Kapitel 30
Als mein Wecker am nächsten Morgen klingelte, hätte ich mein Handy am liebsten aus dem Fenster geschmissen und einfach weiter geschlafen. Doch ich hatte unfassbares Glück, dass der überhaupt geklingelt hatte, denn ich hatte gestern Abend, beziehungsweise heute Nacht, vergessen, mein Handy ans Ladekabel anzuschließen. Das ging jetzt nämlich aus und genervt stöpselte ich den Anschluss des weißen Kabels in die Öffnung meines Handys. Dann drehte ich mich wieder um und stupste Eleanor leicht an der Schulter, um sie zu wecken.
Ich wusste, dass sie einen sehr leichten Schlaf hat, weshalb es mich wunderte, dass sie noch nicht aufgewacht ist. "El", fing ich leise an. "Wir müssen aufstehen." Sie grummelte etwas und schlug schließlich die Augen auf. Ich ließ ihr Zeit, wach zu werden und ging erstmal ins Bad, um auf die Toilette zu gehen. Ich habe überhaupt nicht gut geschlafen, was man mir nun leider ansieht. Die Schatten unter meinen Augen, die in den letzten Tagen etwas heller geworden sind, reichen nun wahrscheinlich bis nach China, doch leider konnte ich das jetzt nicht mehr ändern.
Eleanor ist die ganze Zeit aufgewacht, hat im Schlaf gesprochen und mich mehr als drei Mal getreten und mir ins Gesicht geschlagen. Ich sagte dazu nichts, sondern zog sie immer wieder an mich und versuchte sie zu beruhigen. Als ich wieder ins Schlafzimmer kam, saß sie bereits fertig angezogen auf dem gemachten Bett und tippte auf ihrem Handy. "Meinst du, du kannst heute arbeiten gehen? Ich meine du bist völlig durch den Wind und ich mache mir Sorgen um dich."
Aus müden Augen sah sie mich an und nickte leicht. "Ich schreibe heute eine Mathearbeit, die wirklich wichtig ist. Ich meine, klar könnte ich sie dir mitgeben und du schreibst den Test aber du hast keine Ahnung von Mathe und wenn die Schüler fragen haben, kannst du sie nicht beantworten." Nickend nahm ich ihre Worte zur Kenntnis und dachte über mich selbst nach. Ich würde in diesem Zustand vermutlich auch zur Arbeit gehen. Ich ärgere mich ja schon, dass ich neulich nach meiner Panikattacke nicht in der Schule war.
Nachdem ich mich angezogen hatte und mir meinen Rucksack genommen habe, gehe ich erneut die Treppe runter und bereite in der Küche etwas Frühstück vor. Ich machte das eigentlich nur für Eleanor, da ich mir so früh morgens meistens schwer tat, etwas zu essen. Ich stellte etwas Toast und Marmelade auf den Tisch und schließlich noch zwei Tassen schwarzen Tee, der für mich ein absolutes Muss war. Selten trank ich Kaffee, denn Yorkshire Tea machte mich munterer, als Kaffee es je könnte.
Eleanor sah mich dankbar an, als sie sich zu mir in die Küche gesellte und sich an den Esstisch setzte. "Danke", sagte sie leise, nachdem sie einen Schluck Tee aus ihrer Tasse nahm. "Das ist selbstverständlich." Ich beobachtete meine beste Freundin, während sie das Brot aß und ab und zu etwas Tee trank. Ihre Hände zitterten etwas und ihre Augenringe untermalten, dass sie die vergangene Nacht nicht gut geschlafen hatte. "Ich mache mich noch kurz fertig und dann können wir los fahren", gab sie mir bescheid und schlug den Weg ins Badezimmer ein. Währenddessen räumte ich alles weg und schaltete den Geschirrspüler ein.
Eine Stunde später saß ich endlich in meinem Klassenraum und packte meine Sachen aus. Den Unterricht hatte ich zum Glück schon gestern Abend vorbereitet, sodass ich nun nur noch das Active Board starten und die PDF-Datei aufrufen musste. Es kam schon manchmal vor, dass ich morgens, kurz vor dem Unterricht, ein neues Arbeitsblatt erstellte, da ich am Vorabend nicht mehr dazukam. Diese Phase habe ich aber hoffentlich hinter mir, denn es war teilweise wirklich anstrengend und stressig.
Der Tag zog sich unnötig in die Länge und die Tatsache, dass ich mein Handy nicht dabei hatte und dementsprechend keine Gelegenheit hatte, Harry zu schreiben, nervte mich wirklich sehr. Nach der letzten Stunde schlug ich ein viertes Mal heute den Weg ins Lehrerzimmer ein und hoffte, dass Eleanor heute gleich viele Stunden wie ich hatte. Zwar hatte ich sie heute morgen danach gefragt, doch hatte ich es im Laufe des Tages wieder vergessen.
Tatsächlich stand sie schon im Lehrerzimmer und unterhielt sich mit einer Kollegin, die meines Wissens nach, Deutsch und Religion unterrichtet. "Hey El. Können wir los?" Es war zwar etwas unhöflich von mir, dass ich mich in das Gespräch der beiden eingemischt hatte, jedoch wollte ich so schnell wie möglich nach Hause, da Harry in einer dreiviertel Stunde vor meiner Tür stehen wird. Da ich meine beste Freundin allerdings nach Hause fahren will, werde ich wahrscheinlich nur knapp früher als mein Freund da sein, wenn überhaupt.
Eleanor nickte und schnappte sich schnell ihre Tasche, nachdem sie sich verabschiedete. Auch ich nickte der Kollegin freundlich zu und machte mich dann mit Eleanor im Schlepptau auf den Weg zu meinem Auto. "Danke, dass du mich nach Hause fährst aber ich hätte auch die Tube nehmen können." Ich parkte aus und schüttelte dabei den Kopf. "Das kommt gar nicht in Frage. Wenn Joshua noch da ist und sich irgendwie an dir vergreift, würde ich mir das nie verzeihen."
Darauf antwortete sie nicht mehr und nach einer viertel Stunde kamen wir an ihrem Wohnkomplex an. Joshuas Auto steht zwar nicht auf dem Parkplatz, jedoch lasse ich es mir nicht nehmen, sie nach oben zu begleiten. "Okay also wenn was ist oder er irgendwie Mist baut, rufst du mich sofort an, ja?", fragte ich, woraufhin sie nickte. "Ich kann mich nicht oft genug bedanken, Lou." Ich nahm sie nochmal in den Arm, bevor ich mich von ihr verabschiedete und mich endlich auf den Weg nach Hause machte.
Es tat mir leid, dass ich sie jetzt einfach so abwimmelte aber ich kann Harry weder bescheid sagen, was los war, noch kann ich ihm absagen. Und da Eleanors Wohnung in der entgegengesetzten Richtung zu meiner lag, brauchte ich nun gute 45 Minuten, bis ich in Canonbury ankam. Dort sah ich schon Harrys dunkelgrauen Audi und stöhnte genervt auf. Schnell stieg ich aus meinem Wagen und auf halben Weg zur Haustür kam mir mein Freund entgegen. "Hey, tut mir leid für die Verspätung. Kann ich dir das drin erklären?", begrüßte ich ihn und ließ den Kuss absichtlich weg, da wir uns immerhin auf offener Straße befanden.
"Ich denke, dass das nicht nötig ist. Das Essen steht vor deiner Tür. Tschüss Louis." Perplex schaute ich ihn an und rührte mich nicht. "Harry bitte. Ich kann dir das erklären nur bitte lass uns rein gehen", bat ich ihn. Seufzend gab er nach und ich schlug den Weg zu meiner Haustür ein. So abweisend hatte ich ihn ja noch nie erlebt und hoffte wirklich, dass das auch nicht so schnell wieder der Fall ist. In meiner Wohnung stellte ich das Essen zunächst in der Küche ab und nahm mir zwei Gläser und eine Flasche Wasser. Dass ich heute meine Flasche vergessen hatte und dementsprechend nichts getrunken hatte, machte sich nun in Form von Kopfschmerzen bemerkbar. Ich reichte Harry ein Glas und setzte mich dann an den Tisch.
"Eleanor ist gestern Abend her gekommen und hat mir erzählt, dass Joshua, ihr Freund, sie betrogen hat", fing ich an. Ich wartete gar nicht erst auf eine Reaktion, sondern fuhr fort: "Sie war total aufgelöst und so wollte ich sie nicht zurück zu ihm lassen, sondern bat ihr an, hier zu schlafen. Heute morgen war mein Akku leer und deswegen konnte ich dir nicht schreiben, dass ich mich verspäten werde. Es tut mir wirklich leid."
Mein Gegenüber sah mich einen Augenblick ausdruckslos an, bevor er etwas erwiderte: "Und gestern Abend? Du sagtest, du würdest mir nochmal schreiben. Das hast du aber nicht. Louis ich habe mir unglaubliche Sorgen gemacht und musste mich zurückhalten, nicht zu dir zu fahren." Ich stand auf und wollte etwas sagen, doch er ließ mich nicht. "Du hast auf keinen meiner Anrufe oder Nachrichten reagiert und ich bin fast ausgetickt. Ich hab mir ausgemalt, dass wer weiß wer vor deiner Tür stand und dir irgendwas angetan hat. Mach das um Himmels Willen nicht noch einmal!"
Seine Stimme war laut und instinktiv machte ich einige Schritte zurück, bis ich an die Schränke stoß. Tränen traten in meine Augen. Ich hasste es, angeschrien zu werden und jetzt, wo es meine eigene Schuld war, noch mehr. Ich senkte meinen Blick und schloss meine Augen, damit er ja nicht sah, wie schwach ich war. Bei Isaac hätte ich jetzt eine Tracht Prügel kassiert und hatte deswegen etwas Angst. Natürlich wusste ich, dass Harry niemals handgreiflich werden würde, doch bekam ich in diesem Moment einfach Panik.
Ich merkte nicht, wie er auf mich zukam. Erst als er mich an sich zog und mich in den Arm nahm. "Es tut mir leid. Ich hatte es vergessen weil ich mir Sorgen um Eleanor gemacht habe." Er schüttelte den Kopf. "Es ist okay Darling. Mir tut es leid, dass ich dich so angeschrien habe. Du kannst ja nichts dafür aber ich hatte einfach Angst um dich."
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Erste Auseinandersetzung... Ich wäre ja viel zu stur gewesen, um jetzt schon nachzugeben aber in Louis' Situation ist das ja ganz was anderes. Seid ihr stur oder gebt ihr schnell nach?
all the love
hx
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