Kapitel 63: Fass Luke nicht an!
Ein unangenehmer Schauer läuft über meinen Rücken. Was denkt Hiro sich dabei? Was will er mir damit sagen oder zeigen? Ich will in Hiros Kopf schauen, doch es funktioniert einfach nie. Der Schlag gibt mir neue Kraft und ich kann meine letzten Reserven weiter ausnutzen, um näher zu den beiden zu stoßen. "Was soll das?", frage ich schreiend und mit dem Gefühl voller Panik.
Drake hält sich die blutende Wange. Sogar in seinen Augen sehe ich Tränen. Er nimmt die Hand nicht von der Wange, nein, er presst sie auf sein Gesicht und ist wohl jetzt schon außer Gefecht gesetzt oder braucht noch Zeit, um zum Gegenschlag auszuholen. Hiro grinst mich breit an und hat etwas in der Faust. Ich muss nicht fragen, ich sehe es auch so. "E-ein Schlüssel?"
Als hätte er gar nichts böses getan, lächelt er unschuldig wie ein Kind und neigt dabei den Kopf. "Ich habe mich nur gewehrt!", beginnt er dann. "Das wolltest du doch?" - "Ja, aber du solltest ihn nicht extra noch einmal provozieren und ihn schwer verletzen!" Schlüssel sind spitz und wenn man richtig damit zuschlägt können sie richtige Verletzungen zufügen.
"Was? Wieso sagst du ihm sowas?", wirft Drake ein und das Lachen scheint ihm echt vergangen zu sein. Doch in seinen Augen steht noch der pure Hass gegen Hiro, sodass ich weiß: er wird sich so leicht nicht geschlagen geben.
"Weil H-...", will ich anfangen, doch Hiros Lippen legen sich vor Drakes Augen auf meine und verbieten mit das Sprechen. Hiros Zunge fährt in meinen Mund und dringt immer tiefer ein. Ich erwidere nicht, sondern tue einfach gar nichts. Geschockt starre ich auf Hiros geschlossene Augen und den Speichelfaden, der uns beide verbindet, als er sich löst. "Ich liebe dich", flüstert er mir schnell zu, bevor er Drake angrinst. Hiro streicht mir über die Schulter nach unten und dreht sich dann zu Drake. "Wir sind schon länger ein Paar!", meint er dann, obwohl er es doch verstecken wollte! Oder doch nicht mehr!? "Luke liebt mich..."; zischt er schon fast, dabei weiß ich genau, dass er daran doch gar nicht mehr glaubt. Vielleicht ... will Hiro auch einfach Drake damit in das Gesicht schlagen?
"Was!?", schreit dieser empört. Das Blut läuft seinen Hals hinab und wird von dem Shirt aufgesaugt. Drake sieht zu mir. Er will Antworten ... Ich sehe beschämt zu Boden und nicke zögerlich. "Ihr Wichser!", brüllt er über den Platz hinaus und nimmt wütend die Hand von der Wange, um Hiro wohl erneut anzugreifen. Zum Vorschein kommt ein ekelhaftes Loch in seiner Wange, verursacht durch den Schlag mit dem Schlüssel. Mir kommen die Tränen und ich reiße Drake an der Schulter herum, als er wieder zu Hiro will, der dieses mal nicht einen Schritt zurück weicht. "Es tut mir doch Leid!", rufe ich unter Tränen. "Ja, heul doch! Wie lange ist'n das schon so? Ihr seid alles Schwuchteln, mann! Alles scheiß Schwuchteln!" Ich halte mir die Hände vor den Mund und spüre, wie eine Träne nach der anderen über mein Gesicht läuft. Drake schlägt meine Hand weg und ein bohrender Schmerz durchzieht mein Handgelenk. Hinter ihm kann ich Hiros hasserfüllten Blick sehen. "Fass Luke nicht an!", knurrt er in dem selben aggressiven Ton, wie damals bei Nick, doch zuschlagen tut er nicht. "Fick dich doch!", schreit Drake ihn an und zeigt ihm den Mittelfinger. "Und du auch!" Das gilt mir ... "Alter, ich hasse euch beide so!" Wieder überkommt mich dieser Schauer und ich weine noch mehr, bin ja jetzt sowieso schon total am Weinen ... Als Drake Hiro beim Vorbeigehen auch noch schubst, tritt Hiro ihm ohne jegliche Vorwarnung in die Kniekehle, schubst ihn auf den Boden und tritt einmal kräftig auf seinen Kopf. Ich höre ein dumpfes Geräusch und kneife die Augen zusammen. Plötzlich wird mir total übel und alles schwarz um mich herum.
Panisch reiße ich die Augen wieder auf und finde mich in meinem Bett wieder. Ich setze mich auf und sehe in das Gesicht, dass über mich gewacht hat. "Wo ist Drake!?"
"Im Krankenhaus"; Hiro lächelt unschuldig.
"Wie konntest du n-..." - "Jetzt ist es offiziell, ist das nicht schön?"
Wieder laufen mir die Tränen über die Wangen. "Nein", weine ich und ziehe die Knie an, um mein Gesicht dort zu verstecken. "Was?", Hiros Ton ist schon fast drohend. Er macht mir Angst und ist fast wie ein Befehl, meine Aussage zu ändern. "J-ja, ist es", flüstere ich gehorsam, um mir noch mehr Stress zu vermeiden. Hiros Hand streicht über meine Schulter. "Nicht weinen, ist doch alles gut." Mittlerweile ist mir klar, dass ich nicht mehr mit Hiro zusammen sein will ... Er tut mir nicht gut und das was in seinem Kopf abläuft ist einfach nur krank! Mir kommt es gerade vor, als ob er sich jetzt eine eigene Welt aufbauen will. Er setzt sich zu mir auf das Bett und gibt mir einen sanften Kuss auf die Stirn. "Magst du vielleicht ein bisschen Kuchen?"
Was für eine dämliche Frage ... Ich schüttle den Kopf und luge über meine Knie, wo Hiro einen kleinen Teller vom Glastisch abgreift. "Willst du nicht wenigstens mal probieren?" Der Halbasiate legt den Teller auf seinen Schoß und schenkt mir einen mitleidigen Blick. "Was soll ich nur mit dir machen?", fragt er dann eher sich selbst, als mich. Trotzdem zucke ich die Schultern. Hiros Blick wandert zu dem Erdbeerkuchen. Er spielt eine Weile schweigend mit dem Löffel, bis Tränen auf den Kuchen tropfen. Mein Blick wandert Hiros Oberkörper hoch und bleibt an seinem Gesicht stehen. Er stellt den Teller wieder auf den Tisch und steht auf, während er die Augen nicht vom Kuchen lässt. "Wie ... wie soll so alles gut werden, Luki?" Lächelnd sieht er weinend zu mir. Den Kopf wieder geneigt, fügt er seinen Worten hinzu: "Ich will doch nur geliebt werden ... Aber ich bin wohl nicht liebenswert ..." Ich schweige bloß, habe einfach zu große Angst vor Hiro, jetzt im Moment. Er wischt sich über die Augen und greift nach der Türklinke. "Ist schon okay ... Ich weiß ja, dass mich niemand mag, Luki ... Das wird sich wohl nie ändern, was? ... Na ja ..." Wieder erwidere ich nichts. "A-also ... wars das jetzt?"
"Was meinst du?", frage ich kleinlaut und kauere mich noch fester zusammen.
Hiro nickt komisch mit dem Kopf und zieht die Tür auf. Er öffnet den Mund, als ob er irgendetwas sagen wollen würde, doch es kommt kein weiterer Ton aus seinem Mund. Ohne sich zu verabschieden verschwindet er aus der Tür und lehnt seine Stirn gegen diese, während er sie schließt, um mich so lange wie möglich ansehen zu können. Ich weiß, was er meinte.
Unsere Liebe.
Ich brauche einfach mal kurz Ruhe. Obwohl ich selbst schon darüber nachgedacht habe und ehrlich gesagt zu dem Entschluss gekommen bin, dass das hier das beste für uns beide wäre, fühlt es sich an, als ob etwas fehlen würde. Dabei ist es gerade mal ein paar Sekunden her, dass Hiro diesen Raum verlassen hat. Mit schmerzenden Herzen sehe ich zu dem Erdbeerkuchen. Ein rosa Zettel liegt daneben. In geschwungener Schrift steht dort:
Ich liebe dich, Luki! :3
Ich atme einmal tief ein und aus, vergrabe dann mein Gesicht im Kissen und weine einfach laut drauf los. War das mit Hiro und mir je eine echte Liebe? Ich vermisse ihn doch jetzt schon, also egal ist er mir nicht! Aber ...
Ich will nicht, dass er geht. Muss es jetzt so sein?
Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen und mein Kissen verwandelt sich in ein Meer aus Tränen. Ich habe im Grunde ungefähr das was ich wollte, trotzdem bin ich so unglücklich wie selten zuvor. Drake hasst mich jetzt bestimmt, Hiro lässt mich hier sitzen ... Ich wäre so gerne jemand anderes.
Egal, ob dieser Jemand hübsch ist, schlank ist oder intelligent.
Dieser Jemand soll einfach nur glücklich sein ...
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