16. | Look closer - Liebe auf den ersten Blick?
Erzähler POV
Es hatte ab dem Moment, in dem der Zauberspruch Hermines Lippen verlassen hatte, keine fünf Sekunden gedauert, bis Dracos Gestalt und der Raum der Wünsche sich aufgelöst hatten und sie in die erste Erinnerung geschickt worden war.
In dieser fand sie sich in einem Zug wieder, den sie selbstverständlich kannte, denn es handelte sich um den Hogwarts-Express, der sie und ihre Freunde Jahr für Jahr nach Hogwarts gebracht hatte. Sie befand sich in einem der vielen Abteile, das sie sofort neugierig musterte.
Die Sitzbänke waren übersät von sämtlichen Süßigkeiten, darunter Kürbispasteten, Lakritz-Zauberstäbe und Bertie Botts Bohnen, doch sie fokussierte sich viel mehr auf den kleinen, blonden Jungen, der inmitten von dem Chaos saß und gerade dabei war, einen Schokofrosch aus seiner Verpackung zu nehmen, den er kurz darauf genüsslich verschlang.
Hermine fragte sich, warum er ihr ausgerechnet diese Erinnerung zeigen wollte, denn wenn sie sich den kleinen Draco genauer ansah, konnte sie nur vermuten, dass es sich hierbei um das erste oder höchstens das zweite Schuljahr handeln musste.
Die Antwort auf ihre Frage ließ jedoch nicht lange auf sich warten, denn keine Minute später wurde die Tür des Abteils aufgerissen und ein freudestrahlendes, kleines, braunhaariges Mädchen mit wirrer Mähne trat herein, das sie nur zu gut kannte.
Der Anblick ihres elfjährigen Ichs ließ die echte Hermine selbst in Erinnerung schwelgen, denn sie wusste noch genau, wie aufgeregt sie an diesem Tag gewesen war, an dem sie das erste Mal nach Hogwarts gefahren war und die schönste Zeit ihres Lebens ihren Anfang gefunden hatte.
„Habt ihr eine Kröte gesehen? Neville Longbottom hat seine verloren und sucht sie überall.", wandte sich der Lockenkopf an die Beteiligten im Abteil und warf dabei einen angewiderten Blick auf das Chaos, das sie hier vorfand.
Hermine musste schmunzeln, doch sie konzentrierte sich schließlich wieder auf das Geschehen, denn irgendetwas Wichtiges wollte ihr Draco damit wohl zeigen.
Als sie ihr Augenmerk auf seine jüngere Version legte, sah sie, dass sein Blick auf die Erinnerungs-Hermine gerichtet war, die er mit großen Augen ansah.
„Ne, ich hab nichts gesehen. Ihr etwa?", antwortete ihr der Junge neben Draco, der sich als Vincent Crabbe entpuppte, und sich an seine Freunde wandte, die darauf synchron mit dem Kopf schüttelten.
Hermine selbst konnte sich kaum noch an die Szene, die sich ihr bot, erinnern, denn sie hatte an diesem Tag so viele verschiedene Eindrücke gesammelt, dass sie die Einzelheiten nur noch vage im Kopf hatte, was bei Draco scheinbar nicht der Fall war, denn die Erinnerung war weder verschwommen noch unklar.
Sein jüngeres Ich hatte nach wie vor seine Augen auf die Hexe gerichtet, die wenige Sekunden später jedoch wieder verschwand, nämlich zum nächsten Abteil, in dem sie letzten Endes das erste Mal auf ihre besten Freunde Harry und Ron getroffen war.
„Wer war das?", meldete sich der Blondschopf dann zu Wort, was Hermine stark wunderte, denn sie hatte damit gerechnet, dass die Szene hier enden würde und Draco ihr nur ihre erste Begegnung wieder vor Augen führen wollte, doch sie hatte sich geirrt, denn die Erinnerung, die mittlerweile allerdings etwas verschwommen war, ging noch weiter.
„Hab die vorhin schon am Bahngleis gesehen. Meine Eltern haben alle unter die Lupe genommen und mir jeden gezeigt und genannt, von dem ich mich fernhalten soll. Von 'nem Blutsverräter, der so ähnlich heißt wie 'n Tier, ich glaub Wiesel oder so, keine Ahnung, und von zwei Schlammblütern haben sie geredet und das Mädel da war eine davon.", plapperte das jüngere Ich von Gregory Goyle, der sich während seiner Erzählung immer wieder eine von Bertie Botts Bohnen in den Mund geschoben hatte und widerlich schmatzte.
Hermine jedoch wartete krampfhaft auf die Reaktion des jungen Dracos, der seine Augen nach wie vor auf die Tür gerichtet hatte.
„Die ist 'n Schlammblut?", warf dieser ein und wirkte dabei geistig abwesend, denn er starrte ohne jegliche Emotion im Gesicht ins Leere, was Hermine verwirrt zur Kenntnis nahm, denn sie konnte nicht fassen, dass er sich nach ihrem kurzen Auftritt offenbar noch den einen oder anderen Gedanken um sie gemacht hatte.
„Ja, warum?"
„Dachte immer, die sind hässlich.", kommentierte der Blonde, was Hermine empört aufatmen ließ.
Einerseits, weil sie diese rassistischen Ansichten der Reinblüter schon immer unmöglich gefunden hatte und nicht glauben konnte, dass in den Kreisen dieser - sich für besonders haltenden - Zauberer, so abwertend über Muggelgeborene gespottet wurde. Andererseits jedoch überraschte sie die Aussage des Kleinen, denn, anders als erwartet, hatte er ihr damit indirekt ein Kompliment gemacht, das ihr zwar in irgendeiner Weise schmeichelte, doch auch einen Stich ins Herz versetzte. Er wirkte nämlich nicht so, als wäre er ihrer jüngeren Version gegenüber abgeneigt gewesen, was er aufgrund ihres Blutstatus jedoch nicht zum Ausdruck bringen konnte, oder besser gesagt, durfte.
„Sag bloß, die gefällt dir!", verhöhnte ihn der immer noch schmatzende Goyle, was Hermine mit angewidertem Blick verfolgte, denn sie hatte es schon immer gehasst, wenn Leute nicht anständig essen konnten. Sie fragte sich in dem Moment selbst, wie sie es so lange mit Ron und seinen nicht vorhandenen Tischmanieren aushalten konnte, doch verwarf ihre Gedanken schnell wieder, um sich wieder auf die Bilder zu konzentrieren.
„Ich finde ihr Lächeln und ihre Haare süß.", gestand der junge Draco und starrte dabei nach wie vor Löcher in die Luft, doch mittlerweile hatte er ein verträumtes Grinsen im Gesicht.
Hermine betrachtete das Ganze argwöhnisch, denn sie hatte nie im Leben damit gerechnet, dass er so offen darüber reden würde, immerhin hatte er ihr vor wenigen Tagen selbst gesagt, dass ihm Zuhause stets eingetrichtert worden war, dass Menschen wie sie Abschaum wären.
„Hast du Schokofrösche auf den Augen? Die sieht aus, als würde sie Vögel auf ihrem Kopf züchten wollen. Kannst ja deinem Vater von ihr vorschwärmen.", stichelte Crabbe in Dracos Richtung, was den Blonden aus seiner Starre riss und einem wütenden Ausdruck auf seinem Gesicht Platz machte.
„Halt dein Maul!", schimpfte dieser und erhob sich von seinem Sitz, um aus dem Abteil zu flüchten.
Im Gang des Zuges lehnte er sich schließlich gegen ein Fenster und hielt, dem Anschein nach, nach etwas Ausschau.
„Du hast Dreck auf der Nase, weißt du das? Sieht nicht schön aus! Genau da!", hörte Hermine ihr elfjähriges Ich, die im Anschluss ebenfalls auf dem Gang auftauchte, während sie selbst, nach wie vor verwirrt, auf das folgende Szenario blickte.
Der junge Draco beobachtete mit einem listigen Grinsen den Auftritt der jungen Hexe, denn er hatte die Weasley Familie schon immer verachtet und so war es ihm nur recht, dass diese sich über den Rotschopf lustig gemacht hatte.
Sein Ausdruck veränderte sich jedoch schlagartig, als sie ihm im Vorbeigehen direkt in die Augen sah, was ihn unkontrollierbar süß lächeln ließ, denn er war, wie seine Freunde ihm bereits zuvor spottend klargemacht hatten, tatsächlich angetan von der Brünetten.
Diese erwiderte sein Lächeln im Vorbeigehen freudig und marschierte letzten Endes in ihr eigenes Abteil zurück, während der junge Draco ebenfalls wieder in seines verschwand.
Hermine konnte nicht fassen, was sie zu sehen bekam, denn sie konnte sich partout nicht an diese Begegnung erinnern, schob es aber weiterhin darauf, einfach zu viele Eindrücke gesammelt zu haben und sich demnach nicht an jedes einzelne Detail erinnern zu können.
Das Bild veränderte sich und verschwamm vor Hermines Augen, ehe es wieder scharf wurde und ihr eine völlig neue Umgebung zeigte, nämlich die große Halle.
Erneut versuchte sie, die Szene einzuordnen, doch dieses Mal dauerte es nicht so lange, denn an diese konnte sie sich haargenau erinnern.
Die Erstklässler, darunter sie selbst, ihre Freunde und auch Draco, hatten sich am Podium versammelt und warteten darauf, vom sprechenden Hut auf ihre Häuser verteilt zu werden.
Die echte Hermine fand sich neben dem jungen Draco wieder, den sie fragend musterte, denn er hatte einmal mehr sein Augenmerk auf ihrem Erinnerungs-Ich liegen.
„Hermine Granger!", ertönte die laute Stimme von McGonagall, die die junge Hexe damit aufforderte, zu ihr nach oben zu treten. Als sie das tat, warf Hermine einen kurzen Blick auf ihre jüngere Erscheinung, lenkte diesen jedoch schnell wieder auf den Blonden, der jeden ihrer Schritte genau verfolgte.
Der sprechende Hut begann sofort zu reden, kaum dass er ihr auf den Kopf gesetzt wurde, doch, anders als damals, konnte Hermine nicht verstehen, was genau er sagte, was sie darauf schließen ließ, dass Draco dem Gebrabbel damals nicht zugehört hatte.
Ziemlich laut und deutlich hörte sie jedoch das „Gryffindor!", das durch den ganzen Raum hallte.
Im Gesicht des Elfjährigen machte sich dabei ein nicht ganz einzuordnender Ausdruck breit; eine Mischung aus Enttäuschung und Wut, was Hermine erneut verwundert dreinschauen ließ, denn sie fragte sich, was er erwartet hatte.
Lange konnte sie sich jedoch nicht mit dieser Frage beschäftigen, denn die Szene verschwamm wieder, manifestierte sich schließlich zu einem scharfen Bild und zeigte ihr eine Unterrichtsstunde bei Professor Flitwick.
Hermine fand sich erneut neben dem jungen Draco wieder und hatte somit einen perfekten Blick auf ihr jüngeres Ich, das neben Ron Weasley saß und freudig auf ihrem Platz herumrutschte.
Sie selbst erinnerte sich nur zu gut an diese Stunde, doch wusste nicht, was ihr der Blondschopf nun schon wieder zeigen wollte, weshalb sie sich auf dessen jüngere Erscheinung konzentrierte.
Dieser nahm gerade, wie alle anderen, seinen Zauberstab in die Hand und wedelte damit, etwas hilflos dreinschauend, in der Luft herum, was Hermine schmunzeln ließ.
„Stopp! Stopp! Stopp! So stichst du noch jemandem das Auge aus! Und übrigens hast du die falsche Betonung! Es heißt LeviOsa und nicht LeviosA!", vernahm diese ihre eigene Stimme, wandte ihren Blick jedoch nicht von Draco ab, der auf ihre Worte hin schadenfroh gluckste.
„Los! Mach du es doch, wenn du so superschlau bist! Na los, mach!", hörte sie den kleinen Ron spotten, den der Blonde angesäuert taxierte.
„Wingardium Leviosa!"
Der eben noch zornige Ausdruck verschwand augenblicklich aus dem Gesicht des Slytherins, als er beobachtete, wie die Feder der kleinen Hexe tatsächlich nach oben schwebte.
Seine Augen blitzten dabei begeistert auf und funkelten ihre jüngere Erscheinung wie verrückt an, was der echten Hermine das Herz erwärmte, denn diesen Blick hatte Draco ihr seit der Rückkehr nach Hogwarts des öfteren zugeworfen und sie damit immer wieder verzaubert.
Ein lauter Knall riss sie allerdings aus ihrer Rührung, worauf sie verschreckt ihren Kopf herumriss und den Verursacher, alias Seamus Finnigan, entdeckte, dessen verbrannte und kohlenschwarze Feder langsam auf den Tisch herabsegelte.
Hermine betrachtete schmunzelnd das Szenario, das sich wieder auflöste und sie in eine neue Erinnerung schickte.
Der junge Draco trottete seinen beiden Freunden hinterher, die sich über die eben ereignete Explosion lustig machten, während er selbst das Mädchen mit der wilden Mähne vor sich beobachtete, die Harry Potter und Ron Weasley folgte.
„Es heißt LeviOsa, nicht LeviosA! Sie ist suuuper ätzend! Echt, Leute! Kein Wunder, dass sie keinen einzigen Freund hat!", spottete der Rothaarige einmal mehr über die kleine Hexe, die daraufhin - wie sie selbst noch genau wusste - weinend an ihnen vorbeirauschte und verschwand.
Hermine rechnete mit einem erneuten Wechsel der Szene, da das Bild etwas unscharf wurde, doch sie sollte sich täuschen.
„Ich geh' bisschen spazieren. Wir sehen uns beim Abendessen!", gab der junge Draco seinen beiden Freunden zu verstehen, die sich daraufhin ohne ihn in die Gemäuer des Schlosses verzogen.
Der Erinnerungs-Draco beschleunigte seine Schritte und rempelte den Rotschopf im Vorbeigehen absichtlich an, ehe er die mittlerweile rennende Hermine verfolgte.
Sie selbst konnte sich allerdings nicht mehr daran erinnern, wie sie über die Ländereien gerannt war und sich schließlich auf der Wiese niedergelassen hatte, was sie nämlich nun zu sehen bekam. Sie wusste nur mehr, dass sie sich irgendwann im Laufe des Tages im Mädchenklo verkrochen hatte, wo sie letzten Endes dem Troll begegnet war und die Freundschaft zu Harry und Ron ihren Anfang gefunden hatte.
Überrascht beobachtete sie jedoch jetzt, wie der junge Malfoy auf sie zukam und sich neben sie ins Gras setzte.
„Willst du dich auch über mich lustig machen?!", fragte ihre jüngere Version diesen bedrückt, was sie immer mehr verwirrte, denn sie hatte früher kein einziges Wort mit dem Blondschopf gewechselt, vor allem nicht im ersten Schuljahr.
„Lass dich von den beiden Idioten nicht so fertigmachen. Die sind nur neidisch, weil sie so unglaublich dumm sind.", redete er ihr gut zu, was die kleine Hexe mit einem zaghaften Lächeln zur Kenntnis nahm.
„Du warst die Einzige in der ganzen Klasse, die den Zauberspruch hinbekommen hat. Nicht einmal der großartige Potter hat es geschafft. Von Finnigans Explosion ganz zu schweigen. Das... war wirklich beeindruckend."
Der Gesichtsausdruck der jungen Hermine hellte daraufhin immer weiter auf und sie trocknete sich ihre tränenverschmierten Wangen und Augen, ehe sie diese auf den Blonden richtete.
„Danke.", kam es ihr lediglich flüsternd über die Lippen.
„Wer bist du überhaupt?", fragte sie nach einer kurzen Pause, was ihr Gegenüber breit lächeln ließ.
„Ich bin Draco. Draco Malfoy. Wir sind uns im Zug begegnet." „Ach ja, stimmt. Ich bin Hermine Granger."
„Ich weiß.", schmunzelte er süßlich, ehe sein Ausdruck wieder etwas ernster wurde. „Muggelgeborene, stimmt's?"
„Ja. Ist... Ist das denn... schlimm?", hakte diese fast schon besorgt nach, wobei sich die echte Hermine nach wie vor verstärkt auf den kleinen Blondschopf konzentrierte, der auf ihre Frage hin leicht benommen ins Leere starrte und sich offenbar Gedanken über eine passende Antwort machte.
Auch wenn Hermine sich nicht an diese Begegnung erinnern konnte, konnte sie seine Reaktion nur erahnen, nämlich ein spitzer, beleidigender Kommentar.
Aber sie sollte sich bitter täuschen.
„Nein. Nicht schlimm.", sagte er nach einer Weile des Schweigens, in der er sich offensichtlich darüber im Klaren geworden war, dass die Erziehung seines Vaters einige Lügen beinhaltete und seine Aussagen über Muggelgeborene nicht der Wahrheit entsprachen.
„Wirklich?"
„Ja, wirklich. Wie gesagt, du warst die Einzige, die den Zauber hinbekommen hat und das, obwohl deine Eltern Muggel sind. Du bist eine talentierte Hexe... Deswegen solltest du dir von jemandem wie Weasley auch nichts einreden lassen.", baute er die junge Hexe immer weiter auf, was Hermine vollkommen aus der Bahn warf, während ihr jüngeres Ich aufgrund seiner Worte hochrot anlief.
Sie suchte in ihrem Gedächtnis fieberhaft nach ihrer eigenen Erinnerung, doch sie fand nichts.
Stattdessen beobachtete sie, wie sich der elfjährige Draco erhob, mit einem lächelnden „Wir sehen uns." kehrtmachte und verschwand, und mit ihm die herbstlichen Ländereien, denn die Szene löste sich im Anschluss wieder auf.
In Hermines Kopf ratterte es nach diesen Eindrücken wie verrückt und egal, was nun auf sie zukommen würde, das musste warten, denn sie wollte Malfoy - den echten wohlgemerkt - zur Rede stellen.
Sie wusste, dass sie bis zu ihrem zweiten Schuljahr nie mit ihm gesprochen hatte und sich das nach seinem „Schlammblut" auch nicht geändert hatte, wodurch sie nun restlos verwirrt war.
Sie war sich demnach sicher, dass Draco Malfoy sich gerade einen Scherz mit ihr erlaubte.
Denn sie konnte ja nicht wissen, dass es in Wirklichkeit ihr eigenes Gedächtnis war, das ihr etwas vortäuschte...
>>>
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro