sie immerzu, doch Maze' Herz schmerzte. Er wollte sie nicht so sehen, nicht erneut.
Sie leidet wegen mir. Mit aller Kraft hob er seine Hand, legte sie an ihre Wange. „Mutter", flüsterte er.
Ein lauter Knall erklang. Schritte hallten wieder und Fremde traten in ihre Räume, drei an der Zahl. Maze erkannte sie nicht, nur einen – es war der Erzengel Gabriel.
Entsetzte Blicke wurden auf ihn gerichtet, Unruhe brach aus. Seine Mutter zog ihn schützend an sich.
„Bringt ihn in den Isolationsraum und Isolde-" Maze verstand die letzten Worte des Erzengels nicht, doch seine kalte Stimme und dessen Blick nahmen ihm die Luft zu atmen.
Die beiden Engel zerrten seine Mutter von ihm fort, auch wenn diese sich wehrte. Maze konnte sich nicht rühren, nur ein flehender Blick stand in seinen Augen. „Ich bin ein Engel", flüsterte er und schloss die Augen. In diesem Augenblick nahm er jeden Funken Magie in seinem Innern, drängte das, was an die Oberfläche gedrungen war, zurück. Seine Flügel begannen sich weiß zu färben, seine Augen und Haut erhielten ihre ursprüngliche Farbe zurück.
Seine Worte stießen auf taube Ohren, ebenso seine flehenden Blicke. Er wurde fortgeschleppt, eingesperrt in einen Raum mit weißen Wänden ohne Fenster und ohne Türen.
Es dauerte Stunden, bis er sich wieder bewegen konnte. Verzweifelt schlug er gegen die Wände, bis Blutspuren diese zierten. „Lasst mich hinaus! Lasst mich zu seiner Mutter!", schrie er.
Mutter, bitte...
Stille.
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Mit einem lauten Keuchen schreckte Maze nach oben. Sein Puls rauschte in seinen Ohren. Sein Atem beruhigte sich, doch seine Hände waren nach wie vor in die Bettdecke gekrallt. „Es war nur ein Traum", sagte er immer wieder.
Ein Traum. Die letzte Erinnerung, die er an seine Mutter hatte. Gabriel hatte ihn in den Raum gesperrt, sie getrennt. Nach einiger Zeit war der Erzengel gekommen und hatte ihn vor die Wahl gestellt – entweder er trat in seine Dienste, oder er würde seiner Auslöschung entgegentreten.
„Du hast die Wahl, Maziel. Wenn du diese Aufgabe bewältigst, wirst du deine Mutter vielleicht wiedersehen. Wenn du mir den Dienst jedoch verweigerst, werde ich deine Auslöschung veranlassen. Dein Leben liegt nun in meiner Hand und niemand wird dir helfen."
Diese Worte hatte der Erzengel mit einer Kälte geäußert, die ihm immer noch eine Gänsehaut bescherte. Es sind nicht die Dämonen, die grausam und egoistisch sind – Engel sind weit grausamer.
Gabriel hatte nicht gelogen, dennoch hatte er ihn getäuscht. Er hatte ihm verschwiegen, dass über seine Mutter gerichtet worden war. Lucifer hat mich nicht einen Moment belogen. Weshalb war ihm gerade dieser Gedanke gekommen? Sein Blick senkte sich und er sah ein weißes Tuch auf seinem Schoß liegen. Als der Engel es in die Hand nahm, spürte er, dass es leicht feucht war.
Jemand hat mir den Schweiß von der Stirn gewischt. Als er das Tuch an seine Nase führte, erstarrte er. Unmöglich. Der Geruch von Sandelholz mit einer leichten Chili-Note trat in seine Nase. Wortlos legte er das Tuch auf den Nachttisch und stand auf. Luft. Er musste nach draußen. Also zog er sich leichte Kleidung an und wanderte in Richtung des Gartens. Sobald er an die frische Luft trat, konnte er atmen. Die Enge in seiner Brust löste sich.
Langsam schritt Maze durch den Garten, ließ seine Finger über die Blütenblätter gleiten. Nun verstehe ich, weshalb er so oft hier draußen sitzt. Er verspürte einen Frieden, eine Ruhe. Langsam ging er vor einer Rose auf die Knie und blickte sie an. „Du bist wunderschön. Versteckst du auch ein hässliches Antlitz?" War sie ebenfalls befallen, innerlich verfault?
„Schönheit ist ein individuelles Konstrukt, das niemals von Bedeutung war", erklang eine weibliche Stimme.
Sofort drehte Maze den Kopf und blickte in weiße Augen mit einer quecksilberfarbenen Iris. Eine Frau mit schwarzer Haut und schneeweißen Haaren stand vor ihm. Sie trug eine weiße Toga mit silbernen Rosenstickereien darauf. Er wollte sich erheben, doch es war, als wäre sein Körper einer Starre verfallen. Er konnte sie nur anschauen, sich jedoch nicht rühren.
Anmutig kniete sich die Frau vor ihn, legte die Hand an seine Wange. „Es wird Zeit, dass du den Raum mit den weißen Wänden verlässt. Der gefallene Stern wartet darauf, dass du endlich erwachst."
Die Worte hallten in Maze' Kopf. Der Wind wehte, die weiße Haare flatterten im Wind. Ein Augenblinzeln später war die Frau verschwunden. Es gab keine Spur, keinen Hinweis, dass sie gerade noch vor ihm gestanden war. Seine Knie gaben nach, sodass er gänzlich auf dem Boden kniete, das Gesicht diesem entgegen gerichtet.
„Was war das?", fragte er, blickte sich um, doch es war niemand in diesem kleinen Paradies, er war allein. Hatte er sich das Ganze eingebildet?
Aufgewühlt erhob sich Maze und setzte sich auf die Bank, auf der am Tag zuvor der gefallene Engel mit den trüben Augen gesessen hatte. Er blickte in die Richtung, in die auch Lucifer geblickt hatte. In diesem Augenblick spürte er ein tiefes Bedürfnis, also schloss er die Augen und begann leise zu singen.
„Zeig mir, was ich zu sehen vermag.
Versteckt, der Schein, der hell erscheint.
Süße Lüge, zergehe und hülle das ein,
was hässlich und verdorben.
Ich widme dir mein Leben,
du kannst es vollständig verschlingen.
Narben brennen sich in meine Haut,
Dunkelheit füllt mein Schicksal."
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Der letzte Teil von Maze' Rückblick ist abgeschlossen.
Wie fühlt ihr euch?
Eure Mausegöttin
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