Kapitel 5
"Und bist du schon am Packen?", fragte Evie, die gerade den Kopf in mein Zimmer streckte.
"Ich werde nicht mitkommen", antwortete ich ruhig und konzentrierte mich wieder auf das Buch vor mir.
"Kayden hat gesagt, ich soll darauf achten, dass du packst und mitkommst. Du hast keine Wahl und eine Ausrede hast du dieses Mal auch nicht!", lachte Evie und ließ sich auf den weichen Teppich in der Mitte meines Zimmers fallen, "Es sind Semesterferien. Das bedeutet keine Prüfungen, kein unnötiges Büffeln und seien wir ehrlich du hast auch keine Verabredungen mit irgendwelchen Menschen gemacht."
Als Antwort zuckte ich bloß mich den Schultern.
"Ich möchte wirklich nicht mit zum jährlichen Rudeltreffen", jammerte ich.
"Was ist denn so schlimm daran. Es ist unsere Familie. Willst du Papa und unsere Brüder nicht wieder sehen? Und was ist mit Onkel Sean und Onkel Harvey?"
"Du weißt, du sollst Harvey nicht so nennen. Er mag das nicht. Und seit wann nennst du Ruben Papa? Wir haben ihn noch nie so genannt?!", fragte ich verwirrt.
"Tut mir leid. Ich habe es mir einfach so angewöhnt. Wenn man Ruben Papa und Sean und Harvey Onkel nennt, kommen nicht so viele Fragen von meinen Freunden. Dann ist es etwas normaler, dass Ruben fünf Kinder adoptiert hat und mit zwei eigentlich nicht verwandten Typen aufgezogen hat", zuckte meine Schwester mit den Schultern, "Aber lenk nicht ab! Du musst mitkommen. Du kannst mich nicht wieder mit denen alleine lassen. Außerdem meinte Ruben, dass ein Alpha mit seinen Stellvertretern und noch weiteren von seinen Rudelmitgliedern vorbeikommt. Es wird also eine richtige Party geben. Du musst einfach kommen!"
"Bitte, ich flehe dich an. Zwing mich nicht dazu?", jammerte ich weiter.
"Doch das werde ich. Oder muss ich Connor und Kayden anrufen, damit sie dich abholen?!", fragte Evie herausfordernd, "Außerdem sind wir deine Familie. Du musst uns irgendwann mal wieder besuchen. Das Rudeltreffen ist dafür die perfekte Gelegenheit. Also pack jetzt endlich deine Tasche oder ich rufe unsere Brüder an und die Packen für dich. Du hast die Wahl."
Mit einem diabolischen Lächeln auf den Lippen verließ meine Schwester mein Zimmer. Sie kannte mich zu gut. Ich würde definitiv lieber selbst packen, als Connor oder noch schlimmer Kayden das für mich übernehmen zu lassen.
"Wir fahren in zwei Stunden los! Sei dann fertig!", hörte ich Evie noch aus der Küche rufen.
In solchen Momenten liebte sie es, sich als die große Schwester aufzuspielen. Evie war bloß vier Monate älter als ich, aber irgendwie hatte sie sich von Connor abgeschaut, das ältere Geschwisterchen zu spielen. Aber im Endeffekt waren wir mehr Freundinnen, als Schwestern. Auch wenn es meistens nicht so wirkte, da wir komplett unterschiedliche Leben führten. Dass wir zusammen aufgewachsen waren und die einzigen beiden weiblichen Wesen in einem Männerhaushalt waren, hatte uns zusammengeschweißt.
Unschlüssig stand ich vor meinem Koffer. Was sollte ich für die drei Wochen alles packen? Ein paar Dinge hatte ich auch noch in meinem Zimmer Zuhause, aber der Großteil lag hier vor mir, in meinem Schrank.
Am Ende packte ich alles, fein säuberlich in meinen Koffer, was platz fand. Wahrscheinlich hatte ich jetzt zu viel dabei, aber besser zu viel, als zu wenig, würde ich mal sagen.
Unmotiviert hievte ich meinen Koffer auf die Rückbank meines Autos. Denn obwohl zusammen fahren effektiver und umweltfreundlicher gewesen wäre, war meine wundervolle Schwester einfach ohne mich losgefahren. Sie hatte mir nicht einmal bescheid gegeben, dass sie schon los will. Erst als ich meinen Koffer ins Auto packen wollte, merkte ich das sie schon längst weg war. Auf meine Nachricht, wo sie denn sei, antwortete sie nur, sie wolle auch mal ohne mich rumfahren können Zuhause und da wäre es ja praktischer mit zwei Autos zu fahren.
Man konnte sie einfach nur lieben, nicht wahr?!
Also machte ich mich ganz alleine auf die drei stündige Fahrt nach Hause. Nach knapp der Hälfte hörte ich mein Handy klingeln. Zum Glück konnte ich über die Freisprechanlage im Auto ran gehen.
"Hey, Schwesterlichen!", hörte ich Connor ins Telefon brüllen, "Wo bist du? Wir warten alle auf dich!"
"Hätte Evie auf mich gewartet, müsste ihr jetzt nicht warten", antwortete ich schlicht.
"Na immerhin bist du auf dem Weg", hörte ich jetzt auch Lewis, "Der Fettsack wollte sich schon auf den Weg zu dir machen, um dich abzuholen."
Mit "der Fettsack" war unser Bruder Kayden gemeint, obwohl ganze zehn Jahre Altersunterschied zwischen den beiden lagen und Lewis niemals auch nur den Hauch einer Chance gegen den ältesten in der Familie hatte, nutzte er trotzdem jede Gelegenheit, um Kayden zu nerven oder zu ärgern. Wenn Kayden mal nicht da war, versuche Lewis das ganze mit Connor. Wobei das immer sehr viel gefährlicher war. Kayden nahm immer noch Rücksicht auf unseren jüngsten, aber Connor interessierte das nicht. Alter sei bloß eine Zahl meinte er immer. Lewis sei jetzt ein vollwertiger Werwolf, also sollte er sich auch verteidigen wie einer. Ruben schüttelte immer nur den Kopf über die Jungs und meinte das Jungs immer Jungs bleiben würden. Evie liebte diese Streitereien. Sie gehörten für sie einfach zu unserer Familie und unserem Leben dazu, aber ich fand sie fürchterlich. In solchen Momenten wünschte ich mir am meisten ein normaler Mensch zu sein, der in einer ganz normalen Familie aufgewachsen ist. Einer Familie in der es nicht normal war mit seinen Brüdern so lange zu Kämpfen, bis man gebrochene Knochen hatte. In der nicht alle paar Wochen eine Beerdigung abgehalten werden musste, weil sich rudellose Wölfe gegen die Regeln auflehnten oder Vampire den Vertrag brachen. Eine Familie in der ich nicht zu Geheimnissen gezwungen war.
"Ich bin in etwas mehr als einer Stunde da. Ihr könnt schon ohne mich mit dem Essen anfangen. Ich habe eh nicht so viel Hunger."
"Faith, du bist ein Werwolf und hast immer Hunger. Außerdem würde Ruben uns nicht mit dem Essen anfangen lassen, bevor du nicht da bist", meinte Connor sachlich.
"Wir sind eine Familie, also essen wir auch zusammen!", hörte ich Ruben im Hintergrund brummen.
"Außerdem habe ich dein Lieblingsessen gekocht. Extra zu dem Anlass, dass du endlich mal wieder nach Hause kommst!", rief da auch plötzlich Sean ins Telefon.
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