68. | Ratlos (1/2)
Hermines POV
Ein lautes, ergebenes Seufzen verlautend und unbeschreiblich erleichtert darüber, dass wir ohne weitere Komplikationen oder Zwischenfälle endlich zurück waren, passierten Ginny und ich die große Tür, die den langen Korridor vom Krankenflügel trennte.
Wie ein Windstoß wehte mir sofort der Geruch nach Desinfektionsmittel entgegen, der für ein leichtes Brennen in meiner empfindlichen Nase sorgte, doch das interessierte mich gerade recht wenig. Generell ignorierte ich gerade alles und jeden, abgesehen von meiner besten Freundin, die mich festhielt, als würde ihr Leben davon abhängen und mich zielsicher durch das halbe Schloss geführt hatte.
Den ganzen Weg über hatten wir uns angeschwiegen, kein einziges Wort miteinander gewechselt und unseren eigenen Gedanken nachgehangen, die noch immer hemmungslos auf mich einhämmerten und meine ohnehin schon starken Kopfschmerzen nur noch verschlimmerten.
Diese ganzen Informationen und Erinnerungen waren einfach zu viel für mich gewesen. Ich musste herausfinden, was es damit auf sich hatte, wer Ron verflucht hatte und warum man Draco angegriffen hatte, doch ich überlegte und überlegte, tappte jedoch vollkommen im Dunkeln. Noch dazu, weil Parkinson zu diesem Zeitpunkt die einzige war, die für mich infrage kam.
Ich brauchte Ruhe und womöglich würde es mir auch guttun ein paar Stunden zu schlafen, doch ich wusste jetzt schon, dass ich scheitern würde. Ich konnte einfach nicht.
„Oh, Sie sind schon zurück?", ertönte es plötzlich hinter uns, kaum, dass wir den großen Raum mit den vielen Betten betreten hatten, worauf ich unsanft aus meinen Gedanken gerissen wurde und erschrocken herumwirbelte.
Meine Hand griff völlig automatisch und instinktiv nach meinem Zauberstab, den ich blitzschnell, binnen Millisekunden aus meiner Hosentasche zog, allerdings ebenso schnell wieder sinken ließ, als ich registrierte, wer da zu uns gesprochen hatte.
Nämlich Madam Pomfrey, die gerade aus dem kleinen Nebenzimmer kam, in dem sich ihr Büro und die vielen Krankenakten befanden, und auf uns zusteuerte.
„Verzeihung, ich wollte Sie nicht erschrecken, Miss Granger." Abwehrend hob sie die Hände, als sie mit geweiteten Augen auf meinen Zauberstab blickte, erst dann fiel mir auf, wie dämlich und unüberlegt meine Reaktion mal wieder gewesen war.
Ich war derartig schreckhaft und unter Spannung, dass ich bei dem kleinsten Zwischenfall überreagierte und Gefahr witterte. Es war wie damals während der Horkruxjagd, als ich 24/7 auf der Hut sein musste und keine Sekunde zur Ruhe kommen konnte. Ich war nicht mehr diese furchtlose, mutige Hermine, die ich jahrelang gewesen war. Ich war ein Schatten meiner selbst. Ein Wrack.
Auch Ginny sah mich an, als wäre ich die Reinkarnation Voldemorts, dennoch verstärkte sie ihren Griff um meinen Körper und holte mich endgültig auf den Boden der Tatsachen zurück.
„Dir kann nichts passieren, Mine. Wir sind hier in Sicherheit, okay? Madam Pomfrey hat einen Zauber auf die Türen gelegt, der Unbefugten den Zutritt verweigert. Abgesehen von uns beiden, Blaise und McGonagall kann niemand den Krankenflügel betreten."
Als Antwort bekam sie ein zaghaftes Nicken, gefolgt von einem dankbaren Lächeln, das ich nur mit größter Mühe auf meine Lippen zaubern konnte, und ich wandte mich letzten Endes gänzlich ab, um den Raum anzusteuern, in dem Draco lag. In der Hoffnung, dass er wohlauf war.
Die Medihexe, die versuchte mich erneut aufzuhalten und mich fragte, was bei dem Gespräch mit McGonagall herausgekommen war, ignorierte ich einfach, da ich gerade ganz andere Sorgen hatte und wir genau genommen ohnehin nichts wussten. Wir wussten sogar noch weniger als zuvor.
Stattdessen war es Ginny, die ihr eine knappe Zusammenfassung gab, ich hingegen hörte gar nicht hin, verschloss meine Ohren und ging schnellen Schrittes auf die weiße Tür zu, die ich nach einem letzten, tiefen Atemzug schwungvoll öffnete.
Meinem doch recht hektischen Auftauchen folgte ein lautes Poltern, wie das Geräusch eines zerbrechenden Glases, dann passierte alles ganz schnell.
Ich hatte noch keinen Blick durch den Raum geworfen, als ich auch schon erschrocken nach Luft schnappte und einen Schritt zurück stolperte, kurzzeitig wurde mir schwarz vor Augen und mein Frühstück von vor wenigen Stunden schien ein zweites Mal 'Hallo' sagen zu wollen.
Ich blickte auf die Spitze eines Zauberstabs, der direkt auf mich gerichtet war und vermutlich jeden Moment einen Fluch auf mich abfeuerte, doch so schnell wie er in die Höhe geschossen war, so schnell wurde er auch wieder gen Boden gerichtet.
„Sag mal, bist du komplett bescheuert?!", kam es keine Sekunde später wutentbrannt von Zabini, der den dünnen Holzstab auf das Bett pfefferte und sich schließlich zurück auf seinen Stuhl fallen ließ, die Augen bedeckte er seufzend mit seinen Händen.
Das Glas, das er hatte fallen lassen, verteilte seinen letzten Inhalt auf dem sterilen Fußboden, während er sichtlich erleichtert durchatmete und seinen gerade vermutlich viel zu hohen Puls zu beruhigen versuchte. Genau wie ich.
„Du kannst doch nicht einfach die Tür aufreißen wie eine Bekloppte! Klopf das nächste Mal gefälligst an, kapiert?!", moserte er verbissen, sein Kiefer war deutlich angespannt und seine Augen funkelten mich bedrohlich an, meine eigenen fokussierten allerdings den Blondschopf, der sich seit meinem Verschwinden keinen Millimeter bewegt hatte und unverändert in seinem Bett lag und schlief. Auch die vielen Schläuche waren nach wie vor an seinem Körper befestigt, der mich wie ein Magnet anzog und mich völlig automatisch auf ihn zugehen ließ.
Ich wusste nicht, ob ich enttäuscht sein sollte, weil er allem Anschein nach nicht aufgewacht war, oder aber erleichtert, weil ich um jeden Preis dabei sein wollte, wenn er wieder zu sich kam, doch eines war klar: Ich war zutiefst besorgt und alles in mir zog sich schmerzlich zusammen, je länger ich ihn betrachtete.
Seine Atmung war ruhig und gleichmäßig, auch sein Herz schlug in einem regelmäßigen Takt, doch seine kränkliche Blässe und die vielen Narben auf seinem Körper zerstörten dieses fast schon friedliche Bild.
Ich nahm vorsichtig Platz, meine trockenen Lippen fanden den Weg auf seine Stirn, die ich sanft küsste, bevor ich mich ganz fest an ihn kuschelte und meine Augen zurück auf Zabini lenkte.
„Alles okay?", fragte ich, sein verstörter Blick war mir absolut nicht geheuer, worauf er allerdings nur schnaubte.
„Oh, abgesehen davon, dass ich gerade beinahe einen Herzinfarkt hatte, geht es mir blendend, danke der Nachfrage!"
„Ich... ehm... ich rede eigentlich von... von D-Draco, aber... es tut mir leid." Ich senkte beschämt den Kopf, mir durchaus darüber bewusst, dass Zabini recht hatte und ich definitiv etwas ruhiger werden musste, und legte ganz vorsichtig meine Hand an Dracos Wange, wobei meine Fingerspitzen sofort wie verrückt zu kribbeln begannen.
„Wie geht es ihm?", wollte ich wissen, darum bemüht möglichst schuldbewusst und eingeschüchtert zu wirken, was er mir offenbar kein bisschen abkaufte.
„Keine Ahnung, ich hab ihn ein paar Mal gefragt, er hat mir aber nicht geantwortet."
„Ha, ha! Sehr witzig!", erwiderte ich schnippisch, meine Augen zog ich zu zwei dünnen Schlitzen zusammen, sodass ich den Dunkelhäutigen nur noch verschwommen wahrnahm. Nach einem weiteren Schnauben schraubte er sein erhitztes Gemüt dann doch wieder etwas herunter.
„Es hat sich nicht viel verändert, seit ihr gegangen seid. Madam Pomfrey hat zweimal nach ihm gesehen und seine Infusion gewechselt, aber ansonsten ist alles beim Alten."
Ich nickte nur, war von dieser Antwort logischerweise nicht allzu begeistert, doch dass Dracos Zustand sich auch nicht verschlechtert hatte, war gerade ein kleiner, und zudem mein einziger Trost.
Genau in diesem Moment betrat Ginny den Raum, die scheinbar doch noch etwas länger mit Madam Pomfrey gesprochen hatte, und sichtlich erschöpft die Tür hinter sich schloss, ehe sie auf uns zukam und es sich auf dem freien Stuhl neben dem Dunkelhäutigen bequemmachte. Dieser setzte sofort wieder sein freundlichstes Lächeln auf, was ich nur mit einem erneuten Augenrollen quittierte.
Dass die Stimmung gerade alles andere als gut und freudig war, war definitiv nicht von der Hand zu weisen, und dennoch war ich alles in allem einfach nur erleichtert, weil ich nach diesem doch recht anstrengenden Vormittag endlich wieder bei Draco war.
„Und? Was hat McGonagall gesagt?", wagte Zabini nach einer Weile des Schweigens schließlich als erster das Wort zu ergreifen, seine Besorgnis war kaum zu übersehen, ganz besonders, als Ginny ein frustriertes Seufzen verlauten ließ.
„Eine Menge!", war das Einzige, das sie von sich gab, ihre Hände massierten ihre vermutlich vor Anstrengung pochenden Schläfen, die sie wenig später auf Zabinis rechte Schulter sinken ließ.
„Geht das auch ein bisschen genauer oder muss ich euch beiden jetzt alles aus der Nase ziehen?"
„Wenn ich wüsste, wo ich anfangen soll, dann wäre das alles ja kein Pro-"
„Ginny!", fiel ich ihr ins Wort, als ich mich an ein paar wenige der unzähligen Worte McGonagalls erinnerte, Ginny hingegen zuckte aufgrund dieser Unterbrechung nur überrascht zusammen.
„Was denn?"
„Du weißt doch, dass wir... McGonagall hat gesagt, dass wir abgesehen von Madam Pomfrey mit niemandem darüber sprechen sollen."
„Ach komm schon, Mine. Es ist Blaise!"
... Eben.
„Ich weiß, aber..."
„Aber was?", hakte er verständnislos nach. Ich wagte sogar zu behaupten, dass er ein ganz klein wenig eingeschnappt war. „Vertraust du mir nicht?"
„Doch, es ist nur..." Ich seufzte. Er würde ja sowieso nicht lockerlassen. „Du musst versprechen, dass du mit niemandem darüber redest, klar? Das soll nämlich erstmal geheim bleiben!"
„Das dürfte kein Problem werden, ich rede momentan sowieso mit niemandem außer euch beiden. Und dass ich nichts tun würde, das euch oder Draco schadet, muss ich dir hoffentlich nicht erklären, oder?"
Wie ich es hasse, wenn er recht hat...
„Na schön.", resignierte ich, da es ohnehin sinnlos war, ihm diese Informationen zu verheimlichen, wo er seine Zeit doch fast schon durchgehend mit der Tratschtante Ginny Weasley verbrachte, die sich früher oder später vermutlich sowieso noch verplapperte.
Und so erzählten wir ihm schließlich alles, was wir von McGonagall erfahren hatten, angefangen damit, dass Ron von einer uns bislang unbekannten Person verflucht worden war, bis hin zu unseren Vermutungen bezüglich Parkinson, doch Zabinis Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte er bereits ab dem Zeitpunkt, in dem er von Rons Unschuld und seinen Aussagen erfahren hatte, auf Durchzug geschalten.
Ich war mir sicher, dass er kreidebleich geworden wäre, wenn das denn möglich wäre, doch seine aufgeklappte Kinnlade und seine vor Schock geweiteten Augen, die völlig hilflos und überrumpelt ins Leere starrten, sprachen Bände.
„Ich hab ja wirklich mit allem gerechnet, aber... das ist einfach nur krank! Welcher Mensch würde sowas tun?! Ich meine... dass Weasley zu sowas fähig sein könnte, war ja schon unvorstellbar, aber... was hat Draco bitte angestellt, dass man ihn gleich umbringen will?!", brauste der Dunkelhäutige auf, nachdem er eine ganze Weile einfach nur schweigend dagesessen war und unser Gesagtes auf sich hatte wirken lassen.
Mit diesen Worten sprach er mir eins zu eins aus der Seele, denn ich konnte es mir ebenso wenig erklären wie er, der Gedanke an Parkinson wollte mir jedoch partout nicht aus dem Kopf gehen.
„Na ja, also...", begann ich zögerlich. „Die einzige Vermutung, die wir bislang haben und der McGonagall im Laufe der nächsten Tage nachgehen will, ist wie gesagt Parkinson."
„Nichts für ungut, aber warum beschuldigt ihr ausgerechnet Pansy? Ich möchte behaupten, dass es genügend andere gibt, die Draco nicht ausstehen können. Besser gesagt ist sie eine der wenigen, die ihn leiden können."
„Schon vergessen, was letzte Woche im Gang passiert ist? Diese blöde Kuh hätte Hermine fast erwürgt!", maulte Ginny. Doch auch das schien Zabini nicht allzu sehr zu beeindrucken.
„Mag sein, aber... sie würde Draco niemals Schaden zufügen. Ich kenne Pansy! Sie mag vielleicht krankhaft eifersüchtig sein, aber sie würde ihn nie umbringen! Da hätte sie ja noch eher dich angegriffen.", grübelte er an mich gerichtet, wobei seine Augen nachdenklich durch mich hindurchblickten, einen unbekannten Punkt hinter mir fokussierten. Erst, als Ginny sich erneut zu Wort meldete, lenkte er sie zurück auf die Rothaarige, die angespannter zu sein schien als wir beide zusammen.
„Ich traue ihr alles zu! Außerdem dachtest du ja auch, dass du Malfoy kennst, obwohl er jahrelang riesengroße Geheimnisse vor dir hatte!"
„Das eine hat doch nichts mit dem anderen zu tun! Es stimmt, ich hatte keine Ahnung von Dracos Geheimnissen, aber ich kannte ihn trotzdem gut genug, um zu wissen, dass auch er niemandem grundlos Schaden zufügen würde. Pansy genauso wenig. Und wenn du mir jetzt so daherkommst, könnte ich auch einfach behaupten, dass Potter dahintersteckt! Das würde zum Beispiel diese komischen Briefe erklären!"
„Spinnst du?!", lachte die Weasley Tochter entsetzt auf. „Lass Harry aus dem Spiel, okay?! Ohne ihn wäre Malfoy tot! Warum hätte er ihn denn erst umbringen und dann wiederbeleben sollen, hm?!"
„Weiß nicht, vielleicht, damit er allen mal wieder beweisen kann, was für ein toller Held er ist?!"
„Ach, halt doch einfach die Klappe!", zischte sie. Ich hingegen seufzte nur genervt in mich hinein.
Dass die beiden aber auch immer wieder aufs Neue ein Thema fanden, über das sie sich streiten konnten. Unfassbar...
„Du willst doch nur nicht wahrhaben, dass dein dämlicher Freund doch nicht so toll ist, wie er immer vorgibt!"
„Du kennst ihn nicht, also halt dich gefälligst raus, kapiert?! Du bist doch nur neidisch, weil-" Sie brach ab, schielte stattdessen peinlich berührt zu Boden, als sie sich allem Anschein nach darüber bewusst wurde, was sie da beinahe von sich gegeben hätte und dass dieses Gespräch in eine komplett andere Richtung abzudriften drohte.
„Weil was?! Weil du dich für ihn entschieden hast? So, wie du dich gerade aufführst, bin ich dir sogar mehr als dankbar dafür!"
Autsch...
„Fick dich! Du hast keine Ahnung, okay?!", schrie sie mit immer stärker schimmernden Augen, der Schmerz stand ihr unübersehbar ins Gesicht geschrieben.
„Und du hast keine Ahnung von Pansy! Sie mag eine Zicke sein und ab und zu überreagieren, aber sie ist loyal und würde niemals einen ihrer Freunde angreifen!"
Merlin, diese Harmonie zwischen den beiden...
„Leute... wir sollten-"
„Oh ja, ihr Slytherins seid ja so überaus friedlich und-"
„Haltet endlich die Klappe! Und zwar beide!", fiel ich meiner besten Freundin ein weiteres Mal und bedeutend wütender ins Wort, am liebsten wollte ich die beiden rauswerfen und erst wieder zu Gesicht bekommen, wenn sie sich beruhigt hatten.
Dass sie sich mal wieder ankeiften, war die eine Sache, doch dass ihre Zankerei nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun hatte, war die andere. Von mir aus konnten sie sich außerhalb dieses Zimmers anschreien so viel sie wollten, aber wir hatten gerade ganz andere Probleme als die Eifersucht der beiden.
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