45 - Romantik? Kann ich!
Brendons POV
„Meinst du, dass es ihr gefallen wird?" Verunsichert schaue ich in die dunklen Augen meiner Mom. Sie hockt neben mir auf dem Sofa und schenkt mir ein aufmunterndes, zuversichtliches Lächeln.
„Natürlich!", behauptet sie so energisch, dass jegliche Zweifel zu Staub verpuffen. „Noelie wird total aus dem Häuschen sein!"
Bei ihrer Wortwahl muss ich schmunzeln.
Ich bin meiner Mom unglaublich dankbar, dass sie immer für mich da ist und in jeder Lebenslage zu mir hält. Besonders in der Zeit, in der ich dachte, Noelie und Fletcher würden einander Liebesbriefe schreiben.
Wenn es eine Person gibt, auf die ich zu eintausend Prozent zählen kann, dann ist das meine Mom!
Allerhöchste Zeit, ihr bald mal wieder einen Käsekuchen zu backen.
„Ben?"
Bei dem Klang ihrer vertrauten Stimme schüttele ich mich kurz, um das leckere Gebäck aus meinen Gedanken zu vertreiben. „Hm?"
„Es ist toll, dass du in Noelie endlich deinen Herzensmenschen gefunden hast. Nicht jeder hat Glück, so eine besondere Person in seinem Leben zu haben." Mit Tränen in den Augen lächelt sie mich an. „Für mich als Mutter ist es wunderschön, zu sehen, wie du aufblühst und das Leben führst, das dir in Kingston Valley verwehrt wurde."
Obwohl Mom keine bösen Absichten hat, versteife ich mich kurz.
In den letzten Tagen habe ich es gut geschafft, die Dämonen aus meinem Oberstübchen fernzuhalten, aber sie lauern noch immer in meinem Herzen und auf meiner Seele. Bereit, anzugreifen und mich in ein emotionales Wrack zu verwandeln, wenn es sein muss.
„Der neue Brendon ist der absolute Wahnsinn!" Mom wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Dann breitet sie ihre Arme aus und wispert: „Komm her, mein Großer. Ich habe dich lieb!"
„Und ich dich erst!"
🍂🍂🍂
Wie immer sieht Noelie bezaubernd aus. Sie trägt eine enganliegende Jeans, ihren beigen Herbstmantel und Stiefeletten. Die erdbeerblonden Haare kringeln sich in sanften Wellen über ihre Schultern und auf ihrem Kopf thront eine knallrote Bommelmütze.
„Hey", begrüße ich sie strahlend. „Bist du warm genug angezogen?"
„Hi", erwidert Noelie lächelnd. Im selben Atemzug verwickelt sie mich in eine Umarmung, die tausend Glücksraketen in meinem Bauch explodieren lässt. „Falls mir kalt wird, bist du ja da, um mich zu wärmen, oder?"
Perplex halte ich die Luft an.
Um ehrlich zu sein ist es noch immer total surreal, dass Noelie jetzt meine Freundin ist und regelmäßig mit mir flirtet. Auch ihre körperliche Nähe entfacht nach wie vor einen Strudel aus nervösen Stromstößen in meinem Bauch.
Ob ich mich jemals an die Gefühle gewöhnen werde, die sie in mir auslöst? Ich bezweifele es.
Für ein paar Sekunden halten wir einander noch in den Armen, ehe wir uns wieder lösen. Sofort legt Noelie ihren Kopf schief und bedenkt mich mit einem neugierigen, abwartenden Blick.
Ach ja, da war ja was: Ihre Frage ...
„Ich stelle mich gerne als deine persönliche Wärmflasche zur Verfügung", antworte ich ihr schmunzelnd.
Direkt blitzt ein schelmisches Funkeln in ihren blauen Augen auf, das ihr ganzes Gesicht erhellt. „Perfekt!", freut sie sich. „Dann kannst du mir ja jetzt endlich verraten, was du geplant hast und warum ich mich warm anziehen sollte, oder?"
Wieder schmunzele ich, denn es ist süß, wie aufgeregt Noelie ist. Einerseits liebt sie Überraschungen, andererseits ist sie viel zu ungeduldig und neugierig dafür.
Um sie nicht noch länger auf die Folter zu spannen, schnappe ich mir ihre Hand und ziehe sie vorsichtig ins Haus. „Komm mit." Gemeinsam laufen wir durch den Flur, vorbei am Wohnzimmer, aus dem die Töne irgendeines kitschigen Liebesfilmes dröhnen. Am Ende des Ganges biegen wir rechts ab, sodass wir wenig später eine Glastür erreichen, die in den Garten führt.
Ganz der Gentleman halte ich Noelie die Tür auf und überlasse ihr den Vortritt. Mit großen Augen stolpert sie auf die Veranda, stützt sich an einem Stuhl ab und schaut sich dann staunend im Garten um.
Überall funkeln Lichterketten, die ich gemeinsam mit Moms Hilfe in den Ästen der Bäume und entlang des Zauns angebracht habe. Die sanften, warmweißen Lichter tauchen die Umgebung in ein verträumtes Leuchten, während ein paar Laternen mit flackernden Kerzen den Weg zu einer Picknickdecke säumen.
Auf der Decke türmen sich weiche Kissen in verschiedenen Größen, die zum gemütlichen Verweilen einladen, und kuschelige Decken. In kleinen Dosen und Schälchen befinden sich mehrere Köstlichkeiten: Von frischen Früchten über Käsehäppchen bis hin zu süßen Desserts.
Es herrscht eine entspannte Stille, die nur ab und zu von einem entfernten Zirpen einer Grille unterbrochen wird.
„Wow!", entfährt es Noelie fasziniert. Nicht nur die Sterne, die am Himmelszelt tanzen, sondern auch die vielen Lichter, die den Garten schmücken, spiegeln sich in ihren Pupillen wider. „Hast du das extra für mich gemacht, Brendon?"
Lächelnd trete ich an ihre Seite. Kurz zögere ich, doch dann schlinge ich meinen Arm um ihre Taille und ziehe sie näher an meinen Körper. So dicht, dass ihr blumiges Parfüm meine Nase kitzelt und ich zufrieden seufze.
„Ich, na ja ...", stammele ich verlegen. „Ich wollte dir gerne eine Freude machen. Und dir zeigen, dass ich romantisch sein kann."
Bei meinen Worten wird das faszinierte Strahlen auf Noelies Gesicht breiter. „Du bist süß", meint sie. „Danke!" Um ihre Freude zu unterstreichen, haucht sie mir einen federleichten Kuss auf die Wange. Danach schnappt sie sich meine Hand und zieht mich übermütig zu der karierten Picknickdecke.
„Magst du es überhaupt so kitschig und romantisch?", möchte ich währenddessen von ihr wissen.
Noelie bleibt so abrupt stehen, dass ich beinahe auf dem feuchten Gras ausrutsche. „Es ist absolut perfekt!", versichert sie mir. „Also ja, ich mag Romantik und Kitsch."
Erleichtert atme ich die angehaltene Luft aus. Es freut mich, dass ich scheinbar die richtige Intuition hatte und Noelies Geschmack getroffen habe.
Ab sofort werde ich sie häufiger mit Überraschungen verwöhnen! Einfach, um das begeisterte Leuchten in ihren hübschen Augen zu sehen.
Kaum ist dieser Gedankengang aus meinem Kopf geweht, setzen wir uns auf die Picknickdecke. Da es ziemlich frisch ist und sanfte Windstöße um unsere Körper flattern, lege ich eine weiche Kuscheldecke über unsere Beine. Außerdem rücke ich so nah zu Noelie, dass ihre Wärme auf mich abfärbt.
„Ich hoffe, du hast ein bisschen Hunger mitgebracht." Mit dem Zeigefinger deute ich auf die Dosen und Schälchen. „Wenn nicht, köpft mich Mom. Immerhin habe ich den ganzen Kühlschrank geplündert."
Noelie kichert leise. „Keine Sorge, ich habe immer Hunger!"
„Dann greif zu!"
Das lässt sich Noelie nicht zweimal sagen. Ihr Blick wandert über all die verschiedenen Köstlichkeiten hinweg, bis er schließlich an der Dose mit den Pizzaschnecken hängenbleibt.
„Gute Wahl", kommentiere ich.
Während Noelie also über die Pizzaschnecken herfällt, bediene ich mich an dem Baguette und den Käsehäppchen. Außerdem schnappe ich mir die Thermoskanne mit dem Zitronentee und fülle die braune Zuckerflüssigkeit in zwei Tassen.
Ein paar Minuten verstreichen, in denen wir einfach nur essen und die gemütliche, romantische Atmosphäre genießen. Irgendwann lenke ich dann Noelies Aufmerksamkeit auf mich, indem ich nervös stottere: „Wir, na ja, wir sind ja jetzt in einer Beziehung ..."
Direkt wird Noelie hellhörig. Ihre blauen Augen verweben sich mit meinen und beschleunigen meinen Herzschlag.
„Und ähm ..." Ich kratze mich im Nacken. Vor lauter Überforderung und Verlegenheit. „Ich, äh, ich wollte mal fragen, was dir überhaupt in einer Beziehung wichtig ist." Kaum ist das letzte Wort verklungen, finden meine Finger den Weg zum Saum meiner Jacke und nesteln dort herum.
Zwar habe ich Noelie versprochen, nicht mehr an ihr zu zweifeln, aber trotzdem bleibt die Angst, ihr und ihren Ansprüchen nicht gerecht zu werden. Wenn sie schon mit mir zusammen ist, dann möchte ich, dass es ihr gutgeht und dass sie glücklich ist.
„Hm ..." Noelie runzelt nachdenklich ihre Stirn. Sie schiebt sich eine kleine Weintraube in den Mund, bevor sie antwortet: „Es ist mir wichtig, dass wir immer ehrlich zueinander sind und über alles sprechen. Unsere Beziehung muss nicht perfekt sein. Nur echt."
Ich nicke. Das sollte ich hinbekommen. Zumindest meistens.
„Und wie sieht das mit ..." Ich halte inne. Siedend heiße Blitze schießen mir in die Wangen und bringen meinen Körper von Innen zum Glühen. Es ist mir unangenehm, meine Gedanken laut auszusprechen.
So viel also zum Thema Offene Kommunikation ...
Blöderweise merkt mir Noelie meine Verlegenheit an und hakt nach: „Was wolltest du gerade fragen?"
Ich schaffe es nicht, ihrem intensiven Blick standzuhalten und senke peinlich berührt den Kopf. „Also wir, äh, wir haben uns ja schon geküsst, aber ..." Wieder lasse ich meinen Satz unvollendet.
Gott! Warum bin ich bloß so verklemmt?
Noelies freches Grinsen trägt leider auch nicht gerade dazu bei, dass ich mich entspanne und mein Schamgefühl ablege.
„Aber?", wiederholt sie herausfordernd.
Oh man. Ich seufze. Jetzt oder nie!
Mit zusammengekniffenen Augen, um ihren Gesichtsausdruck nicht zu sehen, murmele ich viel zu schnell: „Aber wir haben noch nicht miteinander geschlafen."
Für ein paar Sekunden ist es mucksmäuschenstill. Nur der heulende Wind fegt durch die Bäume und vertreibt die letzten Grillen.
War es dumm von mir, meine Sorgen indirekt auszusprechen?
„Brendon ..." Noelie legt ihre Hand auf meine. „Sieh mich bitte an."
Obwohl es mir verdammt schwerfällt, komme ich ihrer Aufforderung nach. Mit glühend heißen Wangen suche ich ihre Augen und verliere mich in dem tiefen, blauen Ozean, der im Schein der vielen Lichter geheimnisvoll funkelt.
„Hör zu: Ich genieße es, dich zu küssen und dir nahe zu sein, aber wir sollten nichts überstürzen", wispert Noelie mit eindringlichem Unterton in der Stimme. „Ich denke, wir werden beide merken, wenn wir dazu bereit sind, den nächsten Schritt zu gehen. Ganz ohne Druck."
Das Lächeln, das mir Noelie nun zuwirft, ist so aufrichtig, dass sich die Eisenketten von meinem Herzen lösen. Außerdem fällt eine gigantische Last von meinen Schultern.
„Ich war noch nie in einer Beziehung", gestehe ich. „Deshalb möchte ich alles richtig machen."
Vorsichtig legt Noelie ihre Hand an meine linke Wange. Mit ihren Fingerspitzen zeichnet sie die hellen Flecken auf meiner Haut nach. „Von diesem Gedanken musst du dich lösen. Und zwar sofort! Wie schon gesagt: Eine Beziehung ist nie perfekt. Wichtig ist nur, dass wir offen und ehrlich miteinander kommunizieren und täglich an uns und unserer Beziehung arbeiten. Schaffen wir das, Brendon?"
Für den Bruchteil einer Sekunde nagen fiese Zweifel an mir.
Jahrelang war ich nicht dazu in der Lage, eine Freundschaft zu führen. Wie soll es mir also gelingen, so ein tolles Mädchen wie Noelie glücklich zu machen?
Versprechen hin oder her: Bis heute kann ich nicht richtig verstehen, warum sie ausgerechnet mit mir in einer Beziehung ist.
Um meine Sorgen und Zweifel zu verscheuchen, schüttele ich energisch den Kopf. Ich muss darauf vertrauen, dass unsere Gefühle stark genug sind.
„Ja, das schaffen wir."
Noelies Lächeln wird nun von einem Hauch Erleichterung gekennzeichnet. Sie beugt sich langsam zu mir hinüber und verbindet unsere Lippen zu einem zärtlichen Kuss.
Direkt flattern die Schmetterlinge aufgeregt durch meinen Magen und mir wird ganz heiß.
Es fühlt sich unglaublich schön an, Noelies Lippen zu spüren. Sie sind warm und erzeugen ein angenehmes Prickeln in meinem Mund.
Viel zu schnell lösen wir uns wieder aus dem Kuss. Vorsichtig lehnen wir unsere Köpfe aneinander und strahlen uns gegenseitig an.
„Jetzt, wo das geklärt wäre ..." Ich schmunzele und deute in Richtung Nachthimmel. „Soweit ich weiß, haben wir noch eine Rechnung mit den Sternen offen ..."
„Oh ja, stimmt!"
Gemeinsam kuscheln wir uns in die Decken und Kissen und schauen dann zum dunklen Horizont empor. „Weißt du was?", flüstere ich so leise, dass sich meine Stimme nach wenigen Sekunden in der Finsternis verliert.
„Nein, was denn?"
„Heute brauche ich keine Sternschnuppen."
Ich spüre, wie Noelie ihren Kopf nach rechts dreht, um mich besser anschauen zu können.
„Mein allergrößter Wunsch liegt nämlich schon neben mir."
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