Z w e i
„Will, sie braucht ihre Ruhe..." Megan...
„Aber sie war doch schon wach! Ich kann dann doch bei ihr bleiben..." Es war ein Mann der sprach. Ich kannte ihn nicht. Wer war Will?
„Nicht... Will, nein!"
Die Stimmen drückten sich durch die schwarze Watte, in die meine Sinne eingehüllt waren und ließen mich wacher werden. Aber ich wollte nicht meine Augen öffnen.
„Ich bleibe hier."
„Der Arzt sagt aber, dass..."
„Es ist mir so was von scheiß egal was dieser Arzt sagt..."
Die Stimmen waren näher. Lauter. Unangenehmer.
Ich hörte, wie ein Stuhl über den Boden geschoben wurde und sich jemand neben mir hinsetzte. Sein Atem neben mir dröhnte mir in meinen Ohren und genau das machte mich nervös.
„Hey, ich bin jetzt da, du kannst aufwachen. Ich bin da..." Jemand nahm meine Hand und strich über meinen Handrücken.
Die Hand war groß und heiß und am liebsten hätte ich sie weggerissen.
Wer war es?
Ich hatte Angst davor, meine Augen zu öffnen und damit konfrontiert zu werden.
Was wäre, wenn dies der Verlobte war, von dem Louis geredet hatte?
Louis.
Wo war Louis?
„Sie brauch ihre Ruhe, Will. Der Arzt hat etwas von einer möglichen Amnesie gesprochen und..."
„Warum redet der Arzt mit dir darüber und nicht mit mir? Du bist doch gar nicht mit ihr verwandt..." Seine Stimme war genervt. Er sollte gehen, damit ich meine Ruhe wieder hatte.
Denn ich musste mir doch Gedanken über Louis machen...
„...Weil du ihm nie zu gehört hast...." Megans Stimme war ruhig. Sie brachte mich zum Entspannen und leise atmete ich ein. Sie kannte ich. Oder habe ich zumindest gekannt.
Als ein Finger meinen Arm berührte, zuckte ich jedoch zusammen.
„Eleanor? Megan, sie ist wach!"
Ein weiteres Mal strich mir jemand über den Arm und löste somit eine Gänsehaut aus. Seine Finger waren heiß im Vergleich zu meiner Haut. Viel heißer und kälter als es in der Schneelandschaft hätte möglich sein können.
Langsam öffnete ich meine Augen, die Sicht verschwand, bevor sich alles wieder zu einem Bild zusammenschob.
„Eleanor..."
Vorsichtig drehte ich meinen Kopf zu ihm um.
„Hey..."
Zuerst sah ich die Tränen in seinen Augen. Fasziniert beobachtete ich, wie sie wie kleine glitzernde Kristalle aus seinen blauen Augen die Wange herunter kullerten.
Er hatte braune Haare.
Aber sie waren kürzer, als die von Louis.
Sein Gesicht war breiter.
Seine Hand auf meiner größer.
Er war nicht Louis.
„Hey, Ellie... Wie- wie geht es dir?" Seine Stimme war dunkler.
Langsam wanderte mein Blick von seinem Gesicht zu Megan, die an der Tür stand und gespannt das Szenario beobachtete.
„Mein Kopf tut weh.." flüsterte ich nur, völlig überfordert damit, was er von mir erwartete.
„Okay, okay, das bekommen wir wieder hin. Ich werde jemanden Bescheid geben..." Er schüttelte seinen Kopf und zaghaft fing er an zu lächeln. „Ellie... Du weißt gar nicht, was für Sorgen ich mir gemacht habe..." Seine Hand ließ meine nicht los und als er sich zu mir herunterbeugen wollte, zuckte ich zusammen.
Was wollte er?
Er lehnte sich wieder zurück und eine Falte erschien auf seiner Stirn.
Wollte er mich küssen?
Mein Herzschlag beschleunigte sich ins unermessliche und ich zog meine Hand aus seiner.
„Ellie, was hast du?" Er klang verwirrt, doch ich schüttelte nur meinen Kopf und wendete meinen Blick ab.
Warum konnten sich alle an die Momente mit mir erinnern, die ich selbst vergessen hatte?
„Eleanor..." Etwas in seiner Stimme brachte mich dazu, wieder zu ihm zu schauen. „Eleanor, du weißt aber schon, wer ich bin, oder?"
Und das war die Frage, die mich wie ein Faustschlag traf, mir all die Luft aus meinen Lungen presste und mich am Boden zurück ließ.
Denn ich wusste keine Antwort darauf.
Verzweifelt sprang mein Blick von seinem einen Auge zu seinem anderen. Beide sahen mich erwartungsvoll an, voller Hoffnung legte er mir wieder die Hand auf meinen Arm. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Megan langsam näher kam.
„Ellie..." Seine Stimme wurde immer leiser und langsam schüttelte ich meinen Kopf.
Ich sah es.
Ich sah, wie etwas in seinen Augen starb.
„Nein..." hauchte ich und räusperte mich. „Nein, es- es tut mir leid..." Meine Stimme zitterte und für ein paar Sekunden war es still, bis dieser junge Mann, der nicht Louis war, so plötzlich vom Stuhl aufsprang, dass dieser nach hinten umkippte.
Das metallische Klappern dröhnte mir in den Ohren, genauso wie Megans überraschend Stimme: „Will! Wo willst du hin?"
Er - Will - fuhr sich mit einer Hand durch seine Haare, während er wie wild im Raum umher lief.
„Sie erinnert sich nicht. Sie erinnert sich nicht an mich! Ich hol einen Arzt... Sie müssen doch etwas dagegen tun können..." Er stürmte zur Tür, Megan rannte ihm hinterher und griff ihn am Arm.
„Will!"
„Nein, Megan. Ich hole einen Arzt..." Will warf mir einen Blick zu und automatisch zuckte ich zusammen. Er klang verzweifelt und wütend zu gleich und ich wusste nicht, wie ich dies zuordnen sollte.
Ich wollte keinen Arzt. Ich wollte keine Fragen beantworten müssen, die ich nicht beantworten konnte.
Ich wollte nur meine Ruhe haben.
„Ich muss mit dir reden, Will... Vor der Tür." Megan warf mir einen aufmunternden Blick zu und meinte: „Ich komme gleich wieder. Versuche etwas zu schlafen, Eleanor. Wir sind bei dir..."
Dann schob sie den aufgelösten Will vor sich aus der Tür und erneut zuckte ich zusammen als diese klappernd ins Schloss fiel.
Doch ich schlief nicht. Durch das kleine Fenster, das den Blick zum Flur freigab, konnte ich Megan und Will erkennen, die etwas diskutierten. Beide machten während des Sprechens ausladende Handbewegungen und nicht nur einmal zeigte Megan mit ihrem Zeigefinger geradewegs zu mir. Und dann kam der Moment, in dem Wills Blick auf meinen traf.
Für ein paar Sekunden hielten wir den Blickkontakt, dann riss er sich los, schüttelte den Kopf und richtete noch ein paar Worte an Megan, bevor er mit schnellen Schritten aus meinem Sichtfeld verschwand.
Ich wusste nicht, ob es Sekunden oder Minuten waren, die es brauchte, bevor Megan klappernd wieder in mein Zimmer geschlüpft kam.
„Du solltest dich ausruhen, Eleanor."
Ohne auf ihr Gesagtes einzugehen fragte ich kurzerhand: „Wer war er?"
Megan erstarrte, ihre Mundwinkel zogen sich noch etwas weiter nach unten, bevor sie leise aufseufzte und den Stuhl wieder richtig hinstellte.
„Weißt du es wirklich nicht?"
Sie setzte sich hin und musterte mich nachdenklich.
Ich schüttelte jedoch langsam meinen Kopf. Warum sollte ich es mir ausdenken? Warum sollte ich so tun, als hätte ich ihn vergessen?
Megan blieb lange Zeit still, bevor sie erneut leise aufseufzte und sich dem kleinen Nachttisch zuwendete, der neben meinem Krankenhausbett stand.
„Weißt du, Eleanor..." fing sie an, während sie eine Schublade aufzog und in ihr herumkramte. „Ich erinnere mich genau an diesen Moment..." Sie zog etwas Schmales hervor und legte es in meine offene Handfläche, bevor sie meine Hand um den Gegenstand zu einer Faust zusammenschloss. Es drückte kühl und schmal gegen meine Haut. Sie ließ meine Hand los und schenkte mir ein trauriges Lächeln, bevor sie fortfuhr:„... und niemand, besonders nicht du, hat es verdient, dies zu vergessen."
Langsam öffnete ich meine Hand.
Mein Verlobungsring strahlte mir entgegen.
Es brauchte keine Worte um zu verstehen, was dies zu bedeuten hatte.
Es brauchte keine Erklärungen um zu verstehen, was ich vergessen hatte.
-
(13.07.2015 - Widmung geht an @homebodyathome :))
Will ist daaaa! Was haltet ihr von ihm?
Die nächsten Kapitel werden wieder etwas länger (:
Alles Liebe, xx
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