7
Jungkook
Der Sonntagmorgen brachte an.
Vögel zwitscherten ihr Morgenliedchen, einzelne Sonnenstrahlen kitzelten meine Nase und brachten mich dazu die Augenlider schwerfällig zu öffnen. Langsam erwachte ich aus meinem Tiefschlaf, erlangte mein Bewusstsein Stück für Stück wieder, während es mir immer klarer vor Augen wurde, dass ich in meinem Bett lag; eingemummt in meiner großen Decke und mein Gesicht an meinen weichen Kissen gekuschelt, welchen ich zugleich in den Armen hielt.
Der gerade erst angebrochene Tag wirkte bereits in meinem Kopf vorbestimmt, so stellte ich es in meiner gemütlichen Position liegend fest. Anders als sonst ließ ich mich diesmal nicht von der Spontanität verleiten, die mir Aktivitäten für den Tagesablauf kurzfristig ins Ohr flüsterte, sondern ich wusste schon jetzt relativ konkret, wie ich den Sonntag verbringen werde. Faulenzen und Hausaufgaben standen auf meinem Tagesplan ganz weit oben und vielleicht werde ich auch wieder von Yugyeom und Jimin überredet mit ihnen zu zocken, ehe ich mich erschrecken konnte, dass sich aus das sogenannte Heute gerade das Gestern entpuppte. Am Abend bedauerte ich es dann wie immer, dass es nicht mehr lange fehlte, bis die Woche in ihrem Zyklus wieder von vorn begann und der Montag bereits an der Tür stand.
Mühsam schälte ich mich aus meiner Decke, nachdem mein Magen knurrte und mich davor bewahrte erneut in einen traumlosen, verlockenden Schlaf zu verfallen. Einen kurzen Blick warf ich auf mein Handy, um nach der Uhrzeit zu schauen, die mir sagte, dass ich nun langsam aufstehen dürfte, bevor ich das Gerät kommentarlos zurücklegte und mich erhob.
Noch etwas schlaftrunken zog ich mich um und putzte die Zähne, ehe ich daraufhin den Schlaf aus meinem Auge reibend die Treppen hinunter tapste und mich von meinem Bedürfnis leiten ließ, sodass ich letzten Endes in der Küche landete.
Scheinbar war ich nicht der Einzige mit der Idee etwas zu essen, als ich sah wie meine Mutter mit dem Rücken zu mir stand und Besteck aus den Schubladen hervorholte. Sie bewegte sich ein wenig zur Seite und ließ mich mehrere Male irritiert blinzeln.
„Mom? Wozu all diese Reiskuchen?", fragte ich sie gefolgt von einem herzhaften Gähnen, das sich nicht aufhalten ließ.
Wie ertappt drehte sie sich ruckartig um, als ich vor dem Küchentisch stand und sich vor mir das reinste Paradies -halb in Päckchen verpackt- abbildete, welches ich mit großen Augen beäugte.
„Oh, du bist wach", entging sie meine Frage und lächelte mich an. „Hast du Hunger? Ich mache gerade Frühstück."
Ich wollte etwas sagen, schloss den Mund jedoch wieder und beließ es bei einem einfachen Nicken. Für einen Augenblick schenkte ich den bunten Mochis meine Aufmerksamkeit, die gerade weggetragen wurden.
Eins war klar: sie waren auf keinen Fall für uns beide bestimmt.
Meine Mutter machte diese japanische Köstlichkeiten nur zu besonderen Anlässen oder hin und wieder, wenn wir Besuch bekamen. Ich konnte mich allerdings im besten Willen nicht daran erinnern, dass sie im Laufe dieser Woche auch nur einmal erwähnte, dass dieser Tag in irgendeiner Form besonders wird, was mich ehrlich gesagt sehr skeptisch werden ließ.
Mein Magen meldete sich wieder zu Wort und drängte die geheimnisvollen Mochis vorerst in den Hintergrund, indem er mich an die Ursache erinnerte, weshalb ich mich eigentlich nicht mehr im Bett -wahrscheinlich halb vor mich hindösend- befand. Ich zuckte mit den Schultern und leistete meiner Mutter am Esstisch Gesellschaft, woraufhin wir dann auch mit dem Frühstück anfingen.
Hungrig griff ich nach dem Brötchen vor mir.
„Hast du heute etwas vor?", wollte meine Mutter wissen, ehe sie an ihrem Kaffee nippte.
Ich brauchte nicht lange zu überlegen und schüttelte den Kopf. Verstehend nickte sie, behielt mich trotzdem im Auge, wobei sie einen weiteren Schluck aus ihrer Tasse nahm. Zunächst tat ich ihr Starren mit den nächsten Bissen in mein Brötchen ab und war abgelenkt genug, um es nicht nervig zu finden. Aber irgendwann, als von diesem Brötchen kaum noch was übrig war und sie mich immer noch ununterbrochen zu mustern schien, wurde es mir dann doch deutlich zu penetrant.
„Habe ich was im Gesicht?", riss ich sie aus ihrer Starre, woraufhin sie erst verwirrt aufschaute, jedoch anschließend leicht den Kopf schüttelte.
„Nein, nein, alles gut, ich war nur in Gedanken."
Nachdem unser Hunger gestillt worden war, räumten wir gemeinsam den Tisch ab, ehe ich Anstalten machte die Flucht zu ergreifen.
Doch als ich sah, wie meine Mutter die bunten, fluffig aussehenden Reiskuchen wieder zum Vorschein brachte, vergaß ich mein Vorhaben abrupt und war bereit der Sache auf den Grund zu gehen, welche allerdings von ihr selbst keine Minute später aufgedeckt wurde.
„Da du heute nichts vorhast, mein lieber Sohn, kannst du die Mochis gleich den Kims gegenüber als ein Willkommensgeschenk übergeben."
Oh nein.
„Mom..!"
„Ich akzeptiere kein 'nein'!", trällerte sie freudig.
„Erkläre mir dann wenigstens eins: warum?", mit gequälter Miene sah ich sie an, in der Hoffnung, dass sie mich verschonte.
„Ganz einfach", meinte sie, während sie auf mich zukam und eine Hand auf meine Schulter ablegte, so, als würde sie mir mit dieser Geste Mut zu sprechen wollen. „Ich bin die Mom und ich habe das Sagen."
Mir die Zunge rausstreckend verließ sie den Raum, währenddessen meine Hoffnung zerplatzte und ich ihr mit einem ungläubigen Blick folgte. Das konnte doch nicht ihr Ernst sein.
Seufzend strich ich mir durchs Haar und wandte mich anschließend den Reiskuchen.
Dann bringe ich das einfach schnell hinter mir...
In mir verbreitete sich jetzt schon ein flaues Gefühl, das mich wohl bis zu den Kims begleiten wird.
Nachdem ich widerwillig die zwei großen Päckchen zuschnürte, machte ich mich mit ihnen und in Hausschuhen auf den Weg zu den Neulingen der Nachbarschaft.
Schweigend überquerte ich die Straße und sah mir das Haus seit dem Jahr, als Frau Tamura damals dieses Anwesen verlies, genauer an. Es war ein weißes, simples, kleines Einfamilienhaus mit einer anthrazitfarbenen Haustür, ähnlich wie die restlichen Häuser, die sich nebeneinander anreihten. Einzelne und oftmals leicht übersehbare Details hoben die Individualität der Einwohner hervor, doch solches war hier bisher nicht vorzufinden. Mein Blick schweifte zur Tür, woneben die Klingel an dem Schild mit der geschwungenen Aufschrift „Kim" es kaum erwarten konnte von mir gedrückt zu werden.
Einmal atmete ich tief ein und aus.
„Wird schon schief gehen", murmelte ich nicht wirklich überzeugend vor mich hin und betätigte etwas umständlich sowie unmerklich zitternd den Knopf. Nervös verlagerte ich das Gewicht von einem Bein aufs Andere, indessen ich das von mir verursachte Schellen bis hier draußen hin hörte.
Als hätte ich mich gerade verbrannt, ließ ich meine Hand wieder sinken und trat einen Schritt zurück.
Stille.
Mein Herz fing laut an zu pochen, sodass es mich beinahe völlig aus dem Konzept brachte und mich dazu verleiten würde das Weite zu suchen, hätte ich mich nicht letztendlich zusammengerissen. Was würde es schon für einen ersten Eindruck hinterlassen, wenn die Kims in dem Moment die Tür öffnen würden? Dies wäre viel peinlicher, als meine Schüchternheit Fremden gegenüber- das hoffnungslose vor mich hin Stottern, weswegen ich wie so oft in den Erdboden versinken wollte. Solch ein Ereignis würde definitiv im Gedächtnis bleiben und genau das wollte ich auf jeden Fall vermeiden.
Ich schüttelte den Kopf, als könnte ich so mein ausgemaltes Szenario aus meinem Hirn verbannen und mich von der Nervosität losschütteln. Zwanghaft versuchte ich mich abzulenken, indem ich die Päckchen in meinen Händen betrachtete und an das letzte Mal dachte, als ich solche selbstgemachten Reiskuchen gegessen hatte. Es war an Silvester, als wir volles Haus hatten und mit den Besuchern gemeinsam in das neue Jahr hineingefeiert hatten.
Der Tag war einfach schön; Familie und Freunde waren beisammen, es herrschte eine tolle Atmosphäre mit zahlreichen Köstlichkeiten.
Ich musste leicht grinsen, als ich mir in Erinnerung rief wie Jimin die Mochis am liebsten alle gleichzeitig in den Mund gestopft hätte, obwohl er schon bloß bei einem dicke Wangen bekam. Meine Mutter hatte ihn davor abhalten und ermahnen müssen, weswegen er wie ein Kleinkind beschämend den Boden angestarrt hatte und Yugyeom nicht anders konnte, als ihn dabei auszulachen. Neben mir war er ebenfalls ein großer Fan der Reiskuchen meiner Mutter.
Diese Momente erfüllten mein Herz mit solch einer wohligen Wärme, die mich beinahe vergessen ließ, dass ich nahezu Angst hatte mit Fremden eine Konversation zu führen.
Noch immer wollte ich am liebsten in meine sicheren vier Wänden flüchten, doch zugegebenermaßen keimte in mir die Neugier darüber auf, welche Persönlichkeiten ab sofort gegenüber wohnen werden.
Wie die Kims wohl drauf waren? Ob die kleine Familie auch so freundlich waren wie die Tamuras? Ob sie genau so aufgedreht waren wie die Manobans nebenan? Oder doch solche gewöhnungsbedürftigen Menschen wie die Byuns zwei Häuser weiter?
Das flaue Gefühl in der Magengegend ebbte gänzlich ab, als mir bewusst wurde, dass ich mittlerweile in meinen Gedanken abgedriftet bin und bisher noch niemand die Tür geöffnet hat. Waren sie vielleicht nicht da? Das konnte sein. Tja, da konnte man wohl nichts machen.
Mit dem Beschluss den Rückweg anzutreten, drehte ich mich schon halb um, als ich plötzlich hörte, wie die schwere Haustür aufging.
Erschrocken machte ich einen Satz nach hinten und sah in das Augenpaar eines Jungen, welches mich durchdringend musterte. Von jetzt auf gleich verließ mich die Gelassenheit, die vor Sekunden noch da war, ließ mich zurück mit der lästigen Schüchternheit, um die ich nie drum rum kam. Niemand sagte etwas, wir starrten uns nur an. Mir wurde heiß und kalt gleichzeitig, ich fühlte wie sich jeder Faser meines Körpers sich anspannte. Das Verlangen danach zu verschwinden wuchs mit jeder verstrichenen Sekunde, ich fühlte mich völlig fehl am Platz.
Dass er bloß den Kopf durch den Türspalt gesteckt hatte und mit einer gleichgültigen Miene mir entgegenblickte, machte es jedenfalls nicht besser.
°Love Maze
011219
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