Chapter 8
Meine zitternden Finger gruben sich tiefer in den weichen Stoff des orangenen Shirts, meine Schluchzer brachen nur noch selten durch die anhaltende Stille.
Schon längst hatte ich versucht, meine Tränen zurückzuhalten, um vor den Augen von Patrick nicht wie ein kleines Kind zu wirken, doch ich war nicht stark genug. In Strömen fluteten sie über meine roten Wangen, die ich Schutz suchend gegen die muskulöse Brust eines gewissen Braunschopfs gedrückt hatte. Ich wollte mich nicht länger wie ein hilfloses Baby fühlen, dass auf seine Mitmenschen angewiesen war. Ich wollte endlich auf meinen eigenen Beinen stehen und nicht rund um die Uhr von anderen abhängig sein. Ich wollte mein Leben selbst in den Griff bekommen, doch tief in mir wusste ich, dass so etwas nicht möglich war. Dafür saß ich bereits zu fest in diesem Teufelskreis.
Wie es mir im Moment erschien, konnte mir nur eine Person da raushelfen und sie nannte sich Patrick.
Patrick, der mir aus irgendeinem Grund mit jeder Berührung einen prickelnden Schauer über den Rücken jagte und mit jedem Lächeln mein Herz schneller schlagen ließ. Der mir merkwürdigerweise nach bereits einem Tag das Gefühl gab, bei ihm Zuhause zu sein. Der mich sicher und geborgen fühlen ließ.
Alles wird gut, ich bin jetzt da. Niemand wird dir mehr wehtun, das verspreche ich dir", versicherte mir eben genannter, dessen warme Hände meine wirren Haare aus meinem Gesicht strichen und ein angenehmes Kribbeln auf meiner Haut hinterließ. Die Ruhe seiner Stimme, in der gleichzeitig Sicherheit mitschwang, sendete eine wohlige Wärme durch meinen gesamten Körper und trocknete augenblicklich meine Tränen.
Was auch immer er mit meinem Körper gerade anstellte, ich konnte nicht verneinen, dass es mir gefiel.
Gefühlt tausend Achterbahnen vergnügten meine Organe, als warm lächelnde Lippen meine feuchten Wangen berührten und mich verrückt machten. Das starke Zittern meiner Hände verebbte, dafür aber schoss der Schweiß durch die Haut meiner Handflächen.
,,Entschuldigen Sie bitte, aber wo finde ich das Mehl?", wurde der schöne Moment von einer unverschämten alten Dame unterbrochen, deren angewiderten Blick ich nur aus den Augenwinkeln sehen konnte, als Patrick sich seufzend von der gefühlt ewig anhaltenden Umarmung löste. Seine schimmernden Augen ruhten noch eine kurze Zeit auf mir, bevor er aufstand und mit hängenden Schultern auf die Alte zusteuerte.
Ein stechender Schmerz senkte das rasante Tempo meines Herzschlages, die Wärme wich aus meinem Körper und machte Platz für die eisige Kälte, die mich umhüllte. In meinem Hinterkopf hockte der Gedanke, dass Patrick erleichtert war, dass uns endlich jemand unterbrochen hatte, doch ich schenkte ihm keine Beachtung. Viel mehr kam nach wenigen Sekunden die Erkenntnis, dass wir uns hier immerhin in einem Laden befanden, in dem Pat nun einmal arbeitete. Er wurde dafür bezahlt, sich um die Kunden zu kümmern, nicht um mich.
Ich durfte nicht der Grund sein, wieso er irgendwann gefeuert werden könnte. Ich durfte ihn nicht länger von seiner Arbeit abhalten. Ich durfte nicht sein Leben auch noch zerstören.
Schniefend wischte ich noch die letzten Tränenreste von meinen nassen Wangen, schlang daraufhin meine schon wieder leicht zitternden Arme um meinen dünnen Oberkörper, versuchte mir selbst etwas Schutz zu bieten. Leider wurde mir schnell klar, dass nur Patrick mir diese Wärme und Geborgenheit schenken konnte.
Ich wurde schon wieder von jemanden abhängig und das durfte ich einfach nicht mehr zulassen. Was, wenn Pat mich irgendwann auch fallen ließ, wenn er erkannte, wie ich wirklich war. Nutzlos und widerlich.
Mit all den erdrückenden Gedanken, die meinen Verstand benebelten, stürzte ich mich von der Tischplatte und stolperte langsam in Richtung Ausgang. Ich musste hier weg, bevor ich ein weiteres unschuldiges Leben zerstörte.
,,Hey, Manu! Warte doch!", rief eine flehende Stimme hinter mir, die mich jedoch nicht erreichte, da sich der Selbsthass wie eine undurchdringbare Hülle um mich aufgebaut hatte.
Meine Finger krallten sich in meinen dünnen Pullover und kratzten an meiner verwundbaren Haut. Schweigsam lag mein Blick auf dem karierten Fliesenboden, der in unregelmäßigen Abständen von meinen kraftlosen Beinen getreten wurde.
Schritt für Schritt kam ich dem Ausgang näher und mit jedem dieser Schritt versank ich tiefer und tiefer in meinen Gedanken, die mich von innen auffraßen.
Wie konnte ich nur jemals auch nur ansatzweise glauben, dass mich Patrick wirklich mochte. Noch nie hatte ich einen Freund, der sich bedingungslos um mich gekümmert hatte. Selbst Claus hatte es damals nur aus Gier getan. Er wollte der einzige sein, der über mich bestimmen durfte. Er wollte die Macht über mein gesamtes Leben besitzen und das tat er jetzt auch. Ich war so dumm, mich auf all das einzulassen.
Hätte ich mich erst gar nicht vor meinen Eltern als schwul geoutet. Vielleicht hätte ich dann ein besseres Leben gehabt. Aber ich war dumm und sehnte mich so sehr nach Liebe und Aufmerksamkeit, dass ich alles andere ausgeblendet hatte. Ich wollte jemanden, der mir bedingungslos seine Liebe schenkte, da ich von allen immer nur Hass bekommen hatte. Ich wollte mich so fühlen, als wäre ich tatsächlich etwas wert. Doch das war ich nicht und werde es auch nie sein.
„Manu!", rief die Stimme ein weiteres Mal nach mir und prallte erneut an tauben Ohren ab. Ich war zu tief im Hass versunken, dass ich nicht einmal spürte, wie sich eine Hand auf meine Schulter legte und mich kräftig nach hinten zog. Mein Gesicht wurde gegen etwas Warmes gedrückt, während sich ein weiches Kinn auf meinen Kopf ablegte.
Erst die zarte Berührung an meinen Wangen wehte einen Teil der erdrückenden Gedanken von mir, jedoch nicht alle. Mit beiden Händen hatte Patrick mein schmales Gesicht vorsichtig ergriffen und strich dabei zart mit den Daumen über meine kalten Wangen.
Meinen Blick weiterhin auf dem Boden gehaftet, legte ich meine kleine Hand auf die größere an meinem Gesicht. Zitternd schlossen sich meine Finger um seine, wobei mein Daumen über seinen leicht rauen Handrücken strich.
Vorsichtig hob ich meinen Kopf an und blickte mit leeren Augen in die rehbraunen, in deren erneut Tränen aufblitzten.
Mein Verstand war noch leicht benebelt, sodass ich bloß mit emotionsloser Miene Patricks Gesicht erforschte, welches sich zu einer traurigen Grimasse verzog.
„Oh Gott, es tut mir so leid. Bitte, gib mir meinen Manu wieder", schluchzte mein Gegenüber, dem Tränen über die Wangen liefen, als ich nicht auf seine Bitte reagierte. Meine weiterhin leeren Augen wendete ich von ihm ab und nahm mit bestimmendem Griff seine Hände von meinem Gesicht.
Entsetzt keuchte Patrick, ließ seine Arme kraftlos an seinen Seiten baumeln. Wimmernd streckte er eine Hand nach mir aus, die ich jedoch kalt wegschlug. Dabei rutschte ein winziger Notizzettel in meine Handfläche und ich konnte gerade noch so den Willen aufbringen, ihn nicht auch wegzuschmeißen.
Die Kälte umschloss mich ein weiteres Mal, meine Augen wurden trüb und mit stolpernden Schritt setzte ich meinen Weg zum Ausgang fort, ignorierte die herzzerreißenden Schluchzer hinter mir.
Die ganze Zeit über kämpfte ich innerlich gegen die Kälte und den Hass an, doch wie so oft war ich zu schwach.
Ich war zu schwach, die negativen Gedanken auszublenden und endlich die helle Seite des Lebens zu genießen, die mir Patrick heute immer und immer wieder angeboten hatte. Ich wollte es doch, mehr als alles andere, doch meine Vergangenheit holte mich ein und brachte somit all die schlechten Dinge wieder hoch, die mir einst widerfahren sind.
Und mein Körper wusste sich nicht weiter zu helfen, als sich davor zu schützen, indem er alles und jeden abwies. Indem er eine hohe Mauer um mich baute und mich zu einem gefühlslosen Monster werden ließ.
Die Nachricht, die mir Patrick noch im letzten Moment überreicht hatte, hielt ich fest zwischen meinen Fingern, während ich mich immer weiter von dem Laden entfernte und somit widerwillig Abstand zwischen mir und Patrick brachte.
Für einen kurzen Moment gewann ich die Kontrolle über meinen Körper, augenblicklich griff ich zu dem Zettel und faltete ihn auseinander. Ein Lächeln schlich sich beim Lesen auf meine Lippen, doch fast sofort wurde es wieder vertrieben und ich fiel zurück in den Zustand, der all die positiven Gefühle vertrieb. Der mich zu einem gefühlslosen Monster machte.
~
Deine Geschichte hat mein Herz förmlich in zwei Teile gerissen. Komischerweise ist der eine Teil bei mir geblieben, während der andere zu dir geflogen ist. Du lässt mich Dinge fühlen, die ich nicht kenne, aber immer wieder fühlen möchte. Du hast einen Teil meines Herzens in dir, also ist es kein Wunder, dass ich mich nach dir sehne. Ich hoffe, du passt gut darauf auf, denn vielleicht werde ich dir irgendwann auch den anderen Teil schenken.
Dich so kaputt zu sehen, frisst mich auf und ich kann es nicht aufhalten. Das einzige was ich dagegen tun kann, ist, dich wieder zusammenzuflicken und das würde ich so gerne tun, aber das kann ich nicht, wenn du mich immer wieder von dir stößt. Lass mich dir helfen und alles wird wieder gut. Es wird für einen Moment zwar wehtun, aber danach werde ich alles tun, um dich für immer glücklich zu machen.
Du musst die Vergangenheit endlich loslassen, du musst damit abschließen. Wenn du bereit für eine Veränderung, ein neues Leben bist, werde ich immer zur Stelle sein, um dir dabei zu helfen.
Du hast mein Herz und ich werde nicht tatenlos dabei zusehen, wie es mit dir zerbricht.
Love,
Patrick
~
---
Musik, die ich währenddessen gehört habe(besonders beim letzten Teil):
Love Someone- Lukas Graham
Be Alright- Dean Lewis
Two of Us- Louis Tomlinson
Meiner Meinung nach passen die Lieder einfach perfekt zu dieser Story.
Feedback bitte in die Kommentare, würde mir sehr helfen.
[1595 Wörter]
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro