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Kat
„Was ist das für ein Zettel?", fragt Luke. Er deute mit einem Finger darauf, sieht über seine Schulter hinweg zu uns und zieht eine Augenbraue hoch. Rose, Alice und ich sehen von unseren Tellern auf und mustern Luke. Er steht am Kühlschrank und hat immer noch den Zeigefinger auf dem Zettel gedrückt, während die andere Hand den Knauf des Kühlschranks umklammert.
„Oh, das ist unsere ... Wette.", erklärt Alice. Wir drei können zusehen, wie sich auf Lukes neutralen müden Gesicht ein fragender Ausdruck legt. „Kat, Rose und ich haben eine Wette abgeschlossen, dass wir ein Jahr auf Männer verzichten."
Luke dreht sich wieder zu dem Zettel und beäugt ihn skeptisch. „Okay, das heißt ihr habt ein Kloster gegründet und werdet jetzt lesbisch?"
„Halt die Klappe, Luke.", lache ich. „Wir haben gerade wirklich genug von Männern, weil sie viel Scheiße von sich geben und nur Probleme bereiten. So eine Pause tut uns gut. Wir konzentrieren uns auf die Uni, pflegen unsere Freundschaften und wer weiß, nach diesem Jahr geht es uns allen besser und wir wissen was wir wollen."
Luke nimmt sich eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank uns setzt sich wieder zu uns an den Tisch. „Das heißt ihr besorgt es euch dann gegenseitig? So wie die verrückten heißen Collegegirls in den ganzen Filmen?" Sein freches, spitzbübisches Grinsen kommt zum Vorschein, während er zwischen uns hin und her sieht. Rose stößt einen verächtlichen Laut von sich, während Alice angewidert das Gesicht verzieht.
Luke Morgan ist ein echter Vollidiot. Und mein bester Freund. Da ich ihn nun mal schon viel zu lange kenne, bin ich über seinen Kommentar nicht wirklich überrascht. Nein ich habe drauf gewartet, dass so etwas kommt, weil er nun mal ... Luke ist.
Viele fragen mich, wie ich mit ihm befreundet sein kann, weil er so viel Schwachsinn im Kopf hat. Meine Antwort ist meist ein Schulterzucken, weil ich das ihnen nicht erklären kann. Luke ist etwas ganz Besonderes für mich, weil er mir damals zur Seite stand, als ich alleine war. Er war der einzige, der mich damals in den Arm genommen hat, als es sonst keiner tat. Und er war derjenige, der mich zum Lächeln gebracht hat. Und was ich so sehr an unserer Freundschaft liebe, dass er das immer noch schafft.
„Mädels wir sollten unsere Regeln verschärfen. Keine Männer in der Wohnung.", sagt Alice schroff und sieht dabei Luke streng an. Aber der grinst nur mit vollem Mund.
„Keine Sorge, seht mich als Pfarrer, der euch jeden Tag das Gebet Gottes vorließt.", meint er und schaufelt weiter das Essen in sich hinein. Luke kommt fast jeden Tag zu uns in die WG und isst mit uns. Er hat eine kleine, aber gemütliche Wohnung über seinem eigenen Laden. Aber Luke ist ungern alleine und da ich ihn gerne bei mir habe, schnorrt er sich bei uns durch.
Wir drei sehen ihn an. „Jetzt mach unseren Plan nicht runter. So schlecht ist der Einfall gar nicht.", murre ich. Alice und Rose nicken zustimmend.
Luke sieht auf und lässt seine Gabel zurück auf den Tellern sinken, als er unsere Blicke bemerkt. „Ich mache eure Idee nicht runter. Sie ist irgendwie nur schwachsinnig. Ich meine eine eurer Regeln ist es sich nicht zu verlieben. Sowas kann man doch nicht steuern."
„Der Pakt hat noch ein paar Schwachstellen.", murmelt Rose und nimmt einen Bissen.
Aber ich ignoriere Rose und starre Luke an. „Ja gut, vielleicht kann man das nicht steuern. Aber man kann es wenigstens versuchen zu verhindern, dass man sich verleibt."
„Ach ja und wie?" Es ist nichts neues, dass Luke und ich uns öfter ein bisschen zanken. Manchmal habe ich das Gefühl, ihm macht das Spaß, weil ich mich immer zu sehr hineinsteigere als er. „Was ist, wenn ihr jemanden kennen lernt?" Luke zuckt mit den Schultern. „Glaubt mir Mädels, so etwas kann man nicht verhindern. Das Leben macht was es will." Er lenkt seine Aufmerksamkeit wieder seinem Essen zu.
„Vielleicht hat Luke recht.", murmelt Rose. Alice und ich werfen ihr einen strengen Blick zu.
„Ich habe immer Recht.", wirft Luke überzeugend in die Runde. Aber wir ignorieren ihn.
„Willst du es etwa lassen? Ich meine wir waren uns alle einig, dass wir das gemeinsam durchziehen. Entweder alle oder keine.", wiederhole ich unsere Worte. Rose verzieht das Gesicht und ich habe das Gefühl, dass sie unsere Abmachung gerade wirklich in Frage stellt. Ich kenne diesen Blick. Es ist der Blick, wenn sie kurz vor einem Rückzieher ist.
„Rose, wir zeihen das durch.", pflichtet mir Alice bei.
„Sie haben Recht. Tretest du einmal dem Kloster bei, gibt's kein Zurück mehr.", sagt Luke und nickt Rose streng zu. Aber er macht sich bloß lustig über uns.
Bevor ich etwas erwidern kann, dreht sich Alice zu meinem besten Freund. „Luke, du bist nicht wirklich eine Hilfe, also versuch einfach mal deine Klappe zu halten." Alice lächelt ihn zuckersüß an, während Lukes Mund leicht offensteht. Dann sieht er zu mir. „Darf sie das?"
Ich lache und nicke mit dem Kopf. „Ja das darf sie. Weil du wirklich keine Hilfe bist." Luke tut das Ganze nur mit einem Augenrollen ab.
Alice steht auf, und schnappt sich unsere leeren Teller. „Also Rose, das ist nicht so wie in den Filmen, wo sie sich einmal küssen und dann verliebt sind. So etwas existiert nur im Film."
„Natürlich passiert so etwas. Nur weil ihr nicht daran glaubt, heißt es nicht, dass es das nicht gibt.", protestiert Rose und erhebt sich ebenfalls.
Alle vier räumen wir den Tisch ab und füllen den Geschirrspüler auf. Wir machen es immer gemeinsam, damit es schneller geht. Schließlich soll hier jeder seinen Beitrag leisten.
„Glaub mir Rose, so etwas gibt es nicht. Wir ziehen unsere Abmachung durch. Ohne dich klappt das ganz nicht.", muntere ich Rose auf und lächle sie an.
„Kat hat Recht. Gemeinsam oder gar nicht."
Rose seufzt gequält und hebt die Hände. „Wisst ihr was, ich gehe jetzt schlafen. Der Tag war schon anstrengend genug."
„Also war das ein ja?", ruft ihr Alice nach.
„Ja!", kommt es von Rose. Dann ein Knall und ihre Türe ist zu.
Luke opfert sich und räumt den Geschirrspüler fertig ein, während Alice hinter mir gähnt. „Leute macht es euch etwas aus, wenn ich auch ins Bett gehe. Es war wirklich ein langer Tag."
„Nein, geh ruhig. Wir machen das hier schon fertig.", antworte ich ihr und lächle.
„Okay, danke. Gute Nacht.", murmelt sie und verschwindet ebenfalls.
Ich schiele zu Luke hinüber, aber er scheint in Gedanken zu sein. Ich kenne seinen Blick, wenn er über etwas nachdenkt. Seine Stirn legt sich leicht in Falten und sein Kiefer spannt sich an, weil er unbewusst mit den Zähnen knirscht.
„Über was denkst du nach?", frage ich ihn schließlich.
Er reißt den Kopf herum und sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Hm?"
Ich lächle schwach. „Was dir durch den Kopf geht? Ich kenne diesen Blick.", wiederhole ich und trockne den Topf mit einem Geschirrtuch ab.
Aber Luke schüttelt nur den Kopf. „Nichts. Mir ist nur gerade eingefallen, dass ich im Laden was Wichtiges liegen hab lassen."
Ich weiß, dass er lügt. Aber ich belasse es dabei und will ihm nicht weiter auf die Nerven gehen. Nach all den Jahren, weiß ich, dass er mir alles erzählt. Also wird er mir auch das erzählen, wenn es wichtig ist.
Ich stelle den trockenen Topf auf die Abtropffläche und sehe wieder zu ihm. „Kann ich dich etwas fragen?"
Ohne den Kopf zu heben, nickt er. „Klar, du kannst mich alles fragen, weißt du doch."
Ich beiße mir auf die Lippe und überlege, wie ich meine Worte formulieren soll. „Glaubst du daran, dass man sich mit einem ersten Kuss in den anderen verlieben kann. So wie es in diesen Filmen ist? Sie küssen sich einmal und wissen, das ist der Partner fürs Leben. Vielleicht gibt es ja so etwas wirklich.", sage ich und beobachte seine Reaktion.
Luke zuckt wieder mit den Schultern. Dann schließt er den Geschirrspüler und sieht mich an, während er sich die Hände mit einem Geschirrtuch trocknet. „Nein, keine Ahnung. Mir ist so etwas noch nie passiert und nein, ich glaube auch nicht wirklich daran. Zumindest habe ich noch nie ein Mädchen geküsst, wo ich sofort wusste, dass sie die richtige ist."
Ich lasse die Schultern sinken und grinse. „Ach komm. Da war doch diese eine, von der du mir so vorgeschwärmt hast und mir immer wieder gesagt hast, dass sie die richtige ist."
Luke rollt mit den Augen. „Da war ich doch noch jung und dumm."
„Das war letztes Jahr."
„Halt die Klappe.", sagt er augenrollend und schmeißt das Tuch auf unsere Kochinsel.
„Nein, im ernst jetzt.", sage ich. „Glaubst du wirklich nicht, dass es etwas geben kann?"
„Ich glaube nicht daran. Ich weiß, dass wenn ich dich jetzt küssen würde, ich mich nicht in dich verliebe.", meint er und lehnt sich hinter ihm an der Arbeitsfläche an.
„Ach ja? Hey, ich bin eine liebenswerte Person.", protestiere ich.
Luke dreht sich zu mir um. Plötzlich ist er meinem Gesicht nahe, vielleicht etwas zu nahe. Aber ich rühre mich kein Stück. „Ich bin mir ganz sicher. Ich kenne dich schon viel zu Lange und wir beide wissen, dass es einfach nicht passen würde."
„Ich will jetzt nicht sagen, dass ich was von dir will. Aber rein theoretisch haben wir es ja noch nie ausgetestet. Ich meine vielleicht sollten wir auf Nummer sichergehen."
Luke mustert mich und sieht mir dann wieder in die Augen. „Kat, willst du mir etwas sagen?"
„Was? Nein, nein ich meine bloß, dass ein Kuss wirklich etwas ändern kann.", verteidige ich mich und verschränke die Arme vor der Brust.
„Tut es nicht.", sagt er lächelnd.
Ich zucke mit den Schultern. „Wenn du meinst." Meine Stimme versagt etwas. Warum versagt meine Stimme? Es ist nicht das erste Mal, dass mir Luke so nahe ist. Wir liegen manchmal die halbe Nacht zusammen in meinem Bett, gucken Netflix und da tut sich gefühlsmäßig gar nichts. Er ist mein bester Freund. Warum jetzt? Nur weil ich weiß, dass er mich gleich küssen wird?
Luke kommt näher und ich schließe reflexartig meine Augen. Ich spüre mein Herz schlagen und Lukes Atem auf meiner Haut. Und dann treffen seine Lippen auf meine. Sanft legen sie sich auf meine, passen sich meinen an. Sie sind perfekt auf meinen Lippen, etwas zu perfekt. Lukes Lippen bewegen sich und ich öffne meinen Mund ein Stück. Aber er geht nicht weiter, ich spüre nur seine Lippen. Mein Herzschlag wird schneller und meine Haut beginnt zu kribbeln. Hitze schießt unkontrolliert durch meinen Körper. Verdammt, dieser Kuss dauert schon viel zu lange, oder nicht? Ich dachte, Luke gibt mir bloß einen kurzen Kuss auf die Lippen. Aber er spielt mit meinen Lippen. Sanft beißt er mich und ich merke, wie wir uns diesem Kuss verlieren. Ich versuche mir in Erinnerung zu rufen, dass ich hier meinen besten Freund gerade küsse. Aber just in dem Moment, als ich mich bewegen will, beendet Luke den Kuss.
Ich öffne meine Augen und sehe ihn verschwommen dicht vor mir. Luke sieht mir direkt in die Augen und grinst. „Siehst du, es war bloß ein Kuss und nichts hat sich geändert.", flüstert er. Bevor ich etwas erwidern kann, wendet er sich von mir ab und läuft auf die Haustüre zu. Ich sehe ihm nach. „Ich muss los. Wie gesagt, ich habe im Laden etwas vergessen."
„Okay."
„Wir sehen uns. Und danke fürs essen. Sag Alice, dass sie wirklich gut gekocht hat.", ruft er mir noch zu, dann verschwindet er aus der Wohnung.
Können wir nochmal zurückspulen, was ist hier gerade passiert? Warum habe ich nochmal meine besten Freund geküsst? Und vor allem, warum hat mein Körper so auf seinen Kuss reagiert?
Freue mich sehr auf eure Meinungen, hoffe es gefällt euch. Viel Spaß und schöne Weihnachten, bis bald.
Eure SummerOF_Love
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