Kapitel 61: Darf ich?
Ich lächle ungewollt schüchtern in Nicks Gesicht und drehe mich im Bad um, um mir alles genauer anzusehen. Zwei Bäder sind das erste, was mir in das Auge springt. Sie sind mehr oder weniger voll. Nick stellt sich neben mich und deutet auf das größere Bad. „Das ist ein Wellenbad", meint er. „Wellenbad?"
„Kennst du das nicht? Zu einer bestimmten Zeit werden Wellen durch irgendwelche Maschinen in dem Becken entfacht, wie im Meer. Nur nicht ganz so hoch, leider. Aber hoch genug, dass Nichtschwimmer lieber draußen bleiben." Er legt die Hand auf meine Schulter und ich spüre, wie sein Blick mehr auf mir als auf der stillen Wasseroberfläche ruht. Ich weiß, dass er mehr für mich fühlt und dass er mich wenigstens auf diese Art genießen will, ist okay.
Das Wellenbad spricht mich ehrlich gesagt schon ziemlich an, doch ich schaue weiter. Eine mit Fliesen belegte Treppe führt zu einer Brücke, die die Besucher quer über die Bäder gestreckt zu einer Glaswand leitet, von welcher man nach draußen gelangen kann. Dahinter sind einige Liegen und Palmen. Draußen scheint zwar warm die Sonne, doch im Herbst könnte es trotzdem zu kalt sein. Lieber bleibe ich hier drinnen, wo die Luft angenehm warm ist! Direkt hinter der Brücke entdecke ich eine noch größere Treppe mit einer Rutsche am Ende. „Wie wäre es damit?"
Nick nickt mir zu und nimmt mir mein Handtuch ab, um es in ein dafür vorgesehenes Regal zu legen. „Komm schon!"
Etwa auf halben Weg der Treppe geht mir schon die Luft aus, doch ich will nicht zeigen, dass ich so ein paar Stufen schon außer Atem bringen. Nick läuft vor mir her und fragt: „Warum bist du denn so langsam?" Das Dauerlächeln in seinem hübschen Gesicht strahlt unendliche Glückseligkeit aus, so habe ich ihn selten gesehen. „Ich bin kein Bergsteiger!", gebe ich dann doch zu und sehe etwas beschämt vom Geländer. Die Menschen unter uns werden immer kleiner. Oft habe ich den Drang, einfach herunter zu spucken. Ha! Aber sowas mache ich nicht, deswegen bleibt es ein weiterer unnützer Gedanke in der Welt meines Ichs. Plötzlich greift Nick an meine Hand und zieht mich näher an sich. Um uns herum steht niemand und er nutzt den freien Platz einfach aus, indem er mich hinter sich schiebt und mit den Armen meine Beine umschlingt. „Nick, was tust du!?" Aus Angst mein Gleichgewicht zu verlieren, kralle ich mich am Hals des Blonden fest. Ehe ich mich versehen konnte, hebt Nick mich mit einer Spur von Leichtigkeit hoch und steigt mit mir auf dem Rücken die Treppen hinauf. Ich verstecke mein rotes Gesicht in seinem Nacken. „Wenn das jemand sieht!"
„Na und?"
Erst oben lässt er mich herunter. Zwei weitere Jungs stehen vor der dunklen Röhre, die steil nach unten fährt und diskutieren gerade darüber, wer sich als erstes in das Meer der Dunkelheit stürzen soll. In der kurzen Wartezeit bemerke ich erst, als der letzte Junge auch verschwunden ist, dass ich mich an Nicks Arm festgehalten habe. Beschämt lasse ich ihn los und gehe auf Abstand. Die Stelle an meiner Brust und meinem Bauch fühlen sich etwas leer an, nachdem Nicks Arm dort keinen Druck mehr hinterlässt. „Wer zuerst?", frage ich schnell, doch er schiebt mich einfach an den Schultern über die letzte Stufe und setzt sich hinter mich auf den Abstieg. Ich halte mich ehrlich gesagt verängstigt an der Metallstange fest und versuche, in der Dunkelheit auch nur irgendetwas zu erkennen. Die Jungs von eben haben ganz schön geschrien ... Oh mann! „Was machst du denn wieder?", frage ich zeitgleich irritiert, doch da spüre ich Nicks Hände an meiner Hüfte, wie sie mich auf ihn ziehen. „Rutschen wir gemeinsam?"
„Als ob ein Nein irgendetwas ändern würde ..."; sage ich und schlucke schwer. Vor uns ist einfach das nichts. So wirklich nichts. An meinen Füßen fließt das Wasser einfach in einen dunklen Tunnel, bei welchen das Ende höchstens vermutet werden kann. „Eins ... Zwei ...", fängt Nick mit Abzählen an.
„Nein, warte!", schreie ich und presse mich enger gegen ihn. „Ich hab irgendwie Angst ..." Er lacht und rutscht von der Platte. Mit einer Hand hält er mich, die andere ist an der Metallstange, die ich schon lange los gelassen habe. Mein Herz pocht. Wieso musste ich das hier bloß aussuchen!? „Ich will nicht mehr!"
„Shht!"; macht er in mein Ohr und lehnt kurz seine Schläfe von hinten gegen mein Ohr. „Aber-..."
„Drei!"
Ich fange unwillkürlich an zu schreien, als ich plötzlich überhaupt nichts mehr sehen kann und halte mir die Hände vors Gesicht. Wasser spritzt mir in den Mund und ich muss husten. Nick, dieser Arsch! Nach nur wenigen Sekunden zieht seine Hand meine von meinem Gesicht weg. Ich will fragen, was das soll, doch dann sehe ich die Lichter in der Dunkelheit. In der dunklen Röhre spielen Lichter als bunte Kreise oder weiße Lichtstreifen miteinander und werfen ihre bunten Schatten auf unsere Körper. Einige Kurven vertreiben die Dunkelheit und plötzlich sind wir in einer riesigen Welt aus Eis und Schnee. Kurz darauf ist alles wieder schwarz und eine letzte Ladung Chlorwasser stürzt sich in mein Gesicht. Unten im Becken angekommen, liege ich immer-noch auf Nick, der die ganze Zeit schützend einen Arm um mich gelegt hat, um mich nicht zu verlieren. Nach einer kurzen Zeit, um mich zu ordnen, setze ich mich in der Wanne auf Nicks Schoß auf. Begeistert sehe ich in sein nasses Gesicht.
„Noch mal, alter!"
Allem in allem kann ich von dem Tag nur eines sagen: Mega geil.
Stunden verbringen wir damit, den anderen zu tunken oder mit den ausgeliehenen Spielsachen zu spielen. Nick ist extrem gut darin, tief und weit zu tauchen. Ich werfe vom Beckenrand einfach den Taucherring so weit es nur geht und Nick taucht von mir in dem vier Meter tiefen Becken ab. Nur ein einziges mal schafft er es nicht, den Ring direkt beim ersten Versuch zu erwischen.
Als ich einmal kurz auf Nick warte, weil er etwas holen will, kommt er einfach mit einer riesigen Krake wieder. Und mit riesig meine ich riesig. Das Lufttier ist für mindestens sechzehn Personen ausgelegt! Doch sie gehört nicht lange uns allein, als wir sie in das Becken verfrachten. Schon bald kommen andere Besucher und Nick führt mich von der Krake weg. Nächster Halt war ds Wellenbad. Zugegeben: mir ist es mittlerweile egal, wie sehr ich mich an Nick festkralle. Die Wellen überschlagen uns und das Becken bebt. Wellen schlagen gegen die Ecken und der Spaßfaktor ist wow! Selten habe ich so viel Spaß in einem Schwimmbad erlebt.
Wir liegen auf den weißen Liegen, auf unseren Handtüchern, als wir die leckeren, aber leider auch teuren Pommes futtern. Nick jedoch zögerte nicht eine Sekunde, mir auch die größere Portion zu kaufen.
Die Sauna war nicht so mein Fall, weswegen wir uns lieber alleine in einen einsamen Whirlpool setzen. Nicks Knie liegt an meinen und ich lege zufrieden den Kopf auf seine Schulter. Ich kann fühlen, wie seine Hand über meine Schulter streichelt und öffne etwas müde die Augen, als er mit den Fingern der anderen mein Kinn anhebt. Nick legt seine Stirn gegen meine, die Nasenspitze berührt die meine und seine Augen, in denen sich meine widerspiegeln, sind blauer als das Wasser des Bades hier trotz den blauen Fliesen je sein könnte.
„Darf ich?", klingt seine weiche Stimme und es fühlt sich beinahe so an, als würde er mein Herz mit ihr berühren.
Ich weiß auch nicht, was mich leitet, aber ... Es ist okay. Es wäre sogar das, was diesen Tag einfach perfekt machen würde.
Kurz darauf liegen Nicks Lippen auf meinen, seine Finger streichen über meine Wange. Er zieht mich näher an sich und in diesen Moment fühle ich einfach, was es heißt, glücklich zu sein.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro