19. Mätressenzeit
KAPITEL 19
Mätressenzeit
Sonntag, 13. November 1977
»»——⍟——««
ES WAR FAST WIE AN DEM UNHEILVOLLEN SONNTAG VOR EIN PAAR WOCHEN, ALS JAMES IN DEN SOMMERFERIEN STOLZ VON LILYS BRIEF ERZÄHLT HATTE. Sie alle — James, Sirius, Peter, Vanessa und Maggie — saßen wach, plaudernd und topfit im Gemeinschaftsraum, während Remus verschlafen und zerzaust die Treppe herunterkam, kaum in der Lage, seine grünen Augen offen zu halten.
„Morgen", murmelte er lieblos und ließ sich neben Peter und James auf die Couch fallen.
„Morgen", trällerte James, der den Verlust des Quidditch-Spiels gestern scheinbar überstanden hatte, während Vanessa auf den Tisch deutete.
„Ich hab dir ein Sandwich gemacht und mitgehen lassen", sagte sie, was Remus mit einem Geräusch kommentierte, das seinem Hunger Ausdruck verleihen sollte.
„Du bist die Beste", entfuhr es ihm, während er die Serviette von dem Toast wickelte, mit dem sie sich in der Großen Halle solch eine Mühe gegeben hatte.
„Das mache ich doch gerne für dich", übertrieb Vanessa mit einem Grinsen.
Sirius verschränkte die Arme. „Sülzt mal nicht immer so miteinander rum", beschwerte er sich, was ihm ein Augenrollen von Vanessa einfing.
„Wie wäre es, wenn du auch mal ein bisschen charmanter zu mir wirst?"
„Ich?", wiederholte Sirius angegriffen. „Ich bin so charmant wie niemand anderes in diesem Schloss."
James sah aus, als würde er nicht so ganz zustimmen, sagte aber nichts.
„Was hast du eigentlich so lange gemacht, Moony?", fragte Sirius mit seiner üblichen Neugier weiter. „Es war halb drei, als du hochgekommen bist."
Remus, der gestern als letzter im Gemeinschaftsraum geblieben war, bevor er zu Darjana gegangen war, zuckte unschuldig mit den Schultern. „Ich bin hier eingeschlafen", erklärte er, während er sein Frühstück verschlang wie ein hungriger Wolf. Kein guter Vergleich, dachte Vanessa sofort ironisch.
„Du hast die Ravenclaws beim Frühstück verpasst", merkte James mit einem unheilvollen Grinsen an.
„Ach wirklich?", fragte Remus ohne jegliche Gefühlsregung zurück.
„Jup." James schob seine Brille zurück. „Amaya hat mich angelächelt."
Remus sah nur kurz zu ihm auf. „Die von gestern?", fragte er. „Was hat eigentlich gegen sie gesprochen bei eurem grandiosen Verkupplungsplan?"
„Du bist nicht in ihrer Liga, Moony", antwortete Sirius anstelle von Vanessa oder James. Sofort stieß ihm seine Freundin in die Seite.
„Charmant, Sirius", zischte sie, woraufhin Sirius genervt aufstöhnte.
„Ich dachte, nur zu dir", murmelte er, während James zu Remus sah.
„In den Sommerferien hatte sie noch einen Freund", erklärte er, bevor er grinste. „Aber wie wir sehen, bin ich ja sowieso eher ihr Typ."
„Dieses Wochenende ist Hogsmeade-Wochenende", warf Peter völlig ohne Kontext ein — zumindest dachte Remus, dass es ohne Kontext wäre, bis er den roten Faden erkannte.
„Nein", entgegnete er sofort. „Leute—"
„Komm schon, du meintest doch, sie ist nett", beschwerte sich James.
„Ja, Remus, du hast doch gesagt, man kann sich mit ihr unterhalten", warf Maggie grinsend ein.
Remus sah zu ihr. „Du hältst dich da raus."
Sie lächelte weiterhin unschuldig.
„Ich kenne Zara kaum. Ich meine, ich weiß, dass sie zeichnet... und..."
„Sie mag Kräuterkunde", warf Peter ein.
„Sie mag Kräuterkunde", wiederholte Remus. „Aber sonst weiß ich doch kaum was über sie."
„Ähm", begann Sirius langsam. „Ja... Deswegen geht man zusammen nach Hogsmeade." Er lehnte sich zu Vanessa und flüsterte: „Er ist echt ein hoffnungsloser Fall."
Vanessa verengte die Augen, während sie Remus musterte. Wie er dort saß, so ungerührt und normal wie immer... Irgendwie zu normal, vor allem nachdem er nachts angeblich eingeschlafen war. „Ich glaub nicht, dass er so hoffnungslos ist", wisperte sie zurück.
„Leute, ihr erinnert euch, dass ich ein ziemlich gutes Gehör habe, oder?", fragte Remus die beiden kopfschüttelnd.
„Stimmt, die Wolföhrchen." Vanessa seufzte.
„Was?", fragte Maggie verwirrt und plötzlich drehten sich alle zu ihr um, als hätten sie jetzt erst realisiert, dass sie nicht nur dort saß, sondern auch, dass sie nie in sein Geheimnis eingeweiht worden war.
Remus atmete tief durch und warf Vanessa einen vorwurfsvollen Blick zu, der jedoch nicht ganz ernst gemeint war. Jetzt war es schon das zweite Mal, dass Vanessa einen Werwolf-Witz machte und dadurch jemand davon Wind bekam... Wobei er ihr den ersten Patzer im Moment gar nicht so übel nahm, wenn er an die letzte Nacht dachte. Vanessa verzog entschuldigend das Gesicht.
Kurz schaute er sich im Gemeinschaftsraum um, bevor er zu Maggie sah und mit den Schultern zuckte. „Na ja...", begann er.
„Du—?", fragte Maggie und Remus nickte.
James verfolgte das Ganze mit angespannter Miene, während Vanessa wusste, dass Maggie vermutlich kein großes Drama daraus machen würde. Zauberer wuchsen mit Vorurteilen über Werwölfe auf, aber wenn man jemandem Muggelstämmigen verkündete, ein Werwolf zu sein, musste das wohl kein großer Schock für sie sein, nachdem sie vor ein paar Jahren erst von Zauberei erfahren hatten. Da waren Werwölfe keine große Steigerung.
„Das erklärt einiges", murmelte Maggie schließlich. Remus, der ein wenig nervös gewirkt hatte, brachte daraufhin ein Lächeln zustande.
Trotzdem fühlte sich Vanessa den ganzen Mittag über furchtbar deswegen und suchte nach einer Gelegenheit, Remus abzufangen, ohne dass James oder Sirius dabei waren. So etwas konnte sich immer als schwierig gestalten, aber als Remus nach dem Mittagessen sagte, dass er in die Bibliothek gehen würde, konnte Vanessa perfekt die Ausrede nutzen, das Buch zurückzubringen, das seit Ewigkeiten in ihrer Tasche vergammelte. Da sie ihnen sagte, dass sie bald zurück wäre, dachten sich die anderen also nicht viel dabei, als sie Remus folgte, kurz nachdem er die Große Halle verlassen hatte. „Reeemus", rief Vanessa theatralisch, um ihn auf sich aufmerksam zu machen, doch bevor er sich umdrehen konnte, war sie ihm schon auf den Rücken gesprungen, rutschte aber sofort wieder ab und lief stattdessen neben ihm her. Er warf ihr einen Blick zu.
„Ja?", fragte er mit einem ähnlichen spannungsvollen Tonfall wie sie.
„Es tut mir leid wegen heute Morgen", sagte sie sofort und zog einen Schmollmund. „Ich hab ganz vergessen, dass Maggie es nicht wusste — ich hab nicht mehr drüber nachgedacht..."
„Ist schon gut", antwortete Remus gutmütig. „Sie ist deine beste Freundin und ich kenne sie ja auch schon ewig. Es war sowieso eine Frage der Zeit, bis sie es erfährt."
Trotzdem seufzte Vanessa. „Wegen mir haben wir aber schon das ganze Chaos mit Darjana..."
Es dauerte keine Sekunde, bis sich auf die Erwähnung ihres Namens ein Lächeln auf sein Gesicht legte. Vanessa runzelte die Stirn.
„Ach", entgegnete er leichthin. „Dafür müsste ich dir eigentlich danken."
„Oh, sie ist also so gut, ja?" Vanessa hob die Augenbrauen, was ihr einen vorwurfsvollen Blick von Remus einfing, der ihr in die Seite stieß. „Oder warum warst du heute erst um drei Uhr zurück?"
„Okay, erstens war ich um halb drei zurück und zweitens..." Er atmete angestrengt durch. „Denk dir was aus."
„Triffst du dich mit ihr oder gehst du wirklich in die Bibliothek?"
„Glaub es oder nicht, aber ich gehe wirklich in die Bibliothek", entgegnete er. „Was ist mit dir?"
„Ich hab den anderen gesagt, ich muss ein Buch zurückbringen, aber ich will sonntags echt nicht in der Bibliothek rumhängen, also... Kannst du es vielleicht zurückbringen? Ich würd wieder gehen, wenn's okay ist."
Remus schüttelte nur grinsend mit dem Kopf, als er ihr das Buch aus der Hand nahm und in seiner Tasche verstaute. „Geh ruhig", meinte er und Vanessa, die sich immer noch schlecht aber immerhin ein kleines bisschen besser fühlte, drehte sich wieder um. Remus lächelte immer noch, als er weiterlief, und versank so in Gedanken, dass er erst bemerkte, dass die schnellen Schritte hinter ihm von Darjana stammten, als sie schon neben ihm ankam. Er hatte sie nicht am Slytherin-Tisch gesehen, aber scheinbar war sie doch da gewesen.
„Hey", sagte sie ein wenig außer Atem.
„Hey", gab Remus zurück, wobei er versuchte, möglichst normal und beiläufig zu klingen. Manchmal hatte sie diesen Blick, fast so, als hätte sie Mitleid mit ihm dafür, dass er so sentimental war und ihr wie ein liebestolles Hündchen hinterher lief. Wenn das hier alles so locker sein sollte, dann würde auch Remus locker sein — ja, das könnte er schaffen. Schließlich war er es nicht gewesen, der sie gerade in der Großen Halle gesucht und ihr nachgegangen war, im Gegenteil: Sie war es gewesen, die ihm folgte. Vielleicht war das ein gutes Zeichen.
Trotzdem schien es ihr nicht wirklich aufzufallen und sie fragte stattdessen: „Wohin gehst du?"
„In die Bibliothek", antwortete er. „Ich will den Aufsatz für Verteidigung schreiben, ich hab's ein bisschen zu sehr aufgeschoben."
„Aufsatz?", wiederholte Darjana und verzog das Gesicht. „Wir mussten einen Aufsatz schreiben?"
„Darjana", sagte Remus mit einem kleinen Vorwurf in der Stimme. „Ja."
Sie verdrehte die Augen. „Wenn ich Lehrerin wäre, würde ich nie Hausaufgaben geben."
„Na ja, ich schon", erwiderte er. „Nicht mehr als nötig, aber als Vorbereitung kann es nicht schaden. Vor allem für uns mit den UTZ."
„Bla bla", gab Darjana trocken zurück. Remus schüttelte mit dem Kopf, bevor sie vorschlug: „Ich, ähm, kann ja mitkommen. Zur Bibliothek."
„Klar, warum nicht", antwortete er leichthin und da konnte er sehen, dass sich etwas in Darjanas Blick änderte. Er wusste nicht, was sie erwartet hatte: Dass er erröten würde und ein Ja hervorstammelte? Sie wirkte zumindest verdutzt.
Bis sie in der Bibliothek ankamen, sagte sie nichts und für einen kurzen Moment fühlte Remus sich schlecht. Aber für was überhaupt?, dachte er daraufhin. Er verhielt sich schlichtweg normal, so wie sie es wollte, ohne Gefühle, die über Freundschaft und Anziehung hinausgingen.
Remus wusste nicht so recht, ob und was er sagen sollte, deswegen entschloss er sich, ebenfalls zu schweigen. War es zu glauben, dass die Stimmung zwischen Mary und ihm nach ihrem ersten Mal noch unangenehmer gewesen war?
Er folgte Darjana einfach, als sie gedankenverloren zu dem Platz ging, auf dem sie vermutlich immer saß. Es fühlte sich fast so an, als hätte sie vergessen, dass er überhaupt da war.
„Okay, bei dem Aufsatz ging's um die effektivsten Verteidigungszauber und die Frage, ob und wann sich eine defensive oder aggressive Taktik eher anbietet, richtig?", fragte Darjana plötzlich, als sie sich hinsetzte und dabei kaum zu Remus aufsah.
„Ja, genau", gab er zurück und setzte sich neben sie, während er seine Tasche ablegte und sich durch die Haare fuhr.
„War das bis Mittwoch oder Freitag?"
„Freitag."
„Hm", gab Darjana zurück. „Vielleicht können wir nur drüber reden und schreiben das ein andermal?"
„Lass mich raten: Am Donnerstag?" Remus unterdrückte den Impuls, scherzhaft die Augen zu verdrehen. Das war ja fast wie mit Sirius.
„Nein, da kann ich nicht", antwortete Darjana jedoch ernst und Remus hob die Augenbrauen.
„Was hast du denn vor?"
Es war ihr Geburtstag. „Zeit mit mir selbst verbringen", antwortete sie dennoch schlicht.
„Okay..." Remus betrachtete sie für einige Augenblicke, bevor er mit den Schultern zuckte. „Was würdest du denn schreiben?"
„Dass Theorie übers Kämpfen Bullshit ist." Damit schien das Thema für sie beendet.
Er atmete tief durch. „Soll das dein Aufsatz werden?"
Mit einem Augenrollen sah sie zu ihm auf. „Sei doch mal ehrlich: Wenn mich ein Todesser angreifen würde, würde ich doch auch nicht mehr denken ‚Oh, welch Verteidigungszauber wäre wohl der effektivste, trallala'. Wenn ich angegriffen werde, verteidige ich mich; wenn ich ihn ausknocken will, bin ich aggressiv. Da gibt's nicht viel zu diskutieren — und wenn ich zu lange über effektive Zaubersprüche nachdenke, bin ich tot, Ende."
Es war unmöglich für Remus, ein kleines Lächeln zu unterdrücken, als er das hörte. „Stimmt schon", gab er zu. Eigentlich stimmte es sogar ziemlich. „Aber ein bisschen Theorie ist schon wichtig."
„Attaway denkt, wir sind genauso zerbrechlich wie er und hat deswegen Angst, uns Praxis machen zu lassen — ich wünschte, Binns würde uns mal Aufsätze schreiben lassen, da hätte ich was zu sagen."
„Du magst Geschichte wirklich, oder?", stellte Remus fest.
„Lupin, hörst du mir eigentlich je zu?" Darjana schüttelte mit dem Kopf. „Geschichte und Politik finde ich interessant."
„Stimmt."
„Ich lese gerade ein ziemlich interessantes Buch über die sozialen Reformen in den 60ern, vor allem über den Kampf für mehr Rechte für Muggelstämmige und mehr Verständnis für Muggel. Hast du Die Philosophie des Weltlichen: Warum die Muggel es lieber nicht wissen wollen mal gelesen?"
Remus hatte sie noch nie über etwas reden hören, dass sie wirklich so sehr zu interessieren schien wie Geschichte. Es gefiel ihm. So sehr, dass er fast vergaß zu antworten. „Ähm, nein. Aber mein Dad hat es Zuhause. Ich weiß nicht mal, ob er es gelesen hat, aber meine Mum fand es ziemlich amüsant", erzählte er, bevor er schnell zur Erklärung hinzufügte: „Sie ist ein Muggel."
„Das muss cool sein", stelte Darjana fest. Auf Remus' Stirnrunzeln fuhr sie fort: „Etwas von beiden Welten mitzubekommen."
„Oh." Darüber hatte er nie so wirklich nachgedacht. „Na ja, meine Mum ist grundsätzlich ziemlich cool."
Darjana lächelte, als sie das hörte. Er hoffte, es war nicht seltsam, dass er so etwas über seine Mutter sagte. Auch wenn es stimmte.
„Ich weiß nur, dass Mordicus Egg mit seinem Buch ziemlich für Kontroversen gesorgt hat", fuhr er fort.
„Hat er", stimmte Darjana zu. „Es war das erste Mal, dass jemand Muggel nicht als dumm hinstellt, sondern fast schon bewundernd erzählt, wie sie so gut für alles Erklärungen finden, dass sie Magie schlichtweg nicht wahrnehmen. Und diese ganzen Bewegungen, die darauf gefolgt sind — für Muggel, Muggelstämmige und andere Minderheiten — sind gerade jetzt interessant, finde ich."
„Warum?", fragte Remus interessiert.
„Na ja, Nobby Leach war ja der erste muggelstämmige Zaubereiminister, den wir je hatten", begann sie. „Und als er seinen Posten so abrupt verlassen hat, angeblich wegen seiner Gesundheit, gab es Gerüchte, dass es Abraxas Malfoy war, der dafür gesorgt hat. Die ganzen Bewegungen haben die Reinblüter total aufgeregt — erst Muggelstämmige, dann Squibs und auch noch Werwölfe — sie haben sich total bedroht gefühlt. Und da kam Du-weißt-schon-wer... Voldemort... gerade zum richtigen Zeitpunkt."
Remus stützte sein Kinn auf einer Hand ab und dachte eine Weile darüber nach. Das war tatsächlich plausibel. „War das das Buch, was du letztens gelesen hast?"
„Ich weiß nicht, wie intensiv du mich gestalkt hast und welches Buch du meinst", scherzte Darjana.
„Als ich letzten Montag zu dir kam", meinte Remus, ohne genauer darauf einzugehen.
„Möglich."
Remus sah kurz nachdenklich auf seine Tasche, die immer noch vor ihm auf dem Tisch lag. Er wusste nicht, ob das mit dem Aufsatz heute noch etwas werden würde. „Hast du eigentlich das Buch angefangen, das ich dir gegeben hatte?"
Als er Darjanas schuldbewussten Blick sah, kannte er die Antwort. „Ich habe angefangen", sagte sie langsam und seufzte. „Und es ist ja nicht anstrengend geschrieben oder so, aber dieses ganze Moralding am Ende vom ersten Kapitel hat mich irgendwie genervt — und ich lese eigentlich nicht so viel. Wenn dann Sachbücher. Oder Bestseller, die kritisiere ich gerne."
„Dann kritisiere diesen Bestseller aus dem 19. Jahrhundert", gab Remus zurück. Sie verdrehte die Augen. „Außerdem hat er doch gesagt, dass er die moralische Belehrung weglässt."
„Nein, er hat gesagt, er überlässt es dem Leser, die richtigen Schlüsse zu ziehen, weil er es nicht für nötig hält, es anzudeuten. Und wer ist er überhaupt? Der Erzähler? Margerete ist doch der Hauptcharakter, aber der Typ, aus dessen Sicht das ist, ist jetzt in ihrem Haus, weil sie tot ist und ihre Sachen versteigert werden. Und er kannte sie ja nicht. Ich dachte, sie wäre die Nutte, die mit dem reichen Typ zusammenkommt."
„Sie ist eine femme entretenue", korrigierte Remus sie.
„Da war ich auch schon raus, ich kann kein Französisch", sagte sie genervt.
„Ich habe auch Sirius gefragt und es heißt so viel wie ausgehaltene Frau."
Darjana hob eine Augenbraue.
„Eine Frau, die ein sehr schönes Leben bezahlt und finanziert bekommt gegen gewisse... Dienste."
„Schatzi, du weißt, was eine Nutte ist, oder?", fragte Darjana.
Remus verdrehte die Augen. „Das ist alles ein bisschen gehobener, sie ist eine sehr bekannte Dame in der Gesellschaft."
„Na klar." Sie seufzte. „Du sagst also, das Buch ist gut?"
„Ja, es ist wirklich interessant. Es kritisiert die Gesellschaft, weil sie mehr wert auf Abstammung, Beruf und Besitz legt als auf den Menschen. Und es zeigt auch ein ziemlich realistisches Bild von der Zeit. Ich meine, der Erzähler sagt ja auch, dass er selbst mal bei einer Kurtisane war. Das ist vielleicht etwas, das wir heute verurteilen würden, aber es war damals normal für Männer. Und das macht es nicht besser, aber es ist schön zu sehen, dass sich doch einiges geändert hat."
Darjana sah ihn eine Weile an, bevor sie eine zustimmende Geste machte. „Das gute alte 19. Jahrhundert", sagte sie dann. „Ich würde mich schon nach irgendeinem alten reichen Ehemann umsehen."
„Und mein Dad würde mich wahrscheinlich in irgendein Bordell bringen, um mich zum Mann zu machen."
„Was, das hat er nicht?", fragte Darjana amüsiert.
Er schmunzelte leicht, bevor er wieder ernst wurde. „Nein, wirklich, das Buch ist es wert. Vielleicht darf man es nicht wirklich als Liebesgeschichte betrachten, vielleicht verlieben sie sich auch mehr in eine Fantasie. Sie sind selbstzerstörerisch und nicht unbedingt gute Menschen. Vor allem Armand nicht. Aber es ist trotzdem ziemlich tragisch."
Darjana dachte kurz darüber nach. „Ich finde das Leben schon tragisch genug."
Remus schüttelte nur mit dem Kopf, bevor er es endlich schaffe, Darjana dazu bewegen, wenigstens Notizen für ihren Aufsatz zu machen.
So saßen sie eine Weile schweigend da und schrieben vor sich hin, während Darjana hin und wieder gelangweilt durch ihr Schulbuch blätterte. „Ich schreib das später zu Ende", sagte sie nach einer Weile. Remus wollte erwidern, dass sie ja nicht einmal angefangen hatte, verkniff sich den Kommentar aber. Stattdessen fiel ihm etwas anderes ein, als Darjana nach ihrer Tasche griff und meinte, dass sie zurück in ihren Gemeinschaftsraum gehen würde. Schnell packte er ihr Handgelenk, bevor sie gehen konnte und sah ein wenig unbeholfen zu ihr.
„Ich wollte dich noch was fragen", sagte er und Darjana sah von seiner Hand in sein Gesicht. Sie schien verwirrt zu sein, was vermutlich an seinem Ausdruck lag, der deutlich machte, wie unangenehm ihm die nächste Frage war. „Wäre es für dich okay, wenn... Also Sirius und James hören nicht auf mit dieser Zara-Sache und wenn ich sie nicht frage, geht vermutlich Sirius hin und fragt in meinem Namen... Was ich sagen will...", fasste er zusammen, als er sah, wie sie die Augenbrauen hob. „Wäre es für dich okay, wenn ich dieses Wochenende mit Zara nach Hogsmeade gehe?"
Remus konnte ihre Reaktion nur schwer interpretieren, die Art, wie ihr Gesicht von Verwirrung zu Gleichgültigkeit wechselte, während sie mit den Schultern zuckte. „Klar kannst du", antwortete sie ein wenig zu neutral. „Ich bin nicht deine Freundin. Du kannst das mit mir immer beenden, wenn das mit ihr... ernster wird. Wir haben ja schon festgestellt, dass die Mätressenzeit vorbei ist."
„So ist das nicht", erklärte er sofort. „Zara ist nicht... Ich mag sie nicht auf die Art."
„Wie schon gesagt, es hat mich eh nichts anzugehen", gab Darjana zurück und Remus kam gar nicht dazu, etwas hinzuzufügen, als sie sich umdrehte und ging.
»»——⍟——««
DARJANA WAR VERWIRRT, ALS SIE ZURÜCK ZU IHREM SCHLAFSAAL KAM. Irgendetwas an Remus war... seltsam gewesen. Vielleicht verlor er ja schlicht und einfach das Interesse, jetzt wo sie miteinander geschlafen hatten. Sie ließ sich ein wenig unkonzentriert auf ihr Bett fallen und konnte ihre Gedanken kaum ordnen, als sie an die Decke sah.
Er wollte mit Zara auf ein Date gehen. Konnte er ja. England war ein freies Land. Es war nicht so, dass es sie störte. Das zwischen ihnen war nichts Festes, das hatte sie klar gemacht. Er konnte ihr jederzeit sagen, wenn er Zara einen Ring an den Finger stecken wollte. Sie könnte kotzen.
Das Schlimme war, sie passten vermutlich sogar zusammen. Sie schien nett und gut genug für ihn zu sein.
In diesem Moment kam Charity ins Zimmer und lächelte ihr zu, bevor sie die Stirn runzelte. „Wer hat dich denn geärgert?", fragte sie verwundert und Darjana hatte gedacht, dass sie ihren Gesichtsausdruck besser unter Kontrolle hatte.
„Niemand", gab sie mit gespielter Verwirrung zurück.
Charity sah sich kurz um, bevor sie verschwörerisch lächelte. „Ist es wegen Lupin? Damit hätte ich echt nie gerechnet."
Darjana unterdrückte den Impuls, die Augen zu verdrehen. Darüber wollte sie wirklich nicht reden. „Lupin und ich haben etwas ganz Zwangloses am Laufen, das ist alles total entspannt." Doch das schien nicht sehr glaubwürdig zu sein, da Charity die Arme verschränkte. Darjana warf ihr einen Blick zu. „Was?"
„Du bist ein bisschen zu gereizt für zwanglos", stellte sie ruhig fest.
„Ich bin nicht wegen ihm gereizt."
„Weshalb dann?"
„Charity, wir sind keine Freunde, okay?", fuhr Darjana sie an und setzte sich mit funkelnden Augen von ihrem Bett auf, während sie sich daran machte, ihre Schuhe anzuziehen, um hier rauskommen zu können. „Ich werde dir keinen Klatsch erzählen wie Parkinson und die anderen, weil es dich nichts angeht."
Sobald sie Charity in die Augen sah, überkam sie ein schlechtes Gewissen. Der Ausdruck in ihrem Gesicht war verletzt. Sie wusste, dass sie es nicht böse meinte und dass sie niemand war, der Dinge weitererzählte... Sie wollte einfach nur gemocht werden. Und Darjana mochte sie ja, aber wie es schien, hatte sie jetzt auch noch den einzigen Menschen vergrault, der versuchte, ihre Freundin zu sein.
Sie nickte nur und ging ohne ein weiteres Wort ins Bad. Darjana schloss die Augen. Remus wäre mit Zara wirklich besser dran.
»»——⍟——««
NOTE
»»——⍟——««
Ach, Schnuckies, was macht ihr denn 🙄
Ich glaube, ich muss nicht erwähnen, dass Darjana Probleme damit hat, sich zu öffnen, aber sie fängt trotzdem an damit, weil sie Remus gern hat 🥺
Aber Remus, der sie offensichtlich gern hat, will auch nicht immer der sein, der das die ganze Zeit so auffällig zeigt, verständlich...
Und jetzt reden mal wieder alle aneinander vorbei 💀
Wie ich es liebe hahaha
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro