66. | Eine andere Perspektive (2/2)
Hermines POV
„Was soll das bitte heißen, dass er... das kann unmöglich alles sein, woran er sich erinnert!", stotterte ich mit zitternder Unterlippe, zusätzlich fiel es mir unfassbar schwer die Augen offen zu halten, die sich mit heißen Tränen füllten und demnach fürchterlich brannten. Ich konnte nicht fassen und wollte nicht glauben, dass das alles gewesen sein sollte, an das Ron sich bezüglich Freitagabend erinnerte.
„So leid es mir tut, Miss Granger, aber das ist tatsächlich alles." „Er... das kann nicht alles gewesen sein! Er lügt! Er... er will nur nicht zugeben, dass er-"
„Miss Granger, bitte!", fiel McGonagall mir ins Wort, zeitgleich spürte ich Ginnys Hand auf meiner Schulter. „Man hatte ihm, wie bereits gesagt, Veritaserum verabreicht. Selbst wenn er es versucht oder gewollt hätte, hätte er nicht dagegen ankämpfen können. Mr. Potters Erinnerungen an jenes Gespräch stimmen zu 100% mit Mr. Weasleys überein. Sie können sagen und vermuten, was Sie möchten, aber diese Bilder entsprechen der Realität. Und vielleicht verstehen Sie nun, warum ich Mr. Weasley in Schutz genommen habe."
„Nein, ich versteh es nicht! Nur, weil er sich nicht an alles erinnern kann, kommt er jetzt damit durch, oder was?! Draco hätte tot sein können! Ich hätte ihn verlieren können! Ich will, dass Ron seine gerechte Strafe bekommt, immerhin war er derjenige, der den Zauberspruch abgefeuert hat!"
„Ich kann Ihren Zorn und Ihre Wut nachvollziehen, Miss Granger, aber in diesem Fall handelt es sich nicht um mutwilligen Mord, sondern um fahrlässigen, weil Mr. Weasley zum Zeitpunkt der Tat nicht bei Bewusstsein war."
„Ja und?!", donnerte ich, eine einzelne Träne lief mir über das erhitzte Gesicht. „Das ändert aber nichts daran, dass er ihn verdammt nochmal getötet hat! Und einen Fluch auf jemanden abfeuern, der dafür sorgt, dass derjenige verletzt wird, ist sehr wohl mutwillig! Außerdem wird uns hier doch seit Jahren eingebläut, dass ein Zauberspruch nur dann richtig wirkt, wenn der, der ihn spricht, es auch will! Hätte Ron es tief in seinem Inneren nicht gewollt, wäre der Zauber nicht so stark gewesen und Draco wäre nicht daran verblutet!"
„Ich verstehe worauf Sie hinaus möchten und kann Ihre Gedanken und Argumente durchaus nachvollziehen. Dennoch ändert es nichts daran, dass Mr. Weasley sich nicht erinnern kann. Das Ministerium hat bereits mehrere Untersuchungen durchgeführt und seinen Zauberstab einbehalten, um diesen ebenfalls zu kontrollieren, allerdings haben sie noch nichts gefunden, das sein Verhalten erklären kann. Das, was vor dem abrupten Ende seiner Erinnerung passiert ist, ist das Einzige, das uns weiterhelfen könnte."
„Wovon reden Sie?", verstand ich nicht ganz.
„Am Ende der Erinnerung ist das Öffnen einer Tür zu hören. Wir vermuten, dass diese Person für Mr. Weasleys Bewusstseinsverlust zuständig war."
„Aber... er war doch vorher schon total neben der Spur. Ihm ist schlecht und schwindelig geworden. Deswegen ist er ja zu den Toiletten gegangen."
„Ganz recht, aber das Ministerium und ich gehen stark davon aus, dass Mr. Weasley zu diesem Zeitpunkt bereits verflucht worden war."
Was...
„Moment mal, Sie... Sie denken, dass er... verflucht wurde?"
„In der Tat.", nickte sie entschlossen. „Es wird vermutet, dass man ihm in der Zeitspanne zwischen seiner Ankunft und seinem Gespräch mit Mr. Potter einen Fluch auf den Hals gehetzt oder anderweitig sein Bewusstsein beeinflusst hatte. Dies würde seine plötzlichen Kreislaufprobleme und seine Übelkeit erklären. Sein Angreifer hatte vermutlich genau darauf spekuliert, dass er in solch einem Zustand die Toiletten aufsuchen würde."
„Sein Angreifer?! Wollen Sie Ron jetzt allen Ernstes als Opfer hinstellen?!", fiel ich ihr entsetzt auflachend ins Wort, einmal mehr kurz davor einfach aufzustehen und zu verschwinden.
„Seine Erinnerungen und sein zunehmend seltsames Verhalten deuten nun mal darauf hin, dass er Opfer eines Fluchs geworden ist."
„Und meine Erinnerungen deuten darauf hin, dass er ein kranker, eifersüchtiger Idiot ist, der meinen Freund getötet hat!"
„Jetzt hören Sie mir mal zu, Miss Granger! Wie Sie sich sicherlich denken können, sitze ich hier nicht zum Spaß. Ich wurde von Kingsley Shacklebolt beauftragt mit Ihnen über die Geschehnisse von Freitagabend zu sprechen, aber wenn Sie mir nicht zuhören wollen und weiterhin derartig uneinsichtig und verbissen sind, können Sie gerne wieder gehen. Sie sind mir im Moment keine große Hilfe, wenn ich ehrlich bin.", kam es streng und überraschend scharf von McGonagall, deren Zornesfalte immer tiefer und mahnender wurde, vermutlich versuchte sie mich und mein mehr als erhitztes Gemüt einzubremsen.
Was mich kurzzeitig tatsächlich schuldbewusst und peinlich berührt dreinschauen ließ, jedoch nicht lange anhielt und sich wenig später wieder komplett verflüchtigte. Natürlich war ich mir darüber bewusst, dass sie das tun musste, weil es ihr befohlen worden war und sie neutral auf das, was am Freitagabend passiert war, blicken musste, aber mein Inneres brodelte noch immer wie verrückt und die Tatsache, dass sie und das Ministerium all das herunterspielten und Ron in Schutz nahmen, machte mich rasend.
„Dann fragen Sie sich doch mal warum ich so verbissen bin! Draco wäre fast gestorben und liegt für ungewisse Zeit im Koma! Und Sie wollen mir hier gerade weismachen, dass er Mitschuld trägt, weil er ihn provoziert hat, und dass Ron damit auch noch durchkommt, weil er sagt er könnte sich nicht erinnern! Haben Sie eine Ahnung, wie ich mich gerade fühle?! Vermutlich nicht, sonst würden Sie nämlich verstehen, dass-"
„Ich verstehe sehr wohl, dass Sie wütend sind und sich für Mr. Malfoy einsetzen möchten, aber diese Erinnerungen sind Beweisstücke, die nicht außer Acht gelassen werden dürfen! Ich möchte niemandem etwas unterstellen oder einen Schuldigen in Schutz nehmen, ich versuche es lediglich zu verstehen, damit der wahre Täter identifiziert werden kann und schließlich seine gerechte Strafe erhält. Das funktioniert aber nur, wenn Sie mit uns kooperieren."
Nein danke!
„Solange Sie Ron für seine Tat in Schutz nehmen, werde ich sicherlich nicht mit Ihnen kooperieren! Wenn Sie mit mir über den Tathergang sprechen müssen, kann ich Ihnen nur das sagen, was ich mit eigenen Augen gesehen hab oder wie meine Version der Geschichte lautet! Er hat den Verstand verloren, sich auf Draco gestürzt und ihn umgebracht! Punkt."
„Ich habe in Mr. Potters Erinnerungen gesehen, was passiert ist. Es geht ohnehin viel weniger darum was passiert ist, sondern vielmehr darum wie es überhaupt dazu gekommen ist. Schauen Sie bitte in sich hinein und seien Sie ehrlich zu sich selbst; Waren Sie gerade überrascht, als Sie Mr. Weasleys Reaktion gesehen haben?"
Merlin, was wird das denn jetzt?
„Ich... j-ja, ich... war sogar sehr überrascht. Er hat... positiver reagiert als gedacht.", antwortete ich ehrlich, nachdem ich beschlossen hatte, mich auf - was auch immer das werden sollte - einzulassen, worauf McGonagall zustimmend nickte.
„Und hatte dieser Mr. Weasley auch nur im Ansatz etwas mit dem zu tun, den Sie am Freitagabend erlebt haben?"
Ich stutzte.
„Natürlich nicht, aber-"
„Genau darum geht es mir.", fiel sie mir vergleichsweise ruhig ins Wort, ein sanftes Lächeln zauberte sich auf ihre Lippen, das mir vor allem in dieser Situation mehr als suspekt war, und weil ich nach wie vor nicht ganz verstand worauf sie hinauswollte, erwiderte ich es sichtlich verwirrt und zurückhaltend.
„Mr. Potters Erinnerungen haben uns diesbezüglich sehr weitergeholfen, weil sie das gegensätzliche Verhalten von Mr. Weasley perfekt demonstrieren. Bevor er die Toiletten aufgesucht hat, war er gewissermaßen enttäuscht und niedergeschlagen aufgrund dieser Neuigkeit, ich wage es sogar zu behaupten, dass er zutiefst verletzt war. Nach seiner Rückkehr jedoch war er plötzlich wie ausgewechselt. Er war mit einem Mal äußerst aggressiv und tobsüchtig, während er zuvor lediglich überrascht und schockiert gewesen war. Wie es dazu gekommen ist, dass Mr. Weasley das Bewusstsein und die Kontrolle über seinen eigenen Körper verloren hat, kann bislang niemand sagen, aber das Ministerium und ich sind uns einig und zu einhundert Prozent sicher. Mr. Weasley wurde am Abend der Tat verflucht und mithilfe eines uns bislang unbekannten Zaubers gesteuert, um Mr. Malfoy zu schaden."
Nachdem McGonagall geendet hatte, legte sie ihre Hände in den Schoß und ließ sich verstärkt gegen die Lehne ihres hohen Holzstuhls sinken, der ganz leise und kaum hörbar knarzte. Sie fügte nichts mehr hinzu und verstummte erstmal, auch Ginny und ich hatten nicht vor, uns innerhalb der nächsten Minuten zu Wort zu melden, denn ich für meinen Teil brauchte einen Moment, um ihr Gesagtes sacken zu lassen.
Ihre Erklärung machte durchaus Sinn und klang neutral betrachtet vermutlich auch ziemlich logisch, doch irgendetwas sagte mir, dass ich mich damit nicht einfach zufriedengeben sollte. Dass noch viel mehr dahintersteckte. Vor allem aber, dass unbedingt herausgefunden werden musste, wer Ron verflucht hatte, wenn an diesen Spekulationen denn tatsächlich etwas dran war.
Mein Hass auf ihn war in den letzten Tagen derartig gestiegen, dass ich mich innerlich wie verrückt weigerte zu glauben, dass er unschuldig war. Dass er es nicht aus freiem Willen getan hatte, sondern weil seine Gedanken und sein Handeln von einer anderen Person gesteuert worden waren.
Doch selbst wenn, wer war es? Welcher der Anwesenden hatte Draco verletzen oder besser gesagt umbringen wollen? Und woher kannte jene Person diesen äußerst seltenen und normalerweise unbekannten Zauberspruch?
Tausende Fragen schwirrten in meinem tonnenschweren Kopf herum, mir war einfach alles suspekt und ich wusste nicht mehr, wem oder was ich noch glauben sollte.
„Sehen Sie sich die zweite Erinnerung an, Miss Granger. Ich bin mir sicher, dass sie Ihnen in Ihrer Entscheidung weiterhelfen wird."
„Worum geht es in der Erinnerung?", hakte ich kleinlaut nach, musste zugeben, dass es mich durchaus interessierte, worum es sich hierbei handelte und was diese Erinnerung ans Licht bringen würde. Wenn man einem Mörder hierdurch Glauben schenkte, musste es ja ziemlich überraschend sein, oder nicht?
„Es sind Kingsley Shacklebolts Erinnerungen an die Befragung von Mr. Weasley.", erklärte McGonagall, während ich nervös und mit klopfendem Herzen die kleine Phiole zwischen Daumen und Zeigefinger herumdrehte.
Ich nickte nur, versank für ein paar Sekunden in Gedanken und machte mich schon mal auf das, was mich gleich erwarten würde, gefasst. Sofern das überhaupt möglich war. Ginnys Hand suchte einmal mehr die meine und drückte diese aufmunternd, was mir schließlich den letzten Anstoß gab.
Ich löste den Korken, legte ihn auf dem hölzernen Schreibtisch ab und ließ die blau-silbrige Flüssigkeit gefühlt in Zeitlupe in das Denkarium fließen, ehe wir erneut gemeinsam abtauchten und sich der schwarze Nebel über unsere Augen legte.
In einem kleinen, sehr schlichten Raum tauchten wir schließlich wieder auf, darin befand sich nichts weiter als ein weißer Schreibtisch, sowie zwei Stühle, die gegenüber voneinander platziert waren. Die Wände waren alle in einem sterilen Weiß gehalten, allerdings durchgehend mit schwarzen, undurchsichtigen Fenstern versehen, eine Ausnahme bildete die Stelle, an der sich eine große, eiserne Tür befand.
Mein Blick huschte einmal durch das Zimmer, bis er bei dem Rotschopf hängenblieb, der auf einem der Stühle saß und dessen Arme und Beine daran festgekettet waren.
Gegenüber von ihm saß Kingsley Shacklebolt, an der Tür befanden sich zwei weitere, mir allerdings unbekannte Männer, die ihre Hände hinter dem Rücken verschränkt hatten und die Uniform des Ministeriums trugen. Ihre Gesichtsausdrücke waren streng, gewissermaßen angsteinflößend und ihre körperliche Verfassung genügte schon, um nicht nur Ron, sondern auch mich sichtlich einzuschüchtern.
Auch diesen nahm ich genauer unter die Lupe, vor allem, weil es so aussah, als würde er jeden Moment zusammenbrechen oder vom Stuhl fallen. Seine blauen Augen waren von dunklen Ringen umgeben, wirkten völlig emotionslos und leer, ihnen fehlte dieses Strahlen, das ich normalerweise von ihnen gewohnt war. Seine Haut war blasser als jemals zuvor, wodurch seine Sommersprossen noch besser zur Geltung kamen, besonders seine Wangen waren ziemlich eingefallen, was ihn sehr mager und ausgehungert wirken ließ. Etwas, das ich ebenfalls nicht von ihm gewohnt war.
„Sie wissen, weshalb Sie hier sind, Mr. Weasley. Nicht wahr?", ertönte die tiefe Stimme von Shacklebolt, womit er mich augenblicklich aus meinen Gedanken riss und mich dazu veranlasste, wieder aufzuhorchen und meine Aufmerksamkeit der laufenden Erinnerung zu schenken.
Was vermutlich auch besser war, denn Rons Anblick hatte mir zunehmend einen Stich ins Herz versetzt und mich abermals Mitleid für meinen eigentlich besten Freund verspüren lassen, was in dieser Situation definitiv nicht angebracht war.
„I-Ich...", stotterte er kopfschüttelnd und zog verzweifelt an den Handschellen, die dafür sorgten, dass er an Ort und Stelle blieb. „N-Nein, i-ich... hab keine Ahnung, was... passiert ist oder... warum ich... b-bitte machen Sie das ab, i-ich-"
„Bleiben Sie ruhig, Mr. Weasley!", fiel Shacklebolt dem Rothaarigen streng ins Wort, der jedoch nicht einmal daran dachte und nur noch stärker zappelte.
„Ich k-kann nicht, ich... b-bitte lassen Sie... lassen Sie m-mich los, i-ich-"
Die Metallketten schepperten bei jeder Bewegung, dieses Szenario erinnerte mich stark an das erste Schuljahr, als wir auf dem Weg zum Stein der Weisen von der Teufelsschlinge gefesselt worden waren. Allen voran Ron hatte dabei wie verrückt gezappelt und gestrampelt, ohne meinen rettenden Zauberspruch wäre er damals vermutlich vollkommen durchgedreht und irgendwann elendig erwürgt worden.
„Machen Sie ihn los.", seufzte Shacklebolt, richtete sich an die zwei Wachen, die sich anfangs verwirrte Blicke zuwarfen, den Worten ihres Vorgesetzten dennoch Folge leisteten und Ron von seinen Fesseln befreiten. Auch ich traute meinen Ohren kaum und beobachtete mit eher gemischten Gefühlen, wie sie ihn losbanden und er sich wieder frei bewegen konnte.
Anschließend reichte er ihm eine Phiole mit einer wasserähnlichen Flüssigkeit, die der Rothaarige fragend und sichtlich überfordert beäugte.
„Was ist das?" Nur ganz vorsichtig griff er nach dem kleinen Glasrohr, als würde es jeden Moment in die Luft gehen oder als wäre es Gift, und verzog angewidert das Gesicht, als er daran roch.
„Veritaserum.", lautete die knappe Antwort, die ihm absolut nicht gefiel.
„Ich trink das nicht!" „Sie haben keine Wahl, Mr. Weasley. Entweder Sie trinken es freiwillig oder es wird Ihnen zwangsweise eingeflößt. Und glauben Sie mir, Sie wollen es freiwillig zu sich nehmen."
Eine Stille kehrte ein, in der Ron völlig verdattert in die Richtung des Zaubereiministers blickte, der diesen streng und alles andere als freundlich erwiderte, bis er dann doch endlich resignierte und die Phiole an seine Lippen führte. Seine zitternden Hände ließen die Flüssigkeit ganz langsam in seinen Mund fließen, nachdem er diese geschluckt hatte, schüttelte es ihn und seine Augen pressten sich vor Ekel fest zusammen.
„Nennen Sie mir nun bitte Ihren vollständigen Namen, Ihr Geburtsdatum, sowie die Namen Ihrer Eltern.", begann Shacklebolt schließlich mit der Befragung, gab dem Rotschopf somit keine Chance, sich an diesen fürchterlichen Geschmack zu gewöhnen, denn die Wirkung des Trankes hatte bereits eingesetzt und sorgte dafür, dass er sofort und ohne darüber nachdenken zu können, antwortete.
„Mein Name ist Ronald Bilius Weasley, ich wurde am 1. März 1980 geboren und meine Eltern heißen Molly und Arthur Weasley."
Nach einem prüfenden Blick in die gelbe Akte, die vor ihm auf dem Tisch lag und einen ziemlich großen Stapel Papier beinhaltete, nickte Shacklebolt mit dem Kopf und blätterte eine Weile darin herum, bis er bei einer Seite innehielt, diese kurz überflog und vorsichtig glattstrich.
Meine Augen wanderten dabei immer wieder zwischen Ron und dem Dunkelhäutigen hin und her, der es offenbar absichtlich spannend machen wollte und nicht den Anschein machte, als würde er möglichst schnell mit dieser Befragung fertig werden wollen.
„Nun, Mr. Weasley.", ergriff er eine gefühlte Ewigkeit später dann doch endlich das Wort. „Sie werden nachweislich beschuldigt Ihren ehemaligen Klassenkameraden Draco Lucius Malfoy am vergangenen Freitagabend mit einem Fluch angegriffen und getötet zu haben. Es erscheint mir zugegebenermaßen höchst abstrus Sie zu fragen, aber... was haben Sie zu Ihrer Verteidigung zu sagen?"
Schon während Shacklebolt sprach und spätestens als er das Wort 'getötet' in den Mund nahm, wurden Rons blaue Augen immer größer, nahmen eine immense und beängstigende Größe an, während ihm zeitgleich alle Gesichtszüge entgleisten.
„I-Ich hab was?!", stammelte er, passte sich zunehmend den kalkweißen Wänden an, wie ein Chamäleon, das versuchte sich vor einem Angreifer zu tarnen. Sein Kiefer klappte immer wieder auf und zu, schien jeden Augenblick Bekanntschaft mit dem Boden zu machen, und sein Kopf flog hektisch von der einen auf die andere Seite, als würde er diese Worte so schnell wie möglich wieder daraus verbannen wollen.
„Sie haben vergangenen Freitagabend Ihren ehemaligen-"
„Ich- Nein, i-ich hab nicht... ich hab nichts-"
„Sie können Ihre Tat nicht leugnen, Mr. Weasley, wir haben genug Beweise! Sie haben Draco Malfoy bedroht, mit einem Fluch angegriffen und getötet.", fasste der Zaubereiminister grob zusammen, worauf Ron scharf und erschrocken die Luft einzog.
„Er ist... tot?" „Glücklicherweise nicht. Mr. Potter hatte rechtzeitig handeln und ihm das Leben retten können. Er liegt derzeit im Koma. Was nicht bedeutet, dass Sie von ihrer Strafe verschont bleiben."
„Aber... D-Das kann nicht... ich hab keine Ahnung, was Sie... wovon Sie reden oder... was am Freitagabend passiert ist, ich-"
„Überprüfen Sie seine Gehirnströme! Das Veritaserum scheint nicht zu wirken.", unterbrach Shacklebolt dieses Gestotter und wandte sich stattdessen erneut schnaubend an die Wachen, die sofort näher an Ron herantraten, wobei einer der beiden seinen Zauberstab auf den Rotschopf richtete.
„Ich muss Sie enttäuschen, Sir. Der Trank wirkt einwandfrei. Er sagt die Wahrheit."
„Das kann nicht sein!", protestierte der Dunkelhäutige und lehnte sich noch weiter nach vorne, seine Augen musterten prüfend und argwöhnisch sein Gegenüber.
„Aber ich hab n-nicht... Ich schwöre, i-ich... ich hab nicht..." Kopfschüttelnd fasste sich Ron an die Schläfen, den Rest seines Gesichtes vergrub er in seinen Handflächen, in die er frustriert und gequält seufzte. „Ich hab nichts getan, ich..." Er raufte sich die Haare, zog derartig fest daran, dass ich kurzzeitig meinte er würde sich den kompletten Schopf ausreißen, schlug sich immer wieder gegen den Kopf und verkrampfte sich so stark, dass er sich auf dem Stuhl zusammenkrümmte. Was mir einen fürchterlich schmerzhaften Stich ins Herz versetzte. „S-Sie müssen mir glauben, ich weiß nicht... ich weiß nicht mehr, was passiert ist, es... es ist, als ob ich-"
„Was ist das Letzte, an das Sie sich erinnern können?", unterbrach der Minister Rons Redefluss, bemühte sich um eine vergleichsweise ruhige Stimme, um die Situation ein wenig zu entschärfen, doch das bewirkte rein gar nichts.
„Ich weiß es nicht, i-ich... weiß nur noch... ich war im 'Drei Besen' und... mir ist schlecht geworden und... danach war ich... dann bin ich aufgewacht und... lag auf dem Boden und... konnte mich nicht mehr bewegen, bis ich... dann war ich... in einer Zelle und... ich weiß es nicht, verdammt, ICH WEIß ES NICHT!" Zum Ende hin wurde er immer lauter, seine letzten Worte verließen schreiend seine spröden Lippen, während seine blauen Augen zu schimmern begannen und sich mit Tränen füllten, die ungehalten über sein Gesicht liefen.
„Dann werde ich Ihnen auf die Sprünge helfen. Sehen Sie sich diese Erinnerung an. Sie stammt von Mr. Potter und zeigt, woran Sie sich angeblich nicht mehr erinnern können." Ohne sich von diesem kleinen Wutausbruch sonderlich beeindrucken zu lassen, reichte er ihm eine weitere Phiole, dieses Mal mit der typischen blau-silbrigen Substanz.
Mit einem kurzen Schwenk seines Zauberstabs schaffte er zusätzlich ein Denkarium heran, das langsam auf den Tisch segelte und direkt vor Ron stehenblieb. Dieser zögerte einen Moment, schüttete den Inhalt schließlich in die kleine Schale und ließ seine Tränen mit der Flüssigkeit darin vermischen, um sich - nun mit eigenen Augen - anzusehen, was er angerichtet hatte.
Nachdem dies erledigt war, tauchte er wieder auf, dabei ließ er sich derartig stark zurückfallen, dass er mit voller Wucht gegen die Lehne seines Stuhls krachte. Der riesengroße Schock stand ihm förmlich ins Gesicht geschrieben und obwohl ich vermutet hatte, dass ein Mensch nicht noch blasser werden könnte, wurde ich nun eines Besseren belehrt.
„Sie wollen uns also weismachen, dass Sie sich an nichts von alldem erinnern können?", meldete sich nach mehreren Sekunden des Schweigens, die sich unnormal in die Länge gezogen hatten, erneut Shacklebolt zu Wort, wobei ein spöttischer Unterton in seiner Stimme mitschwang, der Ron sichtlich den Rest gab.
Er starrte einfach nur geradeaus ins Leere, fokussierte irgendeinen undefinierbaren Punkt des Tisches und zitterte am ganzen Körper, der immer mehr in sich zusammensackte.
„Mr. Weasley?"
Keine Reaktion.
„Mr. Weasley!"
Nur ganz langsam und widerwillig richtete er seine Augen, die inzwischen vollkommen leblos wirkten und von einem grauen Schleier überdeckt waren, auf den Dunkelhäutigen, der aufgrund dieses Anblicks ebenfalls nur überrumpelt das Gesicht verzog.
„Sie können sich wirklich nicht erinnern.", schlussfolgerte er, doch auch darauf bekam er - trotz des Veritaserums wohlgemerkt - keine Antwort.
Ein riesengroßer Kloß hatte sich im Laufe der letzten Minuten in meiner Kehle gebildet, die staubtrocken war und sich immer weiter zuschnürte. Ich wusste nicht mehr, was ich noch glauben sollte, geschweige denn was ich noch denken sollte, denn ich war durch und durch ratlos.
Doch damit war ich nicht alleine, denn Ginny neben mir hielt inzwischen nur noch ganz leicht und kaum spürbar meine Hand, sie schien ebenso überfordert, sprachlos und schockiert zu sein wie ich.
Ursprünglich hatte ich mir erhofft, dass ich endlich Antworten bekommen würde, doch diese Erinnerungen warfen nur noch mehr und vor allem viel unerklärlichere Fragen auf, für die ich nicht einmal ansatzweise eine Lösung hatte.
„Na schön, hören Sie zu.", kam es seufzend von Shacklebolt. „Ich bitte Sie, mir Ihre Erinnerungen der letzten Tage und allen voran an Ihren Aufenthalt in Hogsmeade auszuhändigen. Wir werden überprüfen, was es damit auf sich hat und werden versuchen, eine logische Erklärung für all das zu finden. Ich habe noch eine allerletzte Frage an Sie, danach dürfen Sie vorerst zurück in Ihre Zelle. Verstanden?"
Von Ron gab es nur ein nüchternes Kopfnicken, gefolgt von einem Räuspern, das dem Minister dennoch genügte, um fortzufahren.
„Wenn Sie sich nicht erinnern können und nicht die Absicht hatten Draco Malfoy zu verletzen oder gar zu töten, was hat Sie am Freitagabend dann dazu veranlasst das 'Drei Besen' aufzusuchen?"
„Ich... es war so, dass... Harry hat mir... einen Brief geschrieben. Dass er... dass er mich sehen will und... dass wir uns im 'Drei Besen' treffen sollen. Er meinte... dass er mit mir reden muss.", erklärte er stockend, machte immer wieder eine kurze Pause, um sich offenbar zu sammeln und nachzudenken, doch es waren seine Worte, die dafür sorgten, dass sich auf Shacklebolts Gesicht eine große Verunsicherung breitmachte.
„Er hat Ihnen geschrieben?"
„Ja. Eigentlich wollte ich meinem Bruder in seinem Laden aushelfen, aber... Harry meinte, dass es sehr wichtig wäre und-"
„Das ist nicht möglich!", wurde er harsch unterbrochen. „Eines unserer Beweisstücke ist der Brief, in dem Sie Mr. Potter um ein Treffen gebeten hatten. Er hat ihn uns heute Morgen ausgehändigt."
Nach kurzem Herumblättern in der Akte, zog er ein gefaltetes Blatt Pergament heraus, das er dem Weasley Sohn entgegenstreckte. Dieser nahm ihn sichtlich verwirrt in die Hand, nicht sicher, was er davon halten sollte, überflog die wenigen Zeilen und schüttelte schließlich hektisch den Kopf.
„Was zum... Das kann nicht... Das ist nicht von mir! Ich schwöre, ich... ich hab diesen Brief nicht geschrieben! Das ist ja noch nichtmal meine Handschrift!"
„Sie haben diesen Brief also nicht an Mr. Potter geschickt?"
„Nein, natürlich nicht! Harry hat mir geschrieben!"
„Und wo ist dieser Brief, den Mr. Potter Ihnen geschrieben haben soll?"
„Bei mir zuhause. Er müsste... auf dem Schreibtisch in meinem Zimmer liegen. Schreiben Sie... einfach meiner Mum, sie... kann Ihnen den Brief bestimmt zukommen lassen." Er machte eine kurze Pause. „Und... sagen Sie ihr bitte, d-dass ich... dass ich sie..." Weiter kam er nicht, denn seine Worte erstickten in seiner Kehle, ausgelöst von den Tränen, die sich erneut in seinen Augen sammelten und sein Inneres zu überfluten schienen.
Das Bild des schluchzenden Rons war das letzte, das wir in dieser Erinnerung zu sehen bekamen, denn im Anschluss kam der schwarze Nebel, der unsere Sicht verschwimmen ließ, bis Ginny und ich - völlig fertig mit den Nerven - wieder im Schulleiterbüro auftauchten.
Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
Angenommen, diese Erinnerungen entsprachen der Wahrheit und Ron war wirklich unschuldig. Das würde bedeuten, dass der wahre Täter, der eigentliche Mörder noch auf freiem Fuß war.
Und dieser würde bestimmt nichts unversucht lassen, Draco ein weiteres Mal anzugreifen.
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