
14.
"Du siehst furchtbar aus", stellte Neill in seiner charmant direkten Art fest. Ariel nickte stumm, hatte sie dagegen doch nichts einzuwenden.
"Wie geht es Alex?"
Sie zuckte mit den Schultern. "Ich weiß es nicht", murmelte sie. "Ich hab ihn nicht mehr besucht, bin nicht an seine Anrufe gegangen, habe nicht auf seine Nachrichten geantwortet."
"Ehekrise, also?", fragte Neill.
"Ja, genau, Ehekrise", nuschelte Ariel. "Können wir jetzt hier weg? Ich weiß immer noch nicht, was du an diesem Café so geil findest."
Neill ignorierte ihre Beschwerde und klappte stattdessen seinen Laptop auf. "Was sagt dir der Name Linda Jolene Porch?"
"Die, die gestern vor 'n Lieferwagen gestoßen wurde?"
"Jup, du kennst sie sicherlich aus dem Video."
"Welches Video?" Ariel kratzte sich an der Stirn. Neill drehte den Laptop um. Auf dem Bildschirm sah sie die bunt behängte Theke des Misty Heaven. Ein hochgewachsener, schlaksiger Mann, der Ähnlichkeit mit Neill hatte stritt sich mit einer hellblonden Kundin in Lederjacke, die einen Pappbecher in der Hand hielt.
"Sie wollen mir sagen, dass Sie das hier ernsthaft lecker finden?"
Der Mann zuckte mit den Schultern. "Wir verkaufen hier nur die beste Qualität."
"Die beste Qualität ist widerlich, da nehm ich liebe eine minimal kleinere Qualität", keifte die Frau ihn an, knallte den Becher auf den Tresen und verpasste ihm eine schallende Backpfeife.
"Sympathisch, die hätt ich auch auf die Straße geschubst."
Neill trat Ariel gegen das Schienbein. "Die hatte eine Wut in sich, anders kann man es nicht sagen", gestand er schließlich nach einer kurzen Gesprächspause.
"Dafür hatte sie nur eine gute Freundin, die unter ihr ganz schön gelitten hat. Die Freundin hat schon ausgesagt und meinte, dass Lindas Tod mehr wie die Befreiung von einer schweren Last für sie war. Linda war zwar laut der Stammkunden des Kinos, in dem sie arbeitete "ziemlich hot, aber auch hart unfreundlich". "
"Danke für die Fachsprache", nickte Ariel und gähnte.
"Also hatte sie viele Leute, die ihr gegenüber sehr negativ eingestellt waren und so gut wie jede Person, zu der sie mal unfreundlich gewesen ist, was wirklich jeder sein könnte, hätte ein Motiv."
"Exakt", nickte Neill und schloss den Laptop. "Eine Option, die wir haben ist, ihren Mord mit Patricia Wells Mord zu vergleichen und eventuelle Parallelen festzustellen."
"Klingt nach 'nem Plan, gibt es Parallelen?"
"Sag du es mir." Neill räusperte sich. Ariel überlegte.
"Also wir hatten ja die Vermutung, dass der Angriff bei Patricia überraschend kam, weil sie keine Abwehrspuren aufwies. Dann sind wir davon ausgegangen, dass es sich um einen Freund gehandelt hatte, weil es keine Einbruchsspuren gab und zuvor jemand auf dem Küchenstuhl gesessen hatte. Das ließ sich am Kissen ablesen, die Person war offenbar nicht Patricia. Und welcher Mörder setzt sich nochmal kurz nach der Tat, das ist doch bescheuert."
"Worauf willst du hinaus?", fragte Neill.
"Was, wenn der Täter die Person in ein Gespräch verwickelt hat, nur um dann zuzustoßen."
"Ja, aber was ist denn das Motiv. Beide müssten sich ja sicher gefühlt haben, sonst hätten sie ihn nicht ins Haus gelassen. Oder das Gespräch fortgeführt."
"Naja, vielleicht ist er ein guter Schauspieler, oder..." Ariel zuckte mit den Schultern. "Ich weiß es nicht."
Neill durchblätterte Lindas Fallakte. "Wir warten noch auf die Autopsieergebnisse, aber wir haben einige Zeugenaussagen. Ein Mädchen erzählt, dass der ihr unbekannte Mann, den sie nur von hinten sah, sich eine Weile mit Linda unterhalten habe. Dann sei sie gegangen, er habe sie aber am Kragen der Jacke zurückgehalten und in den Verkehr geschleudert. Anschließend habe er den Tatort ganz ruhig verlassen."
"In welche Richtung ist er gelaufen?", wollte Ariel wissen.
"Er kam vom Supermarkt und lief in die entgegengesetzte Richtung. Schien von der Arbeit zu kommen, er hatte unter seiner Winterjacke eine blaue Weste mit Namensschild an, die fast zur Gänze vom Mantel verdeckt war. Ein Motorradfahrer hatte sie erkannt, weil sein Bruder bei dem selben Supermarkt arbeitet."
Ariel schüttelte den Kopf. "Du bist bescheuert."
"Bitte?"
"Warum sagst du mir das denn erst jetzt?" Sie sprang auf und griff nach ihrer Jacke, die über der Stuhllehne gehangen hatte.
"Ich war heute Morgen noch beim Supermarkt und es war kaum ein Mitarbeiter da. Nur der Securitytyp und einer an der Kasse. Ich habe sein Gesicht gesehen, ich weiß, wie er heißt, ich bräuchte nur eine vage Personenbeschreibung und könnte dir sagen, dass wir unseren Täter haben und wer er ist!"
Hastig durchblätterte Neill die Akten. "Eine Frau beschreibt den Täter als durchschnittlich groß, relativ jung, Mitte zwanzig mit dunklen Haaren und Bart, südländischer Typ, nicht übermäßig schlank oder breit gebaut."
Ariel fuhr sich kopfschüttelnd durch die Haare.
"Wer ist er denn?", fragte Neill verwirrt.
"Sein Name ist Diego del Mara."
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