Scars
Leise öffnet sich die Tür und Ella tritt heraus. Mit einer schnellen Bewegung lässt sie die Tür in's Schloss fallen und macht zwei Schritte auf den Rasen. Es ist noch dunkel und die Luft ist klirrend kalt. Sie bleibt stehen und atmet tief ein. Leise knirscht es unter ihren Füßen, denn der erste Frost, der den Wintereinbruch ankündigt, ist bereits da. Sie liebt diese Jahreszeit, wenn es so still und dunkel ist. Die Dunkelheit ist wie ein guter Freund für sie. Sanft hüllt sie Ella ein und verbirgt sie vor den zahlreichen neugierigen Blicken. Sie geht weiter. Bei jedem Atemzug stößt sie kleine Atemwölkchen aus. Sie sieht ihnen zu wie sie sich langsam auflösen und wünscht sich, sie wäre ein Teil davon, würde sich in der Luft verlieren und könnte ihre Konturen bis zur Unkenntlichkeit verschwimmen lassen. Sie seufzt und beschleunigt ihre Schritte. Langsam kommt die Bushaltestelle in Sicht. Als sie ankommt, setzt sie sich auf eine Bank und zieht ihre Mütze tiefer ins Gesicht. Ihr Blick fällt auf ihre Uhr: 7:20 Uhr zeigt sie an „Noch 15 Minuten“, denkt sie „Dann wird der Horror beginnen“. Als der Bus schließlich vorfährt, steigt sie schnell ein hält den Blick aber weiterhin auf den Boden gesenkt. Sie spürt die vielen Blicke auf sich liegen und wünscht sich wieder einmal, sie könnte verschwinden oder wenigstens unsichtbar werden, aber die Narbe wird sie immer auffallen lassen. Besagte Narbe, zieht sich einmal über ihre ganze linke Gesichtshälfte. Aber nicht die ganze ungewollte Aufmerksamkeit, die sie aufgrund der Narbe bekommt, ist dass schlimmste daran, sondern an was sie die Narbe tagtäglich erinnert. Jedes Mal wenn sie in den Spiegel sieht, muss sie an diesen einen Tag zurückdenken. Der Tag, an dem ihr Vater und ihr Bruder um's Leben gekommen waren. Sie hatte als einzige diesen schrecklichen Unfall überlebt und dieses Gefühl der Schuld würde sie nie loslassen. Vielleicht hätte sie ihren Bruder retten können. Was wäre, wenn sie anstatt seiner gestorben wäre? Hat sie es überhaupt verdient zu leben, wenn doch ihr Vater und ihr Bruder gestorben waren? Gedanken wie diese, schießen ihr in solchen Momenten immer durch den Kopf. Ein Gong ertönt und reißt Ella aus ihren Gedanken. „Gymnasium am Rosenhain“, ertönt eine automatische Stimme. Schnell packt Ella ihre Sachen zusammen und macht sich ausstiegsbereit. Kurz darauf öffnen sich die Türen und sie steigt aus. Schnellen Schrittes hastet sie über den Schulhof. Doch nicht schnell genug! „Hey Scarface“, hört sie Linda's Stimme über den Schulhof schallen. Ruckartig bleibt Ella stehen und dreht sich in die Richtung, aus der Linda's Stimme gekommen war. Gemächlich schlendern Linda, Victoria und Marissa auf sie zu. Sie senkt den Kopf, denn sie weiß was jetzt kommt. Mit schiefgelegtem Kopf bleiben Linda und ihre Freundinnen vor ihr stehen. „Sind eigentlich alle Spiegel in deinem Haus verhüllt?“, fragt Linda spöttisch und setzt hinzu: „Oder wie kannst du deine Hässlichkeit sonst ertragen?“ Mit gesenktem Kopf und ausdrucksloser Miene lässt Ella all die Beleidigungen von Linda über sich ergehen. Auch als die Mädchen anfangen, sie herumzuschubsen, verzieht sie keine Miene. Schließlich hat sie dass ja verdient. Dass weiß sie doch. Trotzdem bohren sich alle Worte direkt in Ella's Herz und lassen es wie jeden Tag in tausend Teile zerbrechen. Als die Mädels endlich fertig sind, sitzt Ella zusammengekauert in einer Ecke. Ohne nachzuschauen, weiß sie, dass die Mädchen ihre Blaue-Flecken-Sammlung um einige neue Exemplare erweitert haben. Eine einzelne Träne rollt über ihre Wange. Hastig wischt Ella sie weg und steht auf. Vorsichtig setzt sie einen Fuß vor den anderen, darauf bedacht möglichst nirgendwo gegen zu stoßen um ihren Körper ein wenig zu schonen. Ein trauriges Lächeln schleicht sich auf ihr Gesicht. Ja, normal ist wohl für jeden etwas anderes. Menschen bewerten nach Maßstäben. Passt jemand nicht in ihre Maßstäbe rein ist er nicht normal. Dabei vergessen viele, dass ihr Maßstab nicht maßgeblich für alle anderen ist, da von jedem die Hintergrundgeschichte anders ist. Dass zeigt wohl am besten, dass wir Menschen denken, dass sich immer alles nur um uns dreht, nicht wahr?
......................................................................
I don't know what to say. I'm so tired of watching all the crime in this world. It's so unfair and I feel so helpless...
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro