18. Kapitel: Flicker
Chloe P.O.V.
Wenn man mich fragen würde, ob es mir etwas ausmachen würde, dass jeder Tag für Tag hier reinstiefeln würde, hätte ich ihnen schon längst meine Meinung gegeigt. Aber mich fragt ja niemand, weil ich nichts sagen kann. Bestimmt schon seit Tagen laufen hier die Leute rein und raus. Ich weiß ja nicht, was auf einmal so besonders an mir ist, denn vorher hatte sich auch niemand wirklich für mich interessiert.
Höchstens Dr. Carter und Jana kamen täglich zu mir. Besuch bekam ich in letzter Zeit auch nur äußert selten. Zwar kamen Magritte und Grace ein paar Mal vorbei und Mum und Dad waren letztens auch erst hier gewesen, aber die eigentliche Person, die ich gern hier hätte, war nicht da. Er war wahrscheinlich noch auf Tour. Ich fand es ganz schön, dass er sein Leben wieder etwas im Griff hatte. So sehr ich mir auch wünschte, dass er hier wäre, er kam nicht.
Stattdessen betraten nur zig andere Schwestern und Ärzte jede Minute mein Zimmer. Es gab mal eine Zeit, wo ich mir nichts mehr als Gesellschaft gewünscht habe. Aber jetzt nervte es mich wirklich, weil ich jeden Kram in letzter Zeit bemerkte.
Ich fühlte mich wieder in die Zeit in Mullingar im Krankenhaus versetzt. Ich war nur schwanger und nicht schwer krank. Das hatte damals dort nicht wirklich einer verstanden. Jede Minute schwirrten irgendwelche Schwestern und Hebammen um mich herum und betatschten mich. Ich war echt froh, dass ich wenigstens ein paar Minuten allein auf der Toilette verbringen konnte. Und selbst da wurde ich genervt.
„Miss, Sie können da nicht ewig bleiben. Das ist nicht gut für Sie."
Ich konnte ihre Stimme genau hören, wie damals. Die Hebamme dort war echt nicht auszuhalten. Ständig war sie bei mir und wies mich zurecht.
„Ich weiß, was gut für mich ist. Hier ist es gerade bequem. Also bleibe ich hier auch.", hatte ich geantwortet.
Doch sie nervte weiter, bis ich mich endlich aus dem Bad gequält habe. Als ich dann in meinem Bett war, war ihr das auch wieder nicht recht. Immer zu fragte sie, ob ich Schmerzen hatte und wie es mir ging. Alle anderen kamen auch immer, um mich da zurechtzuweisen und mir zu sagen, was ich zu tun hatte. Aber wer mich kennt, weiß, dass ich mir nicht so viel sagen lassen. Irgendwann habe ich dann alle aus dem Zimmer verbannt. Lediglich Niall durfte und Emily durften rein, weil sie mich unterstützten, anstatt mich zu nerven.
Und so empfand ich das gerade auch. Alle Leute, die in diesem Raum herumschwirrten, nervten mich so sehr, dass ich am liebsten den ganzen Raum zusammengeschrien hätte. Alle redeten durcheinander, liefen quer durch den Raum und hantierten mit irgendetwas herum. All die Geräusche wurden für mich einfach zu viel. Ich hörte alles nur in zehnfacher Lautstärke, zumindest fühlte es sich so an. Ich fand es komisch, nur alles zu hören und nichts sehen zu können. Ich erkannte bestimmte Stimmen mit der Zeit wieder, aber ich konnte ihnen kein Bild zuordnen. Eigentlich kannte ich hier niemanden vom Aussehen her.
Aber mit der Zeit konnte ich doch einige Charakterzüge gewisser Personen erkennen. Schwester Jana zum Beispiel nimmt sich fast jeden Tag für mich Zeit und unterhält sich mit mir. Die Gespräche sind recht kurz und es ist auch immer das gleiche, aber sie denkt an mich, obwohl sie mich nicht kennt. Und das zeigt mir, dass sie ein Mensch mit einem großen Herzen ist.
Dabei erinnert sie mich immer an Sarah, die sich den ganzen Tag um ,,ihre" Kinder in der Krippe kümmert und sich jedem Kind speziell annimmt. Ich würde sie gerne nochmal sehen, ebenso Emily.
Die Mädchenabende von uns fehlen mir wirklich. Sekt oder Wein, das kuschelige Sofa, der Kamin und die Kitschfilme, die Sarah immer ausgesucht hat. Im Endeffekt haben wir alle immer geheult und viele Taschentücher vollgeweint. Trotzdem ist es ein schöner Abend geworden. Wir haben uns vor allem über Familie und Männer unterhalten.
Die beiden diskutierten ständig, welcher Schauspieler doch am besten aussehen würde. Sie waren immer verschiedener Meinung. Aber in einem waren sie sich einig, dass waren definitiv Männer, für die sie sterben würden. Und wenn einer davon den beiden begegnen würde, würden sie Luke und Felix auf jeden Fall sitzen lassen und mit ihren Traummännern wegrennen. Zumindest sagten sie das immer, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass niemand Luke und Felix ersetzen kann. Wenn sie mich nach meiner Meinung fragten, wen ich nun besser fand, fiel meine Entscheidung immer klar aus.
„Ladies, ich will euch ja nicht enttäuschen, aber mein Favorit, wenn es um Schauspieler geht, ist ganz klar Harry Styles. Da führt nichts dran vorbei."
„Deine Schwester wäre bestimmt erfreut, zu hören, dass du ihren Freund heiß findest.", kicherte Sarah dann immer.
„Ach, das ist kein Geheimnis. Aber an Niall kommt keiner ran. Ich liebe ihn mit all seinen Macken.", meinte ich lachend.
Und das ist wirklich so. Niemand könnte ihn je ersetzen. Er hat mein Herz gestohlen. Und solange er es nicht weggibt oder es zerbricht, wird es auch immer ihm gehören.
Die Mädels durchlöcherten mich dann meistens noch mit Fragen zu unserer Hochzeit. Welche Farbe, welche Location und vor allem welches Kleid ich wollte. Ich konnte ihnen die ganzen Fragen aber noch nicht beantworten.
„Wir lassen uns da etwas mehr Zeit.", kam es immer von mir.
Ich meine, wir sind gerade mal Anfang, Mitte zwanzig und hatten zwei Kinder. Wir kümmerten uns erst einmal, um die Familie. Wenn die Zeit dann reif wäre, würden wir bestimmt irgendwann vor den Traualtar treten. Aber bis dahin... Wir hatten Zeit.
„Das wird bestimmt die Traumhochzeit des Jahres werden. Ich sehe es schon vor mir: One Direction Star Niall Horan weg vom Tisch. Endlich kann sich seine Chloe Mrs. Horan nennen.", schwärmte Emily nun auch schon.
Ich schüttelte nur lachend den Kopf. Die beiden und ihre Fantasien. Einfach zum Schmunzeln. Ich vermisste die beiden so sehr.
Mrs. Horan! Es wäre auch zu schön gewesen, wenn ich wirklich diesen Namen hätte annehmen können. Ein Traum wäre wahr geworden, wenn ich diesen Mann heiraten könnte.
Manchmal hat man doch nicht die Zeit, die man glaubt zu haben. Ich habe gedacht, dass ich noch alle Zeit der Welt hätte, aber so schnell ändert sich das. Ich werde keine Chance mehr dazu haben, meine Kinder zu sehen oder sie in meinem Arm zu halten. Ich werde wohl nie mehr Niall so nah sein können, wie ich es möchte. Mein Traum von der kleinen, perfekten Familie ist wohl leider geplatzt.
Ich hätte nie gedacht, dass das alles so kommen würde. Wie sagt man so schön, da wurde ich wohl vom Schicksal überrascht. Aber wenn das hier wirklich mein Schicksal sein soll, möchte ich es ändern. Eigentlich sollte es doch selbst in meiner Hand liegen, mein Schicksal zu bestimmen.
Jetzt gerade ging die Tür zu meinem Zimmer abermals auf und lenkte meine volle Aufmerksamkeit auf sich. Meine Gedanken vom Selbstmitleid schob ich erst einmal weg. Damit könnte ich mich später noch beschäftigen, weil sie ja nicht weglaufen. Anhand der Schritte auf dem Boden erkannte ich, dass es sich um zwei Personen handelte. Zum Glück waren es nicht so viele, sodass ich problemlos ihrer Unterhaltung lauschen konnte. Normalerweise gehörte es sich nicht, aber sie bemerkten es ja sowieso nicht und für mich war es eine gelungene Ablenkung.
„Ich hätte nicht gedacht, dass sich die Familie schon so schnell entscheidet. Armes Ding.", sagte eine weibliche Stimme, die ich zuvor noch nie gehört hatte.
Aber wer es war, fand ich nicht gerade wichtig. Denn ihre Worte ließen vor mir eine große Frage erscheinen. Für was hat sich meine Familie entschieden? Oder würde ich endlich einen Zimmergenossen bekommen, weil sich seine Familie dafür entschieden hatte, ihn hierher zu verlegen? Aber das dachte ich eher weniger. Armes Ding? Von was genau sprach sie da?
„Hast du den einen Mann gesehen? Ich dachte eigentlich, dass er sie nicht aufgeben würde.", sagte eine andere.
Sie schoben irgendwelche Geräte hin und her, das konnte ich hören. Egal, das war jetzt nicht von Bedeutung, was sie genau da machten. Ein Mann? Dass er sie nicht aufgeben würde... Sofort war mir klar, dass von Niall die Rede war. Er war hier? Warum ist er nicht bei mir? Ich würde gern seine Stimme hören. Endlich war er wieder zurück von der Tour und konnte mit mir reden. Ich will alles genau wissen. Wo sie waren? Wie es war? Ob er mich vermisst hatte?
„Irgendwann gibt jeder auf. Und für sie ist jegliche Hoffnung umsonst. Sogar unsere Fachärzte haben gesagt, dass sie für sie nichts mehr tun können.", meinte die vom Anfang.
Irgendwann gibt jeder auf. Niall hatte mich aufgegeben? Nie würde er die Hoffnung in mich verlieren. Das kann nicht sein. Sie muss sich irren. Niall ist so ein Mensch, der immer an die Personen glaubt, die er liebt. Auch wenn er wollte, er könnte mich niemals vergessen und aufgeben. Das glaube ich einfach nicht. Wenn niemand mehr an mich glaubt, sogar die Ärzte nicht, was soll dann aus mir werden?
„Sie wollen morgen die Geräte abstellen. Die Familie kommt heute, um Abschied zu nehmen."
Ich bin dann wohl endgültig verloren, oder? Aber ich bin doch hier, ich bin doch da. Ich weiß nur nicht, wie ich mich bemerkbar machen soll. Ich kann einfach nichts machen. Ich habe keine Kontrolle darüber. Aber sie können doch jetzt nicht wirklich... Ich soll sterben? Das kommt mir vor wie ein schlechter Film, in dem mich jemand umbringen möchte. Ich... wow, ich weiß nicht, was ich jetzt davon halten soll. Ich... Mich geben wirklich alle auf. Sogar meine Familie. Jetzt weiß ich also endgültig, dass ich nicht mehr leben und lieben werde. Meine Träume sind wirklich zerplatzt wie eine Seifenblase. Ich kann es nun klar und deutlich vor mir sehen. Warum hatte ich nur nicht das gemacht, was ich machen wollte?
Ich wollte ihnen nicht weiter zuhören. Ich hatte genug in Erfahrung gebracht, um zu wissen, was auf mich zukommt. Doch leider konnte ich es nicht steuern, ob ich sie hören kann oder nicht. Wenn es so ist, wie so oft in letzter Zeit, dann überfällt es mich einfach so. Dafür sind diese komischen Träume weniger geworden, wofür ich sehr dankbar bin, wenn ich ehrlich sein darf. Sie waren gruselig und haben mich nur noch mehr verwirrt, weil sich alles so real anfühlte und ich meine Erinnerungen nochmals durchlebte.
Aber genau jetzt kam es mir recht, dass mich einer dieser Träumer überfiel. Ich konnte wie immer einen kleinen weißen Punkt ausmachen, der immer näher kam und mich blendete. Das Licht kündigte mir immer an, dass es sich um eine Erinnerung handelte, welche ich eigentlich nicht noch einmal durchleben möchte, weil sie mich stets an die schönen Momente mit Niall erinnerte. Dann wurde mir aber wieder bewusst, dass diese nie wieder da sein werden. Bestätigung genug war das Gespräch der beiden Schwestern gewesen. Mir war es aber lieber in einer dieser Erinnerungen zu stecken, als das Gespräch weiterzuhören.
Und dann überkam mich wieder das Gefühl der Schwerelosigkeit. Ich schwebte wie ein Geist dem Licht entgegen. So grell wie die Strahlen waren, hielt ich mir meine Hände vor die Augen, um diese etwas zu schützen. Dann wurde ich wie immer mitten in die Erinnerung und auch in das Geschehen hineingerissen. Mir wurde dadurch immer etwas übel und mein Kopf drehte sich. Doch auch das war in dem Moment verschwunden, als ich in der Wirklichkeit der Erinnerung ankam.
Ich stand gerade vor dem Spiegel und betrachtete mein Outfit. Das weiße Kleid ging mir bis zum Knie und war etwas weiter ausgestellt. Unterhalb der Taille hatte es ein paar Einschnitte, sodass ich an diesen Stellen ein bisschen Haut zeigte. Da es Sommer war, brauchte ich auch keine kleine Jacke, weil es sonst definitiv zu kalt geworden wäre, da das Kleid keine Ärmel besitzt. Meine Haare fielen leicht in Locken über meine Schultern. Ein Paar Ohrringe, eine Clutch und offene, hohe Schuhe brachten durch die Glitzersteine etwas Glamour in den Look. Bei meinem Make-Up, was normalerweise dezent ausfiel, betonte ich diesmal die Augen etwas mehr. Ja, ich war ganz zufrieden, wenn ich es so ausdrückte.
Ein kurzer Blick auf die Uhr bestätigte mir, dass es nun aber wirklich an der Zeit war, weil wir sonst zu spät zum Musical kommen würden. Ich hatte es endlich geschafft, Niall zu überreden, mit mir in die Oper zu einem Musical zu gehen. Da Nialls Mum drum gebeten hatte, ihre Enkelkinder mit auf ihren Sommerurlaub zu nehmen, ergriff ich meine Chance. Niall hatte sich sonst immer damit rausgeredet, dass niemand auf die Kinder aufpassen könnte, wenn wir in die Oper gingen, und er lieber persönlich bei ihnen sein möchte.
Tja, das ging wohl jetzt nicht, denn er konnte seiner Mum den Wunsch nicht ausschlagen. So holte Maura gestern die beiden ab und fuhr mit ihnen auf die kleine Farm zu ihrer Freundin. Ich glaube, dass Aine und Jordan dort auf jeden Fall eine Menge Spaß haben werden. Und ich konnte Niall überreden, mich in die Oper zu begleiten. Also gingen wir heute in das Musical „The West Side Story". Ich wollte es schon immer mal sehen und freute mich umso mehr, als ich gelesen hatte, dass sie es hier aufführen.
„Chloe, kommst du endlich? Du willst doch nicht zu spät kommen, oder?", rief Niall von unten.
Ja, ja, ja. Allein schon nur, wie er darauf pocht, dass ich nicht zu spät kommen will. Dafür werde ich mir bestimmt noch etwas einfallen lassen. Nur weil er nicht unbedingt dahin möchte, muss er jetzt nicht so anfangen. Das kann er getrost sein lassen.
Ich ging zu ihm nach unten, wo er bereits in einem schlichten aber schicken Anzug auf mich wartete.
„Beim nächsten Mal kann ich ja auch nackt gehen. Dann bin ich definitiv schneller fertig.", antwortete ich nur.
Lächelnd ging ich auf ihn zu. Wie immer legte er den einen Arm an meine Taille und zusammen verließen wir das Haus und gingen zu dem Taxi, was bereits vor unserer Haustür wartete.
„Also ich hätte nichts dagegen. Allerdings würden wir dann eher zu Hause bleiben, wenn ich meine Beherrschung verliere.", hauchte er schelmisch in mein Ohr.
„Das würde dir wohl passen, hmm?"
Spöttisch zog ich die Augenbrauen nach oben.
„Du kennst mich doch.", gab er grinsend zurück und drückte mir einen Kuss auf den Mund.
Der Mann macht mich echt wahnsinnig. Es gibt Momente, wo ich ihn wirklich kopfüber in den Sand stecken möchte. Und dann sind da noch die anderen Momente, wo ich ihn nur abknutschten könnte. Meistens schaffte er es aber irgendwie, dass ich ihn danach nur noch abknutschen könnte. Ich kann ihm einfach nichts wirklich übel nehmen, also das meiste jedenfalls.
Wir standen gerade vor der Oper. Ich fragte mich, warum er so einen Stress gemacht hatte. Wir waren sogar zu früh da und mussten jetzt davor warten. Niall war leicht genervt von den vielen Leuten, was ich irgendwie verstehen konnte. Es standen schon ziemlich viele vor der Oper und warteten auf den Einlass. Eigentlich müssten die Türen schon längst geöffnet sein. Jeder beschwerte sich darüber. Ich sah es etwas entspannter, schließlich konnte nicht jeder perfekt sein. Vielleicht gab es ja irgendwelche Komplikationen oder so, wer weiß.
„Baby, wenn das noch länger so geht, gehe ich wieder.", meinte Niall wenig begeistert.
Seine Laune ist jetzt wohl noch schlechter als vorher, weil er schon keine wirkliche Lust hatte, mit mir hier hin zu gehen. Nur für mich ist er mitgekommen und guckt sich das Musical an. Ich hätte gedacht, dass es ganz schön wäre, etwas Kulturelles zu unternehmen. Und da in einem Musical gesungen wird und es recht modern ist, dachte ich mir, dass es mehr Nialls Ding wäre, als wenn wir in ein Ballett oder eine Oper gingen.
Eine Frau in einem eleganten Kleid öffnete die eine Tür der Oper und trat zu den Besuchern hinaus. Sie wirkte nicht gerade fröhlich, was auf ihre Ankündigung zurückzuführen ist, die folgte.
„Bei der letzten Probe hat sich die Besetzung für die Hauptrolle der Maria verletzt. Es tut uns leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass wir die heutige Aufführung streichen müssen. Sie bekommen die Karten natürlich ersetzt. Danke für Ihr Verständnis."
Mit ziemlich enttäuschten Blicken gingen die meistens wieder. Es gab aber auch einige, die sich lautstark darüber beschwerten.
Ich fand es vollkommen normal, dass etwas mal schief laufen kann. Ich habe hohen Respekt vor den Künstler auf der Bühne. Sie sind auch nur Menschen, die sich mal verletzen können. Insofern finde ich es nicht weiter schlimm.
„Mein Eindruck, mit dir in die Oper zu gehen, hat sich dadurch natürlich nur verbessert.", kam es ironisch von Niall.
Seine schlechte Laune ging mir echt auf die Nerven. Ich dachte, es würde ein schöner Abend werden. Stattdessen macht er es gerade nicht besser sondern schlechter. Jetzt bin ich nämlich auch mies drauf.
„Warum zu Hölle mache ich mir die Mühe, mit dir irgendwo hinzugehen, wenn du sowieso nie zufrieden bist? Ich habe dich einmal darum gebeten, dass du mit mir in ein Musical gehst und du machst gleich ein großes Theater draus. Es kotzt mich langsam an."
Angepisst mit verschränkten Armen stand ich vor ihm und würdigte ihn jetzt keines Blickes mehr. Wenn er das wieder gut machen will, braucht es mehr als nur ein kleines Küsschen. Ich bin gerade echt sauer auf ihn, was ja eher selten vorkommt.
„Warum heiraten wir jetzt nicht einfach?", fragte er gerade heraus.
„Was?"
Verwirrt und etwas überrumpelt drehte ich mich zu ihm um.
„Na ja, ich meine, perfekt gekleidet sind wir doch schon und das nächste Standesamt ist auch nicht weit.", meinte er und umarmte mich einfach so, „Außerdem kann ich es nicht mehr abwarten, dass du meine Frau wirst. Offiziell wären wir dann verheiratet. Also natürlich würden wir dann irgendwann die kirchliche Trauung und die Feier nachholen. Ich möchte nur endlich, dass du meine Mrs. Horan wirst."
Vielleicht wäre es doch besser gewesen, das Gespräch der Krankenschwestern anzuhören, als nochmals diese Erinnerung durchzumachen.
Sie war nun nicht gerade so besonders wie andere, hatte aber trotzdem einen hohen Stellenwert für mich. Ich hätte wahrscheinlich zu jeder anderen Zeit schmunzeln müssen, dass Niall mich schon damals einfach so heiraten wollte, ohne dass irgendjemand davon wusste, nur damit ich endlich seine Mrs. Horan werde.
Doch jetzt zog es mich runter. Ich dachte, wir hätten noch die Zeit, weil wir so jung sind. Ich hatte mich damals entschieden, nicht einfach so zum Standesamt zu gehen und ihn zu heiraten. Klar wäre es schön gewesen, sich von da an seine Frau zu nennen, doch irgendwie fand ich, dass es noch zu früh dafür war, es kam so überraschend.
Jetzt sehe ich es ein, dass ich vielleicht einen Fehler gemacht hatte. Warum hatte ich nicht sofort eingewilligt? Dann hätte ich wenigstens die Chance dazu gehabt, ihn zu heiraten.
Die meisten finden vielleicht, dass heiraten etwas ist, was dich zurückhält, sodass du keine wirkliche Freiheit mehr hast. Aber eigentlich zeigt es nur, wie sehr du diesen einen Menschen liebst und wirklich alles mit ihm teilen möchtest. Du machst das, um Vertrauen und Liebe zu stärken, denn nur zusammen macht es irgendwie Sinn, zu leben. Zumindest sehe ich das Ganze so.
Hätte ich gewusst, dass ich diesen Unfall haben würde und nie mehr zu diesem Erlebnis kommen würde, hätte ich ihn auf der Stelle an dem Abend geheiratet. Zu schön wäre es gewesen. Doch nun kann ich meine Entscheidung nicht mehr ändern, was ich zutiefst bereue. Ich hatte immer gedacht, dass ich noch Zeit hatte, Zeit hatte, um mich zu entwickeln, um die Welt zu entdecken, um alles mit Niall zu teilen. Die habe ich nicht mehr.
Nach einer gewissen Zeit öffnete sich wieder die Tür und drei Personen betraten das Zimmer. Ich hatte anfangs keine Ahnung, wer es sein könnte, weil niemand etwas sagte. Ich merkte nur, dass sich zwei auf die Stühle setzten. Die andere Person stand vermutlich an die Wand gelehnt, ich weiß es nicht genau.
Irgendwann fingen die beiden auf den Stühlen an zu weinen und zu schluchzen. Ab diesem Moment wusste ich genau, dass es meine Eltern waren. Ich schätzte es sehr, dass sie hier waren und sich verabschiedeten, vielleicht auf ihre eigene Weise. Ich kannte sie zu gut und wusste, dass sie nicht viel sagen würden. Das hatten sie nie, wenn sie irgendwie traurig waren. Daher überraschte es mich doch, dass Grace und ich immer offen über unsere Gefühle sprachen, während unsere Eltern sie meistens nicht so richtig zum Ausdruck brachten und lieber da saßen und weinten.
Jeder verarbeitete die Sache halt für sich. Andere laufen vor allem weg, andere stellen sich und weinen, andere stehen nur da und fühlen einfach nichts wirklich.
„Kann... kann ich kurz mit ihr allein sein?", fragte jemand, nicht irgendjemand.
Er war wirklich hier. Mein Herz hätte kurz einen Sprung gemacht und ich würde vermutlich über das ganze Gesicht strahlen, wenn ich den Grund für sein Kommen nicht wüsste. Ich wusste, dass er nochmal kommen würde. Ich hätte nur nicht gedacht, dass ich es merken würde. Aber mit der Zeit spüre ich eigentlich seine Anwesenheit. Heute war das anders. Heute war einfach alles anders.
Meine Eltern schienen, damit einverstanden zu sein, und verließen das Zimmer leise. Er setzte sich auf den Stuhl. Ich konnte förmlich seine Nähe spüren, auch wenn er mich nicht berührte. Er schien kurz in Gedanken zu schwelgen, wie immer am Anfang, als wenn er überlegen musste, was genau er sagen möchte.
Dann spürte ich diesen kleinen Blitz, der mich durchfuhr und von meiner Hand ausging. Seine Berührungen hatten schon immer eine besondere Wirkung auf mich, was auch die Sache, dass ich im Koma liege, nicht ändern wird.
Und wieder kribbelte es auf meiner Haut im Gesicht. Es war genau die Stelle, die er immer berührte, wenn er meine Haare hinter mein Ohr gestrichen hatte. Diese Momente waren immer irgendwie magisch gewesen und hatten eine Spannung erzeugt, der ich nicht lange standhalten konnte. Wenn er mich dann immer noch so ansah mit den großen, klaren, blauen Augen und mit diesem Lächeln, das er nur allein mir schenkte, bin ich nur so dahingeschmolzen und werde es wohl immer tun. Am liebsten hätte ich ihn jetzt geküsst und ihn nah bei mir gespürt.
„Ich kann dir deinen Traum von einer Weltreise, wenn wir alt und grau sind, wohl nie mehr erfüllen. Ich möchte nur, dass du weißt, dass du immer in meinem Herzen bist. Kein anderer wird es schaffen, dich zu ersetzen. Du bist etwas Besonderes für mich, obwohl du doch immer meintest , du wärst normal. Aber Normal-Sein wird nun mal überschätzt.", sagte er plötzlich.
Augenblicklich hätte er mir damit Tränen in die Augen gebracht. Seine Worte berühren mich so sehr, dass ich vermutlich nicht mehr atmen kann. Ja, ich wäre nur zu gern mit ihm alt geworden und hätte die Welt erkundet. Zusammen würde das vermutlich viel mehr Spaß machen als allein. Innerlich schmunzelte ich jedoch etwas, weil er immer zu sagen pflegte, dass Normal-Sein überschätzt wird und ich etwas Besonderes für ihn bin. Es ist immer wieder schön zu hören, dass ich in seinem Herzen bin, aber im Moment macht es mich eher traurig. Ich weiß nicht, was ich genau fühlen soll. Ich bin irgendwie glücklich und traurig zugleich.
Das warme Gefühl der Berührung an meiner Hand verschwand und ich dachte, dass er nun gehen würde, doch dann sagte er etwas, was typisch für ihn war.
„Du weißt selbst, dass ich mit meiner Musik mehr ausdrücken kann, als es mir mit Worten lieb ist. In letzter Zeit ist es mir nicht leicht gefallen, meine Gefühle in Worte zu fassen. Ich weiß nicht, wie du es immer geschafft hast, mich mit deinen Worten so sehr zu berühren..."
Er fand immer, dass er das nicht gut konnte und doch schaffte er es, mir immer die niedlichsten und süßesten Liebesgeständnisse zu machen, dass ich dagegen wie ein Anfänger aussah.
„Ich kann dir nur sagen, dass ich die beste Zeit meines Lebens mit dir hatte. Ich werde sie nie vergessen und für immer in meinem Herzen behalten. Du gabst mir alles... einfach alles, was ich mir vorstellen konnte. Ich... ich kann gar nicht in Worte fassen, wie sehr ich dir dafür danke und wie sehr ich dich liebe, Misses Horan. Aber ich hoffe, dass dieser Song es perfekt beschreibt. Ich habe ihn nur für dich geschrieben. Und du bist die Erste und die Letzte, die ihn hören wird, weil er ganz allein dir gehören soll, so wie ich dir gehört habe."
Er hat für mich ein Lied geschrieben? Nur für mich? Ich... ich bin gerührt. Ich weiß nicht, wie sehr ich ihm dafür danken soll und kann. Schade ist nur, dass niemand diesen Song jemals hören wird, egal wie gut er ist. Ich fühle mich geehrt, dass ich ihn als Erste höre, aber er sollte ihn nicht nur mir vorspielen, dafür hatte er sich bestimmt zu viel Mühe gegeben, um ihn nur einmal zu spielen.
Aufmerksam lauschte ich der Melodie, die er auf der Gitarre zu spielen begann.
Ich habe es schon immer geliebt, wenn er mir etwas darauf vorgespielt hatte. Die Melodien waren immer so schön, dass ich mich voll und ganz in eine andere Welt hineinversetzt fühlte. Er brachte mich immer in Traumwelten. Aber dieser Song war noch so viel mehr voller Gefühle, als die er je zuvor für mich gespielt hatte.
Wenn du dich fühlst, als hätte man dir deine Liebe weggenommen
Wenn du weißt, dass da irgendetwas fehlt
In der Dunkelheit, wir halten gerade noch so daran fest
Dann legst du deinen Kopf auf meine Brust
Und du fühlst dich, als wäre nichts mehr übrig
Deswegen habe ich Angst, dass das, was wir hatten, verloren gegangen ist.
Dann denke ich an den Anfang
Und er gibt einen Funken wieder
Und ich erinnere mich an die Magie und die Elektrizität
Dann schaue ich in mein Herz
Da ist ein Licht in der Dunkelheit
Immer noch ein Hoffnungsschimmer, den du mir zuerst gegeben hast
Und ich will ihn behalten
Bitte geh nicht
Bitte geh nicht
Wenn du da liegst und du schläfst,
Höre ich dein Atemmuster
Und ich erzähle dir Dinge, die du noch nie zuvor gehört hast,
Stelle der Decke Fragen
Weiß nie, was du denkst
Denn ich habe Angst, dass das, was wir hatten, verloren gegangen ist.
Dann denke ich an den Anfang
Und er gibt einen Funken wieder
Und ich erinnere mich an die Magie und die Elektrizität
Dann schaue ich in mein Herz
Da ist ein Licht in der Dunkelheit
Immer noch ein Hoffnungsschimmer, den du mir zuerst gegeben hast
Und ich will ihn behalten
Bitte geh nicht
Bitte geh nicht
Und ich will, dass das hier wieder weggeht,
Und ich hoffe, es wird nicht bleiben,
Nicht zu lange bleiben.
Dann denke ich an den Anfang
Und er gibt einen Funken wieder
Und ich erinnere mich an die Magie und die Elektrizität
Dann schaue ich in mein Herz
Da ist ein Licht in der Dunkelheit
Immer noch ein Hoffnungsschimmer, den du mir zuerst gegeben hast
Und ich will ihn behalten
Bitte geh nicht
Bitte geh nicht
(Niall Horan - Flicker)
Er hatte mich überhaupt nicht aufgegeben, hatte er nie. Er bewies mir so viel mit diesem Lied, dass ich weinen müsste. Doch das konnte ich gerade nicht. Ich hatte also doch Recht gehabt, dass er mich nie verlassen würde. Er hat die Hoffnung an mich und in mich nie aufgegeben. Das war so viel wert. Ich weiß nicht, was ich noch dazu sagen soll.
Es löste etwas in mir aus, etwas, das mir sagte, dass ich kämpfen sollte und mich nicht selbst aufgeben soll. Mein Dad hatte immer gesagt, wenn du dich selbst aufgibst, hast du schon alles verloren. Ich will aber für meine Familie kämpfen, für Grace, für Aine und Jordan und erst recht für Niall.
Und dann war da dieser Funke.
Happy Birthday! Nein, Scherz. Es ist nur eine kleine Neujahrsüberraschung, weil das Kapitel eigentlich erst in einer Woche kommen sollte.
Ich weiß, ihr werdet jetzt sagen, dass das Flicker ein Song von Nialls Solo-Album ist. Aber hier hat er es für sie geschrieben, weil ich finde, dass es ganz gut zur Situation von Niall passt, in der er sich gerade befindet. Also nehmt es mir nicht übel, dass ich das etwas abgeändert habe und nicht bei der Realität geblieben bin.
Ja zum Kapitel. Ich bin etwas überrascht, wie sich das Buch bis jetzt entwickelt hat.
Was denkt ihr so über das Kapitel?
Sind die Gedanken von Chloe nachvollziehbar? Was denkt ihr über die Vorwürfe, die sie sich selbst macht? Denkt ihr Chloe schafft es, zu kämpfen?
Schöne Woche. Ich hoffe, ihr seid gut ins neue Jahr gerutscht.
Chloe :)
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