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Kat
Ich lese die Nachricht noch einmal. Und ein drittes Mal. Dann verlässt ein Schrei meine Kehle und ich reise die Hände in die Luft.
„Hast du gerade rausgefunden, dass du unsterblich bist oder was ist los?", fragt mich Alice nüchtern und zieht ihren Brauen zusammen.
Ich lasse meine Hände wieder sinken, aber das breite Grinsen in meinem Gesicht behalte ich. Ich freue mich einfach zu sehr. „Nein. Ich wurde gerade zu einem echt großen Blogger-Event eingeladen. Es ist nächsten Monat hier in London und oh mein Gott, ich wurde echt dahin eingeladen.", erkläre ich den beiden.
Rose kommt von dem Sofa zu uns an den Esstisch. „Das ist ja wirklich großartig. Ich freue mich für dich.", sagt sie und stellt sich hinter mich. Dann beugt sie sich nach vor um die Mail auf meinem Laptop zu lesen. „Hey, du darfst sogar jemanden mitnehmen."
Ich blinzle und richte meinen Blick wieder auf den Bildschirm. „Das habe ich gar nicht gelesen."
„Oh, ich räume für die nächsten Wochen dein Zimmer auf und mache den Abwasch. Bitte, Kat nimm mich mit.", ruft Alice aus.
Ich neige den Kopf schief und sehe sie an. Alice hält nicht viel von Mode, Lifestyle oder generell vom Bloggen. Darum studiert sie ja auch Jura. „Seit wann willst du auf so ein Event? Du interessierst dich doch für so etwas gar nicht.", sage ich. „Und Anwälte laufen dort höchstwahrscheinlich keine herum."
Sie schüttelt den Kopf. „Das weiß ich doch. Da laufen nur aufgeblasene Modepüppchen herum und meinen die Welt verändern zu können. Aber ich will einfach dahin. Komm schon, Kat. Ich bin deine beste Freundin." Alice sieht mich eindringlich an und ich frage mich gleichzeitig, warum sie unbedingt dahin will.
„Und was ist mit mir? Ich bin auch deine beste Freundin und wenn, dann habe ich noch mehr dafür übrig als du.", protestiert Rose und setzt sich an den Tisch.
Alice mustert Rose kur nachdenklich, dann wendet sie sich wieder mir zu. „Kannst du nicht zwei Personen mitnehmen?"
Ich lasse meine Schultern hängen und lese die Mail nochmal. Aber ich schüttle den Kopf. „Sorry Mädels, aber keine von euch beiden kommt mit.", sage ich, klappe den Laptop zu und stehe auf, um mir ein Glas Wasser zu holen.
„Warte, was? Das entscheidest du einfach so? Ohne darüber gründlich nachzudenken?", beschwert sie Alice.
„Ja, ich weiß schon wen ich einlade.", erkläre ich und fülle mein Glas auf. Während ich davon trinke, sehe ich über den Rand hinweg die beiden an. Alice und Rose haben beide die Stirn in Falten gelegt und starren vor sich hin, während sie überlegen, wenn ich den beiden vorziehen.
„Okay, und wen nimmst du dann mit?", fragt nun Alice.
Ich zucke mit den Schultern. „Luke natürlich."
„Luke?", rufen beide gleichzeitig aus und werfen mir fragende Blicke zu.
Ich weiß, nicht warum sie so überrascht sind. Luke ist mein bester Freund und er hilft mir oft Fotos zu machen. Ich wette mal, es wird ihn wenig interessieren aber ich möchte ihn dabeihaben. „Ja, ich nehme Luke mit.", stelle ich klar. „Hört zu Mädels. Ich liebe euch beide, aber ich will mich nicht zwischen euch entscheiden, am Ende wird nur eine verletzt. Deshalb nehme ich meinen besten Freund mit. Punkt."
Alice lässt genervt ihren Kopf auf ihre abgestützte Hand fallen und Rose nickt lächelnd. Fast muss ich lachen, die beiden sind so unterschiedlich. „Ist eine faire Entscheidung.", sagt Rose.
„Das ist eine hirnrissige Entscheidung. Luke interessiert das doch gar nicht. Ich sage es dir, du wirst es bereuen.", beharrt Alice und wirft mir einen vorwurfsvollen Blick zu.
„Ach komm, Alice hör auf. Aber ich verspreche dir, dich bei dem nächsten Event mitzunehmen, okay?", biete ich ihr an.
„Versprochen?" Sie hält mir ihre Hand hin und sieht mich eindringlich an.
Ich muss lächeln. „Ja, versprochen."
„Gut.", sagt sie zufrieden. „Apropos. Hat sich Luke bei dir gemeldet?"
Ich hebe meinen Kopf, da ich mich wieder über meinen Laptop gerichtet habe. Ich muss heute noch einige Mails beantworten. „Warum fragst du das?"
Alice zuckt mit den Schultern. „Ich war gestern im bei ihm im Laden, und naja wir haben uns kurz unterhalten. Er hat sich nach dir erkundigt, weil du dich nicht bei ihm meldest. Er ... macht sich irgendwie Sorgen."
„Oh. Ich war bloß im Stress.", winke ich schnell ab und konzentriere mich wieder auf meine Arbeit. Zwischen Luke und mir ist es immer noch ... anders und komisch. Über den Kuss hatten wir immer noch nicht gesprochen. Aber was gibt es da zu bereden? Wir sind beste Freunde, haben uns nur kurz geküsst und wissen beide, dass es nichts zu bedeuten hatte. Aber trotzdem bekomme ich das Gefühl nicht los, dass etwas zwischen uns steht. Aber ohne ihm kann ich nicht herausfinden was es ist. Wahrscheinlich sollte ich mit ihm reden.
Im Augenwinkel bemerke ich wie Rose zurück in die Küche kommt. „Leute, wir sollten ausgehen."
Alice' und mein Kopf schießt hoch und wir mustern Rose. „Wer bist du und was hast du mit unserer Rose angestellt?", murmelt Alice.
Rose verdreht aber bloß die Augen. „Ich meine es ernst. Es ist Freitagabend und wir sitzen hier in unserer Wohnung. Jeder ist in London unterwegs und betrinkt sich. Wir sollten das auch tun.", meint sie und verschränkt die Arme vor der Brust.
„Was? Ausgehen oder betrinken?", hake ich nach und hebe eine Braue an.
„Beides natürlich." Alice und ich tauschen einen Blick. Rose ist die letzte von uns drei, die an einem Freitagabend ausgehen will und sich betrinken. Rose ist der Partymuffel schlecht hin, deshalb bin ich mir gerade nicht ganz sicher ob sie uns verarscht. Aber als ich wieder zu ihr sehe, ihren erwartungsvollen bewussten Blick sehe, weiß ich das sie ernst macht.
„Okay, ich bin dabei.", platzt es aus Alice heraus und sieht zu mir.
„Was? Nein Leute. Ich habe ihr noch eine Menge an Arbeit, ich kann jetzt nicht feiern gehen.", protestiere ich.
Alice und Rose stellen sich vor mich. Beide mit einem ernsten Ausdruck im Gesicht du in mir kommt der Verdacht hoch, dass mein ursprünglicher Plan sich gerade in Luft auflöst. „Die Mails kannst du morgen auch noch beantworten, also so dringend ist deine Arbeit nicht.", sagt Alice.
„Alice hat Recht. Beweg deinen Hintern damit wir uns fertigmachen können.", dirigiert mich Rose an.
Eine halbe Stunde später, sind wir alle drei geschminkt und angezogen. Ich habe mich für mein neues Seiden Top mit Spitze entschieden und einer engen dunklen schwarzen Jeans. Bevor ich mein Zimmer verlasse, nehme ich mir noch meine Lederjacke und meine kleine Clutch mit.
Rose und Alice stehen schon fertig im Eingangsbereich. Ich mustere die beiden, aber mein Blick bleibt an Rose hängen. „Schätzchen, hast du was vor, von dem wir wissen sollten? Du siehst ziemlich scharf aus?" Ihr Körper steckt in einer hautengen schwarzen Hose und einem weinroten Shirt, das perfekt ihre Kurven betont. Aber ihre Haare gefallen mit am besten. Sie hat es geschafft schöne Beach Waves zu zaubern und als ich näher herangehe, entdecke ich ihren perfekten gezogenen Eyeliner.
„Habe ich sie auch schon gefragt. Wäre ich lesbisch, würde ich sie sofort anbaggern.", stimmt mir Alice zu.
„Hört auf so zu reden. Ich hatte einfach Lust dazu.", meint sie und öffnet die Türe.
„Schätzchen, wenn du so aussiehst musst du auf solche Kommentare gefasst sein.", erkläre ich ihr und schließe hinter uns dir Türe. „Jeder Kerl im Club, wird sich nach dir umdrehen."
„Aber vergiss nicht. Sie sind alle tabu für dich. Für uns.", erinnert uns Alice.
„Ihr tut ja so, als könnten wir ohne Jungs keinen Spaß haben.", meint Rose und wirft uns einen vorwurfsvollen Blick zu.
„Guck mich nicht so an. Ich komme ohne Jungs klar.", sage ich sofort und heben unschuldig die Hände. „Es war auch schließlich meine Idee, ich ziehe es durch."
„Gut."
Zwei Stunden später, kippen wir den Nächsten in uns hinein. Ich weiß nicht mehr, bei der wievielten Runde wir sind. Aber mein Kopf ist benebelt. Aber es fühlt sich gut und befreiend an. Die Musik rauscht durch meinen Körper und erfüllt ihn mit Adrenalin. Die ganzen Sorgen in meinem Kopf und der Stress streicht mit jedem Trink immer mehr von mir und ich lebe auf.
Rose neben mir ist voll. Aber sie verträgt nicht viel. Und Alice hat zwar bei jeder Runde mitgemacht, aber sie hingegen hat sich noch am besten unter Kontrolle.
„Mädels, ich gehe mal kurz aufs Klo.", erkläre ich den beiden und versuche, dass sie mich durch die Musik hören können. Wir waren schon öfter in diesem Club und er ist nicht weit von uns entfernt. Aber er ist bei den Leuten in unserem Alter ziemlich angesagt und die Musik ist nicht schlecht.
„Sollen wir mitkommen?", erkundigt sich Alice und brüllt mir dabei ins Ohr.
Aber ich winke ab. „Ich bin gleich wieder hier." Mein Körper wendet sich von ihnen ab und ich versuche mir dann einen Weg durch die betrunkenen Leute hindurch zu bahnen. Verschwitze Körper pressen sich an mich, drängen mich in eine Richtung, dann wieder in die andere. Kurz presse ich meine Augen zusammen um wieder klar sehen zu können. Oh Gott, es ist so heiß hier. Aber endlich schaffe ich es aus der tanzenden Menge heraus und eile auf die Toilette. Hier ist die Luft etwas kühler und nicht ganz so stickig. Ich suche mir ein freies Waschbecken und sehe mich im Spiegel an. Meine Harre sitzen immer noch so wie sie sollen und mein Make-up ist auch noch okay. Aber ich sehe müde aus. Als ich meinen Lippenstift hervorhole, bemerke ich neben mir ein Mädchen, wie sie sich ihre Augen trocken tupft. Unauffällig werfe ich einen Blick zu ihr. Ihre make-up ist durch Tränen verschmiert und die schwarze Tusche verteilt sich auf ihrer zart rosa Haut. Dann schnieft sie leise.
„Soll ich einen Typen für dich zurechtweisen?", frage ich sie und drehe mich zu ihr um.
Das Mädchen schreckt hoch und sieht mich an. Sie kann nicht viel älter sein als ich, eher jünger. Aber dann lächelt sie zögerlich, "Zu spät, er ist gerade mit meiner besten Freundin aus dem Club."
Ich ziehe die Luft ein und nicke. „Oh, das ist fies. Tut mir leid für dich." Das Mädchen nickt nur und senkt dann den Kopf. Ich krame in meiner Clutch nach einem Taschentuch, das ich ihr reichen kann. Dankend nimmt sie es an, während ich noch mein kleines Notfall Make-up hervorhole. Ich trete einen Schritt auf sie zu und sehe sie an. „Halt mal still."
Sie folgt meiner Aufforderung und ich beginne ihre Augenrinne zu kaschieren. Dabei bemerke ich wie sie mich mustert. Dann runzelt sie dir Stirn und tritt einen Schritt zurück. „Du bist doch nicht etwa Kat Evans?"
Zögerlich nicke ich. „Ja, erwischt."
„Oh mein Gott, das ist gerade besser als jeder heiße Kerl. Ich verfolge deinen Blog und deine Accounts schon seit du damit angefangen hast. Du hast echt Talent und ich bewundere dich wirklich."
Ich beginne zu lächeln. „Das ist echt toll zu hören. Freut mich, dass du mir so ein treuer Fan bist."
„Können wir ein Foto machen? Das glauben sie mir nie.", bittet sie und strahlt mich an. Ihre Tränen sind wie weggeblasen, nur die roten Wangen verraten sie noch.
„Ja klar.", sage ich und nehme ihr Handy, das sie mir sofort hinhält. Wir stellen uns zusammen und ich drücke ein paar Mal auf den Auslöser. „Hier bitte."
„Danke nochmal fürs Make-up.", bedankt sie sich und verstaut ihr Handy in ihrer kleinen Tasche. Erst jetzt bemerke ich, dass sie wirklich gut aussieht. Ihr Körper steckt in einem kurzen schwarzen Kleid und betont die richtigen Stellen.
„Gerne. Und sag dem Kerl, dass er ein Idiot ist, wenn er dich so links liegen lässt.", sage ich streng und stemme meine Hände in die Hüften.
Das Mädchen lacht. „Wie auch immer. Wenn er mit der besten Freundin verschwindet, muss er es wohl nicht wert sein."
„Bist du dir sicher, dass sie deine beste Freundin ist?"
Ihr Lächeln verebbt langsam, dann presst sie die Lippen aufeinander. „Nein. Die Aktion schreit nach Egoismus und nicht nach Freundschaft."
Ich nicke. „Kopf hoch. Kläre das mit deiner Freundin. Die brauchen wir mehr als irgendwelche Männer."
Sie lacht wieder. „Danke nochmal. Ich werde jetzt nach Hause fahren.", erklärt sie und wendet sich ab. Bevor sie den Toilettenraum verlässt, winkt sie mir noch zu.
Ich drehe mich zum Spiegel um und presse kurz meine Augen zusammen. Mir ist immer noch schwindelig und ich muss mich konzentrieren. Dann hole ich mein Handy hervor und sehe darauf. Aber nichts ist dort. Keine Nachricht von Luke, kein Anruf. Nichts. Ein Gefühl breitet sich in mir aus. Es schmerzt, weil ich Luke vermisse. Ich würde jetzt gerne mit ihm lachen, tanzen und über die Zukunft reden, so wie wir es immer machen, wenn wir betrunken sind.
Einen Moment starre ich noch auf mein Handy, stecke es aber dann wieder ein. Ihn jetzt anzurufen, wäre nicht richtig. Seit unserem Kuss ist es komisch zwischen uns. Wie sollte es auch sonst sein. Wir sind seit zehn Jahren beste Freunde, und plötzlich steht ein Kuss zwischen uns. Es war nicht bloß ein Kuss. Es war mehr. Ich fühlte etwas. Und das war ganz und gar nicht gut. Im Gegenteil, es ist das dümmste was einer Freundschaft passieren kann.
Ich stecke mein Handy wieder ein und eile zu meinen Freundinnen zurück. Sie sind immer noch an der Bar. Alice lacht während sie ihren Drink in der Hand hält. Rose schlürft unschuldig an ihrem. „Ihr habt eine Runde ohne mich bestellt? Wie könnt ihr mich nur so hintergehen.", lalle ich gegen die Musik und platziere mich zwischen den beiden.
Alice hebt unschuldig die Schultern. „Wir dachten schon, du treibst es mit einem Kerl auf dem Klo."
„Seid ihr verrückt? So etwas würde ich nie tun. Ist ja abartig.", sage ich und verziehe das Gesicht. Dann sehe ich die beiden an, die mich ebenfalls mustern. Ich kenne ihre Blicke. „Wartet mal. Ihr traut mir das nicht zu, stimmt's?" Wieder stemme ich meine Hände in die Hüfte. Sie glauben allen Ernstes, dass ich kein Jahr ohne einen Mann schaffe.
„Nein, also ... nein. Natürlich trauen wir dir das zu.", murmelt Rose.
„Ganz ehrlich, Kat. Du liebst es dir einen Mann zu angeln, dich begehren zu lassen und ihn zu vernaschen.", meint Alice.
„Jetzt kommt schon. Ja ich mag es, wenn ein Mann um meine Aufmerksamkeit buhlt, aber ich habe auch andere Prioritäten. Zum Beispiel, meine Freundschaften pflegen, mich auf die Zukunft zu fokussieren. Solche Dinge eben."
Rose reißt die Hände in die Luft und schüttelt den Kopf. „Jetzt lasst dieses Thema. Wir sind heute hier um Spaß zu haben und nicht um über die Männer zu reden. Wir haben eine Abmachung, die jeder von uns einhält. Egal was passiert." Rose fixiert uns mit ihren Blicken, bis wir nicken. „Also jetzt bestellen wir noch eine Runde und genießen das Leben als Singels und als unabhängige Frauen. Wir leben schließlich im 21. Jahrhundert."
Alice macht den Barkeeper auf sich aufmerksam, knallt ihm einen Schein auf den Tresen und bestellt zwei Runden Shots für uns. Und so geht es für die nächste halbe Stunde weiter. Bis ich richtig betrunken bin.
Oh Gott, wenn sich nicht alles drehen würde. Ich brauche Luft. Meine Brust fühlt sich eng an, als würde jemand zuschnüren und dabei lachen. Aber das Lachen kommt von meinen Freundinnen. Sie lachen schon die ganze Zeit aber ich weiß nicht über was. Die Musik dröhnt in meinen Ohren, sie wird immer lauter. Dazu pocht mein Kopf im Takt der Musik.
Ich tätschle die Schulter von Rose. „Ich fahre nach Hause. Bin müde."
„Sollen wir mit?", schreit mich Alice an. Aber ich schüttle den Kopf.
„Nein alles gut, bleibt hier und feiert noch.", winke ich ab.
Rose fällt mir um den Hals, und zelebriert eine überschwängliche Verabschiedung. Aber ich wehre mich nicht dagegen, weil ich weiß, dass Rose gerne überschwängliche Umarmungen mag, wenn sie beduselt ist. „Komm gut nach Hause. Schreib wenn du da bist, okay?"
Ich nicke nur, weil mein Mund trocken ist. Also wende ich mich ab und suche mir den Ausgang. Der Club ist immer noch voll, daher ist es auch noch stickiger als vor ein paar Stunden. Ich halte das nicht mehr aus. Die Musik, die tanzende Menge und der Gestank. Daher bin ich froh, als ich in die Nachtluft trete und einen tiefen Zug davon nehme. Ich laufe zum Straßenrand und hole mein Portemonnaie hervor. Aber es ist leer. Ich habe kein Bargeld mehr für ein Taxi. Na toll. Soll ich jetzt etwa zu Fuß nach Hause laufen? Sicher nicht. Zumindest nicht in diesen Schuhen. Ich seufze gequält und hole mein Handy hervor. Bevor ich zu Ende überlege, tippen meine Finger wie von selbst auf dem Display herum. Ich sollte es nicht tun, aber etwas Besseres fällt mir gerade nicht ein. Nach dem dritten Ton hebt er ab. „Hallo?"
„Luke, bist du das?"
„Naja du hast schließlich meine Nummer gewählt, oder nicht?", höre ich seine Stimme und sofort fühle ich mich besser. „Was ist los?"
„Ich stehe hier vor einem Club, hab kein Bargeld mehr und die Mädels feiern noch weiter. Und ich weiß nicht wie ich nach Hause kommen soll.", erkläre ich ihm. Aber ziemlich langsam, weil ich irgendwie nicht schneller reden kann. Blöder Alkohol.
„Kat? Bist du betrunken?", fragt Luke klar.
Kurz bleibe ich still. „Nein.", sage ich gedehnt.
„Wie witzig. Wo bist du? Ich komme und hol dich ab, bevor dir noch etwas passiert.", sagt er.
Ich sehe mich um. „Bei diesem einem Club. Ich schick dir meinen Standort.", ich lege auf ohne noch etwas zu sagen und schicke wie ihm versprochen meinen Standort. Nur ein paar Sekunden später kommt ein okay zurück und, dass er sich beeilt. Dann stecke ich wieder das Handy ein und überkreuze die Arme vor der Brust. Und jetzt? Auch wenn sich Luke beeilt braucht er sicher 15 Minuten hier her. Ich weiß nicht genau wo wir sind aber es ist nicht weit von Lukes laden entfernt und er wohnt ja über seinem Laden in einer kleinen Wohnung.
Ich entdecke einen Pfosten und versuche meinen Hintern darauf zu platzieren. Die Schuhe bringen mich noch um. Warum musste ich auch hohe Schuhe anziehen? Ich liebe es mich hübsch anzuziehen und mich zurecht zu machen, aber ich bevorzuge dabei meist flache Schuhe. In hohen Schuhen komme ich mit meist billig vor und werde nur auf mein Äußeres abgestempelt. Wenn mich Kerle abchecken, merke ich sofort was sie von mir halten. Blond, hohe Hacken an den Füßen und aufreizend gekleidet. Ein Mädchen, dass für eine schnelle Nummer zu haben ist. Ich hasse es, wenn mich ein Mann nicht kennen lernen will sondern nur das eine von mir will.
Ich sehe auf mein Handy. Zehn Minuten sind schon vergangen seit ich Luke meinen Standort geschickt habe. Ich seufze und sehe zu, wie ein Mann aus dem Club stolpert. Er grinst, während er sein Bier in der Hand hält. Er wackelt ein paar Schritte auf mich zu, hebt das Bier und nippt daran. Dann richten sich seine Augen auf mich. Während er trinkt und ihm etwas Bier seitlich über die Mundwinkel läuft, mustern mich seine Augen. Eingehend.
Ich verdrehe die Augen und schaue weg. Er giert mich an, das habe ich sofort gemerkt. Er ist betrunken und sucht nur nach einer „Beute", die er heute noch flachlegen kann. Keine zehn Sekunden später, merke ich wie er sich mir nähert. Vor mir kommt er zum Stehen und ich warte darauf, dass ein billiger Anmachspruch fällt. Ich habe schon viele Sprüche gehört und Kerlen dabei zugesehen, wie sie ins Schwitzen geraten, weil sie schnell merkten wie viel Scheiße sie von sich gaben. Wenige Männer wissen wie man eine Frau für sich gewinnt.
„Also wenn, dich dein Freund alleine gelassen hat, muss er ja ein ziemlicher Idiot sein.", sagt er schließlich. Er lallt und ich rieche seine Alkoholfahne.
Ich lege den Kopf in den Nacken und rolle mit den Augen. „Und du hast nichts Besseres zu tun, als mich zu belästigen?", sage ich, weil ich genau weiß, was er vorhat. Ich habe es in seinen Augen gesehen, dass er mich abschleppen will.
„Wer sagt, dass ich dich belästige? Ich ..."
„Ich sage das.", unterbreche ich ihn und erhebe mich. Schmerzen durchfahren meine Fersen und ich schicke ein Stoßgebet in den Himmel, dass Luke gleich hier sein wird.
Dann sehe ich ihn an. Meine Augen ziehen sich zu Schlitzen und ich verschränke wieder die Arme vor der Brust. Sein Mund steht offen, aber dann formen sich seine Lippen zu einem widerlichen Lächeln. „Okay, ähm also sag schon, wer dich hier alleine gelassen hat? Ich würden dir gerne Gesellschaft leisten." Er zwinkert.
Hat er gerade wirklich gezwinkert?
Als ich nicht sofort antworte, hebt sich seine freie Hand und er legt sie auf meinen Oberarm. Ich starre mit offenem Mund darauf und schlucke schwer. Nicht weil ich nervös werde und Panik bekomme, nein sondern weil ich mich angeekelt fühle. „Aha okay und wie kommst du darauf, dass ich deine Gesellschaft will?", frage ich und schüttle seine Hand weg. Ich starre ihn an und er beginnt wieder so dämlich zu grinsen. Seine Augen gleiten an meinem Körper hinab. Mich überkommt eine Gänsehaut, weil er es so offensichtlich tut und ich mich einfach nur angeekelt fühle. Am liebsten würde ich ihm den Mund voll stopfen mit ...
„Hey." Der Kerl sieht auf und ich atme erleichtert aus. Endlich.
Luke tritt neben mich und ich sehe zu ihm. Er starrt den schmierigen Typen an und ich bemerke, dass der Idiot fast einen Kopf kleiner ist. Kurz legt sich eine Stille über uns und die Luft ist gerade zum Schneiden dick. Ich merke an dem Blick von dem Idioten, dass er gerade abwägt, sich mit Luke anzulegen. Aber ich durchbreche die angestaute Luft sofort. „Alles okay, wir können gehen.", flüstere ich Luke zu und nehme ihn bei der Hand. Wir drehen sich von dem schmierigen Kerl weg und entfernen sich von ihm.
„Geht's dir gut?", fragt Luke besorgt und ich nicke bloß. Wir gehen ein paar Schritte, bis ich wieder die Stimme von dem Arsch vernehme.
„Dann hau doch ab. Ich bin eh nicht der Typ, der billige Mädchen abschleppt. Ist nicht mein Niveau!", lallt seine Stimme durch die kühle Luft zu mir.
Ich halte inne, drehe mich im nächsten Moment zu Luke um. Ich drücke ihm meine Clutch in die Hand. Dann ziehe ich meine Schuhe aus und gebe sie ebenfalls Luke, der mich überrascht ansieht. „Halte das mal, ich bin gleich wieder hier." Ich mache auf dem Absatz kehrt und laufe schnellen Schrittes auf ihn zu. Ich starre ihn mit meinen Blicken an und ich spüre, wie die Wut in mir hochkocht. Der hat sie doch nicht mehr alle. Hat er das gerade wirklich gesagt?
Ich komme vor ihm zu stehen, und sehe, dass er wieder grinst. „Jetzt hör mal zu du Arschpfeife. Es ist wirklich eine Schande für die Gesellschaft, dass du frei rumlaufen darfst. Wie kommst du darauf, dass ich ein dummes Flittchen bin? Du kennst mich einen Scheißdreck, und nur, weil ich nicht über dein hässliches Gesicht herfalle und es mit dir nicht auf dem Klo treibe, hast du kein Recht mich so zu nennen.", ich stemme die Hände in die Hüfte und bebe jetzt richtige vor Wut. So etwas kann ich nicht auf mir sitzen lassen. „Und wisch die mal über den Mund."
Irritiert mustert er mich. „Warum?"
„Da klebt noch ziemlich viel von der Scheiße die du von dir gibst. Und jetzt tu uns allen einen Gefallen und gehe nach Hause. Ist echt peinlich, das so etwas frei rumlaufen darf." Ich sehe ihm nochmal kurz in die Augen, drehe mich aber dann um. Ich laufe wieder zu meinem besten Freund. „Hier.", sagt er und hält Sneakers hin. Ich erkenne sie sofort, es sind alte Sneakers von mir.
Ich blinzle und sehe ihn an. „Wo hast du die denn her? Und warum hast du die bei dir?" Aber während ich ihn das noch frage, ziehe ich mir schon die Sneakers an.
Luke zuckt mit den Schultern. „Die lagen bei mir rum. Ich dachte, ich nehme sie mal mit, weil du bestimmt hohe Schuhe anhast.", erklärt er.
„Ich erkläre dich hiermit zum besten Freund des Monats. Du hast dir einen Orden verdient.", scherze ich und hake mich bei ihm ein.
„Ich dachte, den habe ich mir schon verdient, als ich mitten in der Nacht los bin um dich von einem Club abzuholen?", meint er und grinst süffisant.
„Das sind bloß deine Pflichten als bester Freund.", sage ich ernst und nicke. Wenn ich daran denke, was Luke schon alles für mich getan hat, hat er mehr verdient als einen Orden. „Wollen wir uns ein Taxi holen?", frage ich ihn und bleibe stehen.
Luke dreht sich zu mir um. Meine hohen Schuhe baumeln in seiner rechten Hand, die andere hat er in die Hosentasche gesteckt. Erst jetzt fällt mir auf, wie gut er eigentlich aussieht. Er trägt seien Lederjacke, die ich so toll an ihm finde, dazu eine dunkle Jeans und Sport Sneakers. Seine Haare stehen etwas wirr vom Kopf ab, da er bestimmt schon im Bett war. Ach Gott, ich bin eine miese beste Freundin. „Nein, wir laufen. Ich bin gerade hell wach, mich jetzt gleich wieder ins Bett zu legen hat keinen Sinn. Also komm schon."
Ich seufze und lasse die Schultern, als ich auf ihn zu gehe und mich wieder bei ihm einhake. „Gerade hast du den Orden wieder verloren."
„Du wirst es überleben. Und die frische Luft tut dir bestimmt, dass du wieder nüchtern wirst."
Ich klopfe ihm leiht auf die Schulter. „Ich bin nicht betrunken, nur gut angeheitert.", protestiere ich. Wir laufen durch die Straßen von London, ein paar wenige Autos fahren an uns vorbei. Ein schwer verliebtes Pärchen passiert uns. Meine Augen bleiben an dem Mädchen hängen, wie sie ihren Freund anstrahlt, als sei er ihre eigene kleine Welt. Ich muss auch lächeln und daran denken, dass ich so eine kleine Welt für mich noch nie hatte. Muss schön sein.
„Na gut, aber dann sieh es wenigstens so. Wir hätten endlich mal wieder Zeit, dass wir uns unterhalten. Wir haben schon lange nicht mehr einfach so geredet.", sagt er. „Ich vermisse das, Kat."
Ich lege meinen Kopf auf seine Schulter und lächle. „Gut, wenn du reden willst sollten wir vielleicht damit anfangen, was letztens passiert ist.", sage ich und spüre wie mein Herz schneller pocht. Lukes Lippen auf meinen kommen mir wieder in den Sinn und mein Magen zieht sich zusammen. Ein flaues Gefühl bleibt zurück.
„Das hätten wir nicht tun sollen.", murmelt er. Ich hebe meinen schweren Kopf und lasse ihn los.
„Tja da gebe ich dir recht. Aber du hast mich einfach zurückgelassen nachdem du mich geküsst hast. Das war echt nicht okay." Ich verschränke die Arme vor der Brust und versuche ihn nicht anzusehen. Wenn ich ihn ansehe, werde ich schwach und bekomme kein einziges Wort heraus von dem was ich eigentlich sagen wollte.
„Jetzt schieb die Schuld nicht mir zu. Du hast mich ja regelrecht darum gebeten.", protestiert Luke und ich merke wie er mich ansieht.
Ich bleibe stehen und sehe ihn nun doch an. Kurz verharre ich in dieser Position um mir meine nächsten Worte zurechtzulegen, während Luke auf mich zu kommt. „Aber du hättest nein sagen sollen. Jeder Idiot weiß, dass ein dämlicher Kuss in so einer Freundschaft etwas ändern kann. Danach ist es immer anders, ist ja auch logisch, oder nicht? Ich meine, Rose hat Recht. Auch wenn sie es nur ihren schnulzigen Filmen sieht und ihr manchmal ein Schlag der Realität fehlt, hat sie Recht. So ein Kuss verändert etwas, ob man will oder nicht. Und bei uns ist es genauso. Wir verhalten uns in letzter Zeit total komisch und ganz ehrlich, ich bin dir aus dem Weg gegangen. Weil ich einfach nicht wusste was ich denken sollte. Ich musste mir echt darüber klarwerden, wie ich mit diesem bescheuerten Kuss um gehen soll. Ja ich weiß, ich küsse oft Männer, aber ..." Weiter komme ich nicht.
Luke schließt die Lücke zwischen uns und im nächsten Moment spüre ich seine weichen Lippen auf meinen. Ein Blitz durchfährt meinen Körper und plötzlich bin ich hellwach. Mein Körper kribbelt, und mit einem Mal habe ich alles vergessen was ich gerade gesagt habe. Jeglicher Gedanke ist aus meinem Kopf vertrieben und ich lasse mich fallen. Luke schlingt die Arme um meine Taille. Meine Hände bewegen sich wie von selbst zu seinem Nacken und drücken ihn noch näher an mich. Ich will mehr. Mehr von ihm und mehr von uns. Seine Lippen passen perfekt auf meine, sie spielen mit mir.
Warum fühlt sich das hier so gut an? Warum werde ich bei Lukes Lippen so schwach und vergesse alles, was ich mir geschworen habe. Luke ist mein bester Freund und ich habe mir geschworen, dass wir nie etwas miteinander anfangen. Weil ...? Ja, warum eigentlich? Weil es dann nie mehr wie vorher ist? Weil man damit eine Freundschaft aufs Spiel setzt?
Ach verdammt, ich sollte es unterbrechen und mich von ihm lösen. Aber ich will nicht. Sein Kuss wärmt und beruhigt mich zugleich, er lässt mich alles das fühlen was mich glücklich macht. Und mit einem Schlag wird mir klar, dass ich ein Problem habe. Ein gewaltiges Problem.
Luke löst sich von mir. Sein Gesicht immer noch dem meinem ganz nahe und ich spüre seinen warmen Atem auf meiner Haut wie er mich kitzelt. Ich presse meine Lippen zusammen und meine Augen haften sich auf den seinen fest. Sie sind rot und etwas geschwollen. Dennoch sehen sie perfekt aus.
„Halt die Klappe, Bubbels. Dein Überanalysieren hält ja keiner aus.", murmelt Luke und lächelt. So hat er mich schon lange nicht mehr genannt und eine Woge der Zufriedenheit überkommt mich.
Ich sehe ihm in die Augen und beginne zu grinsen. Dann löse ich mich von ihm und gebe ihm einen Klaps auf den Oberarm. „Idiot."
Freue mich sehr auf Rückmeldungen von euch. Viel Spaß noch mit der Story. Bald gehts weiter.
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