71. | Überraschungsbesuch (1/3)
Dracos POV
Mit geschlossenen Augen und um ein ruhiges, gleichmäßiges Atmen bemüht, lag ich in dem weichen, nachgiebigen Bett des Krankenflügels und hing meinen wirren Gedanken nach.
In meinem Kopf, der fürchterlich dröhnte, befand sich ein riesengroßes Fragezeichen, das ich zu beseitigen versuchte, doch ich scheiterte. Kläglich.
Es war seltsam, gar unvorstellbar zu wissen, dass ich fast eine ganze Woche lang geschlafen, beziehungsweise im Koma gelegen hatte, die Welt sich dennoch weitergedreht hatte und für die, die mich liebten - allen voran Hermine - kurzzeitig zusammengebrochen war.
An diesen Abend im 'Drei Besen' konnte ich mich kaum noch erinnern, nur hie und da tauchte das ein oder andere Bild wieder vor meinen Augen auf, doch der Großteil des Ablaufs war aus meinem Gehirn verbannt worden. Was vielleicht auch besser so war.
Ich hatte unvergleichbar starke Schmerzen, jede Bewegung und jeder Atemzug tat höllisch weh und mein Hals brannte, als hätte man mir kochend heißes Wasser eingeflößt. Was ich mir in keiner Weise anmerken lassen wollte, denn Schwäche zu zeigen war noch nie mein Ding gewesen, wenn ich das so sagen durfte.
Hermines Anwesenheit und diese innige Nähe zu ihr waren gerade das Einzige, das diese negativen Gefühle und Empfindungen überspielen konnte und mir Kraft schenkte, ansonsten fühlte ich mich unfassbar leer.
Ihrem ruhigen Atmen nach zu urteilen, war sie vor ein paar Minuten eingeschlafen, nachdem ich immer wieder beruhigend auf sie eingeredet und sie sanft in den Schlaf gewiegt hatte.
Ihre Erzählungen hatten mich derartig schockiert, dass ich immer noch nicht wusste, was ich von alldem halten sollte, es hatte mir regelrecht den Boden unter den Füßen weggezogen. Die Tatsache, dass ich von alldem nichts mitbekommen hatte und während der letzten Tage komplett ausgeknockt und bewusstlos gewesen war, war höchst unheimlich.
Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie sehr Hermine gelitten hatte, wie grausam alles gewesen sein musste, allein die Vorstellung, dass ich Derartiges hätte durchmachen müssen, zerriss mir das Herz. Demnach wollte ich alles geben und alles versuchen, um so schnell wie möglich wieder zu Kräften zu kommen. Für sie.
Ihre widerspenstigen Haare, in denen ich mein Gesicht vergraben hatte, kitzelten mich an meinen Wangen und meiner Nase, durch die ich stetig ihren lieblichen und einzigartigen Duft einatmete, der mich zusätzlich beruhigte und berauschte. Und nachdem Madam Pomfrey ohnehin gesagt hatte, dass ich überwiegend durch die Nase atmen sollte, tat ich das auch.
So aufgewühlt, durcheinander und fertig mit den Nerven hatte ich Hermine noch nie erlebt - abgesehen von diesen schrecklichen Minuten, die sie damals während der Horkruxjagd bei mir zuhause hatte verbringen müssen - doch an diesen Tag erinnerte ich mich zugegebenermaßen kaum noch, seit ich versuchte, diese grauenvollen Bilder aus meinem Geist zu verbannen.
Ich kannte sie ja inzwischen seit mehreren Jahren - ich würde sogar ganz dreist behaupten so gut wie kein anderer - doch ihre immense Besorgnis, die sie nicht verstecken konnte, war neu. Was mir einerseits das Herz zerriss, doch andererseits zeigte sie dadurch, dass ihr etwas an mir liegen musste, sie sich um mich sorgte und mich gern hatte, mich... liebte, was immer noch unvorstellbar war. Ich würde dieses Mädchen vermutlich auch in tausend Jahren nicht verdienen, und doch gehörte sie mir und war an meiner Seite. Glücklich, wie sie mir bereits des Öfteren gesagt hatte.
Meine Augen brannten, was nicht daran lag, dass sie über mehrere Tage lang geschlossen gewesen waren, sondern an den Tränen, die sich darin ansammelten und sich einen Weg daraus suchten. Es waren Tränen der Erleichterung, der Dankbarkeit, der Freude, aber vor allem des Glücks, das ich noch immer nicht fassen konnte.
„Ich liebe dich, mein kleiner Bücherwurm.", hauchte ich in ihren Schopf, der inzwischen jeden Zentimeter meines Gesichts verdeckte, und zog sie noch näher an mich heran, obwohl es überhaupt nicht mehr möglich war.
Noch ein wenig fester und sie würde komplett auf mir liegen. Womit ich zwar auch kein Problem hätte, doch hierfür fehlte mir dann doch noch die Kraft.
„Mr. Malfoy?", wurde ich ein paar Minuten später aus dem Halbschlaf gerissen, eine leise Stimme hallte durch den Raum, die dennoch laut genug war, um mich erschrocken zusammenzucken zu lassen.
Mein Blick fiel als erstes panisch auf Hermine, bis ich begriff, dass sie unverändert ruhig schlummerte, dann entdeckte ich Madam Pomfrey, die gerade die Tür hinter sich schloss und schleichend auf mich zukam. Sie schob einen kleinen Wagen vor sich her, auf dem sich sämtliche Dosen und Flaschen befanden, und den sie vorerst in der Mitte des Zimmers stehenließ.
„Entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht wecken."
Leicht bedröppelt schüttelte ich den Kopf.
„Haben Sie nicht, ich..." Mehr brachte ich gerade nicht heraus, vor allem, da ich auch gar nicht wusste, was ich hätte sagen sollen, und so beobachtete ich einfach, wie die Medihexe dicht neben dem Bett stehenblieb und neugierig das Szenario beäugte, das Hermine und ich ihr boten.
„Ist sie eingeschlafen?", wollte sie flüsternd wissen, wobei sie behutsam ihre Hand auf den brünetten Kopf legte. Ich nickte.
„Ein Glück! Das wurde aber auch Zeit.", atmete sie sichtlich zufrieden auf, das Lächeln auf ihren Lippen unterstrich ihre unverkennbare Erleichterung und brachte ihre Augen zum Strahlen. „Sie hat seit Montag kaum geschlafen, wissen Sie? Insgesamt vielleicht vier, fünf Stunden, wenn überhaupt. Aber das kann man ihr wirklich nicht verübeln."
Nun war ich derjenige, auf dessen Zügen sich ein sanftes Lächeln breitmachte, auch, wenn diese Information wohl eher besorgniserregend war.
„Sie hat mich während der letzten Tage ziemlich auf Trab gehalten und mich einige Nerven gekostet! Sie wollte in jeder freien Sekunde bei Ihnen sein und hat dafür alles in Kauf genommen. Hat kaum geschlafen, nur das Nötigste gegessen, sich des Öfteren mit Miss Weasley und Mr. Zabini angelegt und... wie mir berichtet wurde, hat sie Professor McGonagall ebenfalls ziemlich terrorisiert.", fügte sie schmunzelnd hinzu, sichtlich bemüht nicht zu lachen, während ihre Hand ganz sachte über Hermines Hinterkopf streichelte.
Und es waren diese wenigen, für mich jedoch unfassbar wichtigen und bedeutungsvollen Worte, die mein Herz auf ein Vielfaches anschwellen ließen.
„Ja, das sieht ihr ähnlich.", stieg ich in ihr Schmunzeln mit ein, gleichzeitig stellte ich mir Hermine vor, wenn sie in ihrem Element war und alles und jeden tyrannisierte, was mir zudem ein kleines Lachen entlockte.
„Sie haben Ihr Versprechen also gehalten, hm?"
Überrascht und auch etwas überrumpelt aufgrund des plötzlichen und raschen Themenwechsels, wandte ich meine Augen von der schlafenden Hermine ab, um sie auf Madam Pomfrey zu richten, die sich - glücklich vor sich hin lächelnd - dem kleinen Wagen widmete.
Sie kramte herum, drehte einige der Flaschen, um das jeweilige Etikett lesen zu können, zog hin und wieder eine heraus, um sie dann entweder wieder zurückzustellen oder um einen kleinen Schluck davon in einen kleinen Becher zu schütten. Und ich befürchtete, dass ich dieses Gemisch gleich trinken musste. Wovor mir jetzt schon graute.
Ich hatte mich so auf ihre Handgriffe und dieses leise Scheppern der Flaschen konzentriert, dass ich ihre Frage schon wieder vergessen hatte, doch ihr verwirrter Gesichtsausdruck, den sie mir wenig später zukommen ließ, erinnerte mich wieder daran. Ich räusperte mich.
„Ehm... j-ja, ich... hab mein Versprechen gehalten. Hat zwar etwas länger gedauert als erhofft, aber... ich hab sie zurückgewonnen, ja."
„Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich für Sie freue. Nach allem, was Sie durchgestanden haben,-" „-verdiene ich sie trotzdem nicht.", beendete ich ihren Satz, was sie offenbar als Scherz auffasste, doch ich meinte es genau so, wie ich es gesagt hatte.
Ihr Lachen verstummte, als sie den ernsten Ausdruck auf meinem Gesicht registrierte, dann reichte sie mir wortlos besagten Becher mit dem Gemisch aus Heilmitteln. Welches schon von Weitem nach Trollpisse roch.
Ohne mich in irgendeiner Weise dazu auffordern zu müssen, griff ich danach, um den Inhalt herunterzukippen und es so schnell wie möglich hinter mich zu bringen. Es schüttelte mich so stark, dass ich kurzzeitig befürchtete Hermine aufzuwecken, doch sie schlummerte weiterhin tief und fest an meiner Brust.
„Sie verdienen einander. Miss Granger hat Sie bezüglich dieser Reinblut-Fanatik Ihres Vaters eines Besseren belehrt und Sie haben nicht selten Ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um sie zu beschützen.", setzte sie nach einer Weile peinlichen Schweigens an, ihre Augen fesselten dabei die meinen, als wollte sie mir diese Worte mit aller Macht einbläuen.
„Machen Sie sich nicht immer schlechter als Sie sind, Mr. Malfoy. So arrogant und selbstsicher, wie Sie sich sonst immer geben, gefallen Sie mir ehrlich gesagt besser. Sie verdienen es glücklich zu sein. Das ist mein letztes Wort!"
Das war es in der Tat, denn ich widersprach ihr nicht - was hauptsächlich daran lag, dass sie mich hiermit ziemlich eingeschüchtert hatte -, und sah teils gerührt, teils dankbar dabei zu, wie sie auf dem Absatz kehrtmachte und den Becher wieder auf dem kleinen Wagen abstellte.
„Danke.", würgte ich nur noch hervor, meine vor Verlegenheit zugeschnürte Kehle machte es mir unmöglich noch mehr zu sagen, doch genau genommen hatte ich alldem nichts mehr hinzuzufügen. Vielleicht, womöglich hatte sie ja recht, ich wusste es nicht.
Und bevor ich mir auch weiterhin Gedanken darüber hätte machen können, ergriff sie auch schon erneut das Wort.
„Ich habe später eine kleine Überraschung für Sie.", verkündete sie stolz, ihre Mundwinkel zuckten und kletterten immer weiter nach oben, bis ein erneutes Lächeln ihre Lippen zierte.
„Eine Überraschung?" Was das wohl sein mochte?
„Ja, eine Überraschung. Jemand, der Sie sehen möchte."
„Lassen Sie mich raten. Es ist Blaise? Blaise Zabini?" Ansonsten gab es nämlich niemanden mehr, der sich darüber freuen würde, mich zu sehen. Das fast schon genervte Schnauben, das dabei meinen Mund verließ, bewirkte, dass sie fragend das Gesicht verzog.
„Nein, es ist nicht Mr. Zabini. Er würde sich natürlich ebenfalls freuen Sie zu sehen, aber... ich habe ihm und Miss Weasley in einer doch recht hitzigen Diskussion klarmachen müssen, dass Sie vorerst noch Ruhe brauchen und erst gegen Abend Besuch bekommen dürfen."
„Ok-kay...", stammelte ich, nicht sicher, was ich davon halten sollte. „Wer ist es dann?"
„Das werden Sie noch früh genug erfahren. Ich wollte Sie nur schon mal vorwarnen."
Na toll, ging es mir durch den Kopf, den ich nachdenklich zurück ins Kissen sinken ließ.
Wenn es McGonagall ist, kann ich gerne darauf verzichten, fügte ich im Stillen schmunzelnd hinzu.
„Ich nehme mal an, dass Miss Granger ihr Frühstück nicht mehr anrühren wird.", wurde ich zum wiederholten Male aus meinen Gedanken gerissen, ich hatte nicht einmal mitbekommen, dass Madam Pomfrey inzwischen wieder auf der anderen Seite des Bettes stand und kopfschüttelnd auf das überladene Tablett auf dem Nachttisch starrte.
„Tja, ich war wohl wichtiger als dieser matschige Haferschleim mit Obst.", erwiderte ich - für mich inzwischen ungewohnt - selbstgefällig, auch mein typisches, arrogantes Grinsen schlich sich leichter auf meine Züge als gedacht.
„Genau das meinte ich. So gefallen Sie mir eindeutig besser!", lachte sie herzlich, ehe sie das Tablett in ihre Hände nahm und es ebenfalls Richtung Wagen balancierte.
„Ruhen Sie sich aus." Dann wandte sie sich gänzlich ab und steuerte die Tür an, um das Zimmer zu verlassen und mich mit meiner kleinen Prinzessin alleine zu lassen.
Einige Minuten später fühlte ich mich schon deutlich besser und fitter als zuvor, mein Kopf jedoch dröhnte unverändert und auch die Wunden und Narben auf meinem Körper sorgten immer wieder für ein stechendes Brennen.
Die Karaffe mit dem Wasser hatte ich inzwischen bis zur Hälfte ausgetrunken, um dem Schmerz in meinem Rachen ein wenig entgegenzuwirken, und obwohl ich tagelang nichts gegessen hatte, sondern künstlich ernährt worden war, hatte ich weder Hunger noch sonderlich großen Appetit.
Den Großteil der Zeit hatte ich damit verbracht, darüber nachzudenken, wer mich denn so dringend besuchen und sehen möchte, doch mir war keiner in den Sinn gekommen.
Ich hatte mich während der letzten Jahre in Hogwarts ziemlich unbeliebt gemacht und abgesehen von Blaise, Hermine und vielleicht sogar dem Wiesel-Mädchen konnte mich keiner leiden. Pansy vielleicht, doch wenn sie wirklich unter Verdacht stand, würden sie sie bestimmt nicht auf mich loslassen. Oder?
Auch McGonagall tauchte bei dem vielen Überlegen immer wieder mal auf, aber ehrlich gesagt wäre dies keine Überraschung. Zumindest keine erfreuliche. Warum auch immer, aber es war nun mal so, dass ich die Schulleiterin nicht sonderlich gut leiden konnte.
Ich wollte gerade niemanden sehen und niemanden hören, außer Hermine, aber diese war ja ohnehin schon bei mir. Zum Glück, möchte ich sagen, denn ohne sie an meiner Seite würde dieser Heilprozess um einiges länger dauern.
Die Minuten verstrichen, ich verlor jegliches Zeitgefühl und starrte irgendwann nur noch an die weiße Zimmerdecke. Nichtstun und einfach nur herumliegen zu müssen war anstrengender und nervenaufreibender als gedacht, doch als ich plötzlich ein leises Klopfen an der Tür vernahm, erwachte ich mit einem Schlag wieder aus meiner Trance.
Ich musste nicht antworten und meinen 'Besucher' auch nicht hereinbitten, denn die Klinke wurde nur Sekunden später heruntergedrückt, womit mir auch schon ein Blick auf besagte Person gewährt wurde.
Eine Person, die dafür sorgte, dass mir sofort der Atem stockte und mir das Herz in die Hose rutschte.
Schwarzblonde Haare zierten das blasse, eingefallene Gesicht, ihre kühlen, schimmernden Augen, die von dunklen Schatten umrandet waren, musterten mich ausgiebig und strahlten dennoch eine immense Wärme aus, die mein Herz dahinschmelzen ließ.
Am liebsten wäre ich aufgesprungen und ihr schluchzend um den Hals gefallen, als ich realisierte, um wen es sich hierbei handelte, doch stattdessen hielt ich einfach nur die Luft an, weitete meine Augen und hauchte mit zittriger Stimme.
„Mum?"
>>>
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro