37. | Look closer - Ein letzter Blick zurück (2/3)
Erzähler POV
Immer noch völlig ratlos, beobachtete Hermine, wie der Erinnerungs-Draco die lange, steinerne Brücke, welche zum Schloss führte, entlanglief und sich immer wieder durch die Haare fuhr, um das Chaos, das der Krieg angerichtet hatte, wieder etwas zu beseitigen. Auch sein schwarzes Hemd und seine schwarze Hose klopfte er immer wieder sauber, die von Schmutz und Staub bedeckt waren und etwas ramponiert an seinem schlanken, aber durchtrainierten Körper lagen.
Hogwarts wurde mit jedem seiner schnellen Schritte größer, bis er wieder das Grundstück der Schule erreicht hatte und sich, nach rechts und links blickend, suchend umsah.
Alles, was er vorfand, war jedoch ein verwahrloster und verlassener Vorhof, weshalb er sich ins Innere des Schlosses begab, wo ihm schon nach wenigen Sekunden die ersten Schüler über den Weg liefen, die ihm alle einen verhassten Blick zuwarfen und augenblicklich zu tuscheln begannen.
Das interessierte den Blondschopf offenbar sehr wenig, denn er ignorierte seine Mitschüler gekonnt und hastete durch die vielen Gänge, allem Anschein nach mit einem bestimmten Ziel vor Augen, welches, wie Hermine dank der Unterhaltung mit Narzissa wusste, sie selbst, beziehungsweise ihr jüngeres Ich, war.
Dabei hatte er ein teils nervöses, teils glückliches Lächeln auf den Lippen, welches jedoch schlagartig verschwand, als er schockiert dreinblickend stehenblieb und einen bestimmten Punkt am Ende des Ganges fixierte.
Etwas unschlüssig lenkte nun auch Hermine ihren Blick in jene Richtung und entdeckte schließlich ihr Erinnerungs-Ich, das Hand in Hand mit Ronald Weasley den Korridor entlang schlenderte.
Sie lenkte ihr Augenmerk anschließend wieder auf Draco, der seine Hände zu Fäusten ballte und seinen Kiefer zusammenpresste, ehe er einmal tief durchatmete und den beiden schließlich folgte.
Hermine hatte damals natürlich überhaupt nichts davon mitbekommen, da sie in diesem Moment derartig erleichtert und froh gewesen war, dass sie sich ausschließlich auf sich selbst und Ron, mit dem sie an jenem Tag zusammengekommen war, konzentriert hatte, sowie darauf, Harry zu finden, um mit ihm gemeinsam den Sieg über Voldemort zu feiern.
Demnach beobachtete sie nun äußerst verwundert, wie der Erinnerungs-Draco ihr und ihrem damaligen Freund folgte, jedoch nur so lange, bis Ron plötzlich stehenblieb und sich mit dem Rücken an die Wand lehnte, was letztlich auch Hermines jüngere Version am Weitergehen hinderte.
Der Erinnerungs-Draco hielt ebenfalls in seiner Bewegung inne, versteckte sich möglichst unauffällig hinter einem der vielen Trümmer und erblasste schließlich vollends, als sich der Rothaarige zu der Gryffindor herunterbeugte und sie in einen leidenschaftlichen Kuss verwickelte.
Das Bild wurde daraufhin kurzzeitig schwarz, ehe es wieder aufhellte und den jüngeren Draco zeigte, der mit schimmernden Augen beobachtete, wie der jüngste Weasley Sohn ausgerechnet das Mädchen küsste, das er seit Jahren liebte, seit Jahren beschützte und für das er seit Jahren durch die Hölle ging.
Hermine konnte regelrecht sehen, wie das Herz des Blonden in diesem Moment in tausend kleine Teilchen zerbrach, was sie nach all diesen Erinnerungen, Eindrücken und seinen Worten auch verstehen konnte.
Er hatte für sie gekämpft, sie jahrelang mit seinem Leben beschützt und ihr auch in den dunkelsten Zeiten heimlich zur Seite gestanden.
Und sie?
Hatte ihn jahrelang gehasst, ihn verurteilt und ihm unrecht getan. Hatte sich auf Ronald Weasley eingelassen, sich immer wieder von ihm verletzen lassen und ihm immer wieder verziehen.
Sie fragte sich in diesem Moment, warum sie all die Jahre derartig blind gewesen war. Denn jetzt, da sie Ron und ihr jüngeres Ich in diesem Gang beobachtete, fühlte sich das alles plötzlich so falsch an. Sie hatte keine Schmetterlinge mehr im Bauch, wenn sie an Ron dachte oder diese Szene vor Augen geführt bekam, da ihr Herz inzwischen einem anderen gehörte. Nämlich Draco Malfoy.
Umso schmerzhafter war es für sie, mitansehen zu müssen, wie seine jüngere Version durch diesen Kuss zerbrach. Wie die Hoffnung in seinem Inneren, seinen kleinen Bücherwurm zurückzugewinnen, wie eine Seifenblase zerplatzte.
Hermine wollte in diesem Moment nichts sehnlicher, als den Erinnerungs-Draco in den Arm zu nehmen und ihm zu sagen, dass in Zukunft alles gut werden würde. Dass sie ihm unheimlich dankbar war und zu ihm zurückkehren würde. Dass sie ihm eine zweite Chance geben würde und ihn nie wieder gehenlassen würde. Dass er ihr Herz gestohlen hatte und sie ihn liebte.
Das alles wollte sie ihm sagen, doch sie wusste, dass es dazu bereits zu spät war. Dass diese Szene Vergangenheit war, genau so, wie alle anderen zuvor. Dass ihr Draco im Raum der Wünsche war, sie in seinen Armen hielt und ihr lediglich vor Augen führen wollte, was sie all die Jahre übersehen und verpasst hatte.
Und in diesem Augenblick war Hermine das erste Mal froh darüber, dass Ron sich von ihr getrennt hatte. Dass er mit ihr Schluss gemacht hatte, weil sie damals noch nichts hatte überstürzen wollen. Dass sie sich am Vorabend in der Bibliothek nicht wieder auf ihn eingelassen hatte, sondern ihn nach der Auseinandersetzung zwischen ihm und Draco weggeschickt hatte.
Denn zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Blondschopf bereits in ihr Herz geschlichen und das viel tiefer, als alle anderen vor ihm. Kein Viktor Krum und auch kein Ronald Weasley hatten das Herz der Brünetten derartig in Brand setzen können, wie Draco es jetzt tat.
Sie hatte immer wieder das Gefühl, zu verbrennen, wenn sie in seiner Nähe war. Dahinzuschmelzen, wenn er ihr liebevolle Worte zukommen ließ. Alles Schlechte in der Welt vergessen zu können, wenn er sie küsste.
Und das alles hätte sie schon viel früher haben können, hätte sie sich nach der Schlacht nicht mit Ron eingelassen. So froh sie damals gewesen war, ihn nach all den Jahren endlich an ihrer Seite haben zu dürfen, so wütend war sie nun auf sich selbst, dass sie nicht schon viel früher die Augen aufgemacht hatte.
Doch das wollte sie nun ändern.
Wollte Draco diese Liebe zurückgeben, die er ihr seit dem ersten Schuljahr schenkte und die er nach all diesen schrecklichen Jahren verdiente. Wollte in seinen Armen liegen und seinem Herzschlag lauschen, der sie immer wieder beruhigte. Wollte ihn bei sich haben und jeden Tag so unbeschwert und glücklich leben, wie sie es an diesem Abend tat.
Da sie völlig in Gedanken versunken war, bemerkte sie überhaupt nicht, dass sich ihr jüngeres Ich und Ron inzwischen wieder voneinander gelöst hatten und sich überglücklich und verliebt anlächelten, was dem Blondschopf endgültig den Boden unter den Füßen wegriss. Und das war noch harmlos ausgedrückt.
Seine Welt war damals zusammengebrochen und hatte ihm das letzte Fünkchen Hoffnung geraubt. Hatte ihn in ein tiefes Loch gezogen, aus dem er bis vor Kurzem nicht mehr herausgekommen war, und seinem Leben den letzten Sinn und Willen genommen.
Dieser taumelte nun einige Schritte zurück, mit frischen Tränen in den Augen, und stützte sich mit einer Hand an der Wand ab, um nicht einfach umzukippen und gänzlich das Bewusstsein zu verlieren. Er warf einen letzten Blick auf seine große Liebe, die sich wieder in Bewegung setzte und sich, Hand in Hand mit dem Rotschopf, auf den Weg in die große Halle machte, wo sie letzten Endes auf Harry trafen.
Und während die Erinnerungs-Hermine freudestrahlend der Zukunft mit Ron entgegenging, wurde der Erinnerungs-Draco von seiner grauenhaften Vergangenheit eingeholt.
Alles, wofür er während der letzten Jahre gekämpft hatte, war verloren.
Jede Träne und jeder Tropfen Blut war plötzlich bedeutungslos.
Jede schlaflose Nacht und jeder grausame Tag war umsonst gewesen.
All diese Gedanken gingen ihm durch den Kopf, als er ergeben die Augen schloss, von schwarzem Nebel umhüllt wurde und verschwand.
Mit dem schwarzen Nebel löste sich auch der Rest der Szene auf und Hermine landete in der nächsten und allerletzten Erinnerung, die Draco ihr an diesem Abend zeigen wollte.
Diese Tatsache stimmte sie äußerst nervös, doch gleichzeitig war sie froh, dass diese schrecklichen Bilder bald ein Ende hatten.
Fürs Erste konzentrierte sie sich jedoch wieder auf die laufende Szene, welche, wie die vorherigen, klar und deutlich war, da Draco diese Bilder nicht mehr mithilfe von Okklumentik in seinem Geist hatte verstecken müssen.
Seine jüngere Version lief einen langen, schwarzen und steinernen Weg entlang, der von großen Grünflächen und Hecken umgeben war, und Hermine wusste dank ihren eigenen Erinnerungen, dass dies jener Weg war, der ins Malfoy Manor, sein Zuhause, führte.
Er hatte seine Augen stur nach unten gerichtet, doch bei genauerem Hinsehen erkannte Hermine recht deutlich, dass diese rot und geschwollen waren, und ihm einige Tränen über die Wangen liefen.
Das große Tor, das den Zugang zum Anwesen der millionenschweren Familie verschloss, öffnete er mit einem kurzen Schwenk seines Zauberstabs - beziehungsweise dem seiner Mutter - und steuerte den Eingang der Villa an. Dort angekommen öffnete er schwungvoll die schwere Tür, sodass diese fast schon ohrenbetäubend gegen die Wand der Eingangshalle knallte und Hermine erschrocken zusammenzuckte.
Völlig überrumpelt beobachtete sie, wie der Blondschopf eine breite und lange Treppe ansteuerte, die er letztlich lautstark emporstieg.
„Draco?", vernahm sie plötzlich die sanfte und überrascht klingende Stimme von Mrs. Malfoy, doch der Angesprochene dachte nicht einmal daran, stehenzubleiben.
„Du bist schon zurück? Wie lief es denn?", versuchte sie es erneut, doch die einzige Antwort, die sie darauf bekam, war das laute Zuschlagen seiner Zimmertür, durch die er soeben verschwunden war.
Er schmiss sich bäuchlings auf sein Bett, vergrub sein Gesicht in einem der vielen Kissen und schrie letztlich herzzerreißend hinein. Obwohl sein Schrei somit etwas abgedämpft wurde, war er derartig laut und schmerzerfüllt, dass Hermine augenblicklich das Blut in den Adern gefror und ihr gesamter Körper von einer Gänsehaut übersät wurde.
Sie spürte, wie sich ihre Augen sofort mit heißen Tränen füllten, die ihr unaufhaltsam über die Wangen kullerten und sie zu verbrennen drohten. Ihre Sicht wurde dadurch deutlich eingeschränkt, doch sie konnte sich, wie so oft an diesem Abend, nicht beherrschen und zurückhalten. Dennoch sah sie, wie er sich wenig später auf den Rücken rollte und seinen Unterarm über seine tränenverschleierten Augen legte, ehe er sich wieder aufrappelte, sich vom Bett erhob und eines der hohen Fenster ansteuerte.
Er warf einen kurzen Blick nach draußen, lenkte diesen jedoch wenig später auf die grünen Vorhänge, die sich links und rechts davon befanden, und schob schließlich einen der beiden zur Seite, sodass eine Art Tresor zum Vorschein kam, der in die Wand eingebaut war.
Hermine nahm das alles äußerst argwöhnisch zur Kenntnis und konnte sich keinen Reim auf all das machen, weshalb sie sich voll und ganz auf die laufende Erinnerung konzentrierte und darauf wartete, dass irgendetwas passieren würde.
Draco zückte seinen Zauberstab und richtete ihn auf die besagte Stelle, ehe er die kleine Tür mit einem „Alohomora" öffnete und eine kleine, hölzerne Box zum Vorschein kam, die er in die Hand nahm und aus dem kleinen Loch in der Wand holte. Anschließend steuerte er erneut sein Bett an, auf das er sich schließlich setzte.
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Er nestelte nervös an dem kleinen Schloss herum, das die Schachtel verschloss, entriegelte es und hielt einen kurzen Moment inne, in dem er ein letztes Mal tief durchatmete. Dann hob er langsam den Deckel nach oben und biss sich frustriert seufzend auf die Unterlippe, als er die kleinen Schätze darin entdeckte und dadurch schlagartig in Erinnerungen schwelgte.
Hermine warf ebenfalls einen Blick hinein und verzog restlos verwirrt das Gesicht, als sie die vielen Bilder, Pergamente und anderen kleinen Gegenstände darin sah.
„Was ist das alles?", fragte sie und wartete gespannt auf seine Antwort, doch die blieb aus.
Draco wollte, dass sie noch einen Moment wartete, denn das Offensichtliche würde sie ohnehin in wenigen Sekunden sehen. Nämlich, als seine jüngere Version eines dieser Fotos herausnahm, die unter den vielen Pergamenten und kleinen Gegenständen versteckt waren, und Hermine ein Bild ihres elfjährigen Ichs zu sehen bekam.
Sie japste völlig überrumpelt nach Luft und spürte, wie ihr erneut eine Unmenge an Tränen in die Augen stieg. Was nicht besser wurde, als er ein weiteres herausholte, auf dem nicht nur sie, sondern auch der elfjährige Draco zu sehen war, der hinter seiner kleinen Freundin stand, ihr frech über die Schulter grinste und wie der glücklichste Mensch der Welt wirkte.
„Was ist das?", fragte sie daraufhin erneut, wobei Draco der perplexe Ton in ihrer Stimme nicht entging, weshalb er ihr nun doch etwas auf die Sprünge half.
„Das ist alles, was mich an unsere gemeinsame Zeit erinnert. Die Bilder, die wir mit deinem komischen Gerät gemacht haben, die Pergamente, die wir uns gegenseitig geschrieben haben und andere Dinge, die ich mit dir in Verbindung bringe. Die Verpackung von dem Schokofrosch, den du mir damals zu Weihnachten geschenkt hast, zum Beispiel. Oder einen kleinen, herzförmigen Stein, den du damals gefunden und mir per Eulenpost geschickt hast. Ich hab das alles aufgehoben und versteckt, weil mir diese Dinge unglaublich viel bedeutet haben und ich sie als Beweise nutzen wollte, wenn ich mit dir darüber reden würde und du mir nicht glauben würdest. Aber... als ich dich mit Weasley entdeckt hab, ist diese Hoffnung endgültig zerplatzt und... uhm..."
Er brach an dieser Stelle ab, damit sie sich wieder vermehrt auf die Szene konzentrieren konnte, denn diese sprach für sich und konnte kaum in Worte gefasst werden, wie Draco fand.
Hermine kam dem nach und fokussierte wieder verstärkt den Blondschopf, der immer noch in der kleinen Kiste herumwühlte und dessen Augen mit jeder weiteren Erinnerung an diese für ihn wunderschöne Zeit verstärkt zu schimmern begannen.
Ein Bild nahm er ganz besonders unter die Lupe, nämlich eines, auf dem die elfjährige Hermine abgebildet war, die mehrere Bücher in den Armen hielt und süßlich in die Kamera lächelte. Wehmütig lächelnd strich der Erinnerungs-Draco mit seinem Daumen über die Abbildung seiner verlorenen Liebe und brach dann endgültig in Tränen aus, die wenig später auf das Foto in seiner Hand tropften und eine nasse Spur darauf hinterließen.
Hermine wollte sich gerade stärker an ihren echten Draco kuscheln, als seine jüngere Version plötzlich die kleine Schachtel nahm, alle herausgenommenen Erinnerungen total lieblos und frustriert schnaubend hineinschmiss und sie letztlich durch sein Zimmer schleuderte, sodass diese lautstark gegen die Wand krachte und zu Boden fiel. Die vielen Bilder und Pergamente landeten dabei ebenfalls auf dem schwarzen Holzboden und der kleine, herzförmige Stein, von dem er gesprochen hatte, sprang einige Male auf, ehe er beim letzten Aufprall zerbrach. Genau, wie sein richtiges Herz in diesem Moment.
Hermine atmete erschrocken auf, schlug eine Hand vor ihren Mund und spürte, wie sich ein Ziehen in ihrer Magengegend breitmachte, das sich wie ein äußerst schmerzhafter Schlag anfühlte.
Was noch schlimmer wurde, als sie sich wieder auf den Erinnerungs-Draco konzentrierte, der sich frustriert seufzend über sein Gesicht fuhr. Er raufte sich die Haare, rieb mit den Händen über seine roten, geschwollen Augen und ließ sie anschließend in seine Hosentasche wandern, um den kleinen Schlüsselanhänger herauszuholen.
Dieser landete wenig später ebenfalls völlig lieblos auf dem Boden, nachdem er einen kurzen Blick darauf geworfen und ihn anschließend mit frischen Tränen in den Augen durch sein Zimmer geschleudert hatte, ehe er sich seinen Zauberstab schnappte und ihn mit zitternder Hand auf seinen eigenen Kopf richtete.
Hermines Puls schoss sofort in die Höhe und sie verkrampfte sich augenblicklich, da sie nicht die geringste Ahnung hatte, was er vorhatte, aber sie malte sich inzwischen schon immer das Schlimmste aus.
Doch mit dem, was gleich passieren würde, hätte sie nie im Leben gerechnet.
Ihr Herz setzte für einige Sekunden aus und sie schnappte schockiert nach Luft, als sie schließlich sein trauriges, verzweifeltes und dennoch sanftes Flüstern vernahm.
„Oblivia-"
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