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4 - Unter dem Eichenkuss

Noelies POV

Normalerweise meide ich den Eichenkuss bei Regen, doch jetzt gerade bin ich froh, eine Ausnahme gemacht zu haben.

Warum?

Weil ich sonst nicht den fremden Jungen kennenlernen könnte, der ebenfalls Schutz vor dem Sturm sucht.

Glänzende Regentropfen rinnen über sein kantiges Gesicht und perlen an seinem Kinn ab. Die kastanienbraunen Haare wirbeln entweder wild um seinen Kopf oder kleben ihm nass und strähnig in der Stirn. Er hat kaffeebraune Augen, schmale Lippen und eine niedliche Stupsnase mit breiten Nasenflügeln.

Der Junge ist nur ein paar Zentimeter größer als ich. Sein kräftiger Körperbau erinnert mich sofort an einen Teddy, den ich am liebsten knuddeln würde.

Die dunkelblaue Jacke und die schwarze Hose, die er trägt, sind klitschnass. Unter seinen Füßen bildet sich sogar schon eine kleine Wasserpfütze.

Oh man. Wie lange er wohl durch den Regen geirrt ist?

Da der Junge keine Anstalten macht, etwas zu sagen, locke ich ihn aus der Reserve, indem ich amüsiert schmunzele: „Wenn das ein Film wäre, würdest du jetzt einen coolen Spruch bringen. Ich warte ..."

Bei dem Klang meiner Stimme zuckt er kaum merklich zusammen. „Ich ... Ähm ...", stammelt er überfordert. „Tut mir leid, dass ich Zuflucht bei dir suche. Ich habe dich nicht gesehen." Es ist niedlich, wie sich seine Wangen mit einem roten Schimmer überziehen.

„Schon gut", lächele ich ihn freundlich an, um ihn nicht direkt mit meiner Art zu verschrecken. „Das war auch nur ein Scherz. Ich teile meinen Unterschlupf sehr gerne mit dir."

Leider verfehlen meine Worte ihre gewünschte Wirkung, denn statt sich zu entspannen, tritt der Junge nervös von einem Fuß auf den anderen. Sein Blick springt währenddessen von rechts nach links, ohne auch nur für eine einzige Sekunde Halt in meinem Gesicht zu machen.

Hm ... Irgendwie muss ich es schaffen, ihn in ein Gespräch zu verwickeln, damit er lockerer wird. Ich mag es nämlich nicht, wenn sich andere Menschen in meiner Gegenwart unwohl fühlen oder denken, sie müssten sich verstellen, um mir zu gefallen.

Auch wenn ich den fremden Jungen nicht kenne, wirkt er schüchtern und zurückhaltend auf mich.

Mal schauen, ob ich das ändern kann.

„Weißt du eigentlich, unter welchem Baum wir gerade stehen?", frage ich ihn.

Endlich schaut mich der Junge aus seinen kaffeebraunen Augen an. Sie sind tief und unergründlich. Wunderschön!

Wäre da nicht diese Überforderung, die seinen Blick kennzeichnet, könnte ich mich super in seinen Augen verlieren. Stattdessen habe ich aber das Gefühl, ein verschrecktes Reh anzuschauen, das von Autoscheinwerfern geblendet wird.

Oh man. Warum ist er bloß so verunsichert? Ich tue ihm doch nichts.

Als würde er meinen Gedanken widersprechen, wendet er seine Aufmerksamkeit von mir ab und mustert nun den dicken Baumstamm. Seine Finger lässt er anmutig über die Rinde gleiten und lächelt dabei.

Süß ...

„Eine grau-braun gefurchte Borke ...", murmelt der Junge leise. Kurz verweilt seine Hand noch auf dem Stamm, ehe er sich bückt und ein gelbes Blatt vom Boden aufhebt. Ganz langsam, fast schon wie in Zeitlupe, dreht er es zwischen seinen Fingerspitzen. „Fünf abgerundete Lappen und ein kurzer Stiel ..." Im Einklang mit seinen Worten lässt er das Blatt los, damit es von dem Wind in die weite Welt hinausgetragen werden kann.

Tatsächlich schafft er es, ein weiteres Mal meinem Blick standzuhalten, als er stolz verkündet: „Dieser Baum ist eine Eiche." Es ist niedlich, dass seine Augen wie zwei Bernsteine funkeln und sein ganzes Gesicht erhellen. Direkt wirkt er offener und selbstbewusster.

Und ja, das gefällt mir.

„Du kommst nicht aus Ravenvale, oder?", erkundige ich mich bei ihm.

Natürlich ist es nicht meine Absicht, doch sein Lächeln bröckelt und das stolze Funkeln erlischt. Wie eine Kerze, die vom Wind ausgepustet wird. „Nein", gibt er mir trotzdem eine Antwort. „Ich wohne erst seit vier Tagen hier."

„Dachte ich mir schon."

Er runzelt die Stirn und neigt seinen Kopf leicht zur Seite. Dabei legt sich ein Schleier der Verständnislosigkeit über seinen Blick.

Ich kann sehen, dass er innerlich mit sich ringt, doch letztendlich möchte er verwirrt von mir wissen: „Wie kommst du darauf?"

Ohne es verhindern zu können, zupft ein breites Grinsen an meinen Mundwinkeln. „Komm mit." Ich mache eine ausschweifende Handbewegung, die ihm verdeutlichen soll, mir zu folgen.

Gemeinsam umrunden wir den dicken Baumstamm der Eiche und bleiben auf der gegenüberliegenden Seite stehen. Mit dem Zeigefinger deute ich auf die Rinde, in der ein Regentropfen und Herz, die miteinander verschmelzen, eingeritzt sind.

Jeder, der in Ravenvale lebt, kennt diese Zeichen.

„Was ... Was ist das?", möchte der fremde Junge ehrfürchtig von mir wissen. Wie in Trance öffnet er den Reißverschluss seiner nassen Jacke, sodass eine Kamera zum Vorschein kommt. Er visiert das Herz und den Regentropfen an und schießt ein Foto.

Ich finde es schön, dass er sich für die Natur begeistert und scheinbar die Sachen, die ihm gefallen, mit seiner Kamera festhält. Das macht ihn nur noch sympathischer.

Ich warte, bis er die Kamera wieder sicher unter seiner Jacke verstaut hat, ehe ich ihm erkläre: „Das hier ist keine normale Eiche. Das ist der Eichenkuss."

Wie zwei Blitze schießen seine buschigen Augenbrauen in die Höhe. Der Wind peitscht ihm ins Gesicht und bringt die Regentropfen auf seiner Haut zum Vibrieren, als er irritiert nachhakt: „Eichenkuss?"

„Ja." Ich nicke. „Dieser Baum ist magisch."

Bei meinen Worten muss der Junge schmunzeln.

„Du glaubst mir nicht?!", frage ich ihn empört.

Sofort färben sich seine Wangen dunkelrot und er senkt verlegen den Blick. „Ich ... Ich ...", stammelt er überfordert. „Tut mir leid, aber ich glaube nicht an Magie." Ein verletzter, hoffnungsloser Unterton schwingt in seiner Stimme mit. Als würde er nicht nur über den Eichenkuss, sondern über etwas anderes reden.

„Schade."

Ich kann beobachten, wie der Junge mit jeder Sekunde nervöser wird. Er schafft es nicht, meinen Blick zu erwidern und nestelt unruhig an dem Saum seiner nassen Jacke herum. Fast schon macht es den Eindruck, als wäre es ihm unangenehm, seine eigene Meinung zu vertreten.

Damit er sich nicht noch schlechter fühlt, frage ich ihn möglichst geheimnisvoll: „Soll ich dir die Sage des Eichenkusses trotzdem erzählen?"

Er zögert. Seine dunklen Augen wandern in die Ferne. Zu den schwarzen Wolken am Himmel, aus denen immer mehr Regentropfen fallen.

Wenn mich nicht alles täuscht, würde er am liebsten von hier verschwinden. Da der Sturm aber gnadenlos durch Ravenvale peitscht, ist der Eichenkuss der einzige Unterschlupf, der ihm bleibt.

Ein leises Seufzen entflieht seinen Lippen, als er das ebenfalls zu bemerken scheint. „Na schön", gibt er nach. „Erzähl mir mehr über den magischen Baum."

Geht doch!

„Der Eichenkuss wurde angeblich von einer bösen Zauberin erschaffen. Ihr Name war Malvendra", beginne ich mit der Geschichte, die jeder Mensch in Ravenvale schon mindestens hundertmal gehört hat. „Malvendra war unsterblich in den Prinzen Edric verliebt. Als sie ihn das erste Mal gesehen hat, wusste sie sofort, dass sie ihr ganzes Leben mit ihm teilen wollte."

Obwohl der fremde Junge nicht an Magie glaubt, hängt er gebannt an meinen Lippen.

„Leider hatte Edric aber nur Augen für seine Dienstmagd Fenna", fahre ich fort. „Malvendra wusste nichts von Edrics Gefühlen. Sie hat sich als Prinzessin getarnt, damit sie um Edrics Gunst buhlen konnte, doch er hat sie abgewiesen."

„Oh", kommentiert der Junge leise, weshalb ich lächeln muss. Scheinbar ist er doch nicht komplett abgeneigt von Magie.

„Weil Malvendra sehr egoistisch und böse war, konnte und wollte sie Edrics Abfuhr nicht auf sich sitzen lassen. An einem stürmischen Herbsttag hat sie den Prinzen aus seinem Schloss gelockt und mit ihren Zauberkräften den Eichenkuss erschaffen. Als sie und Edric unter dem bunten Blätterdach standen, hat es geregnet." Ich deute auf den schwarzen Horizont. „So, wie jetzt."

Mein Gegenüber schluckt.

„Malvendra hat den Prinzen vor die Wahl gestellt: Entweder er küsst sie, um ihre Herzen für immer miteinander zu vereinen, oder er wird bis an sein Lebensende vom Unglück verfolgt."

„Und wie hat sich der Prinz entschieden?", hakt der Junge aufgeregt nach.

„Gar nicht", raune ich verschwörerisch. „Fenna hat zufällig gesehen, wie Malvendra den Prinzen aus dem Schloss gelockt hat, und ist ihnen gefolgt. Als Edric vor die Wahl gestellt wurde, ist sie zu ihm gelaufen und hat ihn unter dem Baum geküsst. Im Regen." Ich deute auf das Herz und den Regentropfen, die vor langer Zeit in die Rinde geritzt wurden. „Im ersten Moment war Malvendra wütend, doch dann hat sie die wahre Liebe zwischen Fenna und Edric erkannt. Ihr böses Herz ist aufgetaut. Und genau deshalb hat sie den Fluch verändert."

Große, kaffeebraune Augen schauen mich an. Voller Neugierde und Anspannung.

„Wer als Paar im Regen unter dem Eichenkuss steht und sich nicht küsst, wird ein Jahr lang vom Unglück verfolgt."

Für ein paar Sekunden schweigt der Junge. Sein Blick verliert sich zwischen all den Regentropfen, die wie kleine Glaskugeln auf dem Boden zerspringen. Der Wind pfeift unheimlich durch das Blätterdach über unseren Köpfen und lässt ihn erschaudern.

Es dauert noch einen kurzen Moment, bis er sich räuspert und vorsichtig von mir wissen möchte: „Glaubst du an Malvendra, Edric und Fenna?"

Ich lächele, denn insgeheim habe ich mit dieser Frage gerechnet. „Nein", antworte ich ihm ehrlich, „aber ich mag die Tradition des Eichenkusses trotzdem."

Er nickt abwesend. Als wäre ein Teil von ihm noch immer in meiner Erzählung gefangen.

„Wenn du willst, kannst du mich auch küssen, obwohl wir kein Paar sind", grinse ich ihn frech an, um die Stimmung wieder aufzulockern. „Vielleicht bekommst du dann für das nächste Jahr eine Portion Extra-Glück."

Mein Gegenüber scheint den Sarkasmus in meiner Stimme nicht zu bemerken, denn er spannt sich am ganzen Körper an. Außerdem färben sich seine Wangen wieder so rot wie die Blätter, die vom Wind durch die Luft gewirbelt werden.

Oh man ...

Ich möchte ihm gerade sagen, dass das bloß ein Scherz war, da bricht plötzlich der schrille Klingelton meines Handys das Schweigen zwischen uns. Sofort ziehe ich das Smartphone aus meiner Hosentasche und werfe einen Blick auf das Display.

Ein eingehender Anruf von Love❤️🦥.

Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass der Junge ebenfalls auf mein Handy linst. Verunsichert, fast schon ängstlich, möchte er von mir wissen: „Dein Freund?"

Es ist gemein, doch ich muss lauthals lachen. „Nein", kläre ich ihn auf, „das ist meine Schwester. Sie heißt eigentlich Lova und ist eine verdammt ehrgeizige Sprinterin, die selbst bei Regen und Sturmböen für ihren großen Traum trainiert."

„Ah, okay." Überfordert nickt der Junge. Sein Blick klebt weiterhin auf meinem schrill läutenden Handy.

„Sie wartet am Parkausgang auf mich, um mich abzuholen. Wahrscheinlich ist sie schon total genervt, weil ich zu spät bin."

„Oh." Der Junge versucht sich an einem zögerlichen Lächeln. Dass es nicht echt ist, verraten seine ausdruckslosen Augen. „Dann möchte ich dich nicht länger aufhalten." Er macht einen Schritt zur Seite. „Danke, dass du mir von der Sage erzählt hast."

„Gerne." Ich zwinkere ihm zu. „Letzte Chance, um doch noch einen Kuss abzustauben", necke ich ihn.

„N-Nein." Natürlich senkt er wieder verlegen den Blick, um seine roten Wangen zu verstecken.

„Okay. Selbst Schuld." Ich drücke Lovas Anruf weg und setze die Kapuze meiner Jacke auf. Dann raune ich dem Fremden zu: „Mach's gut. Wir sehen uns bestimmt bald wieder." Kurz überlege ich, ihm einen Kuss auf die Wange zu hauchen, entscheide mich aber letztendlich dagegen. Stattdessen werfe ich ihm einen Luftkuss zu.

Der Junge ist so überfordert und perplex, dass er nichts auf meine Verabschiedung erwidert.

Schmunzelnd kehre ich ihm den Rücken zu und verlasse das schützende Dach des Eichenkusses. Sofort prasseln dicke, kalte Regentropfen auf mich nieder und suchen Zuflucht in meiner Kleidung.

Am liebsten würde ich die Beine in die Hand nehmen und zu Lovas Auto sprinten, doch ich bleibe nochmal stehen und drehe mich zum Eichenkuss um.

„Übrigens, kleiner Tipp am Rande", rufe ich dem Jungen, dessen Blick wie ein Magnet auf mir ruht, zu, „in Ravenvale solltest du im Herbst niemals ohne Kapuze rausgehen!"

Das ist alles, was ich sage, bevor ich mich vom Sturm davontragen lasse.

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