3. Weißer Ritter (pt.1)
Yoongi stand wie ein liebeskranker Trottel in der Tür und winkte Taehyung nach, der gerade vom Parkplatz fuhr. Er schloss die Tür und ließ sich mit dem albernsten Grinsen im Gesicht in den Sessel fallen.
»Du bist bescheuert«, stellte ich fest.
»Ich? Du hättest dich selbst gerade sehen sollen. Jimin konnte ja gar nicht schnell genug von hier wegkommen.«
Ich verzog das Gesicht. Mir war er nicht gehetzt vorgekommen, aber nachdem Yoongi das gerade gesagt hatte, erinnerte ich mich auch daran, dass er ziemlich still gewesen war, nachdem wir vom Essen hergekommen waren.
»Meinst du?«
Yoongi lachte nur, lehnte sich nach hinten und zog die Fußstütze unter dem Sessel heraus. »Er hasst dich. Gib's auf.«
»Er hasst mich nicht. Ich habe ihn auf dieses Date festgenagelt - okay, auf ein Abendessen.«
Yoongis Brauen schossen nach oben. »Date? Kook, was tust du da? Denn wenn das für dich nur ein Spiel ist und du die Sache für mich vermasselst, dann bringe ich dich im Schlaf um.«
Ich plumpste auf die Couch und schnappte mir die Fernbedienung. »Ich habe zwar keine Ahnung, was ich da tue, aber ein Spiel ist es nicht.«
Yoongi sah verwirrt aus. Aber ich würde mir nicht anmerken lassen, dass es mir genauso ging.
»Ich meine das ernst«, stellte er klar. Mich so gar nicht in meinem Element zu fühlen, nervte mich schon genug, aber jetzt hatte ich auch noch dieses verliebte Pepé-Stinktier am Hals, der mich mit dem Tod bedrohte. Wenn Yoongi flirtete, war es schon ein Ärgernis, aber verliebt hielt man ihn kaum aus.
»Erinnerst du dich noch an Lucas?«
»Das hier ist was anderes«, beeilte Yoongi sich, mir zu versichern. »Mit Tae ist es ganz anders. Er ist der Richtige.«
»Und das weißt du nach ein paar Monaten?«, fragte ich zweifelnd.
»Das wusste ich, als ich ihn das erste Mal sah.«
Ich schüttelte den Kopf. Ich hasste das, wenn er so war. Wenn Einhörner und Schmetterlinge aus all seinen Körperöffnungen kamen und durch den Raum schwebten. Am Ende hatte er immer ein gebrochenes Herz, und dann musste ich mindestens sechs Monate lang durchgehend aufpassen, dass er sich nicht zu Tode soff. Taehyung schien ihn allerdings wirklich zu mögen.
Aber wie auch immer. Mich konnte jedenfalls keiner zum Flennen bringen oder dazu, dass ich mich um den Verstand soff, nur weil ich ihn verloren hatte. Wenn sie nicht blieben, waren sie es sowieso nicht wert gewesen.
Yoongi stand auf, reckte sich und trollte sich in sein Zimmer.
»Du redest totalen Mist, Yoongs.«
»Woher willst ausgerechnet du das wissen?«, fragte er mich.
Und er hatte recht. Ich war nie verliebt gewesen, aber ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass mich das so fundamental verändern würde.
Ich beschloss, auch schlafen zu gehen. Kaum hatte ich mich ausgezogen, ließ ich mich seufzend auf meine Matratze fallen. Kaum hatte mein Kopf das Kissen berührt, dachte ich an Jimin. Wortwörtlich spulte ich unsere Unterhaltung in meinem Kopf ab. Ein paar Mal hatte er eine Spur Interesse gezeigt. Er hasste mich nicht durch und durch, und das alleine half mir schon, mich zu entspannen. Ich rechtfertigte mich nicht für meinen Ruf, aber das schien er irgendwie auch nicht zu erwarten. Männer machten mich nicht nervös. Jimin bewirkte, dass ich mich gleichzeitig abgelenkt und konzenteiert fühlte. Aufgebracht und lässig. Total genervt und fast schon albern. So wenig hatte ich mich mit mir selbst noch nie ausgekannt. Irgendwas daran bewirkte, dass ich mehr Zeit in seiner Nähe verbringen wollte.
Nachdem ich zwei Stunden lang an die Zimmerdecke gestarrt hatte, während ich mich fragte, ob ich ihn am kommenden Tag sehen würde, beschloss ich, nochmal aufzustehen und an die Flasche Jack Daniel's in der Küche zu gehen.
Die Gläser standen sauber in der Spühlmaschine. Ich mahm eines heraus und füllte es bis zum Rand. Kaum ausgetrunken füllte ich es erneut. Auch diesen Drink kippte ich auf einmal, stellte das Glas in die Spüle und drehte mich um. Yoongi stand grinsend in der Tür seines Zimmers.
»So fängt es an.«
»An dem Tag, als du im Stammbaum unserer Familie aufgetaucht bist, wollte ich ihn fällen.«
Yoongi lachte nur kurz auf und schloss seine Tür.
Ich tappte zurück in mein Bett und war sauer, weil mir die Argumente fehlten.
•••
Die Vormittagskurse dauerten ewig, und ich ärgerte mich ein bisschen über mich selbst, weil ich regelrecht in die Cafeteria gerannt war. Dabei wusste ich nicht mal, ob Jimin dort sein würde.
Doch das war er.
Brazil saß ihm direkt gegenüber und plauderte mit Yoongi. Ich musste grinsen und seufzen - einerseits vor Erleichterung, andererseits, weil ich offenbar zu spät gekommen war.
Die Dame hinter der Theke klatschte mir irgendwas auf den Teller, dann ging ich mit dem Tablett an den Tisch und blieb genau gegenüber von Jimin stehen.
»Du sitzt auf meinem Platz, Brazil.«
»Ach, ist er einer von deinen Kerlen, Kook?«
Jimin schüttelte den Kopf. »Sicher nicht.«
Ich wartete, und schließlich gab Brazil nach. Er trug sein Tablett zu einem leeren Stuhl am Ende des langen Tisches.
»Was ist los, Kitten?«, fragte ich, gefasst auf eine giftige Bemerkung. Doch zu meiner großen Überraschung schien er nicht im Geringsten verärgert.
»Was ist denn?« Er starrte auf mein Tablett.
Ich schaute auf die dampfende Masse. Er machte also lockere Konversation. Noch ein gutes Zeichen. »Die Buffetdamem machen mir Angst. Ich würde es nie wagen, ihre Kochkünste zu kritisieren.«
Jimin sah mir zu, wie ich mit einer Gabel nach etwas Essbarem stocherte, und dann schien er vom Gemurmel der anderer abgelenkt. Garantiert war es meinen Kommilitonen neu, dass ich so ein Theater machte, um gegenüber von jemandem zu sitzen. Ich hätte nicht einmal selbst zu sagen gewusst, warum ich das tat.
»Bäh... diese Bioarbeit steht nach dem Mittagessen an«, stöhnte Taehyung.
»Hast du gelernt?«, fragte Jimin.
Taehyung verzog das Gesicht. »Mein Gott, nein. Ich habe den Abend damit verbracht, meinen Freund davon zu überzeugen, dass du nicht mit Jungkook schlafen wirst.«
Yoongi machte bei der Erwähnung der abendlichen Diskussion sofort ein beleidigtes Gesicht.
Die Footballspieler am Tischende verstummten, um mitzuhören, und Jimin versank in seinem Stuhl, nachdem er Taehyung noch böse angefunkelt hatte.
Er genierte sich. Warum auch immer machte jegliche Aufmerksamkeit ihn offenbar verlegen.
Taehyung ignorierte Jimin und stupste Yoongi mit der Schulter an, doch dessen Miene hellte sich nicht auf.
»Meine Güte, Yoongs. Echt so schlimm?« Ich warf ein Ketchuptütchen nach ihm, um ihn wieder aufzumuntern. Die anderen Studenten reckten die Hälse und musterten jetzt Taehyung und Yoongi.
Mein Cousin reagierte zwar nicht, aber Jimins graue Augen schielten kurz zu mir herüber, und ich registrierte ein kleines Lächeln. Heute war anscheinend mein Tag. Er konnte mich nicht hassen, selbst wenn er es versuchte. Ich wollte ihn gar nicht daten oder so. Er erschien mir nur das perfekte platonische Experiment. Im Prinzip war er ein braver - wenn auch leicht aufbrausender - Kerl, und ihm lag nicht das Gerinste daran, dass ich seine Fünfjahresplan durcheinander brachte. Falls er überhaupt einen hatte.
Taehyung strich Yoongi über den Rücken. »Er wird es schon schaffen. Aber er braucht einfach noch ein Weilchen, bis er wirklich glaubt, dass Jimin deinem Charme wiederstehen kann.«
»Ich habe meinen Charme gar nicht spielen lassen«, sagte ich. Taehyung versenkte mein Schlachtschiff, während ich einfach in der Sache vorankam. »Er ist einfach ein Freund.«
Jimin nahm Yoongi ins Visier. »Das hab ich dir doch gesagt. Du musst dir wirklich keine Sorgen machen.«
Yoongi fing Jimins Blick auf und schaute schon sanfter drein. Krise abgewendet. Jimin hatte den Tag gerettet.
Ich wartete eine Minute und suchte nach einem Thema.
Am liebsten hätte ich Jimin gebeten, später bei mir vorbeizukommen, aber nach Taehyungs eindeutiger Bemerkung wäre die Aktion sicher schiefgelaufen. Da kam mir eine brillante Idee, und ich zögerte nicht, sie umzusetzten. »Hast du gelernt?«
Jimins Gesicht verdüsterte sich. »Für Biologie kann ich lernen, so viel ich will. Ich kriege das einfac nich in meinen Kopf.«
Ich stand auf und deutete mit dem Kopf zur Tür. »Dann komm.«
»Wie?«
»Lass uns deine Aufzeichnungen holen gehen. Ich helfe dir beim Lernen.«
»Jungkook...«
»Heb deinen Hintern, Kitten. Du schaffst den Test mit links.«
Die nächsten drei Sekunden könnten die längsten meines Lebens gewesen sein. Endlich stand auch Jimin auf. Er ging an Taehyung vorbei und zog ihn scherzhaft an den Haaren. »Man sieht sich im Klassenzimmer, Tae.«
Er lächelte. »Ich werde dir einen Platz freihalten. Ich brauche jede Hilfe, die ich kriegen kann.«
Ich hielt ihm die Tür auf, als wir die Cafeteria verließen, doch er schien es nicht einmal zu merken. Wieder war ich furchtbar enttäuscht.
Die Hände in meinen Hosentaschen vergraben, hielt ich auf dem kurzen Weg hinüber zum Jungenwohnheim mit ihm Schritt, und dann sah ich ihm zu, wie er nervös mit dem Zimmerschlüssel hantierte.
Endlich stieß er die Tür auf und warf sogleich sein Biobuch aufs Bett. Er zog seine Aufzeichnungen hervor und setzte sich im Schneidersitz daneben, ich ließ mich neben ihn fallen. Dabei bemerkte ich, wie hart und unbequem die Matratze war. Kein Wunder, dass die Kerle an diesem College alle so launisch waren. Wahrscheinlich konnten sie auf diesen Betten einfach nie richtig gut schlafen.
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