Liebe hat keine Farbe
Und wie ich in seine Augen blicke, zieht ein Sturm auf.
Seine Gesichtszüge verdüstern sich, verzerren sich. Die schön geschwungenen Lippen öffnen sich, stoßen Hässliches aus.
Ich bin mittendrin. Um mich herum ist es ruhig, als befände ich mich im Zentrum des Sturms.
Ich blicke ihm entschlossen entgegen, bereit mit meiner Wut, seine geordnete Welt ins Chaos zu stürzen.
Mein Mund öffnet sich, ich bleibe stumm.
Entsetzt darüber, dass ich ihm nichts entgegensetzen kann, schließe ich ihn wieder, wende mich ab und laufe los.
Er sieht mir nach, ich spüre seine Blicke, wie sie mich elektrisieren, als seien es bedrohliche Blitze. Seine Stimme donnert und töst, doch ich verstehe den Sinn seines Gewitters nicht.
Eben schien doch noch die Sonne. Außerhalb seiner Reichweite beginnt es zu regnen.
Die Welt wird grau, obwohl sie so bunt schien.
Ich beschließe vom Ort des Geschehens zu verschwinden, verdunste wie die Pfütze neben mir in der Hitze eines warmen Sommertages, wohl wissend, dass ich wieder Gestalt annehmen werde.
Zuhause - seine Wohnung - lege ich mich ins Bett, betäubt vom Sturm. Der Sturm tobt nun in mir, seit er seine Zellen verlassen und meine durchdrungen hat.
Ob jemals wieder die Sonne scheint?
Wie lange es wohl noch stürmt?
Unruhig drehe ich mich auf die Seite, mein Blick fällt auf eine Fotografie.
Das Foto ist so bunt, wie einst meine - nun ausgegraut - Seele, unsere Seelen.
Ich vermisse unser Bunt-sein. Vermisse die Farben.
Das sonnige Gelb, das kräftige Rot und das satte Himmelsblau, das einem ein Gefühl von Freiheit vermittelt.
Mit der Zeit sind sie verblasst und Graustufen gewichen.
Hat Liebe keine Farbe?
Bin ich nach all der Zeit mit den kräftigen Farben nun erblindet?
Es stimmt schon, dass die Farben durchaus auch mal geblendet haben, so gestrahlt hat alles.
Die Tür öffnet sich.
Ich drehe mich auf die andere Seite, weg von dem inzwischen verhassten Geräusch.
Das Bett sinkt ein. Seine Präsenz ist eigenartig. Die Ruhe vor dem Sturm.
Leise bekennt er, das Gewitter hätte keine Flut verursachen sollen.
Der Sturm in mir gleicht einem Wirbelwind.
Noch immer misstrauisch drehe ich mich wieder um, setze mich sogar auf.
Noch immer ist alles in grauen Tönen gehalten, seine Züge jedoch sind sanft, nahezu butterweich. Er wartet.
Worauf? Dass die Farben zurückkehren?
Liebe ist für mich grau geworden. In allen erdenklichen Schattierung und Tonabstufungen.
So unschuldig wie sie es immer zu Beginn ist, ist sie nur noch selten, eigentlich gar nicht.
Murmelnd gebe ich meine Zustimmung, zeige ihm die Schäden des Sturms und die Kosten für die Heilung.
Er erkennt den Wert des Schadens.
Steht auf, verlässt das Zimmer.
Der Sturm bricht über uns herein, wir erleiden endgültig Schiffbruch und unsere Liebe ertrinkt.
Zuerst strahlt sie noch, freut sich, mit dem Element zu spielen, doch je länger sie den Kontakt pflegt, umso mehr verblasst sie.
Liebe hat keine Farbe.
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