Kapitel 71: Probleme im Kopf
Ich habe mir über Nacht ganz bestimmte Ziele gesetzt. Ich will mehr richtig machen und ich will zu mir selbst stehen - was ich mein ganzes Leben bisher noch nie getan habe.
Mit Nick habe ich hoffentlich gute Ansätze getroffen. Meine Pläne?
Ich will mich bei Hiro entschuldigen - für die gescheiterte Beziehung und das Fremdgehen mit Nick. Wenn ich das schaffe, dann kann ich endlich von mir behaupten, dass ich auch noch andere Dinge erledigen kann ... Zum Beispiel mich Drake gegenüber zu stellen und zu sagen: "Nein."
Ich muss leider zugeben, dass ich ziemlich dumm bin ... Klingt hart, ist aber so. Naiv würde ich es lieber nennen, das klingt nicht all zu gemein. Aber so an sich? Bin ich dämlich und ein sehr schlechter Freund. Ich weiß auch nicht, was jemand wie Nick von jemanden wie mir will ... Aber eines steht fest: Ich will mich ändern.
Ich will ein neues Ich!
"Bin dann mal weg." Ich gebe Nick einen sanften Kuss auf die Wange und werfe mir die Tasche über. "Sicher, dass ich dich nicht fahren soll?"
Ich nicke grinsend. Selbstständigkeit ... Loyalität, Ehrlichkeit. Ich will mein eigener bester Freund werden. So kann ich auch mein Selbstwertgefühl steigern ... Ich hoffe, dass ich diese Pläne auch wirklich in die Realität umsetzen kann. Die letzten Monate mit Hiro haben mir viel gezeigt. Zum ersten, dass ich ziemlich naiv bin ... Zum zweiten habe ich selbst bemerken müssen, wie selbstsüchtig ich bin, indem ich Drake und Hiro einfach zusehe, meine Beziehung verleugnet habe ...
Alles muss sich jetzt ändern. Wenn ich zurückdenke, dann schäme ich mich für mich selbst und finde meine eigenen Entscheidungen viel zu oft dämlich. Ich hoffe, dass wenigstens diese hier nicht wieder so eine ist.
Um diese Dinge drehen sich meine Gedanken, während ich aus dem Busfenster sehe. Hoffentlich ist Hiros Wand wieder sauber, das wäre echt sau ekelhaft sonst. Langsam denke ich, dass eine Therapie auch gegen seinen Willen wirklich nötig ist ... in einer geschlossenen Anstalt.
Es tut mir wirklich Leid, aber nach den letzten Tagen wäre das wirklich nötig. Ich kann ihm nicht helfen.
Ich komme ja nicht mal mit mir selbst klar.
Was seine Vergangenheit betrifft werde ich seine Mutter fragen, bevor ich gemeine Unterstellungen raus haue. Aber auch darum habe ich mir Gedanken gemacht - kann man denn so vom Pech verfolgt sein?
Ich habe schon oft von seriösen Leuten gehört, dass so etwas sehr wohl vorkommen kann ... Aber Hiro haut leider auch seinen Kopf gegen den Schrank, damit man ihm Glauben schenkt. Traurig, aber wahr.
Zuerst habe ich ihm ohne jeden Zweifel geglaubt ... aber jetzt will ich es einfach nur überprüfen.
Ich muss heute nicht mal klingeln! Wayde macht Gartenarbeiten mit seiner kleinen Schwester und sieht mich nicht - also spaziere ich einfach mal herein, da er einen Stein zwischen die Tür gelegt hat. Ich gehe Wayde gerne aus dem Weg - er ist so dominant und gruselig und er würde mich ja sowieso rein lassen. "Hallo?", frage ich leise, irgendwie aus Angst, dass ich wirklich Antwort bekomme, wenn ich es laut rufe.
Irgendwie ist hier nur abends jemand da - ansonsten ist Hiro mit der Kleinen und Wayde ganz alleine.
Ich stapfe die Treppe nach oben, klopfe und spaziere ohne eine Antwort abzuwarten hinein. Ein leeres Zimmer.
Hiros Raum sieht innerhalb der paar Tage so verkommen aus ... An der Wand ist noch immer das Blut und nicht nur dort - auch der Boden ist vollgetropft. Alles ist bereits geronnen. Extrem widerlich ...
Hiros Tisch ist umgeschmissen, zum Teil blutverschmierte Zettel liegen wild herum. Bilder, unter anderen mein Porträt, liegen kaputt und gesplittert auf dem Boden. Hiros Gitarre ist umgeworfen, sein Bett verwildert, beim Nachttisch fehlt eine Schublade, welche auf dem Boden verteilt ist ... Was zum Teufel war hier los!?
Bei dem Anblick bekommt man wirklich Magenschmerzen. Und Hiros Familie? Was macht sie bitte? Muss man es nicht bemerken, wenn so etwas passiert? Ignorieren sie es, weil sie selbst Angst vor Hiro haben? Hier ist er jedenfalls nicht ... Schnell schließe ich wieder die Tür zu dem verwüteten Zimmer und atme tief ein und aus. Wen habe ich mit Hiro getroffen? Einen Psychopathen, der mein Leben prägt, aber der größere Probleme hat, wie ich sie mir vorstellen kann.
Probleme im Kopf.
Mit schmerzenden Magen schlendere ich die Treppe herunter, sehe im Wohnzimmer und Küche nach. Niemand da. Alles still. Dieses ganzes Haus ist gruselig, wie aus einem Horrorfilm entsprungen. Die Leute lächeln und sind nett, alles ist ordentlich ... und haben dann ein Zimmer, in dem es aussieht, als hätte der zweite Weltkrieg stattgefunden.
Ich flüchte wieder nach draußen und kann Wayde leider nicht aus den Weg gehen. "Wo ist Hiro?"? frage ich gerade heraus und sehe, wie er sich erschreckt. "Was? Wo kommst du her!?"
"Wo ist Hiro?"
Er legt die Schaufel für das Blumenbeet beiseite und klopft sich die Knie ab. "Hiro und du haben nichts mehr miteinander zu tun - geh jetzt."
"Nein..."
"Geh jetzt."
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