~11~
Die Tage streckten sich wie endlose Schatten aus, als die schmerzliche Distanz zwischen Jack und mir zu einem emotionalen Geflecht aus Unsicherheit und unausgesprochenen Worten wurde. Das Labyrinth der Geheimnisse schien sich nicht nur um meine Gedanken zu winden, sondern auch um die Atmosphäre in der Bar, wo die Blicke der Gangmitglieder schwer in der Luft hingen.
Die einstige Einheit und der Respekt, die unsere Gruppe auszeichneten, verblassten wie die Erinnerungen an bessere Zeiten. Jeder Versuch, das Gleichgewicht wiederherzustellen, erwies sich als vergeblich, und der Druck auf meinen Schultern intensivierte sich mit jedem Tag. Die vertrauten Gesichter der Gangmitglieder schienen mir nun weniger vertraut, und der Rauch der Stadt trug eine Atmosphäre der Anspannung mit sich.
An einem dieser düsteren Tage näherte sich Mike, ein erfahreneres Mitglied der Gang, mit einem ernsten Gesichtsausdruck. Seine Augen hatten Geschichten von vergangenen Kämpfen und verlorenen Schlachten gesehen. Er zog mich in eine abgelegene Ecke der Bar, wo der Klang entfernter Sirenen die Dringlichkeit seiner Worte zu unterstreichen schien.
"Ava, wir müssen über Noah sprechen", begann Mike, und sein Blick bohrte sich tief in meine Seele.
Meine Augenbrauen hoben sich fragend. "Was gibt es über Noah zu besprechen?"
Ein tiefer Seufzer entwich Mike. "Du hast uns alle überrascht, als du versucht hast, ihm eine Chance zu geben. Aber wir alle wissen, dass er nicht der ist, der er vorgibt zu sein. Du kannst nicht einfach vergessen, was er getan hat."
Die Schatten von Noahs Vergangenheit, seine dunklen Taten, hingen wie eine drohende Wolke über uns. Doch in den letzten Tagen schien er aufrichtig um Veränderung bemüht zu sein, und das hatte einen inneren Konflikt in mir entfacht.
"Ich weiß, Mike, aber die Dinge sind kompliziert. Ich versuche nur, die Wahrheit herauszufinden, ob er wirklich der Mann ist, von dem alle Welt spricht oder ob er doch ein liebevolles Wesen sein kann", entgegnete ich, während meine Augen zwischen den Falten auf Mikes Stirn wanderten.
Mikes Hand legte sich schwer auf meine Schulter. "Ava, du musst aufpassen. Noah könnte nur so tun, als würde er sich ändern, um uns zu täuschen. Er hat Blut an den Händen, und das wird sich nicht so leicht ändern."
Seine Worte hallten in meinen Gedanken wider, und ich spürte den zunehmenden Druck von außen. Die Gangmitglieder versuchten, ihre Sicht der Dinge zu vermitteln. Doch trotz ihrer warnenden Worte blieb mein Entschluss, die Wahrheit über Noah herauszufinden, ungebrochen.
In den folgenden Abenden intensivierten sich die Bemühungen der Gangmitglieder, mich zu beeinflussen. Einige erzählten von angeblichen Beobachtungen, die Noah in einem zwielichtigen Licht darstellten, während andere darauf hinwiesen, dass er nur versuche, unser Vertrauen zu gewinnen, um uns später zu verraten.
Es war, als ob sie versuchten, die Glut des Hasses gegen Noah in mir wiederzuerwecken, die einmal so intensiv gebrannt hatte. Die Zweifel wuchsen, und die Erinnerungen an Noahs dunkle Vergangenheit drängten sich wieder an die Oberfläche. Ich spürte den Sog dieser manipulativen Versuche, doch gleichzeitig widerstand ich ihnen, fest entschlossen, die Wahrheit selbst herauszufinden.
An einem verregneten Abend, als die Stadt im trüben Licht der Straßenlaternen ertrank, stand ich vor der Bar. Die Gespräche mit den Gangmitgliedern hatten ihre Spuren hinterlassen, und die Stimmung zwischen uns war wie ein Pulverfass, bereit zu explodieren.
Noah tauchte aus der Dunkelheit auf, sein Blick ernst und voller Ernsthaftigkeit. "Ava, wir müssen reden. Die Dinge nehmen eine gefährliche Wendung und ich fürchte, unsere Zeit läuft ab."
Ich nickte zögernd, und wir suchten einen ruhigen Ort auf, um uns aus den Augen der Gang zurückzuziehen. Der Regen prasselte auf die dunklen Pflastersteine, als wir uns in eine schützende Nische zurückzogen.
"Noah, ich höre zu", sagte ich, die Unsicherheit in meinen Augen.
Er atmete tief durch, als ob er nach den richtigen Worten suchte. "Ava, die Angriffe auf die Gang, die Sirenen in der Ferne, all das hat einen Grund. Jemand versucht, uns auseinanderzutreiben, und ich fürchte, es könnte jemand aus unseren eigenen Reihen sein."
Noahs Worte hingen wie ein bedrohlicher Nebel in der regenschweren Luft. Die Information, dass jemand aus den eigenen Reihen die Gang attackierte, ließ meine Gedanken wild wirbeln. Die Spannung zwischen uns verstärkte sich, als Noah einen Namen ins Spiel brachte, den ich nicht erwartet hatte.
"Es könnte Jack sein, Ava", sagte Noah mit einem düsteren Unterton. Seine Augen bohrten sich in meine, während er die Worte aussprach, als wäre jede Silbe eine stechende Nadel.
Mein Herz schien einen Moment lang auszusetzen, während ich versuchte, die Tragweite dieser Anschuldigung zu begreifen. Jack, mein bester Freund und Vertrauter, als Verräter? Die Vorstellung fühlte sich an, als würde der Boden unter mir weggezogen.
"Das kann nicht sein, Noah. Jack würde uns niemals verraten", entgegnete ich, meine Stimme zitternd vor Verwirrung und Unglauben.
Noah seufzte schwer. "Ava, ich verstehe, dass es schwer zu akzeptieren ist. Aber die Beweise deuten in diese Richtung. Er hat Zugang zu Informationen, die nur jemand aus den innersten Kreisen haben könnte. Du musst vorsichtig sein."
Ein Sturm von Emotionen tobte in mir. Ein Teil von mir wollte Noah glauben, die Bedrohung ernst nehmen und die Gang vor weiteren Angriffen schützen. Aber ein anderer Teil weigerte sich, Jack zu verdächtigen, einen Freund, der in den dunkelsten Stunden an meiner Seite gestanden hatte.
"Nein, das kann nicht wahr sein. Jack würde so etwas niemals tun", murmelte ich mehr zu mir selbst als zu Noah. Doch seine Worte hatten bereits einen Keim des Zweifels in meinem Inneren gepflanzt.
Als ich die Bar betrat, war die Atmosphäre so angespannt wie das Gewitter draußen. Die Blicke der Gangmitglieder ruhten auf mir, und ich spürte, wie ihre Fragen in der Luft schwebten. Noahs Anschuldigungen hingen wie eine drohende Wolke über mir, und ich fühlte mich gefangen zwischen der Loyalität zu Jack und dem Bedürfnis, die Gang zu schützen.
Ich suchte nach Jack, fand ihn schließlich in einer abgelegenen Ecke der Bar. Sein Blick hob sich, als er meine Nähe spürte, und ich konnte die Spuren der Erschöpfung und Sorge in seinen Augen sehen.
"Jack, wir müssen reden", sagte ich ernst und senkte meine Stimme, um nicht die Aufmerksamkeit der anderen auf uns zu lenken.
Er nickte knapp und wir zogen uns in einen ruhigen Bereich zurück. Der Lärm der Bar wurde durch den Klang des Regens draußen gedämpft.
Jack betrachtete mich mit leicht schief gelegtem Kopf. Die Ringe unter seinen Augen sprachen Bände der letzten Tage. Dass ich ihn abblitzen lassen hatte, hatte er wohl nicht ganz so gut verkraftet, wie ich es mir erhoffte. Fast begann sich Mitleid in mir zu regen, doch ich riss mich zusammen, holte tief Luft und blickte ihm fest in die Augen. Jetzt nur keine Schwäche zeigen!
"Noah beschuldigt dich, Jack. Er sagt, du könntest hinter den Angriffen auf die Gang stecken", gestand ich, während die Worte einen bitteren Geschmack in meinem Mund hinterließen.
Jack runzelte die Stirn, und ich konnte die Intensität seines Blickes spüren. "Das ist lächerlich, Ava. Warum sollte ich meine eigene Gang angreifen? Das ergibt keinen Sinn."
"Er sagt, du hättest Zugang zu Informationen, die nur jemand aus den innersten Kreisen haben könnte", erklärte ich zögerlich.
Jack schnaubte verächtlich. "Natürlich habe ich Zugang zu Informationen. Das ist Teil unseres Überlebens, Ava. Aber das bedeutet nicht, dass ich die Gang verraten würde. Du kennst mich besser."
Die Zweifel in mir kämpften mit der jahrelangen Freundschaft zu Jack. Doch Noahs Worte hatten bereits einen Riss in meine Überzeugungen gerissen, und ich konnte nicht einfach ignorieren, was er behauptete.
"Ich will dir glauben, Jack, aber die Beweise..." meine Stimme erstarb, als ich die Unsicherheit in seinen Augen sah.
"Was für Beweise? Noah hat wahrscheinlich selbst etwas inszeniert, um uns auseinanderzutreiben. Er hat seit jeher ein Problem mit mir", sagte Jack mit einer Mischung aus Ärger und Enttäuschung.
Ich spürte, wie sich der Druck in meiner Brust verstärkte. Einerseits wollte ich Jack glauben, andererseits konnte ich nicht einfach die Möglichkeit ignorieren, dass jemand in unseren eigenen Reihen gegen uns arbeitete.
"Was ist unser nächster Schritt, Ava?" fragte Jack, während sein Blick suchend auf meinem Gesicht ruhte.
Eine innere Zerrissenheit breitete sich in mir aus. Ich wollte Jack vertrauen, aber die Unsicherheit nagte an meiner Entschlossenheit. "Wir müssen herausfinden, wer wirklich hinter all dem steckt. Noah hat möglicherweise seine eigenen Motive, aber wir können nicht einfach die Augen davor verschließen, dass es möglicherweise einen Verräter in unserer Mitte gibt."
Jack nickte verständnisvoll, und wir verließen die Bar, um die Dunkelheit und den Regen draußen zu konfrontieren. Die Stadt schien von einer düsteren Aura umgeben, und die Wahrheit lag irgendwo im Nebel aus Misstrauen und Verdächtigungen verborgen.
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