Kreislauf des Lebens
POV Julia
Es war jetzt schon über einen Monat her, dass Jenny und ich dieses Gespräch gehabt hatten. Natürlich war es komisch, ohne sie durch den Tag zu kommen und ihren Beistand nicht mehr zu haben, aber es nahm viel Stress und das konnte ich gerade gut gebrauchen. Ich fühlte mich jeden Tag schlechter, konnte mich nicht mehr wirklich bewegen und lag fast die ganze Zeit im Bett. Seb sorgte sich um mich so gut er konnte, doch auch er war mit seinem Latein am Ende. Kaum etwas, was ich aß, konnte ich im Körper behalten und ich war ständig am Schlafen.
Heute war erneut so ein Tag, an dem ich mit Übelkeit aufwachte und zudem noch Schmerzen im Bauch hatte. Es war ein Ziehen, welches ich so noch nicht kannte und so teilte ich Seb mit, was mich bedrückte, als er mir mein Frühstück brachte.
"Guten Morgen Prinzessin. Ich habe hier dein Frühstück." wies er mich auf das Tablett hin, als er sah, dass ich einen schmerzverzerrten Blick auf dem Gesicht hatte und mir den Bauch hielt. Schnell stellte er das Tablett auf dem Tisch ab und eilte zu mir. "Alles in Ordnung?"
Ich schüttelte den Kopf und atmete tief ein und aus, so wie ich es im Schwangerschaftskurs gelernt hatte.
"Ich habe ein Ziehen im Bauch. Es kann nichts sein, es könnten aber auch schon die ersten Wehen sein. Mein Fruchtwasser ist zwar noch nicht geplatzt, aber es könnte sein. Wir sollten das im Auge behalten."
Seb nickte ernst. Er sah deutlich, dass etwas nicht stimmte, aber er versuchte, ruhig zu bleiben um mir das Ganze zu erleichtern. Dennoch spürte ich seine Anspannung und seine Sorge, die auch in mir tief verankert lagen. Ich wollte einfach nur, dass unser Kind gesund auf die Welt kam. So versuchte ich, mein Frühstück zu essen, was aus Porridge bestand und tatsächlich blieb es diesmal sogar in mir. Doch die Schmerzen vergingen nicht, im Gegenteil: sie wurden schlimmer und kamen in kürzeren Abständen. So rief Seb knappe 2 Stunden nach meinem Frühstück den Krankenwagen, da er mich nicht unnötig durch die Gegend tragen wollte. Dieser traf auch schon kurz darauf ein und die Rettungskräfte beförderten mich auf die Trage, während Seb meine Tasche schnappte und im Auto folgte. Ich wusste es, irgendetwas musste schief gehen und unser Wunder beschatten.
Im Krankenhaus angekommen wurde ich sofort in einen Behandlungsraum geschoben und von vielen Doktoren und Schwestern umgeben. Seb traf 10 Minuten später ein, in welcher Zeit meine Fruchtblase geplatzt war und sich auf den Schuhen der Gynäkologin entleert hatte. Ich entschuldigte mich mehrmals bei Dr. Montgomery, bevor mir kurz schwarz vor Augen wurde und sich meine Welt anfing zu drehen. Seb hielt durch diese ganze Zeit meine Hand und sein besorgter Blick ließ sich nicht mehr verstecken. Und obwohl die Ärzte versuchten, zu lächeln und mir gut zuzusprechen, wusste ich, dass etwas nicht stimmte.
"Ist alles gut mit Milan?" brachte ich müde hervor, meine Stimme hatte kaum Stärke. Meine Kräfte schwanden dahin und ich wusste nicht, wie ich sie wiederbekam. Dr. Montgomery lächelte mich jedoch an und drehte den Monitor zu mir.
"Der Herzschlag des jungen Mannes ist stark und er liegt sogar schon richtig. Sie sind jetzt bei 4cm Öffnung, bis zur Geburt wird es also noch eine Weile dauern, aber einer unserer Pädiatrie-Residenten wird bei Ihnen bleiben, Mrs. Stan."
Trotz den ganzen Strapazen musste ich lächeln, als sie meinen neuen Nachnamen erwähnte und mich so ansprach, wie ich es mir immer erträumt hatte. Die rothaarige Ärztin verließ den Raum und ein recht junger Mann setzte sich an ihre Stelle, um den Ultraschall und den Herzmonitor zu überwachen. Währenddessen notierte er etwas in meiner Akte, bevor er sich zu mir drehte und sich vorstellte.
"Mrs. Stan, mein Name ist Dr. Karev, ich bin für Sie zuständig, solange wir in der Wehenphase sind."
Ich nickte ihm zu, zu mehr war ich gar nicht mehr fähig, weil mich die Müdigkeit überrollte. Auch Dr. Karev beäugte mich kritisch, er versuchte es gar nicht zu verstecken. Während eine Schwester mir also noch ein Kissen und etwas zu trinken brachte, redete Sebastian auf mich ein.
"Jetzt dauert es sicher nicht mehr lang, bis wir Milan im Arm halten können. Und dann können wir uns sicher sein, dass sich die ganzen Strapazen gelohnt haben." Er seufzte und küsste meine Schläfe, bevor er mir ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht strich. "Und dann können wir zusammen zusehen, wie er aufwächst und du kannst dich wieder deinen Drehbüchern widmen. Joe und Anthony lieben das Eine, welches du geschrieben hast und wollen es in den nächsten 3 Jahren realisieren. Weißt du, wie cool das ist?"
Ich sah, wie Dr. Karev uns mit einem leichten Lächeln auf den Lippen musterte, doch als eine Schwester ihm meine Blutergebnisse reichte, verflog es wieder und er entschuldigte sich, bevor er nach Dr. Montgomery rufen ließ.
"Ich glaube, um mich steht es nicht so gut." versuchte ich zu spaßen, aber ich wusste, dass es stimmte. Seit ich hier angekommen war, war der ganze Laden voller ernster Gesichter und Hektik, die sie mehr oder minder zu verbergen versuchten. Auch Seb entgleiste kurz der Gesichtsausdruck, bevor er nach unten schaute und sich sammelte.
"Quatsch, Unkraut vergeht nicht, weißt du doch."
Er versuchte offensichtlich, mich aufzumuntern, weil es einer meiner Lieblingssprüche war, die ich ihm schon gedrückt hatte, aber vielleicht war es auch für den stärksten Löwenzahn einmal Zeit. Ich hatte einige Schwangerschaften in meinem Bekanntenkreis erlebt und niemandem ging es so elendig wie mir. Ich wusste, dass es einen Haken geben musste, ich hatte es einfach gewusst. So ein Wunder forderte immer Opfer, so war das Spiel des Lebens.
Dr. Karev betrat erneut den Raum, um meinen Blutdruck manuell zu messen, als würde sich das Gerät, welches meinen Blutdruck auf dem Monitor anzeigte, lügen können und auch dies ließ mich wieder daran teilnehmen zu verstehen, wie schlecht es um mich stehen musste. Dann verließ er wieder den Raum und bis auf einige Schwester sah ich zwischen Wehen und Ruhephasen nicht mehr.
Das änderte sich jedoch, als Dr. Karev nach ungefähr 4 Stunden ein weiteres Mal nach der Öffnung meiner Gebärmutter schaute. Aufgeregt sprang er auf und zog seinen Pager aus der Tasche, um Dr. Montgomery zu meinem Zimmer zu beordern, die kurz darauf auch schon in meiner Türe erschien.
"...9cm, wir müssen einen Kreissaal vorbereiten." hörte ich seine Stimme noch und ich wurde auf Order von Dr. Montgomery durch die Gänge des Krankenhauses gefahren, in einen Aufzug gebracht und schließlich in einen weißen Raum geführt. In der hinteren rechten Ecke stand eine große runde Badewanne, die wohl für Wassergeburten genutzt wurde, doch mich brachten sie zu der Liege, auf die sie mich daraufhin auch verfrachteten. Meine Wehen waren schon seit geraumer Zeit stärker, aber ich hatte einfach keine Kraft, um mir die Seele aus dem Leib zu schreien. Im Gegenteil, mit jeder Wehe schien ich weniger Kraft zu haben. Sogar Reden war inzwischen zu viel und so hing ich auf dieser Liege und wimmerte vor mich hin, als mich die nächste Wehe überrollte.
"So ist es gut, Mrs. Stan. Bleiben Sie dran, Sie schaffen es."
Eine ewig lange Zeit schien sich einfach nichts zu tun, die Wehen kamen nun jede dritte Minute und hielten eine gefühlte Ewigkeit an. Ich hatte kaum mehr eine Pause zwischendrin und Dr. Karev musterte die rothaarige Ärztin angespannt.
"Sollen wir einen Kaiserschnitt vorbereiten?"
Doch Dr. Montgomery schüttelte den Kopf.
"Wir können sie nicht unter Teilbetäubung oder Halbnarkose stecken, weil sie zu viele Allergien gegen unsere Mittel hat und Vollnarkose wird sie nicht überleben." flüsterte sie dem netten Doktor in den hellblauen Arbeitsklamotten zu, doch es schien so, als würde sie diese Worte schreien. Es war, als wären meine Gehörgänge geschärft wie keiner der anderen Sinne. Seb sprach mir gut zu und übertönte die Stimmen der Ärzte.
"Du schaffst das, mein Schatz. So ist es gut. Bald haben wir Milan bei uns, jetzt dauert es nicht mehr lange." Seine Stimme klang wie Zucker in meinen Ohren und es gab nichts schöneres für mich auf dieser Welt. Der Mann, den ich liebte, an meiner Seite, während ich unser Kind gebar. Ein weiteres Pressen und Dr. Karevs Blick entspannte sich ein wenig.
"Der Kopf ist endlich draußen." seufzte er erleichtert, während Dr. Montgomerys Blick immer noch angespannt war und meine Angst wurde mir einfach nicht genommen. Irgendwas stimmte ganz und gar nicht, aber sie schien zu hoffen, dass es sich von selbst regelte.
Eine weitere halbe Stunde verging, die sich wie eine halbe Ewigkeit anfühlte und nach und nach bewegte sich Milan aus mir heraus. Gerade, als ich seine ersten Schreie vernahm, schien mir was ganz komisch. Mir war ganz schwummerig und die Welt drehte sich erneut. Mein Gefühl, dass etwas überhaupt nicht stimmte, bestätigte sich, als eine ganze neue Welle an Ärzten durch die Türe rannten.
"Sie blutet, die Plazenta scheint sich nicht vollständig gelöst zu haben! Verdammt nochmal!" hörte ich den jungen Arzt noch schreien, aber es schien so zeitversetzt, als würde etwas nicht stimmen. Sie zogen Seb von mir weg, der sich schreiend wehrte, aber es schien alles so weit weg. Mir wurde aber eines bewusst, als das Licht immer heller zu werden schien: das hier war mein Ende, aber Milan ging es gut, und das war das Wichtigste.
"Pass auf ihn auf, er wird ein toller junger Mann, da bin ich mir sicher."
Und noch während ich meine Augen das letzte Mal in meinem viel zu kurzen Leben schloss, überkam mich ein Lächeln, denn obwohl ich wirklich traurig war, dass ich Milan nie aufwachsen sehen würde, war ich froh, dass ich in meinem Leben das erreicht hatte, was ich immer erreichen wollte. Ich hatte Sebastian Stan geheiratet, war mit ihm glücklich geworden und wir hatten eine Familie gegründet. Und während ich meinen letzten Atemzug tat, wisperte ich ein letztes "Ich liebe dich, Sebastian Stan.", bevor meine Welt für immer schwarz wurde.
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