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Kat
Nach langer Zeit fühle ich mich wieder gut. Ja ich glaube, seit Dads Tod war ich mehr nicht so gut gelaunt und glücklich wie heute. Die Angst, dass dieses Gefühl bald wieder vorbei ist sitzt mir tief in den Knochen. Aber ich schiebe es beiseite und konzentriere mich auf mein Glück. So schnell lasse ich es mir nicht nehmen.
Aber gerade sackt in mir wieder etwas zusammen und ich schnaube, als ich einen BH finde. Ich frage mich, wie viele ich noch finden werde. Und warum Mädchen am nächsten Morgen ohne BH nach Hause laufen? Ich bin in Lukes Schlafzimmer und gerade dabei seinen Schrank aufzuräumen, damit ich ein paar Sachen von mir deponieren kann. Bloß etwas zum Schlafen, Unterwäsche und ein paar Shirts. Aber so viel dazu, dass ermir Platz macht. Ich hätte es wissen müssen.
Ich hole den BH hervor und lasse ihn vor meiner Nase baumeln. Definitiv nicht meiner. Damit in der Hand gehe ich zurück ins Wohnzimmer, wo Luke auf dem Sofa sitzt und auf seinem MacBook etwas tippt. Auf seiner Stirn hat sich eine Falte gebildet, während er einen Stift zwischen seine Zähne geklemmt hat. Hätte ich nicht gerade einen BH von einem ehemaligen One-Night-Stand gefunden, würde ich jetzt über ihn herfallen.
Unter dem Türrahmen bleibe ich stehen und halte den BH hoch, während ich ihn beobachte. Langsam sieht er auf und als seine Augen auf den BH fliegen, nimmt er den Stift aus dem Mund. „Ganz ehrlich, ich hatte echt keine Ahnung, dass der dort herumliegt.", verteidigt er sich und hebt unschuldig die Hände in die Luft.
Ich seufze und verkneife mir ein Lachen. Es überrascht mich ja wirklich nicht. „Ich sags dir, wenn ich noch einen finde, kannst du selbst aufräumen, du Penner.", sage ich und hebe eine Braue um meine Worte zu verdeutlichen.
Luke lässt die Schultern hängen und kommt auf mich zu. Bei mir angekommen schnappt er sich den BH und sieht mich an. „Ach komm schon. Du hast gewusst auf was du dich einlässt. Damit musst du jetzt leben, denn so schnell wirst du mich nicht los."
Ich presse meine Lippen aufeinander und erwidere seinen Blick. „Ich schwäre es dir, wenn ich einen Slip oder so finde, gehe ich. Das ist ekelig."
Luke sieht an mir vorbei. Ich merke wie es hinter seinen Augen zu rattern beginnt und er fieberhaft überlegt, ob nicht doch irgendwo in seiner Wohnung etwas liegt. Ich will ja gar nicht, wissen was alles zum Vorschein kommen würde, wenn man hier ordentlich aufräumt. „Nein, sollte alles sauber sein.", sagt er stolz und grinst.
Aber ich verdrehe bloß die Augen. „Du bist ein Idiot, weißt du das?"
„Ja, und jetzt bin ich dein Idiot.", sagt er und grinst noch breiter. Spätestens jetzt kann ich mein Lachen nicht mehr zurückhalten. Als es Luke bemerkt, zieht er mich an sich und ich lache an seine Brust. Er hat recht, er ist mein Idiot. Aber dafür liebe ich ihn.
„Kannst du dieses Ding bitte wegschmeißen? So prickelnd ist das gerade nicht.", nuschle ich an seine Brust.
„Oh sorry.", sagt er und verschwindet in der Küche.
Ich gehe wieder zurück in das Schlafzimmer und verstaue meine restlichen Sachen. Es ist Montag und für diese Jahreszeit viel zu warm. Die laue Luft von draußen ins Zimmer und mit einem Mal bekomme ich Lust auf Sommer. Obwohl ich im Winter geboren wurde, bin ich mehr ein Sommer Mensch. Ich liebe heiße Tage und wenn die Sonne auf mich herab scheint, bin ich einfach glücklich. Es ärgert mich daher zu sehr, dass ich in einem kalten regnerischen Monat Geburtstag habe. Um genauer zu sein nächste Woche.
Zufrieden verlasse ich Luke Schlafzimmer und gehe zu ihm zurück in den Wohnraum. „Ich mache mich auf den Weg. Ich habe meiner Mum versprochen, dass ich sie heute Nachmittag besuche also bevor der Teufel höchstpersönlich sauer wird, gehe ich besser hin um den Weltfrieden aufrecht zu erhalten.", erkläre ich Luke und nehme mir meine Jacke, die mir aber etwas überflüssig vorkommt, da ich schon einen warmen Pulli anhabe.
„Oh ja. Da will ich dich tatsächlich nicht abhalten.", meint er. Er geht an mir vorbei und gibt mir einen Kuss auf den Mundwinkel. „Wir sehen uns am Abend oder? Ich werde jetzt in den Laden, sehen ob alles in Ordnung ist und später rufe ich dich an."
„Ja ist gut." Ich nicke und schenke ihm nochmal ein Lächeln, bevor ich die Wohnung verlasse.
Auf dem Weg zu Mom nehme ich noch in einer Bäckerei etwas Süßes mit, damit wir zum Kaffee etwas haben. Ich weiß wie sehr Mom Süßes liebt, also will ich ihr eine Freude machen. Vielleicht habe ich dadurch gute Chancen, dass unser Gespräch dieses Mal zivilisiert verläuft.
Eine halbe Stunde sperre ich bei ihr zuhause die Türe auf. Ich habe zwar noch einen Schlüssel, aber trotzdem fühlt es sich anders an, wenn ich diese Wohnung betrete. Ich bin vor drei Jahren ausgezogen und sei dem bin ich wirklich selten hier. Meist kommt meine Mom mich besuchen um zu sticheln ob in der WG auch alles sauber ist und wie wir leben, oder wir treffen uns in der Stadt in einem Lokal und essen etwas. Aber heute meinte sie bloß, dass ich vorbeikommen kann, wenn ich möchte.
„Mom?", rufe ich durch die Wohnung. „Ich habe etwas Süßes mitgebracht."
„Komme schon.", höre ich sie von ihrem Schlafzimmer aus rufen. Ein paar stille Sekunden später eilt sie in den großen Wohnbereich und kommt auf mich zu. Ihre blonden Haare hat sie zu einer schönen Frisur hochgesteckt, ein paar einzelne Haare fallen heraus und als sie bei mir ankommt, umhüllt mich ein Schwall ihres Lieblingsparfüms. Zudem strahlt sie wie ein kleines Mädchen an Weihnachten. „Schön, dass du hier bist."
„Mom, alles okay mit dir?", frage ich verwundert. Sie wirkt so ... verändert. So glücklich, als wäre die Welt in Ordnung, als hätte sie die Formel für den Weltfrieden errechnet.
Jedes Kind würde sich für ihre Mutter freuen, wenn sie so auf einem zukommt. Ich freue mich ja auch, aber ein komisches Gefühl macht sich in mir breit. Ein Gefühl, dass mir sagt, dass irgendetwas hier vor sich geht.
„Ach Kat. Natürlich geht's mir gut.", winkt sie ab und wendet sich lächelnd von mir ab.
Ich folge ihr in die Küche, immer noch misstrauisch. Das Mitgebrachte stelle ich auf der Arbeitsplatte ab und hole Teller hervor. „Aber irgendetwas muss ein, sonst würdest du nicht so strahlen? Also sag schon."
Sie kommt neben mich und beäugt mich kritisch während sie eine Hand in die Hüfte stemmt. „Ich bin generell ein positiver Mensch also hör auf so etwas zu sagen."
Ich verdrehe die Augen. „Du weißt schon was ich meine." Ich verteile das Süße auf dem Teller und hole Gabeln hervor, dann werfe ich ihr einen Blick zu, da sie immer noch nichts gesagt hat. Sie wendet sich von mir ab und setzt sich an den Tisch, den ein schöner großer Strauß voller roter Rosen ziert. Ich starre darauf, weil sie mir erst jetzt auffallen. Zwischen den Rosen kann ich eine Karte entdecken, aber ich nehme sie nicht, sondern sehe meine Mom wieder an. Sie hat mittlerweile ihre Hände gefaltet und sieht mich konzentriert an. „Kat, Liebes. Setzt du dich bitte.", fordert sie mich sanft auf.
Mit dem Teller in der Hand gehe ich ihrer Aufforderung nach und setzte mich ihr gegenüber auf den Stuhl. Meine Augen lassen sie nicht los, sie beobachten jede Reaktion von ihr. Ich werde nervös, weil ich spüre, dass sie mir etwas sagen will. Und alleine an dem Ton ihrer Stimme weiß ich, dass es etwas wichtiges sein muss.
„Mom?", dränge ich sie leise. Aber dann reise ich meine Augen auf. „Oh mein Gott, bitte sag nicht, dass du krank bist."
Meine Mutter lächelt leicht und schüttelt den Kopf. „Nein, ich bin nicht krank. Im Gegenteil ich fühle mich besser als je zuvor.", versichert sie mir.
„Okay, und was dann? Ist deine Tante Berta gestorben und wir haben etwas von ihrem erschwindelten Reichtum geerbt?", rate ich weiter. Denn über diese Tatsache würde sich Mom wirklich freuen, auch wenn es hart klingt. Tante Berta ist ein Biest. Sie hatte ihre ersten beiden Männer fallen lassen, da sie nicht wirklich Kohle hatten. Ihr dritter Mann war ein reicher Immobilienunternehmer, der sich mit Geld den Hintern abgewischt hat. In den war sie natürlich unsterblich verliebt und hat ihn geschickt um den Finger gewickelt. Kurzum, sie waren über 50 Jahre verheiratet und ihr Mann ist letztes Jahr gestorben. Sie war immer nett zu mir, im Gegensatz zu Mom. Aber als erwachsene Frau ist es klug sich nicht mit ihr anzulegen. Damit schneidet man sich nur selbst ins Fleisch.
Wieder lacht sie. „Nein, Tante Berta hat gerade eine neue Hüfte bekommen. Die Frau ist zäh.", sagt Mom und verdreht die Augen.
„Was du nicht sagst. Mit 95 noch so herumhüpfen ist echt erstaunlich.", murmle ich und muss daran denken, als ich sie letztes Mal an Moms Geburtstag gesehen habe. Wir waren beide überrascht sie zu sehen, da sie zuvor nie auf einem aufgetaucht ist.
„Du kannst dir jetzt schon mal überlegen was du ihr zum hundertsten Geburtstag schenkst. So schnell macht die Frau nicht die Augen zu, das kannst du mir glauben."
Ich nicke. „Aber du wolltest bestimmt nicht mit mir über Tante Berta reden. Also jetzt sagen schon, was ist los?"
Mom öffnet ihrem Mund, doch bevor sie etwas sagen kann, erfüllt die schrille Klingel Moms Wohnung. Ich zucke zusammen und sehe zur Tür. „Erwartest du jemanden?"
Mom presst verlegen die Lippen zusammen, dann nickt sie. „Ehrlich gesagt ja."
„Ach ja?", murmle ich. Doch bevor ich sie fragen kann, ist meine Mom schon aufgesprungen und eilt zur Türe. Ich sehe ihr nach und stehe ebenfalls auf. Ich gehe alle Möglichkeiten durch, wer vor der Türe stehen könnte, aber mir würde so schnell niemand einfallen. Im nächsten Moment dringt eine tiefe Männerstimme zu mir durch. Eine Männerstimme, die ich schon mal gehört habe, nur habe ich kein Gesicht dazu. Ich meinem Kopf geht es drunter drüber und ich halte mich an der Stuhllehne an um gewappnet zu sein.
Langsam fügen sich die Teile in meinem Kopf zusammen. Das breite Lächeln von Mom, der Strauß Rosen mit dem Kärtchen am Tisch und ihre lockere glückliche Art. Mom hat jemanden kennen gelernt.
Mom tritt wieder in den Wohnbereich, dicht hinter ihr ein großer schlanker Mann. Meine Augen haften sich auf ihn fest und mit einem Mal rutscht mein Herz in die Hose. Das ist jetzt ein schlechter Scherz oder?
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