Kapitel 4
Ich lief die Treppen wieder runter. Ich traute mich nicht mehr in mein Zimmer zurück. Auch nach dem gutem zureden meiner Psyche, ließ mich die Angst nicht los. Meike und Aaron hatte ich schon gehen hören. Mum und Dad hantierten noch in der Küche mit dem Geschirr.
„Was machst du denn noch hier", ich setzte mich auf eines der Stühle, in der Küche.
„Ich kann nicht mehr schlafen", ich unterdrückte ein Gähnen.
„Du warst doch so müde", sie runzelte die Stirn, als sie sah, dass ich mir ein weiteres Gähnen verkniff. „Und bist es immer noch, wie man sieht. Beschäftigt dich was, ist irgendwas passiert", na super, jetzt hatte ich den Mutterinstinkt geweckt.
Sollte ich die Paranoiden Vorstellungen mit meinen Eltern teilen? Eigentlich war ich jemand, die Sachen gerne für sich behielt, nicht alles an die große Glocke hängen wollte. Sich den Aufgaben selbst stellen, diese selbst zu bewältigen. Doch im Moment brauchte ich jemanden, der mit mir darüber lachte, mir sagte, dass ich mich täuschte. Außerdem ließ Mum eh nicht mehr locker.
Also erzählte ich den beiden von meinem nächtlichen Verfolger und von der Webcam.
Doch mit der Reaktion von beiden hatte ich nicht gerechnet. Sie sagten nicht das, was ich hören wollte. Mach dir keine Gedanken es ist nur ein Hirngespinst, eine Illusion.
Stattdessen blickten sie mit ernsten Mienen drein. Minutenlang sagte niemand etwas, dann räusperte sich meinVater.
„Wir müssen dir etwas erzählen Lorel", begann er wurde von meiner Mum aber unterbrochen.
„Ist das wirklich notwendig?", ihre Augen glänzten, so als würde sie gleich weinen. Flehend schaute sie meinen Vater an.
„Schatz, sie ist in Gefahr, wir müssen sie schützen", auch er schaute sie bedauernd an.
Was ging denn hier ab. „Was ist denn los, kann mich mal jemand aufklären?", vor was und wieso wollten sie mich schützen. Die Angst, die ich verspürt hatte und gehofft, dass sie mir von meinen Eltern genommen wurde, stieg nun rasant.
„Wir werden es dir erklären", er versuchte ruhig zu reden, doch hörte ich die Panik, in seiner Stimme, die er nicht ganz verdecken konnte.
„Dafür müssen wir dir aber etwas zeigen und dir einige Menschen vorstellen", seine Stimme war nun fester, die Panik war kaum noch wahrzunehmen. Dad war schon immer jemand, der sich gut im Griff hatte, seine Gefühle offenbarte nur wenn er es wollte.
Ich nickte, „Ok, jetzt noch?", ich blickte auf die Uhr, wir hatten bereits 22 Uhr.
Bevor mir meine Eltern antworten konnten, ertönte ein lautes Klirren. Das Glas unseres Küchenfensters lag zerstreut in Glasscherben vor uns.
„Um Himmel Willen, was in aller Welt", meine Mum presste sich die Hand auf den Mund. „Wie konnten sie es wissen?"
Auch ich stand mit offenem Mund da. Was war das, was passierte hier.
Ich sah die Axt, die das Glas zerschlagen hatte. Nun steckte sie im Fußboden.
„Sie haben uns abgehört".
„Martina", Dad lief auf Mum zu und packte sie am Arm. Doch sie beachtete ihn gar nicht. Wie im Schock schaute sie an ihn vorbei, auf das zerstörte Fenster.
„Martina", Dad ruckelte nun etwas an ihren Armen, „bring Lorel in Sicherheit, ihr müsst hier weg."
„Nein", sie schüttelte hysterisch den Kopf, „ich werde nicht ohne dich gehen, du brauchst mich hier".
Ich riss mein Blick von meinen Eltern, um nach draußen zu spähen.
Ich sah einen großen, stämmigen Mann, gerade warf er das Tor auf. Das Tor sauste in das Schloss und sprang durch die Wucht des Schwungs wieder hinaus. Es schwang noch eine Weile hin und her und blieb dann stehen. Hatte er aus dieser Entfernung die Axt geworfen und getroffen?
Der Mann schritt nun langsam durch den Garten, so als würde er uns noch Zeit lassen wollen, um zu fliehen oder um uns zu verabschieden, oder was auch immer.
Wie angewurzelt stand ich nun da, unfähig mich zu bewegen, unfähig mich dieser Situation zu stellen.
Ich hörte nur noch Dad, der wohl immer noch mit Mum redete, „sie sind hier. Bring unsere kleine in Sicherheit, sie ist jetzt wichtiger. Na geht schon".
Dann wurde ich am Handgelenk gepackt und mitgezogen.
Wie in Trance lief ich hinter meiner Mutter her. Sie zog mich immer noch, hatte mein Handgelenk fest umklammert. Wir liefen durch den Flur zum Hintereingang, der direkt in die Garage führte.
Sie schloss das Auto auf. „Setz dich ins Auto", befahl sie mir. In ihrer Stimme lag die Blanke Panik.
Ich setzte mich ins Auto, dann wurde mir erst Bewusst, dass wir Dad zurück Liesen. Mit diesem etwas im Haus.
„Mum wir können Dad nicht einfach da allein drin lassen", plötzlich rannten mir Tränen die Wange herunter.
„Bitte, wir müssen ihm helfen", meine Mum hatte bereits den Motor gestartet und Verlies nun die Garage.
Ich berührte ihren Arm, „Mum Bitte, Dreh wieder um".
Ein leises, „das kann ich nicht", war zu hören. Dann blickte sie nur noch starr nach vorne. So kalt und Gefühllos hatte ich sie noch nie erlebt. Sie war eher immer das Gegenteil, nah am Wasser gebaut, liebenswürdig und vor allem liebte sie meinen Vater über alles. Deshalb verstand ich auch nicht, wie sie ihn zurück lassen konnte. Mit diesem Verrückten. Er hatte eine Axt dazu benutzt, um unser Fenster einzuwerfen. Das war eindeutig eine Sprache der Macht und Gewalt, sonst hätte er einen Stein benutzt. Ich betete, dass er keine bösen Absichten mit Dad hatte. ˋLass es wenigstens nur ein gebrochener Arm werden.'
Plötzlich spürte ich mein Handy in der Hosentasche, dass hatte ich in der Aufregung total vergessen. Schnell kramte ich es heraus und wählte die Nummer der Polizei.
„Was tust du da?", ich erschrak ein wenig. Ich hatte nämlich nicht mehr mit der Anwesenheit meiner Mutter gerechnet.
„Ich rufe die Polizei, damit sie ihm wenigsten helfen können. Wenn wir es schon nicht getan haben", den letzten Satz sagte ich vorwurfsvoll. Ich wusste noch nicht wen ich den Vorwurf machte, ob mir oder meiner Mutter. Wahrscheinlich uns beiden.
„Die werden ihm auch nicht helfen können", ihre kalte Antwort ließ mich schaudern. Ich bekam eine Gänsehaut. Ich konnte sie nicht verstehen, wie konnte sie denn mit der Situation so umgehen?
Trotzdem hatte ich den grünen Hörer gedrückt, denn das war das einzige was ich noch tun konnte.
Nach einigen Sekunden, hörte ich die Stimme des Beamten. Noch ehe sie zu Ende sprechen konnte, unterbrach ich sie.
„Hören sie, sie müssen meinem Vater helfen, er wird gerade zuhause angegriffen", euphorisch gab ich ihr die Adresse durch.
„Bitte, bitte, beruhigen sie sich", die Dame klang sehr professionell. „Wie heißen sie?"
„Lorel Morgan."
„Sind sie in Gefahr, Lorel?"
„Nein, nein, ich nicht, nur mein Vater, bitte helfen sie ihm", ich schluchzte. Ich konnte ihm nicht helfen.
„Das werden wir, von wo rufen sie an?", die Stimme der Beamtin klang immer noch ruhig. Mich machte es aber nur noch unruhiger.
Hektisch blickte ich zu meiner Mutter, doch sie hatte die Frage nicht gehört. Immer noch schaute sie mich nicht an.
„Ich stehe am Gartentor", log ich. Mir viel keine Bessere Ausrede ein, doch das müsste, fürs erste, reichen.
„Lorel, gehen sie bitte zu einem Nachbar, bringen sie sich in Sicherheit, Hilfe ist unterwegs".
Die Beamtin hatte endlich aufgelegt, nachdem ich ihr ausdrücklich klar gemacht hatte, dass ich keinen telefonischen, seelischen Beistand brauchte.
Wenn ich etwas brauchte, dann die Gewissheit, dass es Dad gut ging und etwas Schlaf wäre auch nicht schlecht. Wobei ersteres sehr viel wichtiger wäre.
Seit ungefähr einer halben Stunde hatten wir die Stadt verlassen, dann befuhren wir zahlreiche Landstraßen und nun waren wir schon eine Weile auf diesem Waldweg. Es war etwas gruselig, in der Nacht durch den dichten Wald zu fahren. Auf die Fragen, wohin wir denn fahren, wie lange es noch dauert bis wir ankamen und was es war was mir meine Eltern erzählen wollten, hatte ich bisher keine konkrete Antwort bekommen.
Also schwieg ich, mit der Hoffnung, am Ziel, was auch immer das Ziel war, auf all meinen Fragen eine Antwort zu erhalten.
Plötzlich konnte ich, in der Dunkelheit, Umrisse eines Gebäudes wahrnehmen. Eines Riesen Gebäudes, dass sich aus mehreren kleinen Gebäuden zu einem großen zusammen setzte.
Das Gebäude kam immer näher und nahm immer mehr an Größe zu.
Einige Minuten später hielt Mum das Auto vor dem riesigen, eleganten Tor. Der hohe Zaun, der mit seinen Schwingungen in das ebenso hohe Einfahrtstor überging, sah sehr furchteinflößend aus und drückte aus, dass ungeladene Gäste nicht Willkommen waren. Wäre ich die Fahrerin des Autos gewesen, hätte ich auf der Stelle kehrt gemacht.
Mum drückte den Knopf der auf einer Säule vor dem Tor eingelassen war, wahrscheinlich die Klingel, doch konnte ich es in der Dunkelheit nicht erkennen.
Ein Rauschen war zu hören, jemand hatte den Lautsprecher gedrückt, doch sagte niemand etwas.
„Hi, hier ist Martina. Ich muss unbedingt mit Erik sprechen, es ist dringend".
Ich hatte noch nie von einem Erik, in unsere Bekanntschaft, gehört. Auch nicht von einem Freund der Erik hieß. Auch nach gründlichem Überlegen wollte mir kein Bekannter mit diesen Namen einfallen.
„Bist du allein?", die Stimme die aus dem Lautsprecher kam war dunkel und aufgrund des Rauschens nur schwer zu verstehen.
„Nein, ich habe Lorel mitgebracht", dass sie mich nur beim Namen nannte und mich nicht mit ˋmeine Tochter Lorel'vorstellte, wunderte mich nicht. Heute Abend würde mich wohl nichts mehr wundern.
Das Einfahrtstor öffnete sich automatisch. Meine Mum fuhr nun auf einen großen Vorhof und hielt nun direkt vor den Treppen zur Eingangstür.
„Lass uns keine Zeit verlieren", sagte Mum zu mir Gewand, als sie den Motor abstellte und sprang aus dem Auto noch ehe ich was sagen konnte.
Was war das hier und warum brachte sie mich hier her? Das erhabene Gebäude machte mir Angst, erweckte in mir ein mulmiges Gefühl. Eigentlich wollte ich nur Weck hier. Ich wollte aus diesem Alptraum erwachen. Ich wollte mein Leben zurück, mein langweiliges Leben. Mein Leben, in dem man nicht, abends um 22 Uhr, von einem Mann und einer Axt bedroht wurde.
Meine Mum war nun schon an der Eingangstür angekommen und winkte mich nun herbei. Langsam öffnete ich die Tür und stieg aus. Meine Beine kribbelten, sie waren eingeschlafen.
Ich stieg die wenigen Stufen zur Eingangstür hinauf. Mum hatte bereits geklingelt. Keiner von uns sagte ein Wort. Wir wussten wahrscheinlich beide nicht was wir zu den Ereignissen sagen sollten.
Wenige Sekunden später öffnete sich die Tür und da stand er.
Erik.
Mein Mentor. Dr. Reitz.
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