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Irgendetwas sagt mir, dass ich die Anrufe von Jordan nicht länger ignorieren sollte. Sie machen sich immer Sorgen um mich. Bennett mehr als Jordan. Und seit meinem Trip nach Vegas und den darauffolgenden Konsequenzen mehr denn je. Dabei haben sie nicht das Geringste zu befürchten. Ich bin bereits unfreiwillig verheiratet. Noch einen Ehemann kann ich mir nicht anlachen, denn Polygamie ist im Staate New York verboten. Ebenso in allen anderen amerikanischen Staaten, außer in Utah. Da wird diese Tatsache wissentlich ignoriert. Kurz stocke ich und habe das Bild von Drew und einem anderen Kerl vor mir. Sie tragen beide einen schwarzen Smoking mit Fliege und gemeinsam stehen wir wieder vor Elvis der uns traut. Zu dritt. Und im Hintergrund höre ich weitere Männer tuscheln. Es hört nicht auf und allein die Vorstellung davon, noch einen Mann betrunken zu heiraten macht mich ganz verrückt.
Ich ergebe mich meinem Schicksal und der Standpauke von Jordan.
"Hallo Jordan. Wie geht es dir?", frage ich ihn fröhlich, nachdem mein Daumen doch über das grüne blinkende Symbol gehuscht ist. Mein kindisches Verhalten bringt keinem etwas. Und im Grunde genommen ist auch gar nichts passiert. Das sage ich mir seit vier Tagen jedes Mal, wenn Drew nach Hause kommt und sein Blick automatisch zum Sofa wandert. Egal ob ich dasitze oder nicht. Also warum sollte ich dann das Gespräch mit Jordan meiden?
"Mir geht es gut. Aber du hast anscheinend die Fähigkeit zu sprechen verloren oder dir wurden beide Arme amputiert. Oh warte, du wurdest von einer riesigen schwulen Monstersuperspinne gebissen und kannst seither nur noch nachts aus dem Haus und musst die Stadt vor Schurken mit Clownsmasken beschützen. Da bleibt selbstverständlich keine Zeit deinen besten Freund zurückzurufen. Ich verstehe das." Jordans Sarkasmus ist grenzenlos. Leider auch seine Anspielungen auf diverse Superheldenfilme die er sich regelmäßig zusammen mit Bennett reinzieht. Ich bin mir sicher, dass sie ihre Halloweenkostüme auch außerhalb dieses Tages tragen. Ich erkenne Batman in seinen Worten. Aber was die schwule Spinne soll weiß ich nicht.
"Ich war beschäftigt", antworte ich knapp.
"Das ist kein Grund uns zu ignorieren. Bennett hat sich Sorgen gemacht. Du weißt, wie er ist. Und nachdem wir deinen Artikel gelesen haben, war unser Gesprächsbedarf schon sehr hoch."
"Ihr habt meinen Artikel gelesen?", stelle ich die Frage, auf welche ich die Antwort bereits kenne. Sie lesen alle meine Artikel.
"Natürlich. Das weißt du doch. Wir lesen alle deine Artikel." Sag ich doch.
"Und, wie ist deine Meinung zu dem Buch? Hast du es gelesen?" Jordan liest fast alles was ich rezensiere. Und oft geraten wir in ein Streitgespräch über den Plot oder Schreibstil. Wir sind nicht immer einer Meinung. Aber das ist gut so wie es ist. Es ändert nichts an unserer bedingungslosen Freundschaft.
"Nein. Nach deiner doch eher ernüchternden Kritik landet es nicht auf meiner Wunschliste." Meine Ablenkungstaktik funktioniert hervorragend. "Und wehe Bennett schenkt mir das Buch zu Weihnachten. Halte ihn davon ab. Such ihm bitte etwas anderes heraus. Drama wäre mal wieder schön." Ich setze seinen Wunsch auf meine imaginäre Liste.
"Und deinen Ablenkungsversuch habe ich bereits bemerkt. Was ist los Lewis? Warum versteckst du dich?" Das einzige Problem an unserer langen innigen Freundschaft ist, dass Jordan mich schnell durchschaut. Würde er jetzt vor mir stehen, hätte er bereits alle Details von meiner Nacht mit Drew in meinem Gesicht gelesen. Keine Ahnung wie er das macht. Aber er kann das.
Ich räuspere mich und fahre mir durch die Haare. Die gerunzelte Stirn und zusammengezogenen Augenbrauen von Jordan sehe ich deutlich vor mir.
"Wie läuft es mit Andre? Gibt es Probleme?"
"Andrew. Er heißt Andrew. Oder einfach nur Drew", sage ich seufzend.
"Na schön. Drew." Die Endung wird besonders betont und gerade verfluche ich sein Leben als Pädagoge. "Ich warte", sagt Jordan mahnend. "Du erwischt mich in einem ungünstigen Moment. Heute ist das alljährliche Barbecue bei meinem Boss. Du weißt schon, Steaks für die Männer und Salate für die Frauen."
"Bier und Cocktails. Ich war schon mal mit dir zusammen da. Komm auf den Punkt Sutton. Ach warte, Hurst. Darüber reden wir gleich noch." Daher weht also der Wind.
"Süßer ich bin spät dran. Geplant war, dass ich gemeinsam mit Drew zu dieser Veranstaltung gehe. Aber er verspätet sich, hat noch immer das Problem mit dem Kleiderschrank. Das beschäftigt ihn sehr, jede Nacht wälzt er sich unruhig auf dem Sofa hin und her und ich höre ihn leise murmeln. Wie du weißt, arbeite ich gerne Nachts und da Drew jeden Tag aufsteht wenn andere erst ins Bett gehen, ist mir das natürlich nicht entgangen. Von seinen verräterischen Augenringen mal ganz zu schweigen." Während ich Jordan mit diesen Dingen zu schwafele, sortiere ich die Notizen für meinen nächsten Artikel und fahre meinen Laptop herunter. Natürlich ist nicht Drew an meinem zu spät kommen Schuld. Er hat sich rechtzeitig gemeldet und entschuldigt, dass er sich verspätet. Ich schickte ihm die Adresse und vertiefte mich wieder in meine aktuelle Lektüre. Im Gegensatz zu dem vorherigen Buch ist dieses hier extrem spannend und ich frage mich, wann Myles endlich checkt, dass Glenn die Liebe seines Lebens ist. Lange hat mich kein Buch so gefesselt wie dieses und der Titel 'Burning Love' ist wirklich zutreffend. Meine veranschlagten Wörter, die ich wöchentlich abliefern muss, werde ich wohl deutlich überschreiten. Immer wieder mache ich mir Notizen für meine Rezension. Darüber habe ich die Zeit vergessen und nun bin ich im Stress.
"Lewis warte, ich kann dir nicht mehr folgen. Kleiderschrank?", fragt Jordan verwirrt. "Ja. Einbaukleiderschrank. Viele Winkel. Kleine Ecken. Sehr schwierig."
"Okay. Warum schläft Drew auf dem Sofa und nicht du?" Das ist eine berechtigte Frage. Und eine einfache Antwort.
"Weil Drew das nicht möchte. Er fühlt sich wie ein Eindringling und will nicht auch noch mein Schlafzimmer übernehmen. Es ist nur eine Ehe auf Zeit. In elf Monaten sind wir wieder geschieden." Zustimmendes Brummen von Jordan und dann Stille. Stille bei Jordan ist nie gut. "Jetzt sag schon." fordere ich ihn auf und prompt prasselt es aus ihm heraus.
"Alter bist du noch ganz bei Sinnen? Warum schreibst du Lewis Hurst unter deinen Artikel? Bist du so scharf darauf, dass jeder mitbekommt das du geheiratet hast? Und was ist mit Kyle? Hast du mal an ihn gedacht? Bitte verstehe mich nicht falsch, ich finde auch nicht gut was er getan hat. Aber wenn er das rausbekommt, brichst du ihm endgültig das Herz."
Hastig eile ich aus dem Haus und werfe mich in das bestellte Taxi. Jordans Tirade lasse ich über mich ergehen, sage dem Fahrer nebenbei die Adresse und versuche den Gurt zu schließen. Mit einer Hand nicht so einfach wie man denken möge.
"Fuck. Das ist ein scheiß", murmele ich und Jordan verstummt.
"Sorry. Ich bin im Taxi und versuche den Gurt zu schließen. Aber ich habe dir zugehört. Es ist jetzt so. Die Personalabteilung wusste es ja eh schon. Ich habe gar nicht groß darüber nachgedacht."
"Dein Ehemann muss unter höllischen Rückenschmerzen leiden. Dein Sofa ist nicht zum Schlafen geeignet. Eine Nacht hat mir gereicht." Vor sechs Monaten hatten meine beiden besten Freunde eine Meinungsverschiedenheit. Es dauerte nicht lange und die Sehnsucht nacheinander war stärker als der Groll. Keiner von beiden ist nachtragend, zum Glück für ihre Beziehung.
"Ich habe mich bereits um seinen malträtierten Körper gekümmert. Drew war sehr dankbar", sage ich unbekümmert.
"Aha." Und bereue es im nächsten Augenblick. "Ihr hattet Sex", sagt Jordan und ich schlucke trocken.
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