
Kapitel 7 - Zauberhafte Korridore
Geschnatter und Geplapper rollte durch die Gänge von Hogwarts, prallte an die alten Steinwände und wurde davon zurückgeworfen. Die Gemälde kicherten und stimmten in den summenden Klang mit ein, der die Zauberschule heute am frühen Morgen wie einen Bienenstock erfüllte. Überall eilten junge wie ältere Schüler durch die Flure, die durch große Bogenfenster mit goldenem Sonnenlicht geflutet wurden. Der Saum ihrer Zauberumhänge flatterte wie Fahnen in allen Farben hinter ihnen her. Mal in Gryffindor-Rot, dann wieder in Ravenclaw-Blau, Hufflepuff-Gelb oder dem Smaragdgrün der Slytherins.
Jeder hatte seine ganz eigenen Ziele an diesem sonnigen Herbstmorgen. Von Zaubertränke über Pflege magischer Geschöpfe, Verteidigung gegen Dunkle Künste, Arithmantik oder Geschichte der Zauberei – alle Schüler suchten nach ihren Klassenräumen. Manche saßen gemeinsam am Frühstück in der großen Halle. Sie ließen sich etwas mehr Zeit, während ihre Mitschüler, die auf Nummer sicher gehen wollten, vielleicht schon durch die Schwellen zum entsprechenden Saal traten.
Eine Hand zupfte an dem blauen Mantel und griff aufmerksamkeitshaschend nach ihrer Hand. Es lenkte ihre Aufmerksamkeit von dem merklich zunehmend lichtenden Strom an Schülern hinab zu ihrer kleinen Schwester. Sophies rote Strähnen flossen um ihre Schultern und eine gelbe Schleife wippte mit jedem Schritt. Ihre großen, blaugrünen Augen blinzelten zu ihr hinauf und obwohl sie kein Wort sagte, konnte Loreley ihr die Frage aus dem Gesicht ablesen.
„Ich weiß, dass deine Mitschülerin meinte, dass wir einfach am Arithmantik-Klassenzimmer vorbeimüssen, um in das Gewächshaus zu kommen...", antwortete sie ihr auf die nicht gestellte Frage, führte sie jedoch stattdessen über den Hof der Transfiguration in die Richtung der nördlichen Halle. „Aber da können wir nicht lang gehen", fuhr sie zur Erklärung fort.
Das gewisperte „Warum?" war so leise, dass Loreley es beinahe überhört hätte. Und doch schlug ihr Herz wegen dieses kleinen, lächerlichen Wortes sofort freudig höher. Jedes Wort war seit dem Verschwinden ihrer Mutter wertvoll geworden. Diese Tatsache zog Loreley Mundwinkel an unsichtbaren Fäden in die Höhe.
„Weißt du, im Gang bei Arithmantik steht immer ein großes Erumpent-Skelett", erzählte sie in einem theatralischen Tonfall, „Und weißt du, was vorgefallen ist, als ich im letzten Jahr daran vorbeigegangen bin?" Bedeutungsvoll blickte sie zu ihrer kleinen Schwester herunter. „Ein Wind zog auf, ganz wie von Geisterhand", raunte sie und neigte sich Sophie näher, deren Augen immer weiterwuchsen. „Und dann...", möglichst lange zögerte sie den Moment der Wahrheit heraus, ehe ihre Finger nach vorn schossen und sich in kitzelnden Bewegungen in den Bauch und die Hüften ihrer Schwester drückten. „... hat es mich angegriffen, wohooooo!", zwitscherte sie und ihr Lachen mischte sich mit dem ihrer Schwester, die jedoch reflexartig sofort nach ihren Händen schlug, die sie unerbittlich kitzelten.
Dem Lachen aber folgte ein unglaublich vorwurfsvoller Blick und verzogene Lippen, die das 'Das ist nicht lustig!' förmlich hinausschrien.
Loreleys Glucksen holperte noch ein klein wenig wie Wasser eines Bachs über kleine Steine, dann entschuldigte sie sich halbliebig für die kleine Attacke. „Scherz beiseite. Das Skelett ist einfach zusammengebrochen." Loreley rollte mit den Augen. „Natürlich hat der griesgrämige Hausmeister mir die Schuld in die Schuhe geschoben. Dabei ist der Großteil des ganzen Krams in Hogwarts scheinbar tausende Jahre alt. Kein Wunder, dass auch mal was zusammenfällt."
Sophie zog eine Augenbraue etwas höher und spiegelte damit in diesem Moment auch Loreleys Angewohnheit, wenn jene skeptisch war.
„Schau mich nicht so an. Ich war es wirklich nicht." Loreleys Finger schlossen sich sachte um Sophies Hand. Sie war ein wenig feucht und schwitzig, aber das störte sie nicht. Es war für die ältere Hexe auch nicht schlimm, Sophie künftig jeden Morgen an dem Gemeinschaftsraum der Hufflepuffs abzuholen und zu ihrem Klassenzimmer zu bringen. Es war einfach... sicherer. Wenn sie bei Sophie sein konnte, beruhigte dies ihre Ängste, das Letzte zu verlieren, das sie noch in dieser Welt hatte. Mochten sich andere in Hogwarts sicher fühlen. Sie tat es nicht. Loreley fühlte sich fremd und verfolgt. Als könnte hinter jeder Ecke irgendetwas lauern.
Die Hexe schüttelte den Kopf so eilig, dass ihr Haar förmlich hin und her flog. Das brachte ihre kleine Schwester dazu, fragend die Stirn zu runzeln.
„Es ist nichts. Nur ein dämlicher Gedanke", eilig winkte Loreley ab und räusperte sich dann, während sie rechts zum Gang des Glockenturms abbogen. „Jedenfalls ist das hier eine Abkürzung."
Unter kurzem Ächzen drückte sie die Tür zum Glockenturm auf und führte ihre Schwester an dem gewaltigen Pendel mit dem Sternenmuster vorüber, zur gegenüberliegenden Tür.
In diesem Augenblick hallte ein lautes Pochen in den Raum.
>>Knock, knock, knock<<
Irritiert drehte Loreley den Kopf zu der seitlich liegenden Tür, von der das Geräusch gekommen war. Sophie hielt im Schritt inne und deutete auf die Pforte, an der es erneut mit dumpfem Pochen klopfte.
>>Knock, Knock, Knock<<
Loreley rollte mit den Augen, während sie Sophie losließ, um zur Tür zu treten. 'In Hogwarts schienen wirklich eine Menge Idioten unterwegs zu sein', dachte sie genervt. Immerhin hatte sie keine Zeit zu verlieren, wenn sie Sophie zum Unterricht bringen und ihren eigenen rechtzeitig erreichen wollte.
>>Knock, Knock, Knock!<<
Das Klopfen wurde penetranter und Loreley eilte sich, den Abstand zur Tür zu überbrücken. Jeder ihrer Schritte verursachte einen Hall in der großen Halle des Turms, als sie die Hände eilig nach dem Türgriff ausstreckte. „Die Tür ist doch überhaupt nicht verschlo-"
>>Wham!<<
Der gewaltige Knall ließ Loreley reflexartig zurückspringen.
Noch ehe sie den Türring berührte, flog die Tür auf und prallte mit einem lauten Schlag an die Steinwand auf der anderen Seite. Das Holz bebte unter der Wucht und der eiserne Griff zitterte in seiner Halterung.
Doch damit nicht genug. Wie ein Donnergrollen erklang der Schlag erneut, dann abermals. Direkt gegenüber flog eine weitere Tür ruckartig auf und schlug mit dem wütenden Knallen an die Wand. Zwei Rüstungen, die jene flankiert hatten, sprangen erschrocken zur Seite. Eine stolperte über ihre Lanze und fiel mit ohrenbetäubendem Scheppern zu Boden. Die Teile rollten über die Steinplatten und der Helm kullerte ein Stück davon.
Loreley griff sofort in ihren Umhang und riss den Zauberstab in Abwehrhaltung nach vorn. Ihre Finger schlossen sich so fest um den Griff, dass ihre Knöchel dabei weiß wurden. Ihr Puls und ihre Gedanken rasten und stolperten.
„Was bei Merlins Bart?"
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