12
Jungkook
Lautes Stimmengewirr, das Rumgeschrei der Fünftklässler und überall Schüler, wohin der Blinkwinkel auch nur reichte und trotzdem galt meine Aufmerksamkeit einzig und allein diesem bestimmten Tisch, welcher weiter weg von uns war.
Schamlos schielte ich immer wieder verstohlen zu dem Neuen hinüber. Zwischen uns war zwar ein gewisser Sicherheitsabstand, aber mir bewusst, dass die Gefahr, dass mein unaufälliges Starren aufflog, zu meinem Pech sicher nicht so gering war, wie ich es mir im Inneren erhoffte. Und trotzdem konnte ich es nicht sein lassen.
Nachdenkend kniff ich die Augen ein wenig zusammen.
Alles drehte sich nur noch um ihn. Das hätte mir wirklich Schnuppe sein können, wenn dieses Turnado nicht dabei wäre mich aus meiner sicheren und gewohnten Umgebung mitzureißen. Das gefiel mir nicht. Das gefiel mir ganz und gar nicht.
Seitdem der mysteriöse Junge in unsere Klasse kam, konnte ich nicht anders als zu hinterfragen, warum das Schicksal sich gegen mich verschworen hatte.
Das kam mir einfach alles zu suspekt vor.
Taehyung, so wie er sich vorgestellt hatte, war mir bereits beim allerersten Treffen nicht geheuer gewesen und schon da hatte ich im Unterbewusstsein beschlossen einen Bogen um ihn zu machen. Es war beinahe eine Art Versprechen mit mir selbst, den ich weder auflösen konnte noch wollte, als mir sein gruseliger Blick und die dazugehörige Aura mir durch Mark und Bein gegangen waren. Aber scheinbar wurde diesem Beschluss, noch kurz bevor ich ihn als gültig empfand, einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Er hätte auf so viele andere Schulen gehen können und war ausgerechnet hier. Aber wie konnte ich es nicht bemerken? Auf den Weg zur Schule wäre er mir bestimmt auch in der Hektik aufgefallen, doch geschweige denn in der Zeitspanne von zu Hause bis zum Schulhof noch in der Zeit, die meine Freunde und ich im Schulgebäude verbrachten, bin ich auf ihn gestoßen.
Erneut durchbohrte ich die Gestalt, die unbekümmert an diesem Tisch saß, mit forschenden Blicken.
Wie ich zu ihm rüberschaute musste wirklich seltsam aussehen, aber solange ich nicht begriff, warum unsere Wege sich immer wieder kreuzen, wusste ich mir nicht anders zu verhelfen als dieses Rätsel zu entschlüsseln, auch wenn es hieß ihn anzustarren, bis mir die Antwort einfiel. Es ließ mir echt keine Ruhe, egal wie sehr ich mich darum bemühte.
"Die Mädchen fahren voll auf den ab."
"Huh?", gab ich abweisend von mir, doch noch immer galt mein Blick diesem Tisch in der überfüllten Mensa. Er saß mit wenigen Schülern zusammen, allerdings kümmerte sich jeder um seinen eigenen Kram. Sie schenkten sich gegenseitig keine Beachtung, aßen still oder beschäftigten sich anderweitig, doch es schien ihm mehr als recht.
Hier wurde mir ein weiteres Mal klar, wie anders er im Vergleich zu den anderen Schülern war. Egal wie ich es drehte und wendete - er passte irgendwie nie ins Bild. Anders als die Leute aus meiner Stufe versuchte er nicht mal ansatzweise Anschluss zu finden. Die Sorte von Mensch, die eher zu den Stilleren gehörten, war da nicht anders, aber im Gegensatz zu ihm hoffte man doch irgendwie im Stillen angesprochen zu werden, um diesen peinlichen ersten Schritt -auf neue Leute zuzugehen- überspringen zu können. Ihn schien es jedoch einfach nicht zu interessieren.
Anders als die Stilleren hier, anders als ich, hatte er nicht diesen verlorenen Ausdruck in den Augen, den ich definitiv gehabt hatte.
Taehyung sah fest davon überzeugt aus, dass hier nicht der Ort zum Freundschaften schließen war, er zog einfach sein eigenes Ding durch und brauchte dafür niemanden - das sah man sofort. Und mir war das eigentlich recht, solange er fern von mir blieb.
Erschrocken fuhr ich zusammen, als er mit gleichgültiger Miene mein Starren nicht minder intensiv erwiderte. Da war er wieder - dieser gruselige Blick der unbefugt in meine Seele sehen konnte.
Hilfe.
Ohne groß darüber nachdenken zu müssen, drehte ich mich ertappt schnell weg und begegnete die Blicke von Jimin und Yugyeom, die meinem wohl gefolgt waren. Mit rasendem Herzen versuchte ich auch diese auszuweichen.
"Die Mädchen. Die reden nur noch über diesen Taehyung", erhob Jimin erneut das Wort, ehe er einen Schluck aus seiner Wasserflasche nahm.
Diesmal hört ich nicht mehr bloß halbherzig zu und das was Jimin vorhin sagte, bestätigte mir wieder, dass sich heute aber auch wirklich alles um ihn drehte.
"Das stimmt. Das Einzige was ich momentan nur höre ist 'oh mein Gott, dieser Neue ist sooo hübsch und voll heiß' ", äffte Yugyeom nach, weshalb ich leicht schmunzeln musste.
"Aber was soll man machen, der ist wirklich hübsch", stellte Jimin fest.
"Aber niemand kann Yoongi toppen, nicht wahr?", neckte ihn Yugyeom, wobei er wissend seine Augenbrauen wackeln ließ und ein roter Schimmer sich auf Jimins Wangen legte. Doch widersprechen tat er nicht.
Verwirrt sah ich zwischen den Beiden hin und her.
"Habe ich was verpasst?"
"Ach weißt du, ich habe herausgefunden, dass Jimin voll den Crush-"
"Yugyeom! Halt die Klappe und mach's nicht noch peinlicher", beschämt verdeckte Jimin sein immer roter werdendes Gesicht.
Dies reichte mir schon aus, um mir ein wohlwissendes Grinsen ins Gesicht zu treiben, bevor ich kurz inne hielt.
"Wie kann es sein, dass ich der Letzte bin, der was davon erfährt?"
Beleidigt zog ich einen Schmollmund, wodurch die Beiden vor mir leicht panische Blicke austauschten.
"Wärst du in der letzten Woche einfach mit uns auf Joys Party gegangen, dann hättest du den ganzen Tea mitbekommen", verteidigte sich Jimin die Arme verschränkend.
"Ach so, nur weil ich nicht so der Typ für Partys bin, bin ich es nicht mehr wert Teil eures Lebens zu sein, oder was? Das tat weh, Jimin", meinte ich, während ich gespielt verletzt die Hand auf meine Brust legte, "Außerdem war ich nicht mal eingeladen."
"Das wäre kein Problem, wir hätten dich reingeschmuggelt."
Von seiner Aussage überzeugt trank Yugyeom aus seiner Capri-Sonne.
"Das wäre nicht richtig", ließ ich es kleinlaut verlauten.
"Ach, das hätte echt niemanden interessiert. Es wäre nicht mal aufgefallen! Bei der nächsten Party kommst du mit und diesmal werde ich kein 'nein' akzeptieren. Sonst heulst du wieder rum, weil du nichts mitgekriegt hast", sagte Jimin die Schulter zuckend.
"Genau, dann gehen wir zu dritt auf der Tanzfläche ab!", stimmte Yugyeom mit ein und warf dabei die Hände so hektisch in die Luft, wobei er sie volle Kanne gegen die Tischplatte schlug.
Wie vom Schmerz gelähmt rührte er sich nicht weiter, sondern verzog nur schmerzvoll das Gesicht, öffnete den Mund, doch es kam kein Wort, nur dieser eine leidende Ton gab er von sich, welcher sich anhörte wie ein langgezogendes "Aua", während er versuchte den stechenden Schmerz seiner Hand zu verabeiten.
Das sah verdammt komisch aus, sodass Jimin und ich wie zwei kleine Sadisten anfingen in schalendes Gelächter zu fallen.
Ich hielt mir schon den Bauch, währenddessen sich Jimin die Tränen vom Augenwinkel wischte und dabei plötzlich den Blick von Yoongi einfing.
Dabei scheiternd normal zu wirken, allein schon, weil sich auf seinen Wangen noch Tränen abbildeten, hörte er abrupt auf zu lachen und bemühte sich dabei ihm ein charmantes Lächeln zu schenken, wobei er nicht drum rum kam, dass seine Wangen sich rot färbten.
Nachdem Yoongi ihm es gleich tat, drehte er sich hektisch zu uns um und fächerte sich Luft zu.
"Oh mein Gott, habt ihr das gesehen?! Ach du scheiße, ich glaube ich hyperventiliere ", flüsterte er uns energisch zu.
"Oh mein Gott, ja, er hat dich angelächelt, wie krass", meinte Yugyeom wenig beeindruckt, weswegen ich grinsend die Augen verdrehte.
"Jetzt sei nicht so griesgrämig, Yug. Jimin, ich denke er kann dich gut leiden und du weißt ja, dass Yoongi so gut wie niemanden ausstehen kann", erklärte ich ihm meinen Gedankengang.
"Und woran machst du das fest, Sherlock?", fragte Yugyeom mit hochgezogener Augenbraue.
"Hallo? Hast du Yoongi jemals irgendjemanden anlächeln sehen? Ich bezweifle es."
"Touché."
Zufrieden lächelnd lehnte ich mich nach hinten. Jimin konnte nicht aufhören wie ein Hongikuchenpferd zu grinsen und irgendwie stimmte es mich auch glücklich.
Es war kurz ruhig an unserem Tisch, jeder hing seinen eigenen Gedanken nach und sahen durch die Gegend. Mit einem Mal nahm ich das laute Stimmengewirr wieder war und ließ meinen Blick wieder durch die Menge gleiten.
"Kommt es mir nur so vor, oder starrt der Neue gerade Jungkook an?"
"Wie bitte?," antwortete ich Yugyeom mit einer Gegenfrage, nur um dann ohne weiteres meinen Kopf in Taehyungs Richtung zu drehen, wobei ich mit großen Augen den Blick seinerseits einfing, der länger schon auf mir lag, weshalb mir das Herz für einen Moment stehen blieb.
Er machte mir wirklich Angst.
°Love Maze
280120
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro