Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

⁰¹dinner for two (iv)

Bevor du hier anfängst, lies doch bitte die vorangehenden drei Kapitel, um die Zusammenhänge zu verstehen (:

Es klingelte um kurz nach sieben.

Als ich wenig später nach unten kam, stand Silas im Flur und wickelte sich den dunklen Schal vom Hals. Obwohl ich einige Meter entfernt stand, bemerkte ich ein paar verirrte Schneeflocken in seinen Haaren, die einen scharfen Kontrast zu seinen ebenholzfarbenen Haaren bildeten.

„Schön, dass du's geschafft hast", lächelte ich und trat näher, um ihm seinen Mantel abnehmen zu können. Ich bemerkte, dass er leicht zitterte. Ob es aufgrund der Minustemperaturen draußen oder vor Nervosität war, wusste nur er.

Begeistert stellte ich fest, dass sich Silas tatsächlich an unsere Vorgabe gehalten hatte, sich schick zu kleiden. Aus den Tiefen seines Kleiderschranks hatte er einen Anzug hervorgekramt und trug sogar eine schwarze Krawatte zum weißen Hemd. Wenn Papa ihn so sah, dann konnte er gar nicht anders, als sich freuen.

„Danke, dass ihr das hier organisiert. Ist Rafael schon da?"

Auch in seiner belegten Stimme schwang ein aufgeregter Unterton mit. Silas sah mich nicht direkt an, sondern immer wieder an mir vorbei. Fast so, als wolle er einen Blick auf Papa erhaschen, der sich wohl etwas verspäten würde.

„Noch nicht", meldete sich jetzt Annika zu Wort, die soeben die Treppen herunterkam. Sie trug ein enganliegendes beerenfarbenes Kleid, das kurz über ihren Knien endete. Ihre langen blonden Haare hatte sie zu einem lockeren Knoten zusammengebunden, sodass ihr nur der mittlerweile herausgewachsene Pony ins Gesicht fiel. Auf dem Arm hatte sie einen verschlafenen Timo, der seinen schweren Kopf auf ihre Schulter gelegt hatte und verträumt mit den Dreiviertelärmeln ihres Outfits spielte.

„Schön, dich zu sehen, Silas."

Bei der Erwähnung dieses Namens, hob Timo seinen Kopf ein kleines Stück. Nur so weit, dass er einen Blick auf Silas erhaschen konnte. Als er sich vergewissert hatte, dass dort wirklich Silas stand, legte er seinen Kopf wieder zurück auf Annikas Schulter und sein kleiner rechter Daumen wanderte in seinen Mund. Mit der linken Hand rieb er sich müde den Schlaf aus den Augen.

Ich gab ihm maximal eine Stunde, bevor er wieder ins Land der Träume abgedriftet war.

„Aber Papa sollte auch jeden Moment kommen", meinte Luis und streckte seinen Kopf aus der Küche heraus, „Können wir dir in der Zwischenzeit schon etwas zu trinken anbieten?" Ein breites Grinsen lag auf seinen vollen Lippen, als er den perfekten Gastgeber heraushängen ließ.

„Komm doch erst mal rein", sagte ich und forderte ihn mit einer einladenden Geste dazu auf, ins Esszimmer zu kommen. Zögernd trat er ein und hielt inne, als er den gedeckten Tisch sah.

„Ihr habt euch wirklich richtig ins Zeug gehängt!", stellte er fest und betrachtete unser Werk begeistert. Just in diesem Moment, hörte man den Schlüssel im Schloss der Haustür drehen und wenig später ein „Bin wieder Zuhause!"

„Papa!", rief Timo begeistert aus und hampelte so lange auf Annikas Arm herum, bis die ihn endlich auf den Boden herunterließ. Schlaftrunken tapste er hinaus in den Gang wo er von Papa herzlich begrüßt wurde.

Mein Blick wanderte zu Silas, der nervös mit seinen langen, schmalen Fingern spielte. Er wirkte irgendwie hilflos auf mich, weshalb ich den wohl sinnlosesten Kommentar der Weltgeschichte an ihn richtete: „Das wird schon!"

Aufmunternd lächelte ich ihm zu und da kam auch schon Papa in die Küche. „Mh, hier riecht's aber gut", stellte er fest und sog den Geruch nach Geschnezeltem und der grünen Erbsensuppe ein, die fröhlich auf dem Herd vor sich hin köchelte.

„Hallo Matthias, schön dich zu sehen!", begrüßte er unseren ersten Gast überrascht. „Freut mich auch", erwiderte dieser jetzt und grinste breit. Luis, der neben Matthias in der Küche stand, hatte die Hände locker in den Hosentaschen seiner schwarzen Anzughose verstaut und wirkte wie wir alle, trotzdem etwas nervös.

Angespannt fuhr er sich mit der rechten Hand durch die dunkle Dauerwelle und räusperte sich, bevor Annika und er fast zeitgleich verlauten ließen: „Wir haben eine Überraschung für dich."

Ein Ausdruck der Verwirrung wanderte über Papas Gesicht und sein Blick fiel auf mich. Doch bevor ich etwas erklären konnte, streckte Timo seine kleinen Arm aus und zeigte in Richtung Esszimmer: „Sijas!"

Papa schluckte, als jetzt auch Silas in die kleine Küche trat. Der Raum war ja sowieso schon klein, aber jetzt, da er acht Personen beherbergte, wirkte er beinahe erdrückend. Die Anspannung die die kleine Küche jetzt füllte, machte die Situation auch nicht besser. Die Luft war regelrecht zum Schneiden. Schüchtern hob der Dunkelhaarige die Hand und winkte vorsichtig.

Einen Moment sagte niemand etwas. Es herrschte Totenstille und ich wäre am Liebsten im Erdboden versunken.

„Das war unsere Idee. Nach eurem Streit vor ein paar Tagen, wollten wir euch nicht zerstritten ins neue Jahr starten lassen", erklärte Annika, „Und was ist da besser, als ein gemeinsames Essen, bei dem man über alles reden kann."

Ich fühlte mich plötzlich beobachtet und löste meinen Blick von Papa, nur um sich mit Matthias' zu kreuzen. Intensiv und alles andere als unauffällig, musterte er mich langsam von oben nach unten. Von meinen dunklen Locken, über das bordeauxfarbene Sweatshirt, zu der grauen Anzughose und wieder nach oben. Einen kleinen Moment zu lang, blieb sein Blick an der Perlenkette hängen, die mir Oma letztes Weihnachten geschenkt hatte.

Selbst von dieser Entfernung konnte ich das Glitzern in seinen Augen sehen, dass sich dort immer zeigte, wenn er aufgeregt war. Doch heute löste dieses Glitzern nicht das selbe Gefühl in mir aus, dass es noch vor zwei Monaten hervorgerufen hatte.

„Ich finde diese Idee wirklich toll", meinte Silas vorsichtig und zuckte mit den Schultern. Papa warf ihm einen überraschten Blick zu. Bei den Worten, die sie sich gegenseitig an den Kopf geworfen hatten, grenzte es tatsächlich an ein Wunder, dass beide jetzt hier gemeinsam in unsere Küche standen.

„Wenn ihr euch schon die Mühe gemacht habt zu kochen, wäre es eine Schande, jetzt nichts zu essen", seufzte Papa und sah uns der Reihe nach an, „Und noch dazu, da das Haus noch steht."

Ein Lachen konnte sich keiner von uns verkneifen und Annika verzog eine Grimasse. Wenn Papa wüsste.

„Dürfte ich Sie dann zu Ihrem Tisch begleiten?", kam es von Luis, der sich augenblicklich kerzengerade aufrichtete. Eine Hand hinter dem Rücken, die andere locker angewinkelt am Oberkörper in einer dieser typischen Butler-Posen.

„Das Dinner wird jeden Moment serviert", verkündete Annika und auf ihren Lippen fand sich ein schiefes Lächeln.

Etwas widerspenstig nahm ich Papa Timo ab, der laut protestierte, sich allerdings schnell mit seiner Situation abfand, als ihm Matthias einen Keks in die Hand drückte.

„Na dann, nach Ihnen", scherzte Papa und wies Silas an, Luis ins Esszimmer zu folgen. Meine Geschwister kümmerten sich darum, dass die beiden mit Getränken versorgt wurden, während ich dafür sorgte, dass die Vorspeise auf den Tellern landete.

Die grüne Erbsensuppe roch verlockend und ich war froh, dass wir daran gedacht hatten, auch für uns jeweils eine Portion mit zu kochen. Timo setzte ich ihn seinen Hochstuhl, denn wir irgendwie in der Küche untergebracht hatten, bevor ich die beiden Teller je mit etwas Kräuterfrischkäse und frischen Minzblättern garnierte.

Gerade rechtzeitig, denn Annika und Luis standen schon bereit, um die Teller ins Esszimmer zu bringen. Die ersten fünfzehn Minuten herrschte Stille im Nachbarzimmer und auch von uns traute sich niemand groß zu reden.

Erst als wir den Hauptgang servierten, brachen langsam die Dämme und die ersten Gesprächsfetzen drangen bis zu uns in die Küche. Um den beiden etwas mehr Privatsphäre zu bieten schlossen wir die Schiebetür ein Stück und baten sie darum einfach zu klopfen, wenn sie etwas brauchen würden.

In der Zwischenzeit verteilten wir das Schokoladenmousse auf kleine Schalen und Annika hatte die Idee, Reste der Weihnachtsplätzchen als Topping darüber zu bröseln. Nachdem die Schüsseln wieder in den Kühlschrank gewandert waren, schnappte ich mir eine Müsischüssel aus einem der Hängeschränke und füllte sie mit Reis und etwas Soße.

Schwungvoll hüpfte ich auf die Arbeitsfläche und begann zu Essen. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, dass Matthias mich die ganze Zeit über genau beobachtete und es wunderte mich wirklich, dass mich das alles so kalt ließ. Damit hätte ich vor einigen Stunden noch nicht gerechnet.

„Willst du nicht etwas warten, nicht dass sie noch Nachschlag haben wollen und dann reicht's nicht", merkte Luis an. Ich warf ihm einen ungläubigen Blick zu, stellte die Schüssel aus meinen Händen und öffnete die Deckel beider Töpfe.

„Also wenn das nicht noch für fünf weitere Personen inklusive Nachschlag reicht, dann weiß ich auch nicht." „Ich mein ja nur. Dein Hungergefühl, darf man trotz deiner Körpergröße oft nicht unterschätzen. Nicht, dass es dann im Nachhinein heißt, warum keiner von uns etwas gesagt hat", meinte mein Bruder schulterzuckend und mir stand für einen Moment der Mund weit offen.

Ja, ich mochte Essen wirklich gerne, aber meistens konnte ich mich doch recht gut zusammenreißen und einschätzen, was über eine normale Portion hinaus geht. Doch ich schaffte es nicht etwas zu erwidern, denn mein Handy vibrierte in meiner Hosentasche.

Murrend kramte ich es hervor und musste lächeln, als ich sah, dass Jannik geschrieben hatte.

„Jan fragt, wie's läuft", klärte ich meine Geschwister auf, während ich schon die Antwort tippte.

Mittlerweile läuft's wieder.
Zwischendurch hätte es zwar wirklich fast gebrannt und die Stimmung war ziemlich angespannt, aber jetzt ist wieder alles im grünen Bereich.

Mein älterer Bruder las die Nachricht zwar, machte aber keine Anstalten zurückzuschreiben. Das war ungewöhnlich, aber wahrscheinlich steckte er gerade selbst in einem Silvesteressen im Ski Resort.

Ich tauschte mein Handy wieder mit der Schüssel und aß weiter. Luis und Matthias hatten in letzter Sekunde wirklich etwas verboten Gutes gezaubert.

„Kann man's wenigstens Essen?", fragte Luis nach, holte sich allerdings selbst einen Löffel aus der Schublade und nahm sich etwas aus meiner Schale.

„Hey, hol dir selber was", beschwerte ich mich und entzog ihm die Schale aus seiner Reichweite. Bevor die Situation wieder in einen Streit ausbrechen konnte, klopfte es an der hölzernen Schiebetür und Annika schob sie sofort auf.

Sie kehrte mit leeren Tellern und zufriedenem Ausdruck auf dem Gesicht zurück.

„Ich glaube, das war ein voller Erfolg", grinste sie breit, als sie die Teller in die Geschirrspülmaschine räumte. Während ich mir den nächsten Löffel voll Reis in den Mund beförderte, öffnete Luis die Tür zum Kühlschrank und holte die Nachspeise heraus.

„Emilia, willst du dich auch beteiligen, oder lieber weiter hier vor dich hin mampfen?", fragt er nach. „Mampfen klingt nach einer wunderbaren Option für mich. Ihr zwei macht das so gut, ich lass euch lieber den Vortritt", erklärte ich, „Außerdem werde ich jetzt dann Timo ins Bett bringen, der schnarcht da hinten auch schon seit mindestens einer halben Stunde."

Timo hing total verrenkt in seinem Hochstuhl und es sah wirklich alles andere als bequem aus. Ein genervtes Seufzen kam von Luis.

„Keine Angst, ich kann später den Spüldienst übernehmen, dann kannst du dich draußen mit deinen Bandkollegen treffen", versprach ich ihm, „Und Annika: wenn sich Nils mit dir treffen möchte, bist du jetzt dann auch entlassen. Den Rest schaffe ich auch alleine."

Nils war Annikas Eiskunstlauf-Partner. Die beiden trainierten seit sie laufen konnten gemeinsam Paartanz und waren auch außerhalb der Eisfläche unzertrennlich. Bis jetzt haben sie sich noch jedes Jahr getroffen um das Feuerwerk zu sehen. Luis und seine Bandkollegen warfen noch jedes Jahr bei irgendjemanden eine Hausparty und er war schon ziemlich angefressen, dass er dieses Mal nicht von Anfang an dabei sein konnte.

„Nils feiert dieses Jahr in Edden mit seinen Klassenkameraden, ich kann dir also gerne beim Spülen helfen", bat Annika an und an Luis gerichtet sagte sie, „Bevor du noch nervöser wirst, hau schon ab, den Rest schaffen wir wirklich auch alleine."

Begeistert drückt er Annika die zwei Schalen in die Hand und stürmte aus der Küche nach oben in sein Zimmer. Kopfschüttelnd servierte meine Schwester Papa und Silas jetzt auch das Schokomousse und schloss die Tür komplett hinter sich, als sie wieder zurück in die Küche kam.

Meine Schale war mittlerweile auch geleert und mein Bauch voll. Zufrieden rutschte ich wieder von der Arbeitsplatte, stellte ich die leere Schüssel in die Spüle. Matthias, der direkt neben der Spüle stand, streifte meinen Handrücken dabei sanft mit seinem, doch ich tat, als hätte ich es gar nicht gemerkt. Ohne die Miene zu verziehen, ging ich schnurstracks auf den Hochstuhl in der Ecke zu.

Behutsam hob ich Timo heraus und hielt kurz inne, als er im Schlaf zu brabbeln begann. Glücklicherweise hatte ich ihn nicht geweckt. Sein Kopf lag schwer auf meiner Schulter und die Spitzen seiner mittlerweile viel zu langen blonden Locken kitzelten mich im Gesicht.

„Bin gleich wieder da", flüsterte ich Annika zu, die daraufhin nickte. Die ganze Zeit hatten wir uns nicht wirklich leise verhalten, aber jetzt, da er schlafend auf meinem Arm war, schien es bewusster als vorher.

Vorsichtig, um ja nicht zu stolpern, erklomm ich die Treppen nach oben und öffnete die Tür zu seinem Zimmer mit dem Ellbogen. Bevor Jannik ausgezogen war, gehörte das Zimmer ihm, aber mittlerweile war von dem früheren Jugendzimmer nicht viel übrig.

Es war kein großer Raum, aber es war Platz für alles. Gleich neben der Tür stand das Gitterbett, daneben ein Sessel auf dem wir TImo meist eines seiner Lieblingsbücher vorlasen. Im Eck hatte er eine kleine Bauecke in der auch Annikas und mein altes Playmobil Prinzessinnen Schloss stand. Das war damals das beste Geschenk, dass uns das Christkind zu Weihnachten machen konnte.

Den Boden bedeckte ein bunter Spielteppich, den Luis vor ein paar Jahren ausgemistet hatte. Im Moment war er für Timo aber noch ziemlich uninteressant. Die Autos standen unberührt in der Kiste neben den Lego Steinen, dafür waren unsere heiß geliebten Barbie-Puppen umso interessanter.

Kurz haderte ich mit mir, ob ich es riskieren sollte, Timo in seinen Schlafanzug zu stecken, oder ihn einfach so schlafen zu legen. Ich entschied mich für letzteres und hob ihn vorsichtig über die Gitter. So sanft wie es mir möglich war, legte ich ihn auf die Matratze und deckte ihn mit seiner Decke zu.

Timo atmete tief aus und hob die Arme nach oben, doch er schlief nach wie vor tief. Erleichterung machte sich in mir breit. Ich drückte ihm einen Kuss auf die Stirn, bevor ich sein Schlaflicht einsteckte und anschließend den Raum verließ. Die Tür ließ ich ein Stück offen, nur für den Fall, dass er doch aufwachen sollte.

„Kann ich kurz mit dir sprechen?"

Ich zuckte zusammen und konnte einen Aufschrei nur knapp unterdrücken. Direkt vor mir im Schatten stand Matthias. Durch das große Fenster am Ende des Flurs, schien das Licht der Straßenlampen und ließ seine Gesicht fahl wirken.

Bis eben war der Abend eigentlich wirklich gut gelaufen und ich wollte ihn mir nicht unnötig verderben. Seufzend akzeptierte ich und nickte mit dem Kopf in Richtung meiner Zimmertür. Es musste nicht jeder mitbekommen, was wir besprachen. So wie ich Annika kannte, stand diese nämlich unten an der Treppe und lauschte neugierig um ja nichts zu verpassen.

Matthias ließ mir den Vortritt in mein Zimmer und schloss die Tür hinter sich, als er eingetreten war.

„Entschuldige bitte das Chaos. Timo spielt in letzter Zeit immer lieber hier, als in seinem Zimmer und ich bin noch nicht dazu gekommen aufzuräumen", erklärte ich und räumte hektisch meinen Schreibtischstuhl frei, auf dem sich die Kleidung der letzten zwei Wochen stapelte.

Bei meiner Aussage handelte es sich nur um die halbe Wahrheit. Die letzten Tage fehlte es mir einfach an der nötigen Energie, Herrin über das Chaos hier zu werden, auch wenn Timo den ein oder anderen Tag tatsächlich hier verbracht hatte, war ich Hauptverursacherin für diesen Bombeneinschlag.

„Alles okay", versicherte mir Matthias und verschränkte die Arme vor der Brust. Seine hellbraunen Augen ruhten auf mir und inspizierten jede noch so kleine meiner Bewegungen.

„Also, um was geht's?", fragte ich und ließ mich auf meiner Bettkante nieder.

Er räusperte sich. „Um uns." Eigentlich wollte ich sofort kontern, was es da noch zu bereden gab, aber er hatte irgendwo Recht und ich ließ ihm die Gelegenheit, zu sagen, was ihn bedrückte. Also sah ich ihn nur auffordernd an, anstatt etwas zu sagen.

„Als erstes wollte ich mich bei dir entschuldigen, dass das alles so gelaufen ist, wie es gelaufen ist. Du hast eine Erklärung für mein Verhalten verdient und das eigentlich schon von Anfang an."

Ich schluckte. War ich bereit für das was auf mich zu kam? Bis jetzt hatte ich versucht meine Gefühle so gut wie möglich zu ersticken. Aber wenn sie unter der dicken Decke hervorkamen, unter der ich sie vergraben hatte, konnte ich nicht versprechen, wie ich reagieren würde.

„Setz dich doch", meinte ich und meine Stimme klang belegt. Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Matthias schob den Schreibtischstuhl direkt vor mich, so dass er mir direkt ins Gesicht schauen konnte, als er anfing zu erzählen.

„Rückblickend gesehen, hab ich eigentlich nur falsche Entscheidungen getroffen. Aber fangen wir von Anfang an. Bei mir in der Arbeit läuft es alles andere als glatt. Für das Restaurant sieht es alles andere als gut aus und Andi hat der Hälfte seiner Mitarbeiter zum Jahresende gekündigt. Mich hat es auch getroffen", er hielt kurz inne und schien meine Reaktion abzuwarten. Damit hatte ich zwar nicht gerechnet, aber es war für mich kein triftiger Grund um eine Beziehung auf diese Art und Weise zu beenden.

„Ich hätte zwar die Möglichkeit vorübergehend in der Metzgerei meiner Eltern zu arbeiten, aber du weißt wie gern ich in der Küche stehe. Trotz Fachkräftemangel ist es schwer einen Gastronomiebetrieb zu finden, der neue Mitarbeiter einstellt, weil es sich die meisten schlichtweg nicht leisten können und ich wollte eigentlich wirklich in der Gegend bleiben. Aber so wie es aussieht, wird das nichts. Ein Bekannter aus der Ausbildung, hat sein eigenes Restaurant in Scharbeutz an der Ostsee. Er hat mir angeboten, dass ich dort ab Anfang Februar anfangen kann."

„Aber wolltest du das nicht eigentlich schon immer? In verschiedenen Ecken Deutschlands arbeiten", fragte ich und erntete einen ungläubigen Blick meines Gegenübers.

„Klar, stand das irgendwann mal auf dem Plan, aber eigentlich nicht jetzt. Und du hast mich immer hier gehalten. Du weißt wie ungern ich eine Fernbeziehung führen wollte."

Ich nickte. Er hatte seine Gründe.

„Die unerwartete Kündigung, die aussichtslose Jobsuche und das Angebot in Scharbeutz. Ich bin in meinem eigenen Gedankenkreisel versunken und ins Zweifeln gekommen, ob ich nicht irgendetwas in meinem Leben hätte anders machen sollen. Zu allem Überdruss kam dann auch noch die Diagnose von Papa - Huntington", seine Stimme brach und auch ich musste schlucken.

Irgendwo hatte ich gelesen, dass Huntington nicht heilbar war, man konnte nur die Symptome heilen und für die direkten Nachkommen gab es eine 50/50 Chance die Krankheit zu erben.

„Das tut mir leid, Matthias", sagte ich und meinte es auch so. Instinktiv griff ich nach seinen Händen, die verloren in seinem Schoss lagen und drückte sie fest.

„Ich hab mich dazu entschlossen den Test zu machen", er schluckte hart und löste eine Hand aus meinem Griff. Aus der Tasche seines Kapuzenpullis zog er einen ziemlich mitgenommenen Umschlag. „Seit Wochen trag ich den mit mir herum um trau mich nicht ihn zu öffnen."

„Fühl dich nicht gedrängt dazu, du hast alle Zeit der We-" „Eben nicht!", erhob er seine Stimme und ich zuckte leicht zurück. So kannte ich ihn nicht.

„Tut mir leid, ich - ich wollte nicht laut werden", entschuldigte er sich und griff nach meinen Händen, die ich vor Schreck losgelassen hatte, „Ich hab nur so verdammt Angst."

Matthias' Augen glänzten tränennass und die Panik spiegelte sich in seinem Gesichtsausdruck. Seine Beine zuckten nervös und sein Blick war leer.

„Hey, komm her."

Ohne zu überlegen zog ich ihn zu mir und in eine feste Umarmung. Matthias drückte sein Gesicht in meine Halsbeuge und seine Wimpern kitzelten an meinem Hals. Meine rechte Hand wanderte an seinen Hinterkopf, während meine linke sanft über seinen Rücken strich um ihn zu beruhigen.

Er schlang beide Arme um mich und zog mich so fest an sich, dass ich einen Moment Angst hatte, keine Luft mehr zu bekommen. Doch er lockerte seinen Griff sofort, als ich mich versuchte etwas zu befreien.

Es war komisch so nah beieinander zu sein und doch so viel Platz zwischen sich zu haben. Matthias war nach wie vor ein wichtiger Mensch in meinem Leben und wenn meine Nähe das war, was er jetzt brauchte, dann war das okay für mich.

„Das war eine doofe Aussage von mir, tut mir leid. Aber wenn du dich noch nicht bereit dazu fühlst, den Brief zu öffnen, dann musst du es nicht jetzt tun. Du kannst auch noch warten", meinte ich und spürte, wie der Kragen meines Sweatshirts feucht wurde.

Matthias weinte.

Ich hatte ihn selten so gebrochen und verzweifelt gesehen.

Eine ganze Weile saßen wir so fest umschlungen auf meinem Bett, bis er von mir abließ. Er strich sich mit den Ärmeln seines Pullis über die tränennassen Wangen und sein Blick landete auf dem Umschlag.

„Ich würde ihn gerne mit dir öffnen. Jetzt."

Ich schnappte nach Luft. Damit hatte ich nicht gerechnet.

„Bist du dir wirklich sicher?", fragte ich nach und klang dabei so leise, dass ich mich selber anstrengen musste, mich zu verstehen. "Ganz und gar nicht, aber wenn du mich weiter fragst, bin ich das noch weniger."

Matthias drückte mir den Umschlag in die Hand: „Wäre es in Ordnung, wenn du ihn für mich öffnest. Ich kann das nicht."

Ich konnte das auch nicht, darüber war ich mir sicher, aber ich würde mein Bestes tun.

„Und am Liebsten wär's mir, wenn wir das noch dieses Jahr tun könnten. Dann kann ich das Jahr mit möglicherweise schlechten Nachrichten beenden und nicht das neue damit starten."

Ein Blick auf die digitale Anzeige meines Weckers sagte mir, dass wir noch genau drei Minuten Zeit hatten.

„Du stresst mich hier ganz schön", versuchte ich die Stimmung etwas aufzuheitern und schaffte es tatsächlich ihm ein leises Lachen zu entlocken, „Kurz und schmerzlos?"

Matthias nickte. Ich atmete tief ein, bevor ich langsam nach drei zählte, bevor ich den Umschlag aufriss und den Brief herausnahm. Zitternd faltete ich den Brief auseinander und mein Blick fiel sofort auf die wichtigste Aussage, die in fetten Lettern in der Mitte des Textes stand.

NEGATIV.

Jetzt stiegen auch mir Tränen in die Augen und Matthias sah mich fragend an. Panik machte sich erneut in seinem Gesicht breit. Er dachte, das Testergebnis wäre positiv.

„Negativ", presste ich hervor, „Du bist gesund."

Bevor ich mich versehen konnte, hatte Matthias seine Hände an meine Wangen gelegt, zog mein Gesicht zu sich und presste seine Lippen auf meine. Doch ich erwiderte den Kuss nicht. Es fühlte sich nicht richtig an.

Vorsichtig löste ich mich von ihm und ein gebrochener Ausdruck hatte die Panik verdrängt, die dort noch vor wenigen Sekunden vorgeherrscht hatte.

„Tut mir leid, aber das fühlt sich nicht mehr richtig an", flüsterte ich. Matthias biss sich auf die Unterlippe und jetzt war es an mir zu erklären: „Während den letzten Wochen bin auch ich zum Nachdenken gekommen und dabei zu der Erkenntnis gekommen, dass ich im Moment alleine eigentlich ganz glücklich bin. Bitte versteh mich jetzt nicht falsch, du bist immer noch wichtig für mich, aber der Funke der da vor wenigen Monaten noch war ist zu Asche geworden. Es ist glaube ich besser, wenn wir uns beide auf uns selbst konzentrieren."

Matthias sah nicht überrascht aus, stattdessen nickte er verständnisvoll.

„Das kann ich gut verstehen. Versprich mir nur, dass wir befreundet bleiben."

„Natürlich!", meinte ich und lächelte ihn an, „Aber in Zukunft redest du mit mir. Egal was los ist. Hättest du mir erklärt, was in deinem Leben los ist, dann hätte ich deine Entscheidung vielleicht auch verstanden. So tat ich mir ziemlich schwer."

„Tut mir leid, das war ziemlich idiotisch von mir. Allerdings war ich so überfordert mit allem, dass mir alles zu viel wurde und ich mich ein paar Tage einfach von allem zurückgezogen habe", er senkte seinen Blick und sah auf unsere Hände, die immer noch verschränkt zwischen uns ruhten.

„Ich kenn dich, du willst deine Kämpfe immer erst alleine kämpfen, aber oft ist es besser seine Sorgen mit jemandem zu teilen. Das wäre doch gleich ein Vorsatz für das neue Jahr."

„Frohes Neues, übrigens", grinste Matthias jetzt und zeigte auf die Uhr meines Weckers. „Frohes Neues", lächelte auch ich.

Auch von unten ertönte jetzt ein lautes: „Frohes Neues Jahr!" und wurde wieder an die eigentliche Aktion des heutigen Abends erinnert.

„Annika braucht bestimmt noch Hilfe, wir sollten vielleicht wieder nach unten schauen", schlug ich vor und machte Anstalten aufzustehen, doch Matthias hielt mich zurück.

„Danke Emilia. Dafür, dass du bist wie du bist!"

Bei diesen Worten wurde mein Lächeln breiter: „Nichts zu danken, aber meine Schwester braucht jetzt wirklich Hilfe, sonst lässt sie ihre schlechte Laune in der Früh an mir aus."

Wir lachten beide und ich war unglaublich froh, dass die unsichtbare Mauer zwischen uns endlich eingebrochen war.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro