Prolog
,,Kleiner, das Essen ist fertig", hallte die warme Stimme meines festen Freundes an den Wänden wider.
Meine nackten Füße schlüpften aus der dicken Winterdecke, die bis eben noch meinen gesamten Körper umhüllt hatte. Die wohlige Wärme blieb unter dieser, während ich verschlafen aufstand und von der kühleren Zimmertemperatur empfangen wurde. Mir den Schlaf aus den Augen reibend schlurfte ich in Richtung Kleiderschrank, den ich mit meinem Freund teilte. Mit eiskalten Fingerspitzen öffnete ich die hölzerne Tür und spähte in den reichlich gefüllten Schrank.
Ohne lange zu überlegen, wozu ich in meinem verschlafenen Zustand sowieso kaum in der Lage war, griff ich nach einem einfachen schwarzen Kapuzenpullover und einer weiten Jogginghose. Immerhin musste ich an diesem Tag nicht in die Uni, weshalb ich mich auch nicht in eine enge Jeans quälen wollte.
Mit beiden Kleidungsstücken bepackt, setzte ich meinen Weg zum Badezimmer fort, wo ich mich mit müdem Blick kurz im Spiegel betrachtete. Bedauernd stellte ich fest, dass meine schulterlangen Haare wieder einmal widerspenstig kreuz und quer von meinem Kopf abstanden. Dies nahm ich mit einem genervten Seufzer zur Kenntnis, bevor ich meine grasgrünen Augen vom spiegelnden Material abwand.
Im Laufe meiner Morgenroutine kam es mir immer wieder so vor, als wäre das Schicksal zu dieser frühen Stunde bereits gegen mich.
Selbst nach einer erfrischenden Dusche zierten tiefe Augenringe mein Gesicht, bei einem kurzen Check musste ich nebenbei auch noch feststellen, dass ich in der vergangenen Woche ein wenig zugenommen hatte und meine neu gekaufte Zahnbürste fiel mir, so schlaftrunken wie ich war, unabsichtlich in die Toilette.
Man könnte meinen, es war einfach nicht mein Tag. Und das, obwohl es Wochenende war. Eigentlich sollte doch alles gut laufen, immerhin hatte ich keine langweiligen Vorlesungen vor mir. Manchmal fragte ich mich, wieso ich denn überhaupt studierte. Schon immer war ich ein fauler Schüler gewesen, aber ich wollte meine Eltern nicht noch mehr enttäuschen. Diese hatten später aber dennoch den Kontakt abgebrochen, als sie erfuhren, dass ich mit einem Jungen zusammen war. Musste wohl der Einfluss meines Vaters gewesen sein, da er schon früher immer ausfällig gegenüber homosexuellen Pärchen geworden war.
,,Manu, alles okay bei dir?", drang nun die leicht besorgte Stimme meines Freundes Claus zu mir durch, woraufhin ich kopfschüttelnd aus meiner Gedankenwelt floh.
Schnell schlüpfte ich in die dunkle Jogginghose und fuhr zugleich mit beiden Armen in die Ärmel des Pullovers, bevor ich meinen Kopf durch die große Öffnung stecken wollte. Während dieser Prozedur spürte ich nicht, wie ich ein paar Schritte zurück stolperte. Erst, als meine Beine gegen den Rand der Badewanne prallten, gelang es mir, meinen Kopf ins Freie zu recken, doch da war es auch schon zu spät.
Mit einem spitzen Aufschrei verlor ich mein Gleichgewicht und flog, mit meinen Armen wild in der Luft rudernd, nach hinten in die Badewanne. Mein Hinterkopf schlug dabei gegen die eiserne Kante, woraufhin mir kurzzeitig schwarz vor Augen wurde.
So bemerkte ich auch nicht, wie mein Steißbein schmerzvoll auf dem teurem Material aufkam und keine Sekunde später die Tür aufgerissen wurde.
Irgendwann verzog sich der schwarze Schleier vor meinen Augen und meine Sicht wurde wieder klar. Jedoch kamen damit auch die Schmerzen zurück, die ich zuvor kaum verspürt hatte. Keuchend fuhr ich mit meiner zitternden Hand meinen Hinterkopf entlang, bis ein unfassbar starker Schmerz durch meinen Körper zuckte. Winselnd verzog ich mein Gesicht, legte mir die Hand zurück auf meinen Schoß und warf geschockt einen Blick darauf. Der Finger, der gerade die Wunde berührt hatte, war beschmiert mit dickflüssigem Blut, welches schwerfällig von meiner Haut auf die weiße Badewanne tropfte.
Erst als ich danach verzweifelt aufblickte, sah ich Claus, der mit großen Augen vor mir hockte und panisch mit seinen Händen herumfuchtelte. Erleichtert sackte er auf den Boden und schenkte mir nur einen belustigten Blick, nachdem er zur Kenntnis nahm, dass ich noch alles um mich herum wahrnehmen konnte.
,,Mein ästhetischer Ninja", lachte mein Freund, raffte sich aber schnell wieder zusammen und streckte mir hilfsbereit seine Hand entgegen. Mit leicht erhitzten Wangen griff ich ohne zu zögern nach dieser und ließ mich beschämt von ihm hochziehen.
,,Komm, lass uns erstmal deine Wunde versorgen und dann gibt's endlich Frühstück", schlug Claus charmant lächelnd vor und zwinkerte mir auffällig zu. Kichernd stolperte ich noch ein wenig benommen hinter dem Größeren her. Seit fast einem halben Jahr war der wundervolle junge Mann schon mein fester Freund und ich konnte mich nicht glücklicher schätzen. Noch nie zuvor empfand ich so viel Liebe und Zuneigung zu einer Person.
Nun lebten wir bereits mehrere Wochen zusammen und es war einfach perfekt. Sobald wir Zeit hatten, verbrachten wir diese gemeinsam und hatten in der kurzen Zeit so viel erlebt. Wir sind gemeinsam durch Dick und Dünn gegangen und hatten schon oft überlegt, wie es wohl wäre, mein gesamtes Leben mit ihm zu verbringen. Es schien mir gar nicht so unwahrscheinlich, ihn irgendwann meinen Ehemann nennen zu dürfen. Vielleicht hielt unsere Beziehung ein ganzes Leben lang an. Wie sehr ich mir dies doch wünschte.
Mit geschickten Handgriffen hatte mein Freund mich liebevoll verarztet und mir grinsend einen Kuss auf die Stirn gedrückt. Mein Bauch wäre dabei beinahe geplatzt, so sehr wimmelten die riesigen Schmetterlinge durch diesen.
,,Komm Liebling, das Essen wartet", unterbrach Claus mit bereits leicht genervter Stimme den wunderschönen Moment, in welchem meine Gefühle Achterbahn gefahren waren. Ein Funke Verwirrung mischte sich schnell darunter, meine Augenbrauen zog ich fragend in die Höhe.
,,Nur noch kurz", hauchte ich und versuchte verführerisch zu klingen, in der Hoffnung meinen Freund somit ein wenig auflockern zu können. Hoffnungslos verliebt lehnte ich mich mit geschlossenen Augen nach vorne und erwartete eigentlich, meine Lippen auf seine zu drücken. Leider verhinderten zwei starke Arme mein Vorhaben, da sie mich grob nach hinten stießen.
Geschockt riss ich meine Augen auf und konnte nicht verhindern, wie ein Hauch Enttäuschung meine Stimmung trübte. Noch nie zuvor hatte mich Claus von sich gestoßen. Er war doch immer derjenige, der nie genug Küsse bekommen konnte. Zwar waren wir noch keinen Schritt weiter gegangen, doch ich konnte spüren, wie er sich jedes Mal nach mehr sehnte.
,,Wir gehen jetzt nach unten in die verdammte Küche, ich hab nicht umsonst gekocht", knurrte der Ältere mit finsterem Blick, seine kalten Finger schlangen sich grob um mein Handgelenk. Noch bevor ich etwas erwidern konnte, riss er kraftvoll daran und zog mich mit sich zur Stiege.
Ängstlich folgte ich ihm, mehr als nur erschrocken von seinem Verhalten. So kannte ich ihn gar nicht. Nie hatte er auch nur einmal seine Stimme erhoben, geschweige denn mich mit so festem Griff gepackt. Ich hatte immer geglaubt, er könnte keiner Fliege etwas zuleide tun. Wieso verhielt er sich plötzlich so anders?
,,Hinsetzen!", befahl mir Claus mit kühler Stimme, als wir die Küche betreten hatten. Leise wimmernd machte ich mich unter seinem forschenden Blick kleiner, kauerte mich zitternd auf einem Stuhl zusammen. Meine Augen hafteten auf der gläsernen Tischplatte vor mir, dabei schlang ich meine Arme um meinen schlanken Oberkörper.
Sein Verhalten schüchterte mich ziemlich ein, ansonsten war ich nämlich immer der mit der größeren Klappe. Eigentlich hatte ich auch vor nichts Angst, man konnte mir jeden Horrorfilm vorspielen und ich würde danach noch lachend durch eine verlassene Gegend hüpfen.
Doch mein Freund jagte mir in diesem Moment einen eiskalten Schauer über den Rücken und ich wollte mich am liebsten wieder in meinem Bett verkriechen.
,,Schau mich verdammt nochmal an, wenn ich mit dir rede!", ließ mich ein lauter Schrei hochschrecken. Dieser kam von Claus, der sich mit funkelnden Augen über den Tisch zu mir lehnte und wütend schnaufte.
Mit großen Augen nickte ich rasch mit meinem Kopf, wobei meine langen Haare in der Luft umher wirbelten. Meine Atmung ging automatisch schneller, als ich ängstlich in das wutverzerrte Gesicht meines festen Freundes starrte. Innerlich hoffte ich, dass all das hier nur ein Traum war und ich gleich verschwitzt in meinem Bett aufwachte und einen friedlich schlafender Claus neben mir hatte, an den ich mich kuscheln konnte.
Hoffnungsvoll zwickte ich mir also unauffällig in meinen Oberschenkel, doch der Schmerz kam und die Realität prallte erbarmungslos auf mich ein. Ich träumte nicht, das hier passierte gerade wirklich.
"Weißt du, ich habe bemerkt, dass du in letzter Zeit ziemlich viel zugenommen hast. Du schaufelst einfach alles in dich rein und wirst immer hässlicher. Wenn du also willst, dass ich dich weiterhin liebe, musst du ein wenig abnehmen, Specki. Und da ich weiß, wie willensschwach du bist, helfe ich dir gerne dabei. Du isst ab jetzt nur noch das, was ich dir vor deine Nase stelle, verstanden?"
Damit knallte Claus einen kleinen Teller vor mir auf den Tisch, doch darauf achtete ich kaum. Zu schockiert war ich von dem, was gerade aus seinem Mund gekommen war.
Mit Tränen in den Augen blickte ich an mir hinunter, fragte mich innerlich, ob ich wirklich so fett geworden war. Musste ich doch, wenn er mich so nicht mehr lieben konnte.
Wimmernd hielt ich mir schützend die Hände vor meinen Bauch, als ich den prüfenden Blick meines Freundes auf mir spürte. Vielleicht hatte er Recht. Vielleicht musste ich wirklich beginnen, ein wenig abzunehmen. Immerhin wollte ich doch, dass unsere Beziehung für immer anhält. Und dafür würde ich alles tun.
Entschlossen nickte ich, wischte mir einmal schnell über meine feuchten Wangen, an welchen kleine Tränen hinuntergekullert waren. Claus meinte, er würde mir helfen, also musste er mich noch lieben. Er wollte wahrscheinlich nur das Beste für mich.
Somit richtete ich meine Aufmerksamkeit auf das, was mir mein Freund zubereitet hatte und erstarrte. Eine nackte Scheibe Brot und eine dürre Karotte belegte das winzige Tellerchen vor mir. Meine Zweifel spülte ich gemeinsam mit einem Schluck Wasser nach unten. Es war nur zu meinem Besten, wenn ich wieder schöner war, würde mich Claus wieder mehr lieben.
Und so begann ich, das trockene Brot in kleinen Bissen hinunterzuwürgen. Immer mit dem Hintergedanken, dass mich Claus danach vielleicht wieder lieben konnte.
In Gedanken versunken hörte ich nicht mehr, wie dieser siegessicher grinste und einen kurzen Satz vor sich her murmelte.
,,Das war es dann auch schon für heute, Fettsack."
Hätte ich mich nur nicht darauf eingelassen, doch die rosarote Brille saß bereits zu fest vor meinen Augen und auch vor meinem Verstand.
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Neue Geschichte, neues Glück.
Wie bei jeder FF möchte ich zu Beginn sagen, dass die Idee von mir stammte und ich noch keine Geschichte in diese Richtung gelesen habe. Sollte es bereits eine solche hier auf Wattpad geben, war es auf keinen Fall meine Absicht, diese zu klauen.
Schreibt mir bitte eure Meinung zu der Idee/Umsetzung in die Kommentare, ich würde mich sehr darüber freuen.
Ich hab diese Story schon längere Zeit in Planung und da ich bei 'Immerse' und 'Wie im Märchen' gerade eine Schreibblockade habe, dachte ich, lad ich sie hoch. Immerhin möchte ich euch wenigstens etwas bieten, damit die Wartezeit bei meinen anderen Storys ein wenig leichter fällt.
Ansonsten würde ich mich wie immer über ein wenig Feedback freuen, Kritik ist gerne willkommen
(1808 Wörter)
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