Kapitel 60: So viel hübscher!
Die Nacht bekommt Hiro schlimmes Fieber. Sein Bruder, dessen Namen ich noch immer nicht weiß, kümmert sich aber um ihn. Es ist nachts um eins und ich sitze bei Hiro am Bett. Er schläft, während sein Bruder ihm mit einen kühlen Tuch die Stirn abtupft. Dass ich Hiro schlafen sehe kommt selten vor. Meistens schlafe ich zuerst ein und wache als zweiter wieder auf. Es gab Tage, da frage ich mich ernsthaft, ob Hiro überhaupt schläft, doch hier ist der kleine Beweis und er sieht echt niedlich aus, obwohl er so verletzt ist. Es ist mir unangenehm, dass dieser Typ da ist. Er ist auf jeden Fall älter, als ich oder Nick. Manchmal schaut er aus den Augenwinkeln zu mir. Nach Minuten traue ich mich ihn zu fragen: "W-wart ihr beim Arzt?"
"Ja." Kurz und knapp. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass der Typ mir gar nicht antwortet. "Was hat der gesagt?"
"Was soll er schon gesagt haben? Die Schwellungen müssen jetzt erst einmal zurück treten. Das ist dann halt mit Fieber und son Kram verbunden." Sein Ton ist erst hart, dämpft sich dann aber ab und wird sanft, normal. Ich nicke nur und sage nichts ...
"Wayde."
"Huh!?"
"Mein Name."
Wayde?! Irgendwie hübsch, aber ich sage nicht 'Schöner Name' oder so etwas, das klingt so schleimerisch. "Oh ... Wieso sagst du es mir erst jetzt?" - "Hiro war mit im Raum, vielleicht wäre er dann wieder auf die Idee gekommen, dich verteidigen zu müssen. So ist er eben." Noch immer tupft er sanft über Hiros Stirn. "In ein paar Tagen geht es ihm wieder gut. Ich werde wohl meinen Vater überreden müssen, damit er ne Woche zu Hause bleiben darf. Der ist da immer etwas streng ..." Mich wundert es. Hiro scheint ja doch irgendwie ein mehr oder weniger positives Verhältnis zu seiner Familie hier zu haben, wenn zumindest der Bruder sich um ihn kümmert. "..Okay..", murmle ich.
"Gehst du jetzt bitte? Du kannst ein anderes mal wieder herkommen." Ich ziehe eine Seite meines Mundes kurz nach unten, bevor ich dann aufstehe. "Okay ... Tschau, Wayde." Am liebsten würde ich Hiro noch einen Kuss auf die Stirn geben, aber vor Wayde? ... Ich glaube, langsam sollte ich dazu stehen, dass Hiro mein Freund ist. Er hat so viel für mich getan, mir Dinge erzählt, die nicht leicht waren. Ich beuge mich vor Waydes Gesicht und gebe Hiro ein sanftes Küsschen, sogar auf die Lippen. Mein Herz pocht in diesen Augenblick, doch ich ignoriere es - für Hiro. Dann lächle ich Wayde mit roten Wangen zu, der dann einfach weiter tupft - als wäre es normal ...
Vielleicht kennt er Hiros sexuelle Neigung ja ... Er ist schließlich sein Adoptivbruder.
Hiro ist wohl einer der Menschen, die ich nie vergessen werde. Einer von denen, die mit ihren Leben eine Spur hinterlassen haben. Ich habe noch nie wen wie ihn getroffen. Wen, der mir schreibt, dass er mich liebt und es okay ist, wenn ich dabei zusehe, wie ihm sehr weh getan wird. Alle wären sauer gewesen ... Nur er nicht.
Am nächstem Morgen rufe ich Nick an, um mich zu bedanken. Ich kann mich einfach nicht gegen Drake wehren, muss ihm wie ein Diener folgen. Das will ich nicht, aber es geht nicht anders. Wäre er nicht gewesen, hätte ich nicht zu Hiro gekonnt. "Ist doch kein Problem", rauscht es durch den Hörer. "Du, Luke? Könnten wir heute vielleicht irgendetwas zusammen machen? A-also nur, wenn du willst natürlich!" Ich seufze in den Hörer. Okay, Nick ist ganz korrekt. "Aber nur als Freunde."
"Nur als Freunde." Ich lächle in das Handy.
Ich brauche Ablenkung, deswegen ist das okay. Nick und ich werden wohl doch noch Freunde, aber ich empfinde nichts für ihn! Mich vor mir selbst rechtfertigend packe ich die dunkle rote Badehose mit dem weißen Muster ein. Manchmal frage ich mich, ob das Blumen darstellen sollen ... Aber ich glaube schon! Es sieht extrem nach Blume aus, aber dann irgendwie auch wieder nicht. Was solls, sieht jedenfalls gut aus!
Nick holt mich ab und kaum bin ich in seinem Auto, werden mir schon einige braun-blonde Strähnen von der Stirn gestrichen. "Du musst mal wieder färben", sagt er grinsend mit einer Hand am Lenkrad. Ja, ich sollte sie mir echt färben, wenn Nick schon darauf kommt, dass ich eigentlich genau so ein Blondie wie er bin. Kein Wunder, wenn sie immer heller werden. "Aber eigentlich bist du so viel hübscher."
"Wirklich?", frage ich etwas verlegen und sehe aus dem Fenster, während Nick los fährt. "Der Misch ist perfekt für dich!"
Es freut mich insgeheim und während der Fahrt sende ich Hiro Herzchen auf dem Handy. Ich bekomme keine Antwort, ist ja kein Wunder, so wie es dem Kleinen geht. Nick hat sich für ein großes Hallenbad entschieden, dass aber auch draußen Wasser hat. Er meinte, das wäre der perfekte Platz im Herbst.
Wir halten auf einem schattigen Parkplatz. Die orangenen Bäume verlieren ihre Blätter und sie landen schon jetzt ab und an auf Nicks Auto. Hier stehen nicht all zu viele andere Wagen. Beim Reingehen ist, wenn man die Tür betritt, immer sofort eine andere Wirkung auf mich. Als würde ich jetzt schon den Dunst des Wassers auf meiner Haut spüren können, welches mich gleich erwartet.
Nick bezahlt wie selbstverständlich für mich mit ... Aber ich weiß, dass er im Gegensatz zu Drake oder Hiro dafür arbeiten muss.
Deswegen bin ich ihm viel dankbarer, als ich es Drake oder eben Hiro je für zehn Euro hätte sein können.
Wir ziehen uns in zwei Umkleiden um und ich dusche schon einmal warm vor. Es ist angenehm, in Freibädern wartet meistens der kalte Tod auf einen. Ich warte an der Tür im Bad auf Nick und halte aufgeregt mein Handtuch in der Hand. Die Gespräche von vielen Menschen und der Ruf eines Bademeisters dringt in meine Ohren, als käme es von allen Seiten. Dennoch ist es nicht unangenehm und harmoniert mit der Schwülheit, die sich auf mir ablegt. Nick, er braucht nicht all zu lang, bis er dann die gläserne Tür öffnet und mich anlächelt. "Kanns losgehen?" Er trägt eine Badeshorts, die bis zu den Knien geht und, anders als meine, kein Muster hat. Stattdessen ist die eine Seite schwarz und das andere Hosenbein weiß. Es harmoniert zu dem Blond und dem Himmelblau seiner Augen. Die Beine haben nur leichte Härchen und er ist in etwa trainiert wie Drake. Nicht zu viel, nicht zu wenig. Das schwarze Handtuch über die Schulter werfend, sieht er sich kurz im Schwimmbad um. "Na, was willst du als erstes machen?"
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