Kapitel 41
"Also worüber wolltest du mit mir reden?", fragte Ruben nach. Wir saßen uns in dem kleinen Café an einem Tisch etwas abseits gegenüber. Ich hatte mir die hinterste Ecke ausgesucht, damit niemand so schnell mitbekam, dass wir hier waren und über was wir uns unterhielten.
"Ich habe etwas länger schon mit einer Idee gespielt. Vor Seans Tod hatte ich sie abgelehnt, da ich nicht von Zander weg konnte oder wollte. Aber jetzt hat sich alles geändert und ich möchte diese Möglichkeit ergreifen. Ich habe mich für ein Stipendium für ein Auslandsjahr in Europa beworben. Jeden Monat eine neue Uni, ein neues Land in Europa, damit man die besten und wichtigsten Dinge aus den jeweiligen Ländern lernen kann und nicht nur von einem Land geprägt wird. Ich weiß noch nicht, ob ich angenommen werde, aber ich hoffe es."
"Wie kommst du plötzlich auf so eine Idee?", fragte Ruben nach. Obwohl seine Stimme ganz ruhig war, konnte ich in seinen Augen die Betroffenheit ablesen, darüber das ich sogar auf einen anderen Kontinent flüchten wollte.
"Einer von meinen menschlichen Freunden hat es mir vorgeschlagen. Er wurde ebenfalls angenommen."
"Du willst uns also komplett verlassen?"
"Es wäre nur ein Jahr. Ich muss hier weg. Ich halte das nicht aus. Obwohl ich mich so weit es geht von River und seinem Rudel fern halte, ich reiche oder sehe sie überall. Und ich ertrage das nicht. Vielleicht irgendwann einmal, aber momentan ist es noch zu schmerzvoll. Ich hoffe, dass ich das in einem Jahr schaffen kann."
"Wann würde das alles losgehen?"
"Wenn ich genommen werde, dann zum nächsten Semesterstart. Also im August."
"Aber wir haben doch erst März. So lange musst du noch hier bleiben, wie willst du das schaffen?", fragte Ruben nach.
"Darum musst du dir keine Gedanken machen. Ich werde, falls ich genommen werde, auch schon etwas früher fliegen. Dann kann ich meine Sommerferien schon dort etwas verbringen und arbeiten oder so."
"Wenn das alles schon so beschlossen ist, was genau erwartest du dann von mir?", seufzte mein Vater.
"Ich bin immer noch ein Werwolf. Egal ob mir das gefällt oder nicht. Und wenn ich andere Länder besuche brauche ich die Genehmigung von dem jeweiligen Alpha. Und ich weiß, dass Europa unter Alpha James vereinigt ist würdest du für mich die Genehmigung einholen, damit ich Europa betreten darf?"
"Du weißt aber, dass alle Wölfen, denen du begegnen wirst genauso riechen werden, wie die Mörder von Sean?", fragte Ruben mit hochgezogener Augenbraue nach, "Du willst dem Geruch entfliehen und begibst dich genau in das Mittelfeld."
"Ich weiß, dass das dumm klingt. Aber diese Wölfe riechen nur so. Sie kamen nicht in unser Land und haben den Tod von Sean zu verantworten."
"Aber Ruby, Summer, River und Zander haben das auch nicht zu verantworten und bei ihnen dachte ich, dass es dir um den Geruch gehen würde."
"Es geht auch um den Geruch, aber eigentlich sogar mehr darum, dass ich jedes Mal, wenn ich sie sehe, daran denken muss, dass wenn sie niemals in unser Land gekommen wären, Sean noch leben würde."
"Ich denke nicht, dass das eine gute Idee wäre. Du rennst vor deinem Gefährten davon. Er hat dir nichts getan und ist auch in keinster Weise für den Tod von Sean verantwortlich", seufzte Ruben, "Aber es ist deine Entscheidung und wenn du denkst, das würde dir helfen, um zu uns zurück zu finden, dann werde ich James darum bitten, dass wir eine Genehmigung für dich bekommen. Allerdings muss ich ganz ehrlich zu dir sein. Ich heiße es nicht gut, dass du deine Familie, deinen Gefährten und dein Blut so verrätst und uns alle zurücklässt."
Schwer musst ich schlucken. Ich war immer das "perfekte" Kind gewesen. Um mich hatte sich nie jemand Sorgen machen müssen. Es war gerade das erste Mal gewesen, dass Ruben mir gesagt hatte, dass er etwas, was ich tat, nicht gut fand.
"Ich weiß, dass du das nicht gut findest, aber ich werde es machen, wenn ich die Möglichkeit dazu bekomme."
"Nun gut. Ich denke, du solltest jetzt gehen. Ich werde mich noch mit deiner Schwester treffen und ich denke, sie wird Summer mitbringen", erklärte Ruben betrübt. Es widerstrebte ihm, dass er mich nicht mehr gemeinsam mit meiner Schwester besuchen konnte, aber er wollte mir auch keinen Schmerz zufügen.
"Dankeschön", flüsterte ich. Gemeinsam standen wir auf. Ruben zog mich in eine feste Umarmung.
"Was Connor gesagt hat stimmt, Sean hätte das nicht gewollt. Er hat dich so sehr geliebt, euch alle. Er wollte niemals, dass wir unsere Familie verlassen. Wir lieben dich auch alle. Vergiss das nicht", murmelte er an meinen schwarzen Haaren.
Nickend löste ich mich von ihm.
"Bitte sag noch niemandem etwas von meinem Vorhaben. Ich will es ihnen selbst sagen, wenn ich angenommen wurde und es der richtige Moment dafür ist. ich werde dich auch wissen lassen, ob ich genommen wurde", sagte ich zum Abschied, "Wir sehen uns."
Schnell verließ ich das Café. Ich wollte nicht auf Evie oder Summer treffen. Meine Schwester würde wissen, dass etwas mit mir los war. Etwas das nichts mit dem Geruch oder dem Aussehen ihrer Gefährtin zu tun hatte. Ich wollte es ihr nicht sagen. Eigentlich wollte ich es keinem meiner Geschwister sagen. Sie würden nur versuchen mich von meiner Idee abzubringen. Am Ende würde ich wahrscheinlich auf sie hören, aber es würde mich nur unglücklich machen.
Jetzt konnte ich nur noch auf meine Annahme warten und dann würde ich es allen sagen. Vielleicht auch erst kurz vor meinem Abflug. Dann könnten sie nichts mehr dagegen tun.
Mit diesen Gedanken im Kopf lief ich zurück zu meiner Wohnung. Connor saß wahrscheinlich immer noch vor dem Fernseher und stopfte sich mit Essen voll. Er nutzte jede Ausrede, die er bekommen konnte, um nicht lernen zu müssen. Eigentlich war er mehr ein Student, um zu feiern, Mädchen aufzureißen und um Geld zu verdienen, in dem er Prüfungsfragen oder Hausarbeiten an seine Mitstudenten verkaufte.
Aber als ich zurück kam, musste ich feststellen, dass ich mich geirrt hatte. Mein Bruder war verschwunden, aber auf dem Küchentisch lag ein kleiner Zettel.
Ich bin wieder zurück zur Uni gefahren. Morgen habe ich eine Prüfung, die ich nicht versäumen kann. Ich hoffe dein Gespräch mit Ruben lief gut. Wenn du mich noch mal brauchst, ruf einfach an, dann bin ich sofort da.
Ich liebe dich, Erbse. Bis bald.
Dein großer Bruder
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