Kapitel 24
»Ich kann nicht fassen, dass wir wirklich Urlaub in den Hamptons machen!«, stieß Nova begeistert aus und warf ein Kleidungsstück nach dem anderen in ihren Reisekoffer.
»Nimm nicht so viele kurzärmlige Sachen mit«, riet ich ihr, nachdem ich einen skeptischen Blick in ihren Koffer warf. »Es sind zwar die Hamptons, aber auch dort ist es im Februar verdammt kalt.«
Nova verzog grimmig das Gesicht.
»Also brauche ich meinen Bikini gar nicht?«, fragte sie enttäuscht und hielt symbolisch ihre Badesachen in die Höhe.
»Naja«, ich zuckte mit den Achseln. »Im Meer werden wir nicht baden können, aber Jonas Eltern haben in ihrem Strandhaus einen beheizten Pool und sogar einen Jacuzzi.«
»Klasse!«, Novas Gesicht hellte sich sofort auf und sie warf ihre Badebekleidung wieder zurück in den Koffer.
Luna, Roxy und ich grinsten breit.
Morgenfrüh war es endlich soweit. Um sechs Uhr würden wir unseren ersten gemeinsamen Urlaub antreten. Ein Glück, dass wir es alle so spontan hatten einrichten können. Eine ganze Woche würden wir in den Hamptons im Strandhaus von Jonas Eltern verbringen. Eigentlich hatten Aiden und Jona geplant, mit dem Firmenjet meiner Eltern hinzufliegen. Da ich jedoch keinerlei Interesse daran hatte, ihre Dienste in Anspruch zu nehmen und ihnen etwas schuldig zu sein, zog ich den zwei Stunden Flugzeit lieber die fünfzehn Stunden mit dem Auto vor. Auch Luna, Roxy und Amber äußerten ihr Unbehagen, einen solch großen Gefallen anzunehmen, ohne sich dafür in irgendeiner Weise erkenntlich zu zeigen. Und da die drei noch studierten, hatten sie ohnehin keinerlei materielle Rücklagen, um sich überhaupt erst irgendeinen Flug zu leisten. Lediglich Nova war begeistert gewesen von der Idee, in einem Privatjet zu fliegen.
Luna, Roxy, Nova und ich packten zusammen unsere Koffer. Es herrschte reges Treiben, während wir von Zimmer zu Zimmer liefen und uns gegenseitig bei der Kleiderauswahl berieten.
»Nimm schöne Unterwäsche mit«, Nova zwinkerte mir zu. »Der Urlaub ist perfekt, um dein erstes Mal mit Jona zu haben.«
»Nova!«, zischte ich und warf ihr einen empörten Blick zu. Sie zuckte nur grinsend mit den Schultern. Roxy und Luna schüttelten die Köpfe.
»Er hat sich ja noch nicht einmal entschieden, ob er es mit mir versuchen möchte«, warf ich hastig ein und unterdrückte die aufkommende Unsicherheit, die mich jedes Mal beim Gedanken an Jona überkam.
»Oh bitte«, stöhnte Roxy. »So wie ihr euch an deinem Umzug letzte Woche angeschmachtet habt, ist seine Entscheidung doch schon längst gefallen.«
Ich wusste nicht, ob ich mich über die Tatsache, dass Jona mich angeschmachtet hatte, freuen sollte oder eher beunruhigt darüber sein sollte, da es anscheinend jedem aufgefallen war.
»War es denn so offensichtlich?«, fragte ich verblüfft und dachte instinktiv an Aiden. Aiden war nicht auf den Kopf gefallen. Früher oder später würde er etwas bemerken. Sollte Jona sich für mich entscheiden, würden wir so schnell wie möglich mit meinem Bruder sprechen müssen.
»Ein Blinder mit Krückstock hätte es sogar gesehen«, erwiderte sie ironisch, was mir ein Stöhnen entlockte.
»Mach dir nicht so viele Gedanken«, plötzlich spürte ich Lunas Hand auf der Schulter. Aus ihren tiefblauen Augen sah sie mich einfühlsam an. »Du wirst schon das Richtige tun. Aiden wird es früher oder später akzeptieren müssen.«
»Ganz genau«, pflichtete Nova ihr bei, während sie ihren kirschroten Bikini betrachtete.
»Und egal was passiert, wir sind immer für dich da«, Roxy lächelte.
»Danke Mädels«, ich schenkte ihnen ein warmes Lächeln und fühlte sogleich eine tiefe Dankbarkeit für die drei, von denen ich mir absolut sicher war, dass sie mich immer auffangen würden, wenn ich fiel. Sie waren wahre Freundinnen.
Mit diesem Gedanken widmete ich mich wieder dem Packen meines eigenen Koffers. Und ich hätte schwören können, dass Nova heimlich ein schwarzes Dessous in die unterste Ecken meines Koffers stopfte.
☆
Es war drei Uhr am Morgen, als wir eingepackt in unsere dicken Wintermäntel und unseren Reisekoffern in der Hand vor der WG im Dunkeln standen und auf Amber und Mason warteten. Aiden und Jona waren bereits hier. Auch Milo hatte sich unserem spontanen Trip angeschlossen und berichtete Roxy gerade von seiner Kennenlern-Woche mit Ben, die seinen Erzählungen nach super gelaufen war. Milo war völlig hin und weg von dem gutaussehenden und charmanten Briten.
»Du solltest seinen Akzent hören!«, schwärmte Milo, während er sich theatralisch eine Hand auf die Brust legte. »Du wärst schockverliebt, Rox!«
Roxy kicherte und verlangte Bilder von Ben zu sehen, die Milo ihr mit größtem Vergnügen unter die Nase hielt.
Aiden und Jona hatten sich aus der Firma von Jonas Dad zwei SUV Vans ausgeliehen, sodass wir genügend Platz für unser Gepäck hatten und ausreichend Sitzplätze.
Aiden, Jona, Dean, Mason und Scott würden zusammen fahren, während wir Mädels und Milo im anderen Fahrzeug unterkamen. Milo hatte sich sogar bereit erklärt, die ersten Stunden das Steuer zu übernehmen. Luna die andere Hälfte. Sollte einer der beiden zwischenzeitlich eine Verschnaufpause brauchen, boten Amber und ich uns als Ersatz an.
Unter den Jungs meldeten sich Jona und Dean als freiwillige Fahrer. Und so kam es, dass wir unseren Roadtrip kurz nach drei Uhr antraten. Die Reise würde uns durch mehrere Staaten führen. Unter anderem Indiana, Ohio, vorbei an Pennsylvania, New York und Massachussetts bis nach New Hampshire. Wir hatten also ein großes Abenteuer vor uns, doch ich freute mich riesig darauf, mal wieder aus Chicago rauszukommen und neue Eindrücke zu sammeln. Das Beste daran war aber, dass alle wichtigen Menschen in meinem Leben mit von der Partie waren.
Nachdem auch Amber und Mason schließlich auftauchten, ging es los. Aufgeregt ließ ich mich neben Milo auf den Beifahrersitz fallen, während die Mädels hinten Platz nahmen.
»Seid ihr bereit?«, fragte Milo in die Runde, was mit zustimmendem Jubel beantwortet wurde. Die Jungs fuhren voran und Milo haftete sich ihnen an die Fersen, während die morgendlichen Lichter Chicagos an uns vorbeizogen. Sobald wir auf der Interstate neunzig waren, beschloss ich für etwas Stimmung zu sorgen und verband mein Handy mit dem Surround System des Autos. Die ersten Klänge von Machine Gun Kellys My Ex's best friend erfüllten das Auto.
»Yeah, lauter!«, rief Nova von dem Rücksitz, beugte sich über die Mittelkonsole und drehte an dem Lautstärkeregler.
»Ayy. You know my ex, so that makes it all feel complicaaaaated, yeah!«, alle zusammen grölten wir den Songtext lauthals und aus tiefster Seele mit. Wir tanzten auf unseren Sitzen, schüttelten die Köpfe von rechts nach links und Nova gab sogar ihren Lieblingsmove zum Besten, der mich mehr an ein Boxtraining als einen Tanzmove erinnerte.
Die ersten Stunden vergingen wie im Flug, während wir zwei ganze Alben von Machine Gun Kelly rauf und runter hörten, bis uns die Ohren bluteten. Irgendwann schliefen wir ein und als ich das nächste Mal die Augen öffnete, hatte ich Novas Füße im Gesicht. Ich rümpfte die Nase und schob sie vorsichtig, ohne sie aufzuwecken, beiseite. Roxy schnarchte laut und Luna schaute sich auf ihrem Handy eine Doku an. Amber hatte ihre Nase in ein Buch gesteckt. Ich erkannte das Cover und schmunzelte.
Very bad Kings von J. S. Wonda. Wieso überraschte es mich nicht, dass Reverse Harem genau Ambers Ding war?
Langsam aber sicher rührte sich mein Magen und begann laut zu knurren. Nach sieben Stunden Fahrt und einer kurzen Rücksprache mit Aiden übers Telefon beschlossen wir, an einem Diner in Pennsylvania an der Interstate Pause zu machen. Die Jungs fuhren voran und lenkten den Van in eine Parklücke. Milo folgte ihrem Beispiel. Unterdessen weckten wir Roxy und Nova für den Rast.
Schlaftrunken rappelten die beiden sich auf.
Sobald wir ausgestiegen waren, warf Nova sich in Scotts Arme. Es war schön, Nova so glücklich zu sehen und Scott schien tatsächlich ein netter Kerl zu sein. Jedenfalls machte er einen guten ersten Eindruck, als Nova uns heute Morgen bekannt gemacht hatte. Davon abgesehen war er mindestens genauso verrückt nach ihr, wie sie nach ihm. Er schien genau zu wissen, wie er mit ihrem lebendigen, manchmal auch etwas verrückten Gemüt umgehen musste. Die beiden waren wirklich Zucker.
Während auch Luna und Amber zu ihren Partnern gingen, liefen Roxy, Milo und ich zu Aiden und Jona rüber. Ich gab mir alle Mühe, Jona in Aidens Gegenwart nicht allzu sehr anzuhimmeln.
Ich scheiterte kläglich.
Sein Blick traf auf meinen und wieder einmal wurde ich in einen Sog gezogen, dem ich nicht entkommen konnte. Jona war meine Schwäche. Mein Kryptonit. Mein Nemesis.
»Du siehst müde aus«, sagte er und wuschelte mir einmal mit der Hand durchs Haar. Auf Außenstehende mochte das wie eine freundschaftliche Geste wirken. Aber ich wusste, dass es eine Annäherung war. Eine heimliche Annäherung entsprungen aus dem Wunsch, einander zu berühren.
Lächelnd schielte ich zu ihm hoch.
Er erwiderte die Geste und mein Herz drohte in der Brust zu explodieren.
Die anderen machten Anstalten, in das Diner zu gehen. Ich wollte ihnen folgen, doch Jona hielt mich am Arm zurück. Irritiert blieb ich stehen und sah erneut zu ihm auf.
»Hey ähm...«, er wirkte etwas verlegen, ehe er mit der Sprache rausrückte. »Halte dir übermorgen an deinem Geburtstag den Nachmittag frei, ja? Ich habe noch eine Überraschung für dich.«
Erstaunen machte sich in mir breit.
»Was für eine Überraschung?«, fragte ich neugierig.
Jona grinste.
»Das werde ich dir sicherlich nicht verraten, sonst wäre es ja keine Überraschung mehr.«
Wohl wahr.
Vorfreude überkam mich und zugleich begann ich mich unablässig zu fragen, um was für eine Überraschung es sich wohl handelte. Hatte er eine Entscheidung getroffen und wollte sie mir nun mitteilen? Oder war es schlicht und ergreifend ein Geburtstagsgeschenk? Vielleicht ein Ausflug?
Allmählich gesellte sich zu der Vorfreude auch ein wenig Nervosität. Und Angst.
Angst davor, wieder enttäuscht und verletzt zu werden.
Doch daran durfte ich jetzt nicht denken. Wir waren auf dem Weg in den Urlaub. Schluss mit den trübseligen Gedanken. Sofort versperrte ich sie in den hintersten Ecken meines Gedächtnisses und konzentrierte mich auf das Hier und Jetzt.
»Okay«, sagte ich aufgeregt und nickte. »Ich halte mir den Nachmittag frei.
Dann folgten wir den anderen in das Innere des Diners.
Da wir eine zu große Gruppe waren, mussten wir uns auf zwei Tische aufteilen. Jona saß nicht bei mir. Aber wir warfen uns unablässig heimliche Blicke zu. Blicke, bei denen immer wieder ich diejenige war, die irgendwann peinlich berührt und mit geröteten Wangen das Gesicht abwandte
Beim Essen kannten wir kein Halten. Wir bestellten beinahe die gesamte Frühstückskarte und so standen unsere beiden Tische voll mit Eier, Speck, Bagels, Croissants und vielen anderen Leckereien. Obwohl wir alle schrecklich müde und ausgelaugt waren, hatten wir jede Menge Spaß. Unser Gelächter unterhielt das gesamte Diner. Nachdem wir gestärkt waren, machten wir uns wieder auf den Weg. Wir hatten noch eine lange Fahrt vor uns. Je nach Verkehrslage würden wir womöglich sogar noch länger brauchen. Milo und Luna tauschten die Plätze. Ebenso Dean und Jona.
Und so fuhren wir weitere acht Stunden quer durch Amerika.
☆
Es war Abend, als wir in Hampton Beach ankamen.
Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt und tauchte das malerische Paradies in ein wunderschönes Bild, das ich zu gerne gezeichnet hätte. Hampton Beach war ein beliebter Badeort und bekannt für seine belebte Strandpromenade mit Souvenirläden, Pizzerien, Eisdielen und Spielhallen. Im Hampton Beach Casino Ballroom traten hin und wieder bekannte Bands und Comedians auf. Im Süden und Osten grenzte das Land an den offenen Atlantik, während sich im Inneren eine Bay an die andere reihte. Hier folgte Bucht auf Bucht. Am südlichen Ende der Barriereinsel befand sich zudem der Hampton Beach State Park mit Campingplätzen und Möglichkeiten zum Baden und Angeln.
In meiner Kindheit war ich schon oft hier gewesen. Wir hatten viele Sommerurlaube gemeinsam mit den Romeros in den Hamptons verbracht. Mom und Dad besaßen ebenfalls ein Haus ganz in der Nähe. Doch im Laufe der Jahre und aufgrund ihres beruflichen Engagements blieb ihnen kaum Zeit für Urlaub, weshalb das Haus die meiste Zeit vermietet war.
Als wir schließlich eine lange Landstraße entlang fuhren und auf die Strandvilla der Romeros zusteuerten, klappte den Mädels die Kinnlade herunter.
»Scheiße noch eins, hier hast du deine Sommer verbracht?«, fragte Nova und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.
»Jap«, bekräftigte ich und starrte ebenfalls zur Windschutzscheibe hinaus auf das riesige Anwesen. Da auch ich schon lange nicht mehr hier gewesen war, musste ich zugeben, dass mich der Anblick genauso beeindruckte.
Wir folgten dem Van der Jungs durch ein schweres Eisentor, das sich automatisch öffnete. Dann lenkten wir den Wagen hinter ihnen einen langen Kiesweg entlang, der von unzähligen perfekt angeordneten Sträuchern und Bäumen gesäumt war.
Zur rechter Hand führte ein kleiner Weg zum Poolhaus, das mindestens genauso groß war, wie eine gewöhnliche Stadtvilla. Das eigentliche Anwesen ragte vor uns auf, wie ein verwunschenes Schloss aus einem Märchen. Es war komplett in schwarz gehalten mit weißen Fenstern und noch eindrucksvoller, als das Haus meiner Eltern in Hinsdale.
Doch das eigentliche Highlight, das man von unserem jetzigen Standpunkt aus nicht sehen konnte, war der türkisfarbene Atlantik, der unmittelbar hinter dem Haus in endloser Weite eindrucksvoll aufragte.
Erinnerungen kamen in mir hoch. Erinnerungen, wie ich im zarten Alter von neun Jahren an Aidens und Jonas Fersen geklebt hatte. Wie ich ihnen am Strand hinterhergerannt war, während sie mit sechzehn mitten in der Pubertät steckten und nur damit beschäftigt waren, der Tochter des Hausmädchens schöne Augen zu machen.
Ich lächelte. Oh ja, ich erinnerte mich noch gut an die Zeit auf dem Anwesen der Romeros.
Luna, die die letzten Stunden gefahren war, hielt neben den Jungs auf einem riesigen Platz an, in dessen Mitte ein Springbrunnen prangte.
Wir waren angekommen.
Die erste Amtshandlung, die ich ausführte, war es den Mädels aufzutragen mir zu folgen. Wir ließen alles zurück im Auto und liefen um das Haus herum zur Rückseite, wo sich direkt von der Gartenanlage aus ein ellenlanger, weißer Sandstrand erstreckte. Er reichte bis hin zum Meer, dessen seichte Wellen vom Wind getragen wurden und im Sand verebbten.
Ich schloss die Augen und atmete die salzige Meeresluft tief durch die Nase ein. Das Rauschen der tosenden Wellen drang in mein Ohr und eine innere Zufriedenheit überkam mich.
»Wow«, hauchten die Mädels und Milo ehrfürchtig, während auch sie den unglaublichen Anblick, der sich ihnen bot, aufnahmen.
Wie oft schon hatte ich versucht, mit Pinsel und Farbe diese Aussicht einzufangen? Es war zwar ein schönes Bild geworden, aber nichts verglichen mit dem Moment, wenn man es mit eigenen Augen sah.
Mein Blick wanderte zu meinen Freunden, auf dessen Gesichtern sich die gleiche Bewunderung abzeichnete, die auch ich fühlte.
»Ich möchte für immer mit dir befreundet bleiben, Tony, und jeden Sommer hierherkommen!«, scherzte Nova, woraufhin wir alle in einstimmiges Gelächter ausbrachen.
Nachdem wir auch den Jungs die fabelhafte Aussicht gezeigt hatten, machten wir uns an die mühselige Arbeit unser Gepäck auf die Zimmer zu bringen. Die Hausdame und ihr Mann, die das Anwesen in Abwesenheit von Jonas Eltern verwalteten, kamen uns zur Hilfe und hatten bereits alles hergerichtet.
Auch von innen strotzte das Haus nur so vor Reichtum und Prunk. Es hatte diesen typischen Strandhaus-Flair. Alles war in hellen, fröhlichen Farben gehalten. Die vielen Fenster sorgten für lichtdurchflutete Räume und es gab ausreichend Zimmer, um jedem Pärchen seine Privatsphäre zu ermöglichen. Luna und Dean teilten sich ein Zimmer, genau wie Nova und Scott sowie Amber und Mason. Unterdessen würden Roxy und ich gemeinsam in einem Zimmer schlafen, während Aiden sich mit Jona ein Zimmer teilte. Milo, der Glückliche, hatte das große Los gezogen und durfte alleine in dem letzten verbliebenen Gästezimmer hausen. Ich wusste, dass ihm das mehr als recht war. Milo war ein Mensch, der trotz seine Abgängigkeit in Beziehungen auch viel Raum für sich brauchte.
Direkt nach der Ankunft zog sich jeder erst einmal zurück, um sich von der Fahrt zu erholen und die Koffer auszupacken. Im Anschluss daran wollten wir uns alle im Poolhaus treffen, um den ersten Abend gemütlich ausklingen zu lassen.
Bevor Roxy und ich uns jedoch auf den Weg machten, betrachtete ich mich eine ganze Weile im Spiegel.
»Der Bikini steht dir. Du siehst heiß aus. Wärst du gay, würde ich dich definitiv nicht von der Bettkante stoßen«, sie grinste mich durch den Spiegel hinweg an.
Ich erwiderte ihr Lächeln.
Ich trug einen schlichten schwarzen Triangle-Bikini, der sich perfekt an meinen Körper schmiegte. Mit meinem erdbeerblonden Haar war es nicht immer einfach, die passenden Töne zu finden, weshalb ich meistens auf dezente Farben zurückgriff.
Obwohl Jona mich schon hunderte Male im Bikini gesehen hatte, war es dieses Mal anders. Denn dieses Mal sah er mich nicht nur als die kleine Schwester seines besten Freundes, sondern als die Frau, die aus mir geworden war. Jona würde mich aus anderen Augen sehen. Das wusste ich.
Und dieses Wissen machte mich nervös. Sogar so nervös, dass ich mich noch Ewigkeiten auf unserem Zimmer herumdrückte und Zeit schindete, bis Roxy mich endlich aufscheuchte. Wir zogen uns hastig etwas über, da wir für zum Poolhaus zu gelangen über das Außengelände durch die Kälte laufen mussten. Dann machten wir uns auf den Weg.
Im Poolhaus angekommen, stellte ich fest, dass die anderen schon alle da waren. Luna, Dean und Milo saßen am Beckenrand und unterhielten sich. Scott und Nova ärgerten sich permanent, indem sie sich gegenseitig versuchten unter Wasser zu drücken und Mason und Amber schlürften an zwei Cocktails, die Aiden und Jona an der Bar neben dem Pool zubereiteten.
Das Poolhaus war riesig groß. Während im Erdgeschoss eine Sauna, die Duschkabinen und der Pool lagen, gab es im ersten und im zweiten Stock noch eine Küche, ein Badezimmer und weitere fünf Schlafzimmer.
Die Besonderheit dieses Poolhauses war, dass der Innenpool mit dem Außenpool durch einen kleinen Durchgang verbunden war. So konnte man sich im Sommer draußen die Sonne auf den Pelz scheinen lassen und sich im kühlen Schwimmbecken abkühlen, während man in kalten Jahreszeiten die Vorzüge des Indoor-Pools genießen konnte.
Roxy und ich legten unsere Habseligkeiten auf einer Liege ab.
Dann entledigte ich mich meiner Klamotten, die ich über der Badekleidung trug. Kaum hatte ich mich aus meiner Hose und meinem Hoodie geschält, spürte ich ein Kribbeln im Nacken, als beobachtete mich jemand.
Ich drehte mich um und sofort wanderte mein Blick zu Jona, der hinter der Getränkebar stand.
Er hatte mit seinem Tun innegehalten und starrte mich an. Er beobachtete mich dabei, wie ich mich auszog - und der glühende Blick aus seinen bernsteinfarbenen Augen jagte mir einen gewaltigen Schauer über den Rücken. Sofort sank mein Magen in die Tiefe und ein Kribbeln breitete sich in meinem gesamten Körper aus.
»Ich brauche erst mal etwas Alkohol«, hörte ich Roxy sagen, die sich sichtlich unwohl dabei fühlte, Haut zu zeigen. Sie trug noch immer ihren Jogginganzug über den Badesachen und weigerte sich, diesen auszuziehen. Es hatte viel Überredungskunst gebraucht, um sie überhaupt erst davon zu überzeugen mit ins Poolhaus zu kommen.
Gemeinsam liefen wir zur Bar rüber.
Jonas Augen folgten jedem meiner Schritte und ich wand mich sichtlich unter seinen ungenierten Blicken. Am liebsten hätte ich meinen Körper mit den Händen verdeckt. Gleichzeitig jedoch gefiel mir die Art und Weise, wie er mich ansah.
»Hey Poolboy«, Roxy zwinkerte Aiden zu. »Machst du uns zwei Mojitos?«
Aiden verbeugte sich und machte sich an die Arbeit. Unterdessen ließ ich mich Jona gegenüber auf dem Barhocker nieder.
»Hey«, begrüßte ich ihn und versuchte seinen nackten Oberkörper auszublenden.
»Hey«, grüßte er zurück. Erneut tasteten seine Augen über meinen gesamten Körper und es fühlte sich beinahe an, als würde er mich tatsächlich berühren. Röte schoss mir ins Gesicht.
Aus nächster Nähe wirkten seine bernsteinfarbenen Augen wie flüssiges Gold.
Nachdem Aiden mir mein Getränk reichte, lief ich hastig zu Milo rüber, um mich von Jona abzulenken. Der Alkohol floss über den gesamten Abend hinweg in rauen Mengen, während wir gemeinsam in den Urlaub starteten.
Als Roxy irgendwann beschloss, wieder zurück auf unser Zimmer zu gehen, obwohl sie noch nicht einmal im Wasser gewesen war, spielte Aiden ihr einen Streich. Er hob sie auf seine Arme und warf sie mitsamt ihrer Kleidung in den Pool. Mit einem lauten, platschenden Geräusch landete sie im Wasser. Sie tauchte wieder auf und schnappte erschrocken nach Luft. Das Wasser lief ihr aus Mund und Nase und sie keuchte heftig. Das braune Haar klebte ihr im Gesicht und fassungslos starrte sie zu Aiden hoch, der noch immer am Poolrand stand.
»Du Mistkerl!«, rief sie verärgert, während sie sich noch immer von dem Schock zu erholen versuchte. Aiden hingegen grinste nur hämisch, während alle anderen in lautes Gelächter ausbrachen. Doch der Gentleman, der mein Bruder nun einmal war, kniete er sich sofort am Beckenrand hin und bot ihr als Friedensangebot seine Hilfe beim Aussteigen an.
Roxy ergriff seine Hand und machte Anstalten, aus dem Pool zu klettern. Doch noch bevor sie über den Rand krabbelte, zog sie mit einem kräftigen Ruck an Aidens Arm. Im hohen Bogen flog nun auch er kopfüber ins Becken. Laut lachend kniff ich die Augen zusammen, als Unmengen von Wasser durch Aidens Aufprall auf mich spritzte.
Roxy hiefte sich eilig mitsamt ihrer triefnassen Kleidung über den Beckenrand, bevor Aiden auch nur die Gelegenheit bekam, sich zu rächen. Mit einem spöttischen Lächeln zeigte sie ihm den Vogel und lief davon.
Ich konnte nicht anders, als mich vor Lachen zu krümmen, wodurch ich mir einen bösen Blick von meinem Bruder einhandelte. Allerdings konnte ich ihn nicht ernst nehmen. Mit seinem griesgrämigen Gesichtsausdruck sah er aus, wie ein beleidigter Welpe.
»Freu dich nicht zu früh«, hörte ich ihn plötzlich sagen. Mit einem breiten Grinsen fixierte er einen Punkt hinter mir. Doch noch ehe ich begreifen konnte, was er damit meinte, spürte ich zwei Hände, die sich um meine Taille schlangen.
Ein spitzer Schrei entrang sich meiner Kehle und einen Augenblick später warf sich jemand gemeinsam mit mir ins Wasser. Wir tauchten unter und aus Reflex kniff ich Augen und Mund zusammen, um kein Wasser zu schlucken. Hastig suchte ich unter Wasser Halt und meine Hände stießen auf feste, harte Muskeln. Ich krallte mich daran fest.
Nach ein paar Sekunden durchbrachen wir wieder die Oberfläche.
Ich keuchte erschrocken nach Luft und blinzelte ein paar Mal, bis meine Augen sich wieder an die Umgebung gewöhnt hatten. Dann erst begriff ich, dass mich die Hände, die mich mit ins Wasser gezogen hatten, noch immer festhielten. Dass sie mich über die Wasseroberfläche hoben.
Es waren Jonas Hände.
Überrascht starrte ich auf ihn herab und meine Hände ruhten auf seinen Schultern. Auf seinen Lippen lag ein verruchtes Lächeln, während er zu mir hoch sah.
Unsere Blicke verhakten sich ineinander und schlagartig wurde ich mir der Situation, in der wir uns befanden, mit aller Macht bewusst. Meine Augen wanderte über sein Gesicht, sogen jedes Detail von ihm auf. Die langen, schwarzen Wimpern, von denen nun das Wasser hinab tropfte, Seine perfekt geschwungenen Lippen. Dann betrachtete ich seinen Oberkörper, von dem ebenfalls Wassertropfen herunter perlten, den tätowierten Schriftzug Querer es poder auf seiner linken Brust, bis hin zu dem Adler auf seinem linken Unterarm.
Jona drückte mich an sich, mit nichts bekleidet, als einem Bikini, während er nur seine Badehose trug. Ich spürte seine nasse Haut auf der meinen nur allzu deutlich.
Mein gesamter Körper reagierte auf seine unmittelbare Nähe. Es fühlte sich an, als würde etwas unter meiner Haut zu summen beginnen. Hitze erfasste meinen Körper. Eine Hitze, die mich im Bruchteil einer Minute zu versengen drohte. Absolut alles an Jona glich einer puren Sünde. Jona war die pure Sünde. Eine Sünde, die ich unbedingt kosten wollte. Eine Sünde, für die ich durch die Hölle gehen würde, selbst wenn sie mich verbrannte und nichts als Asche von mir übrig blieb.
Ich vergaß alles um mich herum. Das Poolhaus. Den Urlaub. Meine Freunde. Ja, selbst Aiden. Besonders Aiden. Und wenn ich mich nicht sofort zusammenriss, würde die Sache zwischen Jona und mir auffliegen. Und dieser erste Abend unseres bevorstehenden Urlaubs würde in einer Katastrophe enden.
Glücklicherweise rettete Nova mir die Haut - wieder einmal.
Mit Anlauf und einem lauten Schlachtruf sprang sie auf Jona und mich zu, was uns sofort dazu veranlasste, auseinander zu fahren.
Mit einem filmreifen Paketsprung brach sie neben uns ins Wasser. Hastig hob ich die Hand und schützte mein Gesicht vor den Spritzern. Glücklicherweise schien Aiden nichts bemerkt zu haben, wenngleich ich hätte schwören können, dass Jona und ich die gesamte Luft im Poolhaus zum Vibrieren gebracht hatten.
Als Nova wieder auftauchte, warf ich ihr einen dankbaren Blick zu. Sie schenkte mir ein Augenzwinkern. Gern geschehen, du Trottel schien sie mir sagen zu wollen. Und ein weiteres Mal war ich froh darüber, so gute Freundinnen zu haben, die immer wieder für mich in die Bresche sprangen.
Meine Aufmerksamkeit richteten sich wieder auf Jona. Er sah mich immer noch mit glühenden Augen an.
Sein Blick schien mir etwas sagen zu wollen und zum ersten Mal seit unserem Gespräch vor zwei Wochen beschlich mich das Gefühl, dass Jonas Entscheidung endlich gefallen war...
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