Kapitel 78: Schon aufgeregt?
Ich lächle Nicky zu und drehe mich wieder auf die Seite. Ewig zusammen bleiben, pff. Natürlich klingt es schön, aber wer bleibt schon ewig zusammen? Nach fünf Jahren ist die Luft raus. Dementsprechend glaube ich nicht daran, aber dagegen hätte ich natürlich nichts, im Gegenteil: ich würde es mir sogar wünschen, bloß ist die Sache recht unwahrscheinlich.
Ich höre kaum etwas von Hiro, da seine Familie mich nicht zu ihm lässt, aber sie sagen, es ginge ihn gut ... Ob das so sehr glaubhaft ist, ist die andere Sache, aber ich möchte es glauben ... deswegen rede ich mir ein, dass es die Wahrheit wäre.
Nick und ich haben nach kurzer Zeit Antwort auf meine Bewerbung bekommen - Probetag. Er freut sich und klopft mir auf die Schulter. "Dann sind wir ja offiziell Kollegen!"
Natürlich freue auch ich mich, doch unter der Woche in die Schule zu gehen und meine eigentlich freien Wochenenden zur Arbeit? Das ist eine Sache für sich ... Dennoch werde ich das nun durchziehen, denn es gibt keine Faulenzerei mehr und keine Rückzieher bei Dingen, die ich selbst nicht leiden kann, die aber einfach sein müssen.
So kommt es, dass ich mit Nicky vor dem Lokal stehe, in dem ich Hiro auf die Vergewaltigung angesprochen habe. Ich seufze und erinnere mich daran zurück, wie ich dachte, dass ich hier nie wieder herkommen würde. So kann man sich irren.
"Und? Schon aufgeregt?", fragt mich Nick grinsend und strahlt wie üblich sein Glück aus.
"Genauso aufgeregt wie im Stripclub", sage ich mehr oder weniger ironisch, aber lächelnd. Das war keine Erfahrung, die ich noch einmal machen müsste. Vor allem nicht mit Nick, das zerstört sonst das Bild von ihm in meinen Kopf - auch, wenn er nur zur meiner Ablenkung so in die Extreme gegangen ist.
Der blonde, junge Mann klopft mir noch einmal meine gute Kleidung zurecht, bevor wir eintreten. "Sollst ja einen guten Eindruck machen", grinst Nick mir zu und führt mich in einen hinteren Eingang. Einige Jacken hängen hier hinter einem Vorhang, den die Kunden nicht mehr sehen können. "Da wären wir." Ich bin erstaunlicherweise gar nicht einmal so aufgeregt wie erwartet und lasse mir von Nick den Weg in eine Art Umkleide zeigen.
Ein Mann sitzt dort und sieht zu uns auf. "Bist du Luke?", fragt er, da nicke ich und spüre, wie mir plötzlich doch ganz heiß wird und der Gedanke einen guten Eindruck machen zu müssen bürgert sich immer weiter ein. Der erste Eindruck ist der wichtigste Eindruck - so ist es doch, oder?
"Gut, ich habe dir deine Schürze herausgelegt", dabei nimmt er das weiße Ding und hält es mir vor das Gesicht, "Nick soll dir alles zeigen. Praktischerweise kennt ihr euch ja bereits. Danach sollst du eigenständig arbeiten." Wieder kann ich nur nicken und binde mir das Ding um. Damit fühle ich mich mehr wie der Koch, als wie der Kellner ...
"Ich denke, es ist klar, was du machen musst", meint Nick außerhalb der Kabine und zeigt mir Ecken des Restaurantes, die man sonst nicht sieht. Sie sinf allerdings auch nicht besonders sehenswert - deswegen würde niemand etwas verpassen, wenn er sie nicht kennt. "Du stapelst die Teller so..." Er legt sich drei große Teller auf einmal auf den Arm - zwei in die Beuge und einen auf die Hand. "Wenn du besser bist, kannst du auch fünf nehmen, aber wir wollen ja nicht, dass du etwas kaputt machst. Das müsstest du im schlimmsten Fall ersetzen - anders gesagt, es wird dir vom Lohn abgezogen." Mit leicht geneigten Kopf betrachtet Nick mich, während ich versuche, die Teller so zu stapeln wie er. Ich bekomme zwar drei der großen Teller auf meinen Arm, jedoch sieht es nicht so gerade aus wie bei ihm.
"Ach, das lernst du noch", tröstet Nick mich lächelnd darüber hinweg und dann geht es auch schon los.
Alles was ich tun muss, ist Speisekarten ausgeben und einsammeln, Essen und Getränke aufschreiben, diese dem Koch mitteilen und anschließend austeilen und zu guter letzt die leeren Teller wieder aufzunehmen - das Geld entgegen nehmen ... Was ein Kellner tun muss, ist also kein Geheimnis.
Was sich jedoch so leicht anhört stellt sich als wahrer Knochenjob heraus. Ich lächle die Kunden anfänglich nett an, schreibe alled auf, bringe Essen, nehme die Bezahlung entgegen, ... doch umso voller das Lokal, umso stressiger wird es. Obwohl wir insgesamt drei Kellner sind, bin ich puren Stress ausgesetzt, der mein nettes Lächeln immer weiter verunsichert aussehen lässt.
Dennoch - ich denke nicht an Aufgeben.
Als es immer später wird, werden die Kunden keineswegs weniger. Auch jemand, den ich schon lange nicht mehr gesehen habe, isst hier. Ich verdrehe die Augen und muss ihn bedienen. Würde ich jetzt einen Rückzieger machen und Nick vorschicken, so hätte ich mich kein Stück gebessert.
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