02. Wahnsinnig wichtige Gespräche
KAPITEL 2
Wahnsinnig wichtige Gespräche
Freitag, 2. September 1977
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DARJANA ROWE BEVORZUGTE ES, in der letzten Reihe zu sitzen und sich so wenig wie möglich im Unterricht zu Wort zu melden. Nicht, weil sie unsicher oder schüchtern war, nein, sie hatte einfach keine Lust, ihren Arm zu heben. Sie musste ihr Wissen nicht herumposaunen — sie wusste schließlich, was sie konnte.
Es war deutlich zu hören, wenn ein Gryffindor den Raum betrat. Genauer gesagt, war es sehr deutlich zu hören, wenn eine ganz bestimmte Gruppe von Gryffindor-Jungs ihres Jahrgangs den Raum betrat, inklusive ihres Anhängsels Vanessa Allerton. Sirius Black war seit dem letzten Schuljahr mit ihr zusammen... und es war bereits vorher anstrengend genug gewesen.
Darjana spielte gelangweilt an ihrem Kugelschreiber herum und blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie hatte nur zwei Wünsche für diesen ersten Schultag: Der neue Lehrer in Verteidigung gegen die dunklen Künste sollte halbwegs erträglich sein und bitte, was noch viel wichtiger war, es sollte sich niemand neben sie setzen.
Gedankenverloren kritzelte sie kleine Kreise und Linien in die Ecken ihres Blocks und hob nur kurz den Blick, als sich Allerton und Black zwei Reihen vor sie setzten.
Ehrlich mal: Es war die absolut unlogischste Entscheidung, sich neben seinen Freund oder seine Freundin zu setzen. Lehrer hatten aus unerklärlichen Gründen einen Faible für Gruppenarbeiten (Darjana war also immer die dritte, wenn der Kurs ungerade war oder wurde mit einem anderen armen einsamen Menschen eingeteilt) und nun stelle man sich vor, man hatte Streit oder trennte sich... Wer wollte dann noch mit dieser Person reden, geschweige denn neben ihr sitzen oder mit ihr arbeiten?
Sie konzentrierte sich weiter auf ihre Kritzeleien und schenkte der Tatsache keine Aufmerksamkeit, dass James, Remus und Peter stehenblieben und ein Problem hatten: Einer von ihnen würde alleine sitzen müssen. Maggie war nicht mehr in ihrem Jahrgang und Vanessa saß neben Sirius. Remus sah unauffällig zu Darjana und atmete tief durch, während Peter schon anbot, sich neben den Hufflepuff in der Nähe zu setzen, der alleine war.
„Schon gut", sagte Remus schnell zu Peter, „Setz dich ruhig neben James." Es fühlte sich wie Jahre für ihn an, zu dem Mädchen zu gehen, das (vielleicht) sein Geheimnis kannte. Tat sie es überhaupt? Interpretierte er zu viel hinein und sie hatte es gar nicht gehört?
Als er vor ihrem Tisch stehenblieb, sah Darjana auf und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen, bevor sie ihn neutral ansah, um darauf zu warten, was er sagen würde.
„Äh..." begann Remus verunsichert wegen ihres Gesichtsausdrucks und deutete auf den Stuhl neben ihr. „Kann ich—?"
„Du hattest die Wahl zwischen einem Hufflepuff und einer Slytherin und hast dich für die Slytherin entschieden", stellte sie fest. „Wieso?"
Remus sah ein wenig überrumpelt aus. „Ich dachte nur, dass sich noch jemand neben ihn setzen würde." Kaum, dass er die Worte ausgesprochen hatte, merkte er, was er gesagt hatte. „Damit will ich nicht sagen, dass... Also, ich habe nur beobachtet, dass du meistens alleine sitzt."
„Du hast mich beobachtet?" fragte Darjana sachlich.
„Nein, nein", entgegnete er hastig. „Ich meinte nicht... also..."
„Komm schon, Lupin, setz dich endlich", unterbrach sie sein Gestammel. „Sonst ist die Stunde vorbei, bevor du gefragt hast."
Remus sah sie ein paar Sekunden an. „Ja, ja, klar."
Darjana sah gelangweilt auf ihren Block zurück, als er kein Stückchen entspannter zu werden schien. Sie spürte, wie sein Blick auf ihr ruhte. Dass sie ihm keine Aufmerksamkeit mehr schenkte, machte seine Anspannung wohl nicht besser. Heißt das, sie weiß nichts?, dachte Remus, als er sie ansah. Wäre sie sonst nicht anders? Hätte sie keine Fragen oder hätte es jemandem erzählt?
„Du benutzt gar keine Federn", stellte er nach ein paar Sekunden fest, die ihm wie Stunden vorkamen.
Darjana hob den Kopf und sah auf ihren Kugelschreiber, als sähe sie ihn zum ersten Mal. „Gut, dass du es sagst, das hätte ich sonst überhaupt nicht bemerkt! Wie kommt der nur hierher?" Sie blickte zu ihm und konnte beobachten, wie er ein Grinsen unterdrückte. „Federn und Tinte... Das ist Bullshit."
„Oh", entgegnete er ein wenig einfallslos.
Sie sah auf den Tisch, während sie auf eine spannendere Antwort hoffte, doch als keine kam, sprach sie beiläufig weiter. „Das ist alles nur für die Ästhetik. Das ganze In-Die-Tinte-Gemansche ist nervig."
„Es gibt Zauber dafür", sagte Remus.
Darjana schaute auf. „Die Feder stört mich beim Schreiben. Sie ist zu lang."
„Ich meine, du könntest sie kürzer machen."
Sie sah ihn schweigend an. Remus biss sich nervös auf die Lippe. „Nein", sagte Darjana schlicht.
„Okay", entgegnete er und sah nach vorne, als wäre die Unterhaltung beendet. Doch er musste irgendetwas sagen. Sie wusste es (vielleicht). „Es ist nur.... Es ist ja von Muggeln..."
„Stimmt..." Darjana schürzte die Lippen. „Ich bin ja in Slytherin — meine Haut verbrennt, wenn ich irgendetwas von Muggeln anfassen. Gut, dass du mich dran erinnerst."
Fuck, dachte Remus. Jetzt hatte er sich unsympathisch gemacht, dabei durfte sie ihn auf gar keinen Fall nicht mögen. Sonst könnte er es auch selbst der gesamten Schule verkünden. Nein, er musste dafür sorgen, dass Darjana Rowe ihn mochte. Dass sie ihn so gern hatte, dass sie sein Geheimnis nicht verraten würde. Doch wie sollte er das bei diesem Start bewerkstelligen?
Er fragte sich, was Sirius in dieser Situation tun würde. Merlin, er würde Darjana wahrscheinlich nur anlächeln und sie wäre ihm verfallen. Diese „Gabe" könnte er nun nur zu gut gebrauchen.
„So meinte ich das nicht", sagte Remus schnell. Er musste wirklich runterkommen. Denn wenn sie am 5. Mai tatsächlich nichts gehört hatte, wusste sie doch spätestens wegen seiner Nervosität, dass irgendetwas los war.
Darjana antwortete nicht.
Remus räusperte sich unbeholfen.
„Wir müssen nicht reden, weißt du", begann sie, „Nur weil wir nebeneinander sitzen."
„Nein, nein, natürlich nicht", entgegnete er hastig und sah nach vorne. Darjana atmete angestrengt durch, als er mit seinen Fingern auf die Tischplatte klopfte — und nicht mehr aufhörte.
Sie riss die Ecken des Blatt Papiers ab, das vor ihr lag und hob unauffällig den Blick, als sie bemerkte, dass Potter sich umgedreht hatte und Remus stumm etwas mitzuteilen versuchte, indem er in Richtung des Tischs neben den beiden nickte. Remus verdrehte die Augen und schüttelte mit dem Kopf.
„Remus", begann Pettigrew neben James. „Du musst nicht neben der Slytherin sitzen. Da neben ist noch frei."
„Die Slytherin kann euch übrigens hören", warf Darjana ein ohne aufzusehen. „Und sie braucht Ruhe, um weiter zu planen, wie sie euren Freund am besten umbringt."
Remus lachte leicht in sich hinein, als er das hörte, zeigte es aber nicht zu offen, damit seine Freunde es nicht bemerkten. In diesem Moment betrat der neue Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste den Klassenraum — Professor Attaway.
Wahrscheinlich die nächste Pfeife, wie Darjana vermutete. Wenigstens hatte sie passable Noten in diesem Fach. Der neue Lehrer sah sehr alt aus und wirkte so zerbrechlich, als er langsam durch den Raum trottete, dass Darjana schon befürchtete, er würde umkippen, wenn sie nur mit dem Fuß auf den Boden aufstampfte.
„Und ein anderes verschwendetes Jahr", sagte Remus leise zu ihr. „Aber die letztes Jahr war ganz gut, nicht?"
Merlin, der Kerl führte ja wirklich gerne Small Talk. Sie sah ihn schweigend an.
„Stimmt, tut mir leid, tut mir leid, wir müssen nicht reden, genau."
Darjana lächelte in sich hinein. Doch dann begann er erneut, unruhig mit den Fingern auf der Tischplatte herumzutippen — und sie war wirklich kurz davor, einfach zu gehen oder ihn zu treten. Während Professor Attaway zu erzählen begann (und auch seine Stimme klang so, als würde sie gleich versagen), sah Darjana unverwandt zu Remus.
Er blickte nach vorne und konzentrierte sich auf die Worte des neuen Lehrers, während sie ihren Blick unverfroren über ihn wandern ließ. Seine braunen Haare sahen weich aus und fielen ihm leicht gewellt in die Stirn, während er seine Feder und Tinte aus der Tasche holte und sich mit der Hand kurz übers Gesicht fuhr.
Jetzt, wo sie es wusste, konnte sie sich denken, woher die blassen Narben kamen, die sich von seiner Wange zu seinem Hals zogen, aber sonst hätte sie nie gedacht, dass er tatsächlich... ein Werwolf war. Es war beinahe faszinierend, dass sich dieser Junge einmal im Monat in einen Wolf verwandelte, obwohl er so... nach dem Gegenteil von einem Killerwolf aussah? Sie legte den Kopf schief.
Erst jetzt erkannte Remus, dass sie ihn beobachtete und sah von ihr zu Professor Attaway und wieder zurück zu ihr, als die Botschaft tatsächlich in seinem Gehirn anzukommen schien, dass sie ihn ansah.
„Lupin..." sagte sie gereizt. Er sah sie fragend an. Sie deutete auf seine Hand.
„Sorry", entgegnete er schnell und hörte auf, auf die Tischplatte zu klopfen.
„Hast du irgendwie zu viel Kaffee getrunken oder so?" fragte sie. „Das ist ja echt nicht mehr normal."
„Es ist nur... die... erste Stunde", versuchte er sich zu erklären. „Und ich trinke mehr Tee als Kaffee."
„Verstehe", entgegnete Darjana unbeeindruckt und legte ihren Zauberstab auf den Tisch.
Remus, immer noch auf der Suche nach Gesprächsthemen, weil er einfach nichts dagegen tun konnte, sprach, bevor er darüber nachdenken konnte. „Du hast einen ganz schön langen Zauberstab."
Darjana warf ihm einen befremdlichen Blick zu. „Lupin, wir kennen uns doch erst seit ein paar Minuten, also wirklich, das wird mir aber ein bisschen zu privat."
Er lachte leicht auf.
„Es sind nur 13½ Zoll," fuhr sie fort. „Wie lang ist denn bitte deiner?"
„Mein Zauberstab?" fragte Remus ohne nachzudenken.
„Äh..." Sie hielt eine Weile inne und hob die Augenbrauen. „Ja", sagte sie schließlich langsam.
„10¼."
„Was ein wahnsinnig wichtiges Gespräch wir doch führen", sagte Darjana.
Als sie sich an die Arbeit machte, mitzuschreiben, versuchte auch Remus, endlich seine Nervosität loszuwerden und zuzuhören. Doch es war schrecklich schwierig, dies tatsächlich zu tun. Jede noch so kleinste Bewegung von ihr registrierte er sofort und er musste wirklich den Impuls unterdrücken, sie anzusehen, um weiter nachzugrübeln, ob sie nun etwas wusste oder nicht.
Eins wusste er zumindest: Darjana Rowe war die am schwersten zu durchschauende Person, die er je kennengelernt hatte.
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NOTE
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Darjana is such a mood.
Nein wirklich, es macht so viel Spaß, über die beiden zu schreiben xD
Was sagt ihr zu ihr (und Remus) bisher?
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