68. | Ratlos (2/2)
Hermines POV
„Wie wäre es, wenn wir darüber nachdenken, wer dahinterstecken könnte, anstatt uns sinnlos anzuschreien? Verlegt das von mir aus auf später oder verschwindet, aber hört auf hier so rumzuschreien!"
Ich klang nicht so bedrohlich und angesäuert, wie ich erhofft hatte, was größtenteils vermutlich daran lag, dass ich nach wie vor ziemlich geschwächt und müde war, aber dennoch genügte es, um die beiden augenblicklich einzuschüchtern.
Ihre zuvor zornigen und verbissenen Gesichtsausdrücke lockerten sich wieder, wurden sanfter und stattdessen machte sich ein Hauch von Reue darin bemerkbar, dem ein bedrücktes Schweigen folgte.
Die beiden würdigten sich keines Blickes mehr, schielten lediglich zu Boden und ließen sich auf ihren Stühlen immer tiefer sinken, bis Zabini eine halbe Ewigkeit später - in Wirklichkeit waren vielleicht zwei oder drei Minuten vergangen - kleinlaut das Wort ergriff, für die er sich langsam in Ginnys Richtung drehte.
„Sorry, ich... hab das nicht so gemeint."
„Also ich schon, aber-"
„Ginny!", knurrte ich. Diese seufzte nur.
„Na schön! Mir tut es auch leid."
Ohne dieses genervte Augenrollen hätte ich es ihr wahrscheinlich sogar abgekauft.
„Ich werde deinen geliebten Potter nie wieder beschuldigen, versprochen.", kam es sarkastisch und für meinen Geschmack erneut viel zu streitsüchtig von Zabini, und - wie sollte es auch anders sein - versuchte sich die rothaarige Furie sofort wieder zu verteidigen.
„Danke, wie gütig du doch bist. Und ich verspreche dir, deine geliebte Parkinson nie wieder zu beschuldigen. Aber wenn herauskommt, dass sie tatsächlich etwas damit zu tun hatte, hol ich die Backpfeife, die ich dir gerade liebend gern verpassen möchte, nach! Das schwöre ich dir!"
Ach herrje, das kann ja noch heiter werden...
„Okay, fein! Aber wenn herauskommt, dass dein dämlicher-"
Ein lautes, bedrohliches Räuspern meinerseits sorgte dafür, dass der Dunkelhäutige sofort innehielt und sich auf die Unterlippe biss, der wutentbrannte Ausdruck auf meinem Gesicht ließ ihn zudem sichtlich schwer schlucken.
„Habt ihr's dann bald?! Ihr könnt wie gesagt gerne rausgehen und euch gegenseitig die Köpfe einschlagen, ist mir egal! Oder aber ihr reißt euch endlich zusammen und helft mir dabei, herauszufinden, was es mit Freitagabend auf sich hat. Dann könnt ihr euch diese sinnlose Diskussion nämlich sparen!"
Ich verschränkte die Arme vor der Brust, um den beiden nicht einfach die Ohren langzuziehen, denn zugegebenermaßen war ich gerade stinksauer. Und das war noch gelinde ausgedrückt.
„Du hast ja recht, es... geht hier um Draco. Tut mir leid.", war erneut Zabini derjenige, der sein Fehlverhalten als erster einsah, Ginny hingegen blieb auch weiterhin stur und dachte offenbar nicht einmal daran nachzugeben, was mich innerlich rasend machte.
Ich fragte mich schon die ganze Zeit, warum die Stimmung derartig mies und schlecht war, wenn man bedachte, dass wir uns zuvor vergleichsweise gut verstanden hatten. Weder Zabini, noch Ginny, noch ich konnten etwas für die momentane Situation, doch anstatt zusammenzuarbeiten und gemeinsam nach einer Lösung für das Problem zu suchen, pöbelten und keiften wir uns einfach nur sinnlos an.
„Du denkst also wirklich, dass Parkinson nichts damit zu tun hatte? Ich will mich nicht auf Ginnys Seite stellen, aber... Parkinson ist ehrlich gesagt auch meine Verdachtsperson.", begann ich schließlich mit unserem eigentlichen Vorhaben, um dieser Streiterei endgültig ein Ende zu setzen, und wieder war es Zabini, der Einsicht zeigte, während Ginny - noch immer beleidigt - Löcher in die Luft starrte.
„Okay, also... nachdem ich der festen Überzeugung war, dass Weasley der Täter ist, hab ich mir natürlich keine Gedanken darüber gemacht, aber... Pansy würde sowas nicht tun! Glaub mir. Wer mir jetzt allerdings spontan in den Sinn kommt, wäre... Also... versteh mich nicht falsch, ich möchte niemandem was unterstellen, aber-"
„Ach, aber Harry schon oder was?!"
„Ginny! Genug jetzt!", donnerte ich, mein Geduldsfaden war inzwischen schon unzählige Male gerissen. Ein weiteres Mal und ich würde vermutlich gänzlich die Kontrolle verlieren.
Was sie zu bemerken schien, denn sie machte sich immer kleiner und wich ganz bewusst meinen tödlichen Blicken aus.
„Wie gesagt möchte ich niemandem was unterstellen...", begann Zabini daraufhin erneut, seine Augen waren streng und sichtlich angefressen auf die Rothaarige gerichtet. „Aber die einzige, die mir in den Sinn kommt, ... wäre Astoria."
Was zum...
„Die Pute von Greengrass?!", kam Ginny mir zuvor, ihre laute, fast schon schreiende Stimme hallte an den weißen Wänden wider.
Astoria Greengrass...
Eine Gänsehaut packte plötzlich meinen Körper, der unwillkürlich erschauderte, immer wieder und unaufhörlich echoten diese Worte in meinem Kopf.
Ich konnte nicht sagen, was es war, doch dieser Name weckte in Verbindung mit Draco Erinnerungen in mir. An den Abend im Raum der Wünsche. An diese eine Szene, die er mir gezeigt hatte. Bei ihm zuhause, als er seine Eltern belauscht hatte. An-
Dann fiel es mir wieder ein.
„Ja, die Pute von Greengrass.", verdrehte Zabini belustigt die Augen.
„Dumme Frage, aber... wie kommst du ausgerechnet auf Greengrass?", verlangte ich zu wissen, gleichzeitig war ich mir nicht ganz sicher, ob ich wirklich wissen wollte, was es damit auf sich hatte, denn...
„Na ja, es ist so, dass... Ich weiß nicht, inwiefern du davon wusstest, aber... Dracos Vater wollte ihn mit Astoria verheiraten. Die beiden sind einander schon seit Astorias Geburt versprochen. Zwangsheirat zwecks dem Erhalt der Reinblutlinie und so."
Ich nickte. Wusste ich's doch.
„Ja, das... ist mal kurz zur Sprache gekommen, als er mir seine Erinnerungen gezeigt hat.", erklärte ich vage, während sich ein seltsames Gefühl in meinem Inneren, besser gesagt in meiner Magengegend ausbreitete.
Zudem spürte ich, wie mein Puls immer schneller, meine Wangen immer wärmer wurden und ich - ohne, dass ich es verhindern konnte - mit den Zähnen knirschte. Allein die Vorstellung von Draco und einem anderen Mädchen brachte alles in mir zum Brodeln.
Verdammte Eifersucht...
„Daphne meinte mal, dass Astoria wohl auf Draco steht und demnach ziemlich angefressen war, als sie erfahren hat, dass Narzissa die Vermählung für nichtig erklärt hat."
„Dracos Mutter hat die Hochzeit annulliert?", stieß ich überrascht aus, gleichzeitig fiel mir ein tonnenschwerer Stein vom Herzen, der dieses beklemmende Gefühl und den riesengroßen Kloß in meinem Hals zunichte machte. Endgültig, als Zabini zustimmend nickte.
„Ja, das war eines der ersten Dinge, die sie getan hat, nachdem Dracos Vater nach Askaban geschickt wurde. Demnach will ich mir gar nicht vorstellen, wie Astoria reagiert hat, als sie das mit euch beiden erfahren hat. Ich weiß, es ist nicht die feine englische Art sie zu beschuldigen, aber die erste und zudem einzige, die mir gerade einfällt. Und! Sie war am Freitag auch im 'Drei Besen'."
In der Tat...
Kaum zu fassen, aber... Zabinis Vermutung machte durchaus Sinn.
Die Erinnerungen, die McGonagall uns gezeigt hatte, tauchten wieder vor meinem inneren Auge auf, allen voran jene Szene, in der Ron auf dem Weg zu seinem Tisch von Parkinson und den beiden Greengrass Schwestern angerempelt wurde. Ich war mir sicher, dass eben dieser Zwischenfall, diese kleine Ablenkung der Auslöser für alles gewesen sein musste und man Ron in diesem Moment verflucht hatte.
Natürlich konnten wir noch nichts beweisen und lediglich vermuten, wer dahintersteckte - zumal Rons Erinnerungen viel zu ungenau und nichtssagend waren - doch Astoria kam definitiv auf die Liste und ich würde sie auf jeden Fall im Auge behalten.
„Du willst Parkinson also nichts unterstellen, aber bei Greengrass ist das kein Problem, oder was?", moserte Ginny, die noch immer höchst angefressen und eingeschnappt zu sein schien.
Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was ihr Problem war, doch sie ging mir gerade tierisch auf die Nerven mit ihrer besserwisserischen Art.
Ob ich auch immer so schlimm bin? Ich hoffe ja nicht.
„Ich möchte behaupten, dass ich die beiden besser kenne als du!", wusste der Dunkelhäutige sich und seine Aussagen sofort zu verteidigen. „Pansy ist ein eifersüchtiger Mensch, ja, und sie liebt Draco, aber... anders als Astoria, ist sie sich darüber bewusst, dass sie nie eine Chance bei ihm haben wird. Astoria ist ein kleines, verwöhntes Prinzesschen, das nicht damit klarkommt, wenn etwas nicht nach ihren Vorstellungen verläuft oder sie nicht das bekommt, was sie will. Bei Pansy hingegen ist es eher die Angst, einen guten Freund oder einen Nahestehenden zu verlieren. Ihre Aktion im Korridor war absolut dreist und widerlich, keine Frage, und ich will sie dafür auch nicht in Schutz nehmen, aber... ich kenne sie einfach besser und weiß, dass sie in dem Moment vollkommen neben der Spur war. Sie hasst Veränderungen und kommt nicht damit klar, wenn sie jemanden verliert. Seit sie ihre Eltern verloren hat, leidet sie an starken Verlustängsten. Deswegen klammert sie sich auch so stark an ihre Freunde."
„Warte mal!", stieß ich schockiert und völlig verdattert aus. „Parkinson hat... ihre Eltern verloren?"
Verhalten und sichtlich bedrückt nickte er.
„Sie haben damals in der Abteilung für internationale magische Zusammenarbeit des Ministeriums gearbeitet und mussten für zwei Wochen auf Dienstreise nach Nordfrankreich. Dort ist eines der Gebäude in Flammen aufgegangen und... sie konnten sich nicht mehr rechtzeitig retten."
„Ach du- das... ich erinnere mich daran! Dad hat uns zu dieser Zeit jeden Morgen den Tagespropheten vorgelesen. Es war... diese Bilder und... es war schrecklich.", stammelte Ginny, deren Gesichtszüge sich inzwischen wieder gelockert hatten, beziehungsweise waren sie ihr aufgrund dieser höchst schockierenden Nachricht vollkommen entgleist. Was ich verstehen konnte, denn mir ging es gerade nicht anders.
Es war mal wieder der beste Beweis dafür, dass man oftmals viel zu voreilig über Menschen urteilte, ohne zu wissen, was sie in ihrer Vergangenheit erlebt oder durchgemacht hatten.
Ich nahm Parkinson bezüglich Freitagabend nicht in Schutz und stempelte sie auch nicht automatisch als unschuldig ab, doch diese Wahrheit änderte dennoch einiges.
„Ja, es muss wirklich grauenvoll gewesen sein. Sie war zu dem Zeitpunkt gerade mal zehn Jahre alt und... seitdem wohnt sie bei ihrer Tante in Schottland. Pansy ist schon seit Kindertagen mit Draco befreundet und er hat ihr vor allem in dieser schweren Zeit sehr geholfen. Er ist quasi der große Bruder, den sie nie hatte. Deswegen ist sie auch so fixiert auf ihn. Und deswegen war sie vermutlich so wütend, als sie das mit euch erfahren hat. Weil sie Angst hatte, dass du ihn ihr wegnimmst."
Oh mein Gott...
„Das ist... furchtbar." Ungläubig, zutiefst schockiert und vollkommen sprachlos schüttelte ich den Kopf, der plötzlich unfassbar schwer war, weshalb ich ihn wieder auf Dracos Brust ablegte. Unter anderem, um mich mithilfe seines Herzschlags ein wenig zu beruhigen. Vergebens.
„Ich hatte keine Ahnung, dass ihre Eltern unter den Todesopfern waren.", gestand Ginny in einem leisen und heiseren Flüstern, nach wie vor mit dem geschockten Ausdruck auf dem Gesicht, das noch blasser geworden war als zuvor.
„Das wissen tatsächlich die wenigsten. Anders als bei dem heiligen Goldjungen mit der Blitznarbe, wurde der Tod ihrer Eltern nämlich nie an die große Glocke gehängt. Und logischerweise redet sie auch nicht gerne darüber."
Den erneut spöttischen Kommentar bezüglich Harry ignorierend - wobei ich ihm bedauerlicherweise dennoch irgendwie recht geben musste - nahm ich einen tiefen Atemzug.
Ich schwieg.
Nicht, weil ich nicht wusste, was ich darauf noch erwidern sollte, sondern weil mir die Worte im Hals steckenblieben. Es gab so viel, das ich sagen wollte, aber ich konnte einfach nicht. Ich war ratlos und kaputt und wusste nicht mehr weiter.
Ich fragte mich, wie viele Informationen und schockierende Nachrichten ein Mensch an einem einzigen Tag, besser gesagt innerhalb weniger Stunden erhalten konnte, bevor er zusammenbrach oder ihm der Kopf platzte.
Genau so fühlte ich mich nämlich in diesem Moment.
Noch vor wenigen Minuten war ich der festen Überzeugung gewesen, dass Parkinson etwas mit Dracos Beinahe-Tod zu tun hatte, doch jetzt? Jetzt war in meinem Gehirn ein riesiges, überdimensional großes Fragezeichen.
War sie womöglich doch unschuldig? Hatte stattdessen Astoria Greengrass etwas damit zu tun? Oder Harry? So, wie Zabini vermutete? Oder aber steckte eine ganz andere Person dahinter?
Ich hatte weder eine Antwort, noch eine Lösung, noch eine Idee.
Nur eines wusste ich. Egal wer es war, musste büßen für seine Tat. Und ein Leben lang hoffen, mir nie wieder über den Weg laufen zu müssen.
Denn in diesem Augenblick schwor ich mir, dass ich von nun an alles in meiner Macht stehende tun würde, um Draco zu beschützen. So, wie er mich jahrelang beschützt hatte. Ich würde nicht zulassen, dass ihn jemals wieder jemand verletzte.
Ein bedrücktes Schmunzeln entwich mir. Wenn ihn doch nur alle so sehen könnten, wie ich ihn sah. So liebevoll, zuvorkommend und fürsorglich. Doch das taten die wenigsten. Auch nach all den Jahren und diesem grauenhaften Krieg, hatte dieser enorme Hass auf ihn kein Ende.
Eine Flut von Emotionen stürzte auf mich ein, je länger ich darüber nachdachte und grübelte, wie ein reißender Strudel auf kilometerweiter See, der mich nach unten zog und zu ertränken drohte. Jeder Atemzug, jede Bewegung und jede Sekunde, in der ich im Dunkeln tappte, wurde zur Qual.
Unsere Vermutungen waren erst der Anfang und der Beginn einer nervenaufreibenden Suche, die - so hoffte ich - bald ein Ende haben würde, denn ich wollte nichts weiter, nichts sehnlicher, als endlich in Frieden und ohne Angst leben zu können. Gelitten hatten wir im Laufe der letzten Jahre bereits zur Genüge, oder nicht?
Ich wollte einfach nur unbeschwert leben.
Vor allem aber, dass Draco lebte.
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