8. Kapitel: Liebe!?
Chloe P.O.V.
War ich noch da? Lebte ich überhaupt noch? Was war eigentlich passiert? Ich hatte absolut keine Ahnung, was hier los war. Ich kann mich an nichts erinnern. Es ist so, als würde jemand mein Gehirn komplett gelöscht haben. Ich wusste nicht mal mehr, welchen Tag wir hatten, geschweige denn, wie lange ich nicht da war. War überhaupt etwas geschehen? Oder liegt es doch eher an meiner psychischen und physischen Verfassung, dass ich so gar nichts mehr weiß. Normalerweise erinnere ich mich an Gespräche von Niall oder Grace oder den Ärzten. Doch jetzt befand sich da ein riesen Loch in meinem Kopf. Und all meine Erinnerungen sind herausgepurzelt und haben sich in Luft aufgelöst. Nun haben sie ihre Freiheit und ich keine Ahnung.
Ich stelle mir das gerade bildlich vor, wie meine Erinnerungen in Form von kleinen Menschen aus meinem Kopf klettern. Sie sind so unfassbar klein, dass sie es nur mit Mühe schaffen, sich einen Weg in die Freiheit, ins Nirgends, zu schlagen. Und ist da einmal dieses große Loch, kommen hunderte oder auch tausende von ihnen heraus. Überall schwirren sie nun herum, freuen sich und jubeln, dass sie es nicht mehr in meinem Kopf aushalten müssen und nun frei sind. Nur leider zu meinem Bedauern. Während die kleinen Menschen in der Gegend umherhüpfen, wünsche ich mir, dass es hier so etwas wie eine Polizei gäbe, die die kleinen Ausbrecher wieder in meinen Kopf sperrt. Da das sowieso nicht der Fall ist und ich mich selbst drum kümmern müsste, dass ich meine Erinnerungen widererlange, auch wenn ich keine Ahnung habe wie, habe ich wohl Pech gehabt und muss mich jetzt damit zurechtfinden, dass ich nichts weiß.
Aber vielleicht wollen meine Erinnerungen auch gar nicht zurück. Sie könnten mir ja schaden. Ich kann mir nur nicht vorstellen, was es sein könnte, was mich in irgendeine Art und Weise schwächen könnte. Auf jeden Fall hasse ich diesen Schutzmechanismus meines Körpers. Ich meine, so schlimm wird es ja schon nicht sein, oder? Obwohl bei meinem Zustand frage ich mich allgemein, ob ich eine krasse Information verkraften kann. Trotzdem kann ich mir nichts vorstellen, außer vielleicht, dass es meiner Familie nicht gut geht. Da ich Niall ziemlich gut kenne und er einen Beschützerinstinkt von ungefähr 99% hat, bin ich mir sicher, dass er alles machen würde, damit es unseren Kindern gut geht. Und meine Schwester kann eigentlich selbst auf sich aufpassen, hoffe ich zumindest.
Um ehrlich zu sein, war ich mir sogar da noch nicht mal sicher. Ich weiß zwar nicht, wie viele Tage seitdem verstrichen waren, aber weder meine Schwester noch Niall waren hier. Es wunderte mich schon und es kam mir allgemein komisch vor, denn Niall kam jeden Tag vorbei. Was hatte ihn dazu bewegt, nicht mehr zu kommen? Was ist denn vorgefallen, dass er gehindert war zu kommen? Ist so etwas überhaupt passiert? Hat er einfach keine Lust mehr herzukommen? Bin ich ihm mittlerweile so egal? Liebt er mich denn noch? Und genau in diesem Moment, sickerte eine kleine, winzig kleine Erinnerung zu mir durch.
„Um ehrlich zu sein, hat er sich mit gestern Abend selbst einen Gefallen getan. Ich würde sagen, wir hatten schon unseren Spaß, auch wenn er es nicht zugeben will. Was denkst du wohl, warum er noch nicht hier ist? Er möchte nicht, dass du etwas davon erfährst. Vielleicht bereut es er schon, aber ich habe heute Mittag von ihm einen Nachricht bekommen, dass er sich auf jeden Fall nochmal mit mir treffen möchte und wir das von gestern Nacht wiederholen könnten. Und ich muss zugeben, dass ich mich schon sehr darauf freue, ihn wieder in meinen Armen zu halten. Ich glaube, du weißt selbst, dass er die besten Umarmungen gibt und wie gut sie tun. Ich hoffe, du bist nicht ganz zu enttäuscht, aber ich dachte mir, dass du die Wahrheit verdienst.“
Diese eine Frau war hier gewesen. Die, mit der Niall mich betrogen hatte, weil er einfach keine andere Möglichkeit sah. Ich dachte immer, dass da irgendwas ist, was uns nie auseinander bringen könnte. Wir hatten schon so vieles gemeinsam gemeistert. Doch an diesem Punkt hier scheinen wir nun zu scheitern. Die Situation ist für alle gerade nicht leicht, weder für ihn noch für mich. Sie ist zu steinig, zu steil und zu gefährlich, sodass man mit großer Wahrscheinlichkeit abstürzt. Und deswegen nimmt man den sicheren Weg, der für einen eine tolle Zukunft und Aussicht verspricht. Ich bin dieser steile Hang und diese Frau der sichere Weg. Man bringt sich also lieber selbst in Sicherheit und geht kein Risiko ein. Man ist der Feigling, der nichts wagt, obwohl man, wenn man das große Ziel erreicht hat, viel mehr davon hat.
Und trotzdem kann ich es nachvollziehen, dass er nicht mehr den Weg mit mir beschreitet. Alles scheint an ihm zu nagen und ihn kaputt zu machen. Ich möchte nicht, dass er wegen mir alles aufgibt, was ihm Spaß macht. Um sein Leben weiterzuleben, löst er sich von der Last, die ihn auf den Meeresgrund ziehen würde. Er löst sich von mir.
Und genau das tut unendlich weh. Es lässt mein Herz in tausend Stücke zerspringen wie als würde man die Glasschüssel in der Küche fallen lassen, wie ich. Ich bin gebrochen und niemand kann mich wieder reparieren. Ich habe mit das wertvollste in meinem Leben verloren. Es schnürt mir die Luft ab. Nur noch schwer konnte ich atmen. Meine Lunge brüllte wahrscheinlich schon nach Sauerstoff, doch das schien mir egal. Ich wollte hier nur noch raus.
Irgendwann war ich wieder vollkommen da, also von den Gedanken her. Es war nämlich alles wieder schwarz gewesen. Doch dieses Mal konnte ich mich noch gut daran erinnern, was davor gewesen war. Ich wusste es noch ganz genau.
Trotzdem wollte ich nicht weiter darüber nachdenken, dass ich Niall mittlerweile egal war. Ich wollte es so tief wie möglich vergraben und dort sollte es auch bleiben. Oder besser sollte ich es gleich in eine Rakete stecken und zur Sonne schießen, wenn das möglich wäre. Ich würde ihn am liebsten komplett aus meinem Leben verbannen. Doch das geht nicht. Es geht einfach nicht, obwohl ich es so sehr möchte. Dafür liebe ich ihn zu sehr. Er hat in meinem Leben eine entscheidende Rolle gespielt. Er ist der einzige, der den Schlüssel zu meinem Herzen trägt und das wird auch so bleiben. Er hat sich einfach in mein Hirn und mein Herz gebrannt, sodass man ihn gar nicht vergessen kann.
Und das ist das eigentliche Problem an der Sache. Du weißt ganz genau, wie viel dir dieser Mensch bedeutet, aber du weißt auch, dass du ihm gar nichts bedeutest. Und das schmerzt. Es frisst mich innerlich auf. Wenn ich wahrscheinlich auch nur etwas über ihn höre, von anderen Leuten, ist es so, als würde ein kleiner Tropfen Säure auf meine Haut kommen, die nur an dieser Stelle die Haut wegätzt. Und immer wieder kommt einer dieser Tropfen dazu. Der Schmerz, den man spürt, wird irgendwann normal und erträglich. Doch auf die Dauer macht es einen nur noch mehr kaputt. So würde ich vielleicht fühlen, vielleicht fühle ich das auch jetzt schon…
Meine Gedanken wurden, zum Glück, durch Geräusche in meiner Umgebung unterbrochen. Ich konnte vorerst nicht erkennen, wer sich in meinem Zimmer befand. Dafür waren die Geräusche zu weit weg, schwach, sodass ich mich fühlte, als sei ich in einer Blase oder einem Vakuum. Langsam aber nahm dieses taube Gefühl ab und ich konnte alle wie ein normaler Mensch hören. Ich hörte Schritte, ungleichmäßige, versetzte Schritte. Es müssten sich also zwei Personen in meinem Zimmer befinden. Dann hörte ich für einen kurzen Moment gar nichts mehr. Es könnte sein, dass die beiden vor meinem Bett standen. Genau wusste ich das also nicht.
„Sie macht Ihnen große Sorgen, oder?“, fragte eine weibliche Stimme und wusste sofort, dass es Schwester Jana war. Ich kannte sie nicht wirklich gut, aber ab und zu hat sie mit dem Arzt oder Niall gesprochen. Nur daher war sie mir ein bisschen bekannt.
„Ja, das hast du wohl recht.“, meinte Dr. Carter seufzend.
„Ihre Werte werden einfach nicht besser. Sie ist zu labil, um die Geräte abzustellen. Medikamente scheinen nicht zu wirken, als wäre es eine Abwehrfunktion ihres Immunsystems. Und diese plötzlichen Zusammenbrüche des Herz-Kreislauf-Systems kann ich mir bei bestem Willen und Wissen nicht erklären.“
Plötzliche Zusammenbrüche? Werte zu schlecht? Zu labil? Abwehrfunktion des Immunsystems? Wovon sprach der Arzt da? Also das mit der Labilität und der Abwehrfunktion konnte ich mir selbst erklären. Aber was meinte er damit, dass meine Werte zu schlecht seien? Was für Werte denn? Und was sollen diese plötzlichen Zusammenbrüche sein? Hatte mein Herz für ein paar Sekunden aufgehört, zu schlagen?
„Und wie sieht es mit ihren Verletzungen aus?“, fragte Jana.
Ich hörte das Umblättern von einer Seite. Wahrscheinlich studierte Dr. Carter gerade meine schlechte Akte. Ich konnte nicht hoffen, dass ich danach eine positive Zukunft haben werden, denn eigentlich ist nichts, was da drin steht, besonders gut.
„Also Knie und Fußgelenk erneuern sich. Normalerweise müsste sie jetzt wach sein und mit der Therapie anfangen. Sie braucht auf jeden Fall die Stabilisation des Knies durch Muskeln. Wenn sie diese jetzt nicht aufbaut, wo das Knie im perfekten Zustand dafür ist, frage ich mich, wie schwer es ihr später fallen wird, die Therapie zu überstehen. Der Halswirbelbruch verheilt gut. Vielleicht noch ein bis zwei Wochen und er ist wieder komplett belastbar. Aber wie gesagt, der Bruch im Rücken gefällt mir nicht. Trotz der OP versperren die Splitter des Bruches den Weg des Rückenmarkes, damit es sich erneuern kann. Länger kann ich ihr aber nicht mehr geben, denn wenn es sich nicht verbindet, ist sie ab da querschnittsgelähmt. Ich kann nichts für sie machen.“, erläuterte er weiter meinen Zustand.
Wenn es um mich wirklich so schlecht steht, warum stellen sie dann nicht einfach die Geräte ab? Es wäre doch für alle so viel einfacher. Ich müsste mich nicht mit den Schmerzen quälen. Niall müsste sich keine Sorgen mehr machen. Die Ärzte müssten nicht dauernd nach mir sehen, wenn mein Herz aussetzt. Allgemein würde ich es, glaube ich, nicht aushalten, wenn ich querschnittsgelähmt wäre. So hätte ich mir mein Leben nicht vorgestellt. Da würde ich dann doch lieber sterben, als die Quälen über mich ergehen zu lassen. Ich würde sonst im Rollstuhl sitzen, könnte meine Beine nicht mehr spüren und könnte nie wieder stehen oder laufen. Es war ein reinster Albtraum.
„Ahh! Wie ich sehe, bekommt Miss Oakley gerade Besuch.“, meinte Dr. Carter und verließ mit Schwester Jana den Raum.
Die Tür schloss sich und kleine Schritte hallten auf dem Boden. Und wie ich erraten konnte, wer noch besuchen kam, hörte ich schon „Mummy!“
Würde ich jetzt die Kontrolle über meinen Körper haben, würden mir spätestens jetzt Tränen die Wangen hinunterkullern. Sofort wäre ich aufgesprungen und hätte sie in meine Arme geschlossen und sie bis zum Umfallen geknuddelt und abgeknutscht. Ach, sie fehlen mir so. Sie strahlen immer pure Freude und Glück aus, sodass das auch auf mich überschwappt, wenn ich einen schlechten Tag habe. Sie machen mich zu jeder Stunde meines Lebens glücklich. Sie machen mich zu dem, was ich bin. Und es bedeutet mir so viel, sie bei mir und um mich zu haben.
„Mummy, wir haben Blumen mitdebracht und ein Bild habe ich auch demalt.“, sagte Aine mit ihrer zuckersüßen Stimmen.
„Hoch! Hoch!“, quengelte Jordan.
„Ich helfe euch ja schon.“, meinte Maura sofort. Ich würde überall ihre Stimme erkennen. Und dass sie sich immer so viel Zeit für unsere Kinder nimmt und mir möglichst viel Last abnehmen will, finde ich einfach nur klasse von ihr. Wahrscheinlich setzte Maura die beiden auch gerade auf mein Bett.
„Ante Grace und Sid sind bei uns. Doch Granny hat uns abdeholt.“, erzählte mir Aine.
Ach… Aine hat sich so schnell entwickelt. Sie erzählt einen immer so viel, dass man darüber schmunzelt, was sie alles erlebt hat. Jordan hingegen erzählt nicht viel. Er verbreitet nur Chaos. Wie ich es vermisse, zu Hause bei ihnen zu sein und den ganzen Trubel mitzuerleben.
Eine Zeit lang sagten sie nichts. Ich wusste nicht, ob sie mich nur ansahen oder etwas anderes machten. Ich hörte nur, wie Aine kurz aufschluchzte.
„Wir vermissen dich alle, Jordan, ich und… und Daddy. Tomm schnell turück, bitte.“, weinte sie. Und auch Jordan begann zu schluchzen.
Wenn ich weinen könnte, würde ich es. Wahrscheinlich so viel, dass ein ganzer Wasserfall entsteht. Ich würde beide jetzt in meine Arme schließen und sie trösten. Ich würde Ihnen sagen, dass alles gut ist und dass sie nicht weinen brauchen, weil ich für sie da bin. Doch gerade das kann ich nicht. Ich bin nicht für sie da. Sie so allein zu lassen, bricht mir das Herz. Welche Mutter würde nicht gern bei ihren Kindern sein. Es macht mich einfach nur fertig. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich kann ihnen nicht helfen. Ich kann ihnen nicht die Mutter sein, die sie gerade brauchen. Aber ich habe sie unendlich lieb und ich hoffe, dass sie das wissen. Ich werde meine Kinder immer lieben.
Zu schade nur, dass sie nicht wissen, dass sie noch ein Geschwisterchen bekommen.
Hier kommt das Kapitel, von dem ich gesprochen hatte. Es hat mir wirklich unendlich viel Spaß gemacht, es zu schreiben. Langsam fange ich an, die Kapitel aus Chloes Sicht zu lieben, wenn sie im Koma liegt.
Und so positiv ist es jetzt nicht, oder? Ich weiß, dass ich etwas gemein bin.
Ja also, was soll ich sagen.
Wie findet ihr denn ihre Erkenntnis über Niall?
Und ihr habt noch einen kleinen Zwischenstand zu ihrer Gesundheit erfahren. Denkt ihr, dass sie das überstehen wird? Und wenn ja, könnte es sein, dass sie querschnittsgelähmt ist?
Und wie fandet ihr den Besuch ihrer Kinder? Das war doch zu niedlich.
Und der letzte Satz ist vielleicht etwas verwirrend und gemein zu gleich.
Schönes Wochende
Chloe :)
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