67 - unwanted
So wie Jay vorausgesagt hatte kam Daniel pünktlich von der Arbeit, sodass es Zeit wurde, sich ins Esszimmer zu begeben. Einen letzten Kuss entlockte ich Louis Lippen, bevor Dad und Janet dann runterkamen und der Tee serviert wurde. Daniel hatte beiden mit einem skeptischen Blick zur Begrüßung die Hand geschüttelt, denn natürlich wusste auch er was in den letzten Jahren vorgefallen war. Unverzüglich griff ich nach einem Keks, den ich aß, damit ich nicht sprechen konnte und musste, doch es herrschte ohnehin noch ziemliche Stille am Tisch. Man konnte spüren, das die Vergangeheit jedem schwer im Magen lag und darauf hoffte, endlich rausgelassen zu werden, um darüber zu reden.
Doch damit war viel zu viel Schmerz und Leid verbunden, sodass es keiner tat. Stattdessen brach Jay dann die Stille mit etwas, bei dem mir fast ein paar Kekskrümel im Hals stecken geblieben wären. ,,Sag mal Janet, in welchem Monat bist du eigentlich? Ist ja schon unüblich in diesem Alter noch schwanger zu werden." Grinsend sah Louis zu mir und auch ich musste mir ein Schmunzeln schwer verkneifen, denn wo Jay Recht hatte, hatte sie recht. ,,Weißt du, Johannah", Janet setzte ihre Teetasse ab und ein gekünsteltes Lächeln auf, ,,mein Wunsch war es immer, eigene Kinder zu bekommen, also haben wir es einfach probiert und mittlerweile bin ich im vierten Monat. Es ist noch einmal eine ganz eigene Erfahrung, diese in sich heranwachsen zu spüren, anstatt nur einen Mann mit Kindern zu heiraten."
Ein weiterer Grund, weshalb ich Janet nicht ausstehen konnte. Mir war immer klar, dass sie Gemma und mich nicht sonderlich mochte. Das man mich nicht mochte konnte ich verstehen, ich konnte mich ja manchmal selbst nicht ausstehen, aber Gemma war der pure Sonnenschein und man konnte sich wohl glücklich schätzen so ein Kind zu haben. Und ob man nun selbst ein Kind bekommt, es adoptiert, zur Pflege hat oder auch durch eine Leihmutter, Kind ist Kind, man sollte es lieben wie sein eigenes. Wütend sah ich zu meinem Vater, dem das erstaunlicherweise wohl auch etwas unangenehm schien, weshalb er schnell das Thema wechselte.
,,Darum sind wir ja nicht hier. Harry erzähl doch mal, wie läuft es so in der Schule, mit Freunden, vielleicht sogar mit einer potentiellen Freundin?" Grinsend sah er mich an und beinahe hätte ich die Augen verdreht. Ich wusste nicht, ob Louis bewusst oder unbewusst handelte, doch kaum hatte mein Vater das Wort Freundin ausgesprochen, legte mein Freund unter dem Tisch seine Hand auf mein Bein, unbemerkt von den Blicken der anderen. ,,Schule ist nunmal Schule, muss sein. Ich habe ein paar Freunde gefunden und mir gefällt es hier eindeutig besser als in Irland. Mir geht es auch besser. Und nach einer Freundin halte ich im Moment nicht Ausschau", antwortete ich kurz angebunden und griff nach dem nächsten Keks.
,,Aber was führt dich überhaupt hier her Dad? Das hätten wir auch alles über ein Telefonat klären können, hättest du mich mal angerufen oder wärest rangegangen." Den letzten Kommentar konnte ich mir nicht verkneifen, denn er war nunmal wahr. Seit meiner Ankunft hier, die nun schon mehr als ein paar Monate zurück lag, hatten mein Vater und ich vielleicht zwei Mal telefoniert. Als ich ihn die nächsten Male angerufen hatte, ist er nicht mehr rangegangen und irgendwann wurde mir das zu blöd. ,,Harry Edward, geh etwas respektvoller mit deinem Vater um", schnauzte Janet mich dann plötzlich an, was meine Augenbrauen in die Höhe schnellen ließ. ,,Du bist nicht meine Mutter", wütend funkelte ich sie an, was mir früher sicher nie eingefallen wäre.
Seit meinen Lebtagen in Irland hatte ich mich verändert. Ich war meistens nicht mehr so sehr auf den Mund gefallen, ich wehrte mich zum ersten Mal deutlich spürbar gegen Janet, denn das konnte und wollte ich mir nicht länger gefallen lassen. Das war wohl Louis Art, die auf mich abfärbte, aber schlecht war es nicht unbedingt. Sonst hatte ich mir im Stillen einfach alles angehört und hingenommen, aber ich hatte realisiert, ab und an musste man sich nunmal wehren, um nicht zu Grunde zu gehen. Betretenes Schweigen legte sich über den Tisch, Louis nippte still und heimlich an seinem Tee, sein stolzer Blick entging mir dabei trotzdem nicht.
Als Janet meine Worte realisiert hatte, schnaubte sie empört auf. ,,Bitte? Ich fass es ja wohl nicht! Ich wusste von Anfang an das es eine schlechte Idee war, dich hier auf dieses Dorf zu schicken. Kein Wunder das du so verzogen bist, hier lässt man die Kinder ja machen was sie wollen." ,,Willst du mir damit sagen, dass mein Mann und ich meinen Sohn schlecht erzogen hätten und jetzt auch noch Harry?" Auch Jay wurde wütend und das Gefühl, dass der Besuch von Dad und Janet böse enden würde, wurde immer größer. ,,Schatz reg dich nicht auf. Hätten sie das Gefühl gehabt Harry richtig zu erziehen, hätten sie ihn niemals zu uns geschickt. Dabei ist er ein wundervoller Junge", dankbar lächelte ich Dan an, der meinem Vater und Janet mit diesem Satz wohl noch eine verpasste.
,,Dad, du wolltest die ganze Zeit, das ich selbstbewusst werde, das ich mich nicht mehr von den Kindern auf meiner Schule unterkriegen lasse, das ich nicht mehr so viel weine, nicht mehr nur auf meinem Zimmer hänge und jetzt sieh mich an. Ich habe gelernt, nicht immer nur die Trauer zuzulassen. Hier hab ich auch gelernt wie man glücklich ist und wie man das Glück verteidigt. Zum ersten Mal seit Mums Tod bin ich glücklich und das lass ich mir jetzt nicht dadurch ruinieren, das Janet sagt, ich wäre schlecht erzogen und das ich hier nie hätte herkommen sollen. Denn sie war schließlich die erste, die dem Vorschlag, mich wegzuschicken, zugestimmt hat."
Mein Vater war sprachlos, aber er und ich wussten das ich Recht hatte. Er wollte immer einen echten Sohn und nicht so einen weinerlichen Jungen. Mittlerweile hatte ich durch Louis meine emotionale Seite akzeptiert. Es war doch nur gut, wenn man seine Gefühle zulassen konnte. Aber dennoch war ich etwas selbstbewusster geworden, denn ich hatte Freunde die mich mögen wie ich bin und einen wundervollen Freund, der mich liebt wie ich bin. ,,Wenn ihr mich entschuldigt, ich muss noch was für Freitag organisieren. Meinen Geburtstag, falls du nicht mehr weißt, was an dem Tag ist."
Ich stand auf und Louis machte es mir gleich. ,,Gemma kommst du auch mit?" Meine kleine Schwester, die das alles stumm verfolgt hatte, nickte und lief Louis hinterher in den Flur. ,,Du kannst jetzt nicht einfach so gehen Harry, wir haben das noch nicht geklärt." Versuchte es mein Vater, was mich amüsiert den Kopf schütteln ließ. ,,Du wolltest noch nie irgendwas klären, also kann das jetzt auch warten. Vielleicht habt ihr euch ja beruhigt, bis wir wieder da sind und entschuldigt euch doch bitte bei Dan und Jay. Sie sind tolle Eltern, haben einen wundervollen Sohn und außerdem geben sie euch bis Sonntag ein Dach über den Kopf." Damit empfand ich zunächst alles für gesagt, drehte mich um und ging ebenfalls in den Flur, schlüpfte in Schuhe und Jacke, bevor wir drei dann nach draußen gingen, um uns auf den Weg in die Bar zu machen.
Heute war zwar Mittwoch und noch nicht Abends, doch Melly hatte für mich einen Termin mit der Chefin abgemacht, um zu klären, ob es in Ordnung wäre, dort Freitagabend meinen Geburtstag zu feiern, trotz vollem Betrieb. Außerdem wurden auch jetzt schon Getränke ausgeschenkt und Snacks serviert und damit die anderen Jungs Gemma auch wiedersehen konnten, hatten wir ohnehin ein Treffen dort ausgemacht. In meinen Adern kochte das Blut immernoch vor Wut, aber Louis redete den Weg über beruhigend auf mich ein, was mir half, die Wut bei Ankunft in der Bar immerhin ein wenig verstecken zu können. Janet und mein Vater waren es nicht wert, mir einen eigentlich so schönen Tag zu ruinieren. Hoffentlich würden sie sich bis zu unserer Rückkehr beruhigt haben, denn auf noch mehr Streit hatte ich nun wirklich keine Lust.
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Da hatten die meisten von euch wohl Recht, das Gespräch mit Harrys Vater und seiner Stiefmutter verlief definitiv nicht gut.. .-. Ob das alles aus der Vergangenheit noch geklärt werden kann?
All the love xx
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