3 | Februar 2019 (2)
Draußen schneite es noch immer, die Flocken waren sogar dicker geworden und wirbelten durch die stillen Straßen. Sie begruben das Kopfsteinpflaster unter sich und deckten die schlafende Stadt mit ihrer eisigen Decke zu. Auf den ersten Metern sprachen sie wenig, aber die Luft zwischen ihnen fühlte sich heiß und brennend an, sodass es ihn wunderte, dass die Schneeflocken nicht einfach in ihrer Nähe schmolzen, sondern sich wie vorhin in Christians schwarze Haare setzten.
Dieser fing seinen Blick auf und lächelte breit, unfähig seine Erregung zu verbergen. Dann biss er sich auf die Unterlippe und ließ sie nur langsam wieder zwischen seinen Zähnen hervor gleiten. Michael grinste schief, als er die Geste beobachtete. Er war sich sicher, dass diese keinesfalls grüblerisch war, sondern absichtlich anzüglich. Der konnte etwas erwarten – mit den Spielchen war es für heute vorbei.
Grob packte er ihn deshalb ab der Hüfte und drückte ihn gegen die nächste Hauswand. Der Aufprall von Christians Rücken gegen die kalte Wand war wie beabsichtigt so hart, dass es ihm die Stimme verschlug und mit einem Seufzen die Luft auf seinen Lungen entwich. Vor seinem Mund bildete sich eine kleine Wolke kondensierten Wassers. Der Kuss, der folgte war verlangend und hart, trotzdem spürte Michael das Grinsen auf Christians Lippen. Auf der kalten Haut seiner Fingerkuppen brannte das Pieken der Bartstoppeln beinahe, er stöhnte genießerisch. Christian zog eines seiner Knie leicht nach oben, um es direkt zwischen Michaels Beine zu schieben. Hart drückte sein Oberschenkel gegen seine Mitte und er ließ es einfach geschehen. Bereitwillig. Unter der Reibung spürte er deutlich seine beginnende Erregung.
Seine Finger krallten sich in den Kragen von Michaels Jacke, hielten ihn für einen Moment auf Abstand. Noch immer grinsend, schickte dieser wenige Worte in seine Richtung.
„Was?", Michael hatte den Inhalt nicht begriffen, denn er war zu sehr damit beschäftigt, die leicht feuchten Lippen zu beobachten, über die sich Christian immer wieder herausfordernd leckte. Wie gebannt beobachtete er die Zunge, die sich für einen Augenblick zwischen den Zähnen hervorschob.
„Willst Du gleich hier über mich herfallen oder schaffen wir es noch zu Dir?"
„Ähm."
„Ach komm, schon so gierig?", neckte er, wobei seine Augen schelmisch blitzen.
„Hättest Du gern," entgegnete Michael zu langsam und zu lahm. Sein Gehirn arbeitet nicht mehr für ihn, sondern gegen ihn, als es die Aufmerksamkeit zusehends auf den Druck in seinem Schritt lenkte.
„Wo lang?"
„Ähm." Michael sah sich hilflos um. Kurz hatte er die Orientierung verloren, erkannte dann aber die Kreuzung vor ihnen, sie waren fast da. Nur einmal noch abbiegen. Christian war seinem Blick gefolgt und schien eine ungefähre Ahnung zu haben, wohin ihr Weg sie führen würde. Mit einem schiefen Grinsen schubste er Michael von sich und setzte sich lachend in Bewegung.
„Kommst Du oder muss ich Dich holen?" Er machte einige Schritte rückwärts in die Straße hinaus, lachte herzhaft über Michaels bedröppelten Gesichtsausdruck. Als dieser endlich Anstalten machte, sich aus dem Hauseingang zu bewegen, drehte sich Christian um und joggte los.
Wie? Wie konnte dieser Mann noch immer die Energie haben, ihn zu ärgern? Wie konnte er noch klar genug denken, dass er aus der Anziehung zwischen ihnen noch immer ein Spiel machte?
Der Tequila legte zusätzlich einen Schleier über seine Gedanken und machte ihn zu einem äußerst wehrlosen Gegner. Er wollte nur noch, dass dieser Abend sich in Wohlgefallen auflöste und sich der Druck und das Verlangen zwischen ihnen endlich entlud. Er sah seine Chance auf baldige Erlösung die Straße entlang traben und schickte sich an, ihn einzuholen.
Der Schlüssel weigerte sich standhaft, in den Zylinder zu finden. Mehrere Male rutschte Michael mit zitternden Fingern ab, bis er es endlich schaffte, das Schloss klicken zu lassen, um ihnen Zutritt zu seiner Wohnung zu verschaffen. Die Wärme, die ihnen entgegenkam, war Balsam auf den eisigen Gliedmaßen und ein angenehmes Kribbeln breitete sich auf seiner Haut aus, als er seine Jacke abstreifte und sorgfältig an der Garderobe aufhängte. Angeheizt wurde das Prickeln noch zusätzlich von der Person, die nach ihm die kleine Stadtwohnung betrat.
Langsam legte sich über die offensichtliche Erregung aber auch eine zähe, klebrige und ekelhafte Schicht aus Nervosität. Hier stand er wirklich. In dem viel zu engen Eingangsbereich zu seiner Wohnung. Mit einem Mann. Mit sehr konkreten Absichten.
Die feinen, aber markanten Gesichtszüge des kleineren Mannes, der sich seiner Winterjacke entledigte, waren im Gegensatz zu seinen weich, freudig und voller Erwartung. Er nahm sich keine Zeit, sich in der schummrig von den Straßenlichtern ausgeleuchteten Wohnung umzusehen, sondern warf die Jacke achtlos auf den Boden und strampelte sich die Stiefel von den Füßen.
Die letzte Chance für ihn abzubrechen. Die letzte Chance für einen Rückzieher.
Michaels Blick wanderte über den Körper vor ihm, kleiner, drahtiger als sein eigener, aber mit unübersehbaren Muskeln ausgestattet. Ihm war anzusehen, dass die Statur von der körperlichen Arbeit stammte, nicht vom Sport. Dennoch, oder vielleicht gerade deshalb war sein Griff fest und unnachgiebig, als sich Michael im engen Gang an ihm vorbeischieben wollte.
„Wohin des Weges, schöner Mann?"
Auf was hatte er sich bloß eingelassen?
„Hey, alles gut?", Christians Brauen zogen sich zusammen, als er aufsah und Michaels Gesicht musterte. Dieser nickte, unterdrückte den Drang sich mit den Händen über den Bart zu reiben, um sich zu beruhigen und schluckte stattdessen schwer. Das Hin und Her des Abends machte ihn selbst schwindelig – er schwankte zwischen unbeherrschbarer Lust und extremer Unsicherheit. Auch wenn genau dieses Karussell sich bereits seit Jahren in seinem Kopf drehte und ihn zwang, seine Sexualität in regelmäßigen Abständen zu hinterfragen, war dieser Abend wie ein verfluchtes Kettenkarussell, das sich einige Meter in die Höhe schraubte und die Sitze and losen Verbindungen schwingend umherwirbelte. Und heute war er der Gast mit Höhenangst, der sich verzweifelt an das kalte Metall klammerte, in der Hoffnung, kein vorzeitiges Ende auf dem harten Boden zu finden.
„Ja", hauchte er schließlich geübt überzeugend mit einem perfekt einstudierten Grinsen im Gesicht, beugte sich nach vorne und drückte Christian einen flüchtigen Kuss auf die Wange. „Ich brauche nur ein Glas Wasser."
Ablenkung. Gut – für wie lange? Nicht lange genug.
Als er am Spülbecken des offenen Wohnbereichs stand, legten sich die ihm immer bekannter werdenden Arme um die Taille. Zärtliche Küsse brachten seine Haut im Nacken dazu zu kontrahieren und wehrhaft die feinen Härchen aufzustellen. Die Gänsehaut breitete sich unaufhaltsam aus und der Funke in seinem Magen begann wieder zu glimmen. Er fühlte sich verführerisch gut an, wie die Lippen über seien Hals glitten, die Sanftheit wich zunehmend einem verführerischen Knabbern.
Christians Berührungen waren angenehm, wissend und fordernd – nichts an ihnen erinnerten ihn an die hastig und grob getauschten Intimitäten aus der Vergangenheit. Es war nicht die Vergangenheit. Es war jetzt.
Kräftige Finger begannen sein Hemd aufzuknöpfen, um mehr von seiner glatten Brust freizulegen. Zwischen dem Öffnen der Knöpfe huschten sie über seine Muskeln, ertasteten und erkundeten die definierten Linien seiner Vorderseite. Gleichzeitig drückte sich Christians Hüfte gegen seinen Hintern, so sehr, dass er sich gegen den Küchentresen lehnen musste.
Ein weiterer Knopf sprang auf, wieder glitten die Hände über seine Brust, hinauf zum Schlüsselbein und wieder hinab zum Bauchnabel. Der nächste Knopf. Dieses Mal fand nur eine Hand ihr Ziel. Seine linke Brustwarze. Ein leichtes, neckendes Zwirbeln. Ein kleiner Biss im Nacken.
Es war zu viel, Michael keuchte ungehemmt auf. Etwas das sich so anfühlte, konnte nicht falsch sein. Dieses Mal würde es niemandem wehtun, dieses Mal würde es niemand wissen. Er wand sich unter dem Druck des anderen, der noch immer in unerträglicher Ruhe die letzten Knöpfe des Hemdes löste, bevor er die restlichen Stofffalten aus dem Hosenbund zupfte. Er hatte kein Eile, sondern kostete jede Sekunde aus, in denen seine Fingerkuppen über die Haut strichen.
Die Finger wanderten weiter nach unten, lösten Michaels Gürtel und schoben sich in die Hose. Die nervösen Gedanken wurden von der Watte erstickt, die sich in seinen Kopf drängte und mit jedem Millimeter potenzierte, den Christians Hand seiner eigenen Erregung näher kam. Kleine Nadelstiche der Lust wanderten über seinen gesamten Körper, vereinten sich zu einem glühenden Dolch in seinen Eingeweiden. Die immer noch kalten Finger schlossen sich um ihn, tasteten, streichelten. Die Enge der Hose erschwerten die Avancen, verlangsamte die Entdeckungsreise und steigerte die Vorfreude, auf das, was nun folgen würde.
„Dreh Dich um", Christians Stimme war rau, tiefer als noch eben.
Für einen kurzen Moment lösten sich ihre Körper voneinander, brachten Luft zwischen sich. Die plötzliche Abwesenheit der Wärme an seinem Rücken brachte Michael zum Schaudern. Noch immer hielt er das Glas Wasser fest mit seiner rechten Hand umklammert, das er sich als Ablenkungsversuch an der Spüle eingeschenkt hatte. Obwohl er nun mit seinem Hintern an der Küchenzeile stand, war er noch nicht bereit, seinen Anker loszuwerden. Auch wenn die Berührungen wie bereits im Club seine Nervosität abtöteten, blieb die Unsicherheit. Er hatte noch nie einen Mann mit nach Hause genommen, den er nicht kannte. Er wusste nicht genau, was er von ihm erwartete. Stimmte nicht ganz. Er wusste sehr wohl, auf was der Abend hinauslaufen würde, aber nicht wie.
Weniger denken, mehr machen.
Christians Augen wirkten im Dämmerlicht schwarz. Bisher hatte sich keiner darum bemüht, das Licht einzuschalten, sodass sie noch immer in er dunklen Wohnung standen. Michael hätte die grelle Helligkeit in diesem Moment auch nicht ertragen, denn er war froh, dass die Schatten über ihren Gesichtern zumindest einen Teil der Emotionen verbergen würden.
Christians Hände legten sich wieder auf seine nun entblößte Brust und zogen kühle Linien von seinen Schultern hinab zu seinem Hosenbund. Ihre Lippen trafen sich erneut. Zärtlich, aber nicht liebevoll. Verlangend, aber nicht übermütig.
Das Hemd wurde ihm über die Schultern gezogen und fiel nach hinten. Christian zwang ihn damit, sein Glas für einen Moment abzustellen, um den Ärmel vollständig abzustreifen – er nutzte die Gelegenheit und ergriff seine Hand, führte sie zu seiner Hüfte.
„Anfassen erlaubt", flüsterte er zwischen zwei Küssen, schob seine Hand wieder in Michaels Hose. Die Bewegungen waren erfahren, keine Spur des Zauderns lag darin. Er wusste nicht, was er tun sollte, wie er den Gefallen erwidern sollte. Unsicher grub er seine Finger in Christians Seiten und schloss die Augen. Aber eines wusste er ganz bestimmt: Er wollte nicht, dass der Andere aufhörte.
Als die Finger seine Härte verließen, seufzte er enttäuscht auf. Christian grinste ihm schelmisch entgegen. Einen Mundwinkel schräg nach oben gezogen nestelte er am Reißverschluss herum, bis er schließlich genug Spielraum hatte, um ihm seine Jeans samt der Unterhose nach unten zu ziehen.
„Du lässt dich also gerne verwöhnen, hm?" In Christians Stimme lag kein Vorwurf. Er neckte ihn. „Hast Du Dir das denn überhaupt verdient?"
Er grinste noch immer und zog mit seiner rechten Hand Kreise auf seinem Bauch, die das Verlangen in Michael weiter anheizten. Obwohl er nun nackt vor dem noch immer voll bekleideten Mann stand, machte es ihm nichts aus. Der schelmische Blick, der über seine Muskeln und seinen Intimbereich wanderten, transportierte das Verlangen, das zwischen ihnen herrschte.
Michael zog amüsiert die Augenbrauen nach oben. „Das muss ich mir also verdienen, ja?"
„Eigentlich schon. Du hast Glück, dass ich heute gute Laune habe."
Reden half. Der Spaß, den sich Christian mit ihm erlaubte, nahm ihm den Druck, sich beweisen zu müssen. Dass der andere Spaß an ihm und seinem Körper hatte, war offensichtlich und vermittelte ihm, nicht sofort Erwiderungen für all die Berührungen finden zu müssen.
Er ließ Christian gewähren, der sich sich vorfreudig über die Lippen leckte, bevor er sie an Michaels Hals platzierte. Kleine Küsse, sanftes Lecken. Sofort setzte das Kitzeln in seiner Halsbeuge ein, breitete sich in rasender Geschwindigkeit über seinen gesamten Körper aus. Seine Erektion rieb unangenehm über die kalte Gürtelschnalle, die sich wieder nah an ihn presste. Der süße Schmerz entlockte ihm ein erneuts Keuchen. Christian lachte leise, küsste sich an seinem Kiefer entlang, stahl ihm einen fahrigen Kuss, dann verschwand er aus seinem Sichtfeld.
Erst als sich heiße Lippen um seine Erektion legten, realisierte Michael, dass er vor ihm auf die Knie gegangen war. Das unerwartete Gefühl der Zunge an seiner Unterseite, schoss kleine Blitze durch seinen Körper. Unwillkürlich fand seine Hand den Weg in Christians Haare und strich durch die kurzen schwarzen Strähnen. Mit der anderen suchte er Halt am Küchentresen.
Christians Kopf bewegte sich rhythmisch, langsam und genüsslich. Das mäßige Tempo brachte ihn dennoch viel zu schnell an den Rand des Höhepunkts, da er so jede kleine Bewegung bewusst wahrnahm. Der variierende Druck der Lippen, gezieltes Necken der Zunge an seinen empfindlichsten Stellen. Hilflos warf er schwer atmend den Kopf in den Nacken, versuchte sich mit einem Biss auf die Lippen mit Schmerz abzulenken. Es funktionierte nur mäßig gut.
„Warte... ich... "
Christian wartete nicht. Kaum merklich schüttelte er seinen Kopf. Michaels Hand in seinen Haaren krampfte sich zusammen, als er das Tempo erhöhte. Er konnte sich kaum mehr zurückhalten und seine Hüfte begann wie von selbst sich Christian entgegenzudrücken. Dieser ließ es ihm durchgehen, obwohl die letzten Stöße vor seinem Orgasmus mehr als unkontrolliert waren. Er zuckte auch nicht zurück, als Michael direkt in seinem Mund kam.
Seine Knie gaben beinahe nach, während sein Verstand hinter einem undurchsichtigen Schleier verschwand. War das gerade wirklich passiert?
Es dauert einen Moment, bis er sich wieder gefangen hatte und sich das wohlige Zittern seines Körpers gelegt hatte. Christian stand wieder vor ihm und wischte sich mit dem Daumen Spucke langsam vom Kinn, während er ihn eindringend musterte. Er schaffte es, dass sogar diese Banalität erotisch wirkte.
„Ich... Entschuldige", setzte Michael an. So gut der Orgasmus gewesen war, er war zu früh gewesen. Es war ihm unangenehm, dass er seinen Körper nicht besser unter Kontrolle hatte.
„Für was?" Christian lehnte sich gegen ihn, hauchte ihm einen Kuss auf. Seine Augen waren weit, Sorge schwamm darin.
„Dass ich... so schnell."
„Untersteh dich", knurrte er. „Sag sowas nicht, ich hatte meinen Spaß." Seine Lippen trafen sanft seinen Hals. „Und du glaube ich auch."
Der warme Atem auf seiner Haut und die hauchzarten Berührungen entlockten Michael ein leises Seufzen. Warum fühlte sich alles mit diesem Mann gerade so leicht an? So nah, so vertraut. Warum hatte er überhaupt gedacht, er wäre zu schnell gewesen? Es war doch nichts dabei.
„Mir gefällt nicht, dass du noch so viel anhast", sagte er stattdessen und streifte er Christian das Shirt über den Kopf. Unverhohlen sog er den Anblick in sich auf – die fein behaarte Brust, das Tattoo, das sich weiter nach unten zog, als er erwartet hatte. Es war ein großes Tribal, dessen Ausläufer an seiner linken Seite beinahe bis zum Hüftknochen ragten. Die ineinandergreifenden, breiten Linien schienen ein Eigenleben zu haben, denn mit jeder von Christians Regungen veränderten sie leicht ihre Form und formierten sich neu. Es war hypnotisierend.
Der nächste Kuss war anders. Michaels Erregung war einem neuen Wunsch gewichen – Nähe. Auch wenn er deutlich spüren konnte, dass die Lust des anderen Mannes noch immer kochte, strömte nicht mehr die gleiche Energie durch seine Adern. Auf Christians Zunge schmeckte er sich selbst, ungewohnt und leicht bitter, aber es störte ihn nicht, sondern vertiefte das Gefühl der Verbundenheit. Er ließ sich in dem Kuss fallen, schmiegte sich an und genoss das warme Gefühl, das sich in ihm ausbreitete.
Dennoch spürte er den Drang, Christian ebenfalls das zurückzugeben, was er ihm gerade geschenkt hatte. Immerhin war er ihm zu sich nach Hause gefolgt und das sicherlich nicht nur, um ihm einen schnellen Blowjob in der Küche zu geben. Die angespannte Starre, die Michael befallen hatte, seit sie in der Wohnung angekommen waren, löste sich langsam von ihm. Vorsichtig wanderten seine Hände über Christians Brust, zu seinen Haaren, hinunter zu seinem Hintern.
Erst als er die warme Haut des anderen Mannes unter seinen Fingerkuppen spürte, fiel ihm auf, wie kalt ihm eigentlich war. Der Heimweg durch den Schneefall hatte sein Übriges getan und er stand bereits seit einer Weile nackt in seiner Wohnung.
„Komm!", er griff nach Christians Handgelenk und führte ihn in sein angrenzendes Schlafzimmer. Die Blenden am Fenster waren wie immer fast gänzlich geschlossen, sodass es beinahe stockdunkel war. Aber es kam ihm ganz gelegen, wenn Christian ihn nicht bei dem beobachten können würde, was er vorhatte. Zielsicher bugsierte er den ihn daher an das Kopfende seines Bettes und deutete ihm, sich zu setzen. Sobald er sich sicher war, dass er sich zwischen die Kissen nach hinten fallen lassen hatte, folgte er ihm. Seine Knie platzierte er jeweils neben Christians Hüfte, sodass er direkt über ihm hockte. Wieder beugte er sich nach vorne, um seine Lippen zu suchen und dort anzuknüpfen, wo sie vor wenigen Sekunden aufgehört hatten.
Nachdem er einen langen Kuss eingefordert hatte, begab sich sein Mund auf Wanderschaft über Christians Körper. Den Hals hinab, über die Tattoos, zu seiner Brust. Die feinen Härchen auf seinem Bauch kitzelten verlockend an seiner Nase.
Mit nur einer Hand hatte er Schwierigkeiten die Gürtelschnalle zu lösen, aber er traute sich nicht, die zweite Hand vom Kopfteil des Bettes zu nehmen, wo er sich abstützte, um nicht nach vorne zu kippen. Die Nachwehen seines Orgasmus machten ihn noch immer fahrig.
Christian kam ihm zur Hilfe und entledigte sich selbst seiner überflüssigen Kleidung. Leicht hob er dabei sein Becken an, um ihm zu erleichtern, die Hose von ihm zu lösen.
Als sich Michael nach unten rutschte, leckte er sich voller Vorfreude über die Unterlippe. Doch ein Kopfschütteln und ein verschmitztes Grinsen hielten ihn zurück. Verwundert zog er die Brauen nach oben, während sich in seinem Bauch ein Knoten zusammenzog. Hatte er etwas falsch gemacht? Es war immerhin schon einige Jahre her, dass er die Gelegenheit gehabt hatte.
Abwartend sah er zu Christian auf.
„Komm her", flüsterte dieser und zog ihn zu sich in die Kissen. Sanft drückte Christian die Lippen erneut auf seine und verband sie wieder in einem Kuss, während er sich auf ihn rollte. Mit den Händen, die er auf beiden Seiten von Michaels Kopf platziert hatte, hielt er das meiste seines Gewichts, sodass nur ihre Beine sich berührten. Sein rauer Atem traf süß kitzelnd auf Michaels Hals, nachdem sie den Kuss lösten.
„Ich hatte eigentlich noch etwas anderes mit dir vor...", seine Stimme brach ab, als er sein Knie zwischen Michaels Beine drückte und seine Hüfte mit einer eindeutigen Bewegung gegen ihn presste.
Er erstarrte unter Christians verlangenden Berührungen, der seinen Mund federleicht an seinem Hals hinab zum Schlüsselbein führte.
Der Schauder, der Michael überkam, als er eine Hand zwischen seinen Schenkeln spürte, war nicht mehr von Lust erfüllt. Langsam und vorsichtig schob sich Christians Hand weiter nach oben, aber bevor er seinen Hintern erreicht hatte, griff Michael nach seinem Unterarm und stoppte ihm.
Diesmal war es er, der den Kopf schüttelte, denn Panik stieg in ihm auf. Er war nicht bereit für das, was Michael von ihm erwartete. Warum war er so naiv gewesen zu glauben, dass er die Nacht mit einem Mann verbringen konnte, ohne dass Sex zum Thema wurde?
„Bitte nicht", seine Stimme war kaum hörbar. Der Knoten in seinen Eingeweiden brannte unheilvoll und wurde nur noch schmerzhafter, als Christian enttäuscht stöhnte und die Stirn an seine Schulter lehnte.
„Sicher?"
Michael schwieg, da ihm eine unsichtbare Hand die Kehle zudrückte. Dennoch verschwand Christians Gewicht von ihm, nur um kurz darauf neben ihm die Matratze zu beschweren. Von sich selbst genervt stöhnte er auf und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.
„Ist alles okay?", fragte ihn Christian, während er ihm eine Hand auf die Brust legte, die sich in unregelmäßigen Abständen hob und senkte. Nur mit Mühe brachte Michael seine Atmung wieder unter Kontrolle. Jetzt, da die alkoholinduzierte Euphorie abebbte, wurde ihm die Absurdität seiner eigenen Handlungen des Abends bewusst. Er hatte sich betrunken, im Affekt einen Mann mit nach Hause genommen und war jetzt nicht mehr bereit, das zu tun, was das Ziel der Nacht hätte sein sollen. Frustriert biss sich Michael auf die Zunge; er schaffte es nicht einmal, sich ficken zu lassen.
„Nein, aber... ich möchte nicht darüber reden."
„Soll ich gehen?", Christians Stimme war weich. Er klang besorgt. Die Vorstellung mit seinen Gedanken allein zu bleiben furchtbar. Außerdem war Christians Ruhe beruhigend.
„Nein...", wisperte er. „Es ist zu spät für ein Taxi. Bleib."
„Okay", Christian zog ihn zu sich, bis Michaels Stirn bequem an seiner Brust lag und schlang seine Arme um ihn. Sanft küsste er Michaels Kopf.
Das Brummen seiner Kaffeemaschine weckte Michael am nächsten Morgen. Durch die nur noch halb geschlossenen Rollos fiel das Licht des Vormittags, das dank des frisch gefallenen Schnees besonders hell reflektiert wurde und sich direkt in seine Netzhaut zu brennen drohte. Er war noch nicht bereit, sich seinem Kater zu stellen. Noch wichtiger war aber, dass ihm nicht danach war, sich mit dem Menschen auseinanderzusetzen, der sich anscheinend gerade an seiner Padmaschine zu schaffen machte. Allerdings musste er sich eingestehen, dass er Duft des Kaffees verlockend war.
Als er schließlich in den Wohnbereich seiner schlicht eingerichteten Stadtwohnung trat, zog er sich ein Shirt über den Kopf und richtet den Bund einer Jogginghose. An die Arbeitsplatte neben der Spüle gelehnt stand Christian, der eine dampfende Tasse Kaffee vor seiner nackten Brust hielt. Er war nur mit seiner Jeans bekleidet, sodass Michael sich zwingen musste, das Tattoo auf seiner Haut nicht anzustarren. Haut, von der er wusste, wie verführerisch weich sie sich unter seinen Fingern anfühlte.
„Guten Morgen", Christian lächelte in Richtung des Kaffes gestikulierend. „Ich hoffe es ist in Ordnung, dass ich mich bedient habe."
„Mh, klar", Michael entdeckte eine zweite Tasse, die noch unter der Maschine stand. „Wenn Du mir dafür auch Kaffee machst, jederzeit."
Nachdem er sich seinen obligatorischen Löffel Zucker in die Tasse gerührt hatte, die Christian ihm tatsächlich aufbrühte, wagte er es wieder zu dem Mann zu sehen, der nach wie vor entspannt in seiner Küche stand und an seinem Kaffee nippte.
„Du bist noch da", Michaels Feststellung klang wie eine Frage. Das unausgesprochene warum? war klar zu hören.
„Mir war nicht wohl damit zu gehen, ohne zu wissen, dass Du okay bist."
„Also, ist nicht der kostenlose Kaffee der Grund dafür, dass Du noch in meiner Küche stehst?", Michael war sich unsicher, wie er auf die unerwartete Fürsorge reagieren sollte. Seiner Erfahrung nach, gehörte diese nicht zum Standardablauf nach einer gemeinsamen Nacht.
„Der schadet zumindest nicht", Christian zögerte. „Wie geht's dir?"
Fasziniert beobachtet Michael, wie sich ein Tropfen von einem Löffel löste und auf der Arbeitsplatte in Steinoptik zerplatze. Wie ging es ihm? Er wusste es nicht, denn neben seinen pochenden Kopfschmerzen fühlte er sich seltsam leer.
„Es geht", sagte er deshalb schlicht, während er den braunen Kaffeefleck neben seiner Tasse fixierte.
Christian seufzte, offensichtlich nicht zufrieden mit seiner Antwort. „Ich muss mich übrigens entschuldigen. Ich war... ich habe die Situation falsch eingeschätzt. Nachdem du so mit mir getanzt hast, habe ich nicht damit gerechnet, dass ich vorsichtiger hätte sein müssen."
Überrascht schnellte Michaels Blick hinüber zu ihm. Warum entschuldigte er sich? Er hatte doch wohl nicht falsch gemacht. Er hatte doch nicht im letzten Moment kalte Füße bekommen.
Christian las seinen verwirrten Ausdruck und setzte zu einer Erklärung an. „Ich war selbst zu betrunken, um zu merken, dass Du nicht so passiv warst, weil Du das so wolltest, sondern weil Du unsicher warst."
War es so offensichtlich gewesen?
„Kann ich dich etwas fragen?", nun war es an Christian, dem Blickkontakt auszuweichen.
Michael brummte zustimmend, nicht wissend, ob er auch fähig sein würde, ihm zu antworten.
„War das... war das dein erstes Mal mit einem Mann?"
Gequält lachte Michael auf. Wäre das sein erstes Mal mit einem Mann gewesen, hätte er ihm vielleicht genug vertrauen können und hätte sich ihm hingeben können.
„Nein", sagte er deshalb wahrheitsgemäß. „Nur..." Wollte er ihm wirklich von Simon erzählen?
„Nur?"
„Nur ist das schon etwas länger her", er entschied sich wieder für eine wahre Antwort, auch wenn diese für das eigentliche Problem irrelevant war. „Es tut mir leid, dass ich nicht eher etwas gesagt habe. Das hat dir auch den Abend verdorben."
„Sag so einen Blödsinn nicht", sagte Christian sanft. Er machte zwei schnelle Schritte nach vorne und legte eine Hand auf Michaels Schulter. „Denk so etwas nicht mal, Du hast gar nichts verdorben. Ich bin froh, dass Du rechtzeitig nein gesagt hast."
Rechtzeitig? Nein, rechtzeitig wäre gewesen, wenn er ihm im Club erst gar nicht auf die Tanzfläche gefolgt wäre. Verdammt, jeder hatte ihn gestern sehen können. Und dann schoben sich Fetzen ihrer Unterhaltungen zurück in sein Bewusstsein. Was hatte er gesagt... Christian war einer der Handwerker, die gerade bei ihnen in der Firma waren? Sein Nacken wurde heiß, bei dem Gedanken, dass er ihn outen könnte. Vor seinem Chef. Vor seinen Kollegen. Vor allen. Oh Gott, was hatte er getan?
„Christian... wie lange seid ihr noch bei uns im Haus, wegen der blöden Leuchtlogos?", seine Stimme zitterte.
„Ich werde nichts sagen, ich verspreche es dir."
„Wie lange?"
„Wir sind fertig in deinem Gebäude. Nächste Woche machen wir noch die Kantine, dann musst Du mich nicht mehr sehen", er klang verletzt.
„So ist das nicht. Aber, ich-"
„Ich sage schon nichts", Christian stellte seine halb geleerte Tasse ab und griff sich sein Shirt, das noch immer auf dem Boden lag. „Ich muss langsam los."
Michael seufzte. Jetzt hatte er es wirklich versaut. „Hey, warte", er fasste Christian am Handgelenk, um ihn daran zu hindern sofort aus seiner Wohnung zu flüchten. Das letzte, was er wollte, war ihn zu verärgern, nachdem er sich trotz des enttäuschenden Ausgangs des Abends so um ihn gekümmert hatte. Deshalb suchte er Christians dunkle Augen und hielt seinem Blick stand.
„Ich bereue den Abend nicht. Dass- ich-", als er begann zu stammeln, holte er Luft. „Der Abend war wirklich schön. Ich hatte schon lange nicht mehr so viel Spaß in einem Club. Und, alles bis zu... dem Punkt war unglaublich. Es tut mir leid, dass ich noch nicht bereit war."
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