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Alice
Ich lege einen Sprint hin und bin überrascht über mich selbst, dass ich zu so etwas im Stande bin. Aber meine Lunge brennt wie Waldbrand und mein Atem geht mir schnell über die Lippen. Fuck, ich sollte echt mehr Sport betreiben.
Endlich komme ich vor dem Saal zum Stehen und versuche mich zu sammeln. Als mein Atem sich wieder einigermaßen normalisiert hat, öffne ich die schwere Türe zum Vorlesungssaal und trete ein. Jayden fuchtelt gerade vor dem Pult irgendetwas mit seinen Händen herum und kurz darauf verfällt der ganze Saal in ein Lachen. Ich bin im hinteren Teil des Saals angekommen und suche nach einem freien Platz. Emma ist heute nicht da aber, und ich zitiere, sie bedauert es sehr, da es mittlerweile ihre Lieblingsvorlesung ist. Das ich nicht lache. Sie will doch nur zusehen, wie ich rot anlaufe, während ich Jayden betrachte und er mir immer wieder einen Blick zuwirft.
Genau wie in diesem Moment. Er hat mich entdeckt und schielt über seinen weiblichen Fanclub zu mir. Ich tapse seitlich im Saal die Treppen nach unten, auf der Suche nach einem freien Platz. Ich spüre wie er mich von oben bis unten mustert und ich bin mir sicher, dass sich meine Wangen rot verfärben. Ach Gott, ich sollte mich endlich daran gewöhnen, dass ich mit meinem Professor im Bett war.
Ich sammle mich, reise den Blick wieder von Jayden los und setzte mich am Rand einer Bankreihe hin. Jayden spricht weiter und deutet dabei immer wieder auf die große projizierte Folie hinter ihm. Gut, ich hatte noch nicht verpasst. Der Grund warum ich einen Sprint über den halben Campus hingelegt habe, war der, dass Jayden am Anfang dieser Einheit wichtige Dinge zur Prüfung preisgeben wird. Und da ich den Bonus, dass wir uns irgendwie privat kennen, nicht ausspielen wollte, musste ich wohl ober übel rennen. Ich saß vorhin in einem Café nicht weit vom Campus entfernt und hatte völlig die Zeit übersehen. Das passiert mir sonst nie, dass ich zu etwas zu spät komme, aber es gibt für alles ein erstes Mal.
In meinem Elternhaus wurde ein Zu spät kommen strikt abgelehnt. Also habe ich mir das so schnell wie möglich abgewohnt. Denn meine Eltern wollte ich um keinen Preis wütend machen. Das will keiner. Ich hatte auf diesen Tag regelrecht hin gefiebert, als ich nach London zog. Als ich in London ankam, das Flughafengebäude verlassen hatte und ich den Regen nach draußen trat, schnupperte ich den süßen Duft der langersehnten Freiheit. Es war himmlisch das strenge Elternhaus verlassen zu können und endlich ein eigenes selbstständiges Leben zu beginnen. Niemand, der dich ständig zu Terminen schleppt und vor allem keine Fehler von dir erwartet. Aber für diesen Punkt bewundere ich meine Eltern, dass sie einem Teenager, der in New York wohnt jeglichen Unfug aus den Kopf geschlagen hatten. Ich war die Vorzeigetochter schlecht hin, ich war in den Augen meiner Eltern perfekt. Nur so konnte ich sie überreden, dass ich in London studieren kann. Und ich bin froh darüber, dass mir das schnell klar wurde. Ich wusste, wenn ich mitspiele und das tue was sie von mir verlangten, hatte ich sie auf meiner Seite und nur so konnte ich diesen Wunsch äußern. Und ich habe es geschafft. Ich kann jetzt essen was ich möchte, habe meinen eigenen Tagesablauf und kann mich Leuten treffen, die ich mag.
Mein Bruder sitzt immer noch in den Klauen meiner Eltern fest. Aber ich bin mir nicht sicher, ob sie ihn jemals loslassen werden. Weil er nicht so schlau ist wie ich und nicht bei meinen Eltern mitspielt. Er ist stur und setzt immer wieder seinen eigenen Kopf durch. So oft habe ich schon auf ihn eingeredet, aber es ist sinnlos. Meine Eltern wollen ihn immer noch dazu bringen, dass er ebenso Anwalt wird, wie ich und meine Eltern. Wir haben ja einen Ruf zu verlieren. Vor einem halben Jahr hat er mir seinen eigentlichen Traum gebeichtet. Und das fällt bei meinen Eltern nicht mal in die Kategorie, dass sie das tolerieren können. Alex will Musik studieren. Er hat sich über die Jahre selbst Klavier und Gitarre beigebracht und eines muss ich ihm lassen, er kann es wirklich gut.
Wieder schallt ein Lachen durch den Saal. Ich werde dadurch aus meinen Gedanken gerissen und ich sehe auf. Jayden lächelt verschmitzt und ich frage mich, ob er unterrichtet oder mit den ganzen Mädchen hier flirtet. Vielleicht sollte ich wirklich aufpassen. Ich schreibe mir das Datum der Klausur auf und sonstige Notizen, die für die Klausur wichtig sind. Dann geht Jayden zum weitern Stoff über und ich schweife schon wieder ab. Ich frage mich, wie er es schafft so ungewollt lässig auszusehen. Die Jeans sitzt ihm wie angegossen und formt lange Beine. Das weiße Hemd unter dem schwarzen Sakko schmiegt sich um seinen Oberkörper und ich wünschte mir, ich könnte ihn noch einmal berühren. Einfach nur über seine nackte perfekte Brust streichen und ...
Fuck, fuck, fuck. Ich kneife meine Augen zusammen und verbanne diesen Gedanken aus meinem Kopf. Ich muss damit aufhören. Ich habe das mit Jayden beendet, er ist mein Professor und ich sollte wirklich aufpassen, was er da vorne spricht. Ich darf an diese Dinge nicht mehr denken, sonst bin ich zum Scheitern verurteilt. Also starre ich auf den Laptop und sehe nicht mehr nach vor. Ich lausche nur seiner Stimme und schreibe alles auf, was mir als wichtig erscheint.
Und so schaffe ich es, dass die restliche Zeit der Vorlesung schnell vergeht. Jayden beendet pünktlich und ich lasse mir Zeit beim zusammenpacken meiner Habseligkeiten. Ich schiele immer wieder zu Jayden nach vor und muss feststellen, dass er ebenfalls nicht wirklich Stress hat aus diesem Saal zu kommen. Er lässt sich zeit. Langsam leert sich der Saal und ich mache mich auf den Weg nach vor. Jayden tippt etwas auf seinem Handy herum und lässt es dann in seiner vorderen Hosentasche verschwinden. Auch die letzten Studenten verlasse nun endlich den Saal und plötzlich ist es still. Jayden und ich sind alleine. Er blickt auf und seine Augen treffen genau auf meine. Zaghaft versuche ich mich an einem Lächeln und trete näher. „Hey.", sage ich.
Ich hatte mit Jayden die ganze Woche über keinen Kontakt. Das letzte Mal als ich mit ihm geredet habe war in Lukes Café. Wir sind danach noch eine Weile sitzen geblieben und haben uns über den Inhalt meiner Arbeit unterhalten. Es war eine angenehme und interessante Unterhaltung, weil wir auf gleicher Basis sind. Und in dieser Stunde fiel mir auf, wie schlau und gebildet Jayden eigentlich ist. Alleine wie er sich ausdrückt und wie er mit seinem Wissen umgeht, sagt mir, dass hinter seiner hübschen Schale aus Muskeln und perfekten Augen noch mehr sein muss.
„Dachte schon, du kommst heute nicht.", erwidert er und lächelt etwas. Er schnappt sich seine Tasche und hängt sie sich um seine rechte Schulter. Dann sieht er mich an.
„Suchst du etwa jedes Mal den ganzen Saal ab, ob ich hier bin und wo ich sitze?", scherze ich.
Jayden bleibt kurz still, bis er sagt: „Hört es sich jetzt dumm an, wenn ich das nicht verneine sage?". Sein aufrichtiges Lächeln schwappt in ein gezwungenes über. Ich sehe ihn an und weiß nicht was ich darauf antworten soll. Auf der einen Seite schmeichelt es mir, dass er sich jedes Mal vergewissert wo ich sitze und ob ich überhaupt hier bin. Aber auf der anderen Seite macht es mich verlegen und bringt mich dazu, dass ich immer wieder an unsere gemeinsame Nacht denke. Und das sollte ich wirklich nicht tun. Aber Jayden setzt alles daran, dass ich an nichts Anderes mehr denken kann.
„Ich ähm ... wollte dich fragen, wegen den Unterlagen bezüglich meiner Arbeit.", wechsle ich eilig das Thema. Ich will mir bloß die Unterlagen von ihm holen und fertig. Nicht mehr.
„Ja klar. Ich habe sie jetzt natürlich nicht dabei, sie liegen bei mir zuhause herum, aber ...", er stoppt und sieht mich an.
„Oh, ich ... also ich kann sie mir auch später abholen? Ich habe Nachmittag noch einen Kurs aber dann habe ich Zeit, also wenn du zuhause bist meine ich.", murmele ich und könnte mich ohrfeigen, dass ich plötzlich so verlegen bin.
Jayden nickt zufrieden. „Ist okay. Ich muss jetzt zu einem Meeting, aber dann bin ich zuhause.", sagt er und lächelt. Sein typisches unbeschwertes Lächeln, dass mein Herz schwer werden lässt. Das Lächeln, dass mich damals in der Bar auf ihn aufmerksam gemacht hat.
Ich erwidere es. „Okay, sehr gut.", sage ich und entferne mich ein Stück von ihm, in dem ich ein paar Schritte rückwärts mache. „Wir sehen uns dann."
Drei Stunden später. Ich blicke auf meine zitternde Hand, die gerade versucht den Knopf der Klingel zu drücken. Daneben steht in Druckschrift J. Cooper. Ich verharre für ein paar Sekunden vor dem Knopf, starre darauf und wäge fieberhaft ab ob ich da jetzt wirklich hochsoll. Wieder zurück in diese Wohnung, zurück in Erinnerungen. Zurück in Jaydens private Welt. Ich weiß, wenn ich da jetzt hochgehe, diese Wohnung betrete, kann ich nicht mehr zurück. Dann werde ich Jayden nie als meinen Professor sehen können. Aber wenn ich so darüber nachdenke, konnte ich das vorher auch schon nicht. Ich habe mir immer eingeredet, dass ich es schaffen könnte. Dass ich unsere tolle Nacht einfach so vergessen kann, aber es war schon von Anfang an zum Scheitern verurteilt.
Und mit diesem Gedanken drücke ich auf die Klingel.
Ich warte ein paar Sekunden ab, dann höre ich das Rauschen der Türe und öffne sie. Selbstbewusst gehe ich das kahle Treppenhaus nach oben in den vierten Stock. Ach verdammt, warum muss er ganz oben wohnen? Ich hatte heute schon meinen Sport, das sollte für den Monat wieder genügen.
Oben angekommen, will ich gerade gegen die Türe klopfen, aber da erscheint Jayden unter der Türe. Er trägt immer noch die Jeans und das weiße Hemd, dass er sich eingestrickt hat. Die Ärmel sind hochgekrempelt und geben mir Einblick auf seine starken Arme. Ich sehe hoch in seine Augen und muss unwillkürlich lächeln.
„Hey."
„Komm doch rein.", begrüßt er mich ebenfalls mit einem Lächeln. Ich trete ein und sofort steigt mir ein köstlicher Duft in die Nase. Die ganze Wohnung ist in diesem himmlischen Duft nach Essen versunken und ich versinke mit ihr. In dieser Sekunde wird mir klar, dass ich einen Bärenhunger habe. Seit dem Moment, als ich wusste ich würde heute in Jaydens Wohnung wieder betreten, habe ich keinen Bissen hinunter bekommen. Ich schätze mal, dass ich etwas aufgeregt war.
„Erwartest du Besuch?", frage ich vorsichtig.
Jayden schließt die Türe. „Nein, ich hatte heute den ganzen Tag noch nichts gegessen und bin gerade am Kochen.", antwortet er und setzt ein grinsen hinterher. Kann der jetzt auch noch kochen? Innerlich seufze ich gequält auf. Und wie die ganze Sache zum Scheitern verurteilt war. Jayden mustert kurz ausgiebig mein Gesicht. „Hast du Hunger? Es ist genug für uns beide da, wenn du möchtest."
Ein gutaussehender junger Mann in Hemd, eine gemütliche Einzimmerwohnung mitten in London und ein Duft, der herrlich nach gutem Essen riecht. Wenn ich da jetzt nein sage, würde ich mir das nie verzeihen. „Gerne."
Ich folge ihm durch den kleinen Eingangsbereich und befinde mich wieder in der hellen Dachgeschoßwohnung. Ich lasse meinen Blick durch den Raum schweifen. Es herrscht eine leichte Unordnung, aber das stört nicht weiter. Es lässt den Raum gemütlicher und einladend wirken.
„Ich hoffe du bist nicht Vegetarierin oder Veganerin?", meint Jayden. Er steht in der offenen Küche und schnappt sich einen Kochlöffel, dann sieht er mich an.
„Nein, alles gut. Ich esse so gut wie alles und vertrage auch alles.", antworte ich und stelle meine Tasche beiseite.
Jayden rührt in einem Topf herum und ich setzte mich auf einen der zwei Barhocker, die an der Kücheninsel stehen. „Wie lange wohnst du schon hier?"
„Schon gut ein Jahr. Nachdem ich den Abschluss gemacht habe, bin ich aus dem Studentenwohnheim raus und habe mir sofort eine Wohnung gesucht, die ich nur für mich alleine habe."
„Hast du etwa dein ganzes Studium in einem Wohnheim gewohnt?", frage ich und sehe wieder zu ihm.
Er dreht sich zu mir und schenkt Rotwein in zwei Gläser ein. „Allerdings. Ich hatte mir mit zwei Jungs ein Appartement geteilt. Es war ganz okay, wir konnten uns gut arrangieren und jetzt sind wir eigentlich ziemlich beste Freunde."
Ich muss schmunzeln. „So wie in dem Film?"
Jayden sieht auf, stellt die Falsche Rotwein ab und runzelt die Stirn. „Welcher Film?"
Ich reiße die Augen auf. „Ziemlich beste Freunde. Ein französischer Film.", sage ich, aber Jaydens Stirn legt sich noch mehr in Falten. „Du kennst den Film nicht?"
„Noch nie gehört.", stellt Jayden fest und zuckt mit den Schultern. „Hast du ein Fabel für Filme?"
„Nein, meine Mitbewohnerin studiert Film und sie teilt mir so gut wie alles mit. Also man könnte fast meinen ich habe ebenfalls Film studiert.", erkläre ich. „Aber den Film müssen wir uns gemeinsam mal ansehen, der ist wirklich gut."
Ich erstarre. Deutlich spüre ich Jaydens Blick auf mir, aber ich weiche ihm aus. Wir wissen beide was ich da gerade gesagt habe. Vor ein paar Wochen habe ich ihm erklärt, dass wir nur Professor und Studentin sind, und jetzt schlage ich ihm vor, dass wir uns einen Film gemeinsam ansehen. Ich schlucke schwer und suche nach einem Gesprächsthema, um von meinem romantischen Filmabend-Vorschlag abzulenken. Ich wette, ich bin feuerrot im Gesicht. Eigentlich habe ich ihm gerade durch die Blume gesagt, dass ich unsere private Beziehung weiterführen möchte. Ich wollte mir selbst noch darüber Gedanken machen, aber mein Mund hat sich gerade, wie so oft, selbstständig gemacht. Es ist eine ewige Schwäche von mir, und in keiner Situation in meinem Leben hat mich das je vorwärtsgebracht.
Plötzlich höre ich das Wasser kochen und sehe an Jayden vorbei zum Herd. Über dem Topf steigt Wasserdampf auf. „Ich glaube das Wasser kocht.", murmle ich und deute darauf. Denn Jayden steht immer noch da und hat seinen Blick auf mich gerichtet.
„Oh." Er macht eine hektische Bewegung und eilt zum Herd. Ich sehe ihm zu, wie er eine Handvoll Pasta in den Topf wirft, schnell in der Pfanne umrührt und dann wieder zu mir kommt. „Du wohnst also in einer WG?"
Ich sehe auf und mustere sein Gesicht. „Ja. Ich teile mir eine kleine schöne Wohnung mit Kat und Rose.", sage ich euphorisch und lächle.
„Und welche davon studiert Film?", fragt er. Doch bevor ich antworten kann, hebt er die Hand und hält mir den Zeigefinger vor das Gesicht. „Nein, warte lass mich raten." Er sieht kurz grübelnd an mir vorbei. „Bestimmt Rose."
Ich reise die Augen auf, ziehe sie aber im nächsten Moment sofort zu Schlitzen. „Gut geraten, Herr Professor." Jayden grinst zufrieden und schnappt sich ein Geschirrtuch. Er wischt sich die Hände darin ab und wirft sich das Tuch dann um die linke Schulter. „Dann rate doch mal, was Kat studiert.", fordere ich ihn heraus. Nun grinse ich und stütze mich auf der Arbeitsplatte vor mir ab.
Er sieht wieder grübelnd an mir vorbei, aber im nächsten Moment richtet sich sein Blick wieder auf mich. „Warte, ist Kat etwa das Mädchen, das an dem Abend in der Bar mit dir unterwegs war und das in der Vorlesung immer neben dir sitzt, und ständig am Reden ist?" Jaydens Blick ist nüchtern und er presst die Lippen aufeinander.
Ich lache kurz auf und schüttle dann den Kopf. „Nein, das ist Emma. Ich habe sie in meinem ersten Semester kennen gelernt und ja, sie redet für ihr Leben gern."
„Okay. Na gut. Kat studiert bestimmt etwas mit Kommunikation oder so etwas.", meint Jayden überzeugend.
Ich schüttle den Kopf. „Nein, sie studiert Mode und führt einen eigenen erfolgreichen Blog. Sie ist im Club der Influencer und die Einzige, die von uns drei etwas verdient."
„Wäre meine zweite Wahl gewesen.", meint Jayden ernst, und dreht sich wieder zum Herd um. Geschickt rührt er in der Pfanne um, wo die Sauce vor sich hin köchelt.
„Ja ja, das sagen sie dann alle. Ich bin enttäuscht Professor Cooper.", scherze ich und sehe zu ihm.
Jayden blickt mich über seine Schulter hinweg an und grinst. Dann kommt wieder auf mich zu und stellt zwei leere Teller vor mich hin. „Kannst du mich bitte in Zukunft immer so nennen? Das ist irgendwie heiß."
Ich merke, wie sich mein Mund öffnet. Ich starre ihn an, muss aber dann grinsen. „Ist das etwa bei allen Studentinnen heiß, die dich so nennen?"
Jayden kommt meinem Gesicht nahe und grinst verschmitzt. „Nein, nur bei dir."
Meine Augen haften sich auf seinen Lippen fest, die mir plötzlich gefährlich nahe sind. Sie sehen so einladend perfekt aus und ich wünschte er kommt noch näher. So nahe bis ich seine Lippen dicht auf meinen spüre und ich dann wie von selbst meine Arme um ihn schlingen kann. Aber ihn jetzt zu küssen wäre unangebracht. Obwohl es Jayden ziemlich drauf anlegt.
Ich schlucke schwer und senke dann den Blick. Wenn ich noch länger seine Lippen betrachte, kann ich für nichts garantieren.
„Wolltest du schon immer an der Uni unterrichten?", wechsle ich das Thema und merke, dass Jayden nun endlich das Essen anrichtet. Mein Magen knurrt schon und der wunderbare Duft von dem Essen macht mich ungeduldig.
„Nein, eigentlich nicht. Aber da ich gerade meinen Doktor mache, muss ich an der Uni Vorlesungen halten. Aber ich arbeite schon seit zwei Jahren in einer Kanzlei, also ist es ein Nebenverdienst.", erzählt er und stellt uns beiden die vollen Teller hin. Er setzt sich und sieht mich an. Dann zuckt er mit den Schultern. „Aber es ist gar nicht so schlimm zu unterrichten, als ich anfangs dachte." Er grinst und ich weiß genau was er meint. Aber ich beschließe nicht näher darauf einzugehen, weil das Essen vor meiner Nase steht und ich an nichts Anderes mehr denken kann, als endlich zu essen.
„Danke für das Essen.", sage ich und drehe Pasta auf meine Gabel. Ein köstlicher Geschmack breitet sich in meinem Mund aus und ich unterdrücke mir ein Stöhnen. Eins muss ich ihm lassen, er kann wirklich gut kochen. „Hast du neben der Uni einen Kochkurs belegt oder warum schmeckt das hier so gut?", murmle ich zwischen den Bissen.
Jayden grinst breit. „Nein, ich ähm ... mein Dad führt ein Restaurant. Er hat mir viel beigebracht und naja ein gutes Essen ist nie verkehrt."
Ich nicke. „Es schmeckt wirklich sehr gut." Eine Weile essen wir schweigend und es ist mir überhaupt nicht unangenehm, schweigend neben zu Jayden zu sitzen. Es ist mehr ein einvernehmliches Schweigen.
„Mit wem warst du an dem Abend in der Bar als wir uns getroffen hatten?", unterbreche ich nun die Stille und trinke an dem Rotwein. Ich verstehe nicht viel von Wein, aber er schmeckt mir. Ein leicht süßlicher Geschmack.
„Eddi, ein ehemaliger Studienkollege von mir. Wir gehen regelmäßig einen trinken, damit wir uns nicht irgendwie aus den Augen verlieren. Er arbeitet auch in einer Kanzlei aber am anderen Ende der Stadt, naja da ist es nicht leicht, dass wir uns schnell mal treffen.", sagt er. „Er ist auch in der Arbeit viel eingespannt und sein Boss verlangt einiges."
Ich murre. „Wenn du das so erzählst, bekomme ich richtig Lust auf das Berufsleben.", sage ich sarkastisch.
„Was hast du nach dem Studium vor?", fragt er mich und dreht geschickt seine Pasta auf die Gabel, als hätte er nie etwas anderes gemacht.
„Es ist kompliziert. Meine Eltern wollen, dass ich ihre Kanzlei übernehme. Aber mir gefällt es in London und möchte hier meine Karriere starten und nicht etwas übernehmen, das mir meine Eltern vor die Füße gelegt haben.", erzähle ich ihm.
„Und von wo aus Amerika kommst du?", fragt er.
„Ist nicht zu überhören was?", sage ich und verdrehe die Augen, muss aber grinsen.
Jayden neben mir lacht und schüttelt den Kopf. „Nein, das hatte ich sofort gemerkt."
„Aus New York.", sage ich knapp.
„Du verweigerst also den Big Apple? Liegt das an deinen Eltern oder warum bevorzugst du London?", fragt er und mustert mich.
Ich sehe in seine Augen und spüre, dass er wirkliches Interesse hat. Ich habe das Gefühl, er will mich wirklich kennen lernen und es brennt mir auf der Zunge ihn zu fragen, warum gerade mich? „Ich weiß es nicht. New York ist ein hartes Pflaster, London auch aber mir gefällt die Stadt. New York ist so groß und du erlebst sie jeden Tag aufs Neue. Es fühlt sich an als wärst du nie zuhause, als wärst du jeden Tag an einem anderen Ort. London hat etwas gemütliches und Harmonisches. Es ... ich weiß nicht wie ich das sagen soll, aber ich spüre, dass mich London mehr versteht. New York hat mich verschluckt und ich musste mich durchboxen, hier kann ich endlich leben." Ich sehe an ihm vorbei, spüre aber immer noch die Blicke von ihm auf mir. Er lässt mich keine Sekunde aus den Augen. Dann zucke ich mit den Schultern und sehe ihn wieder an. „Oder es liegt einfach an meinen Eltern, die mich mein ganzes Leben lang schon kontrolliert haben und ich endlich frei sein kann."
Jayden presst seine Lippen aufeinander und nickt. „Hast du schon mal überlegt, dass du vielleicht etwas Anderes studieren solltest? Du kannst gut mit Worten Bilder malen und sehr überzeugend sein.", sagt er und grinst.
„Aber das geschickte Spielen mit Worten braucht man im Gerichtssaal auch, oder nicht?", entgegne ich und drehe die letzten Nudeln auf meine Gabel, bevor ich sie verschlinge. Das war das beste Essen seit langem, obwohl es einfach nur Pasta war. Aber ich bekomme keinen Bissen mehr hinunter.
„Du wirst bestimmt mal eine gute Anwältin. Wenn du ihm Gerichtssaal auch so überzeugend bist, hast du bestimmt jeden Richter auf deiner Seite.", sagt er und erhebt sich. Er erhebt sich und räumt die leeren Teller weg. Ich erhebe mich ebenfalls, weil ich langsam los sollte.
„Ich will jetzt nicht unhöflich sein, weil ich sofort nach dem Essen wieder verschwinde, aber ich habe heute noch etwas zu erledigen und es ist schon spät.", sage ich und lächle gezwungen. Ich würde wahnsinnig gerne noch bleiben und einfach mit ihm Zeit verbringen. Jedes Mal wenn ich mit ihm spreche, ihn ansehe umso öfter merke ich, wie nett und aufrichtig Jayden ist. Und plötzlich bin ich froh, dass ich damals in der Bar ihn angesprochen habe und nicht irgendeinen anderen Kerl.
„Schon okay, ich will dich nicht aufhalten.", sagt er und kommt auf mich zu. „Oh, warte." Er bedeutet mir hier zu warten, eilt dann an mir vorbei und verschwindet in seinem Schlafzimmer. Ich folge ihm aber trotzdem ein kleines Stück und bleibe unter der Türe zum Schlafzimmer stehen. Mein Blick fällt auf sein Bett und ich muss daran denken, wie wir uns darin geräkelt haben. Aber bevor ich weiter darüber nachdenken kann, steht Jayden wieder dicht vor mir und hält mir Unterlagen vor die Nase. Ich blicke darauf. Stimmt ja, darum bin ich ja hergekommen. Seine Unterlagen für meine Arbeit. Habe ich völlig vergessen, aber ich gebe Jayden und seinem guten Essen die Schuld.
Ich nehme sie entgegen, sehe auf und nicke. „Vielen Dank. Ich glaube du rettest mich da vor einem kleinen Nervenzusammenbruch." Ich lächle unbeholfen und mache einen Schritt zurück, bevor ich mich ein zweites Mal in seinem Schlafzimmer verirre.
„Behalte sie solange du willst, hier liegen sie bloß herum und verstauben.", sagt er und folgt mir zur Wohnungstüre.
Ich öffne die Türe und drehe mich zu ihm um. „Danke nochmal für das Essen. Es war wirklich köstlich.", sage ich. Jayden lehnt an der Türe und hat seine Arme vor der Brust verschränkt. Das Hemd spannt sich um seine Oberarme. Er sieht gerade aus wie ein verbotenes Stück Fleisch, dass ich nicht berühren darf. Wie ein unschuldiger Welpe, der mir nicht gehört. Moment, vergleiche ich gerade Jayden mit einem Welpen? Jayden ist wohl eher ein Golden Retriever. Ein Golden Delicious.
Das wäre jetzt wohl mein Stichwort, endlich zu verschwinden.
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