Fairy of Shampoo
Ungefähr einen Monat lang geschah nicht wirklich etwas Besonderes. Soobin und Seori verbrachten viel Zeit miteinander, Bora musste viel arbeiten und verbrachte ihre wenige Freizeit mit Yeonjun, Taehyun und ich chillten und lernten viel zusammen und Beomgyu streamte nun mehr als zuvor. Jetzt wo sein Vater ihn nicht mehr nerven konnte, traute er sich eher seiner Arbeit als Streamer nachzugehen.
Auch der jüngste in der Gruppe -Kai- ging seinem gewohnten Leben nach. Zumindest dachten wir anderen das. Nicht mal Taehyun und ich wussten, dass Kai schon seit Monaten etwas auf dem Herzen lag. Er vertraute sich niemanden an. Bis er sich eines Tages gar nicht mehr zu helfen wusste und das Gespräch mit uns allen suchte.
Mir war an diesem Tag schon aufgefallen, dass er noch schweigsamer zu sein schien, als er es nicht eh schon war. Und das hieß etwas. Taehyun schien sich da weniger zu denken als ich, doch Yeonjun und Soobin warfen Kai auch immer wieder skeptische Blicke zu, als wir alle gemeinsam im Wohnzimmer saßen und quatschten. Doch weil ich der Meinung war, wenn Menschen über etwas reden wollen, werden sie das schon tun, sagte ich nichts. Doch Yeonjun war ein anderer Mensch als ich und war in dieser Hinsicht viel direkter.
Nach einer Weile sah er den Jüngsten unverwandt an und fragte: „Hey Kai, was ist denn heute los mit dir? Du sagst heute gar nichts und das soll was heißen!"
Soobin nickte. „Ja, wirst du krank?"
Sofort rückte Bora zu Kai rüber, begutachtete ihn und fühlte seine Stirn und schüttelte den Kopf. „Hmm, soweit ich das spontan beurteilen kann, fühlt er sich normal an"
Sie rückte wieder von Kai weg und sofort nahm Yeonjun ihre Hand erneut in seine. Die Beiden hielten bei jeder Gelegenheit Händchen, was sehr interessant zu beobachten war, da das meistens von Yeonjun ausging.
Kai lief sofort rot an, nachdem Bora ihm auf die Pelle gerückt war und die Aufmerksamkeit nun auf ihm lag. Aufmerksamkeit mochte er gar nicht. Nervös fuhr er sich durch die blond gefärbten Haare und lächelte peinlich berührt: „Na ja... ich weiß nicht, wie ich es sagen soll"
„Einfach gerade raus", empfahl ihm Beomgyu.
„Du weißt doch, dass du uns alles sagen kannst", betonte ich.
„Ich weiß", seufzte er. „Es ist mir echt unangenehm, aber wenn ich ehrlich bin, beschäftigt mich das Thema schon seit Monaten"
„Und dann sagst du nichts?", wunderte sich Taehyun.
„Ist es was Schlimmes?", fragte hingegen Soobin.
Kai schüttelte energisch den Kopf. „Nein, nicht direkt. Eigentlich betrifft es nicht mich, aber ich mache mir trotzdem Gedanken..."
„Himmel, Kai! Komm auf den Punkt!", schimpfte ich und bewarf ihm mit dem Kissen, das neben mir auf der Couch lag.
„Na gut" Er seufzte. „Ihr wisst doch, dass ich in einem Restaurant arbeite, um mir neben der Schule was dazu zu verdienen" Wir alle nickten. „Und ich habe eine Kollegin, die im selben Alter ist wie ich"
„Uuuh", machten Taehyun, Beomgyu und ich gleichzeitig.
Nun lief Kai noch röter an. „Also... ihr Name ist Yujeong und wenn wir Zeit haben und unser Chef nicht aufpasst, rede ich auch gern mit ihr. Sie ist echt süß und super nett und genauso schüchtern wie ich"
„Du willst sie privat treffen, traust dich aber nicht, oder?", mutmaßte Yeonjun.
„Ja, das auch, aber das meine ich nicht", sagte Kai.
„Was meinst du dann?", fragte Taehyun.
Kai seufzte erneut. „Unser Chef ist immer mega gemein zu ihr und ich verstehe gar nicht warum. Jedem fällt doch mal ein Teller runter oder so. Niemand ist perfekt, oder? Aber auch wenn sie alles richtig macht, ist er voll herablassend und gemein zu ihr. Sie könnte die perfekte Kellnerin sein und trotzdem wäre nichts Recht, was sie macht und sagt. Zu mir und den anderen in der Arbeit ist er auch nicht so. Klar, schimpft er mich auch mal, aber das ist ja auch okay meistens. Aber zu ihr ist er immer so und eigentlich immer macht es auch keinen Sinn. Er schimpft sie, wenn sie auf die Minute genau zur Arbeit kommt, er schimpft sie, wenn sie zu früh kommt, er schimpft sie, wenn eine Falte in ihrer Arbeitskleidung ist, er schimpft sie, wenn ihre Haare nicht so fresh aussiehen, er schimpft sie, wenn sie blass aussieht und so weiter. Ich mag sie wirklich gern, darum tut mir das total leid, sie so oft weinen zu sehen, nur weil er zu ihr so ist. Ich verstehe wirklich nicht, was er gegen sie hat. Sie arbeitet doch super. Ich würde ihr total gerne helfen, aber ich weiß nicht wie"
Selten, wirklich selten, hatte ich Kai so einen Redeschwall von sich geben hören. Ich war wirklich beeindruckt. Doch bei dem Namen Yujeong fiel mir plötzlich etwas ein.
„Du meinst aber nicht zufällig Lee Yujeong, oder?", fragte ich.
Alle sahen mich überrascht an, doch am verdutztesten war wohl Kai.
„Ja, so heißt sie. Kennst du sie?", fragte er.
„Vor ein paar Monaten oder länger hat mein Vater mir von einem Herrn Lee und dessen Familie erzählt. Ich glaube, er kennt die oder so", überlegte ich und zuckte mit den Schultern. „Aber so genau weiß ich das nicht mehr. Allerdings sagte er mir damals auch, dass sie in meinem Alter sein und sogar auf meine Schule gehen müsste. Das würde bedeuten, dass sie vermutlich in unserer Parallelklasse ist"
„Aber dann hätten wir sie doch mal gesehen", sagte Taehyun.
„Das habt ihr bestimmt auch, aber wenn ihr sie nicht kennt, dachtet ihr euch wahrscheinlich nichts dabei", entgegnete Kai.
„Das könnte sein. Ich weiß halt nur was über ihre Familie, nicht aber wie sie aussieht", sagte ich.
„Was weißt du über ihre Familie?", fragte Bora. „Vielleicht würde das, was du weißt, das Verhalten von Kais Chef erklären"
Ich versuchte mich an das Gespräch damals mit meinem Vater zu erinnern und sagte schließlich: „Ich weiß leider nicht mehr, woher mein Vater Yujeongs Vater kennt, aber er hat mir damals erzählt, dass Herr Lee früher total reich war und ein Riesenfisch an der Börse war, aber dann hat er sich verspekuliert und jetzt hat seine Familie kaum mehr Geld. Er hat mir erzählt, wie beängstigend es ist, wie schnell man alles im Leben verlieren kann. Herr Lee war ein geschätzter, stinkreicher Mann an der Börse und hat sein gesamtes Vermögen innerhalb weniger Minuten verloren und mit ihm haben auch viele andere ihr Geld verloren. Herr Lee und seine Familie hatten alles und leben jetzt an der Armutsgrenze"
„Viele andere? Wem meinst du?", fragte Taehyun.
Ich massierte meinen Kopf, um mich besser erinnern zu können. „Kai, wie heißt dein Chef nochmal?"
Kai dachte kurz nach. „Ich glaube, sein vollständiger Name ist Bae Hyungmin"
„Ja, ich glaube, dann ist er der, von dem mein Vater damals auch erzählt hat", sagte ich. „Wie gesagt, haben halt viele andere, börsenfremde, private Menschen wegen Herrn Lee ebenfalls all ihr Vermögen verloren und waren dementsprechend wütend auf ihn und seine Familie. Bis heute sollen sie viele Morddrohungen bekommen und ich glaube, mein Vater hat einen Bae Hyungmin, der nun ein Restaurant führt, um sein verlorenes Geld wiederzubekommen, erwähnt"
Yeonjun schnipste mit den Fingern. „Das ist es! Wenn dein Chef einer derjenigen ist, die so viel Geld durch Yujeongs Vater verloren haben, würde das erklären, warum er zu ihr so gemein ist"
„Aber Yujeong kann doch nichts für die Fehlentscheidung ihres Vaters", gegenargumentierte Beomgyu.
Seori nickte. „Ja, da muss ich Beomgyu Recht geben"
Bora grübelte. „Das wird Kais Chef egal sein. Es ist leichter, einer unschuldigen Minderjährigen die Schuld zugeben, als sich selbst"
„Es ist immer leichter, anderen die Schuld zu geben", stimmte Soobin zu und nippte an seinem Bier.
„Aber ich glaube auch, dass dein Chef Yujeong hasst, weil er wegen ihrem Vater alles verloren hat", wandte ich mich wieder an Kai und schüttelte den Kopf. „Das arme Mädel. Hat eh schon sozialen Status und alles verloren, bekommt Morddrohungen, muss jetzt in einem Restaurant arbeiten und sich dort auch noch von ihrem Chef entwürdigen lassen. Da bin ich lieber mein Leben lang mittelständig"
Bora seufzte. „Und ich bin froh, nicht zu wissen, wo meine Eltern sind und was sie machen. Keine Eltern, keine Probleme"
„Und was soll ich jetzt tun?", fragte Kai verlegen.
„Bitte sie um ein Date", haute Yeonjun sofort raus.
Bora sah ihn genervt an und boxte ihn. „Das ist vielleicht deine Technik"
„Ja, aber wie soll er sie denn sonst näher kennenlernen, wenn er sie nicht um ein Date bittet?"
„Warte, du sagtest doch, sie geht wahrscheinlich in eure Parallelklasse", mischte sich Beomgyu nun ein und Kai nickte. „Na dann, ist es doch viel leichter. Fang sie mal in der Pause ab und rede da mit ihr"
„Finde ich gut", sagte Taehyun und auch ich lächelte.
„In der Schule ist sie auch sicher weniger angespannt, als in der Arbeit mit eurem tyranenhaften Chef" Bora schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme.
Kai seufzte. „Ich werde es mir mal durch den Kopf gehen lassen. Es klingt besser, als sie in der Arbeit zu fragen"
„Außerdem solltest du in der Arbeit auch arbeiten und nicht flirten" Bora warf Yeonjun einen bösen Blick zu.
„Was denn? Wenn du so hübsch ausgesehen hast, während du mich verarztet hast, dafür kann ich ja nichts", grinste Yeonjun daraufhin wie ein Lausbube.
Danach begann Bora ihn leicht zu treten, soweit dies im Sitzen möglich war, und schlug auf ihn ein und sagte immer wieder: „Du bist so doof! Du bist ein schlechtes Vorbild für Kai!"
Es war goldig mit anzusehen. Doch was hingegen weniger goldig mitanzusehen war, war dass sich Kai nach unserem Gespräch sichtlich nicht besser fühlte. Na ja, falls ich mit allem Recht hatte, wusste Kai nun jetzt, was Yujeong alles durchmachen musste und dass ihr Leben die Hölle war. Es war nur logisch, dass ihm das noch weniger gefiel. Ich hoffte selbst, dass ich Unrecht hatte, aber Spoiler: Das hatte ich nicht.
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