Kapitel 4
Den Rest der Woche verbrachte ich damit, an meinem neuen Buch zu schreiben, Vorbereitungen für den Unterricht zu treffen und dem Versuch, meine Gedanken im Zaum zu halten - ich versagte kläglich.
Immer wieder erwischte ich mich dabei, wie ich mir den Kopf über Drea Dupree zerbrach.
Dem Mädchen mit dem unsäglich traurigem Blick.
Dem Mädchen, das einem Abbild meiner Seele glich.
Und dem Mädchen, bei dem es sich um meine Schülerin handelte...
Ich konnte einfach nicht aufhören, über sie nachzudenken.
Immer wieder beobachtete ich sie im Unterricht, fragte mich, was ihr wohl widerfahren war und ob ich ihr womöglich helfen könnte. Im gleichen Atemzug jedoch ermahnte ich mich dazu, einen Gang zurückzuschalten. Es gab eine simple und einfache Erklärung für meine aufgewühlten Gedanken - und diese Erklärung gründete darauf gründete, dass Drea mich an meine eigene Vergangenheit erinnerte. Sie erinnerte mich an Joanna. Ich redete mir ein, dass dieses Interesse auf meinen Beschützerinstinkt zurückzuführen war...
Den Freitagabend nutzte ich ebenfalls zum Schreiben und als Samstag anbrach, hätte ich um ein Haar meine Verabredung mit den Jungs vergessen. Nachdem Michael mir mitteilte, dass Lukas seine Schwester mitbrachte sowie deren besten Freundin, überlegte ich, auch Joanna zu fragen, ob sie nicht Lust hatte mitzukommen. Doch während eines Telefonats teilte sie mir mit, dass sie leider keine Zeit hatte. Sie war noch beschäftigt mit einer Arbeit, die bis nächste Woche fertig sein musste. Ich wünschte meiner kleinen Schwester viel Erfolg und sprang dann unter die Dusche.
Danach schlenderte ich zu meinem Kleiderschrank. Ich entschied mich für eine dunkle Jeans und ein weißes Longsleeve. Das Ganze rundete ich mit ein paar Schnürboots von Timberland ab. Da ich durch mein Trödeln und das Schreiben Zeit verloren hatte - sehr zu meinem Missfallen, denn ich hasste Unpünktlichkeit - schrieb ich widerwillig eine Nachricht an Michael, dass ich mich etwas verspätete. Ich warf mir meinen Mantel über, schnappte mir meine Schlüssel und machte mich auf den Weg. Im Foyer angekommen, hatte Mr Grayson meinen Wagen bereits vorfahren lassen. Ich bedankte mich bei ihm und trat hinaus in die kühle Septemberluft.
Mit einem Chirpen entriegelte ich die Zentralverriegelung meines Wagens und sank sogleich in den tiefen gemütlichen Ledersitz. Dann fädelte ich mich in den Abendverkehr Seattles ein. Es dauerte nicht lange und schon erreichte ich den Q Nightclub. Zugegeben, der Schuppen wäre nicht meine erste Wahl gewesen, um etwas trinken zu gehen. Allerdings würde es dort ein leichtes sein, mit Frauen ins Gespräch zu kommen - und möglicherweise auch mit einer davon nach Hause zu gehen.
Ich war nicht von mir selbst eingenommen, aber ich wusste, dass ich auf den Großteil der Frauen eine sehr anziehende Wirkung ausübte. Mit dem blonden Haar, das ich in einem leichten Undercut Schnitt trug, den markanten Gesichtszügen und meiner athletischen Figur, die ich dem regelmäßigen Gang ins Fitnessstudio verdankte, handelte ich mir schon den ein oder anderen anerkennenden Blick ein. Zu wissen, dass man ein attraktives Äußeres besaß, hatte für mich persönlich nichts mit Arroganz oder Überheblichkeit am Hut, sondern zeugte schlicht und ergreifend von einem gesunden Selbstbewusstsein, obgleich ich mir aus Äußerlichkeiten nicht viel machte. Die Tatsache, dass ich schon sehr früh hatte lernen müssen, was im Leben wirklich zählte und was nicht, hatte dafür gesorgt, dass mir jeglicher Hochmut fern blieb.
Am Club angekommen, ging ich an der langen Schlange vorbei und nannte den Türstehern meinen Namen - Lukas besaß ganz offensichtlich Kontakte zum Inhaber dieses Clubs und hatte mich auf die Gästeliste setzen lassen. Innerhalb weniger Minuten befand ich mich im Inneren der Disco.
Sofort schlugen mir die Gerüche von Alkohol, Schweiß und Parfüm in die Nase, die ungemein typisch waren für solche Tanzlokale. Gedämpft dröhnten die laute Musik und die Bassklänge an meine Ohren, ließen meinen Körper vibrieren und sorgten für eine Lautstärke, bei der man sich kaum noch unterhalten konnte, wenngleich es sich hier im Eingangsbereich noch in Grenzen hielt. Da ich nicht den blassesten Schimmer besaß, wo sich die Jungs gerade herumtrieben, griff ich nach meinem iPhone, das sich in meiner rechten Hosentasche befand. Ich war im Begriff, Michael eine SMS zu schreiben, als ich plötzlich jemanden meinen Namen sagen hörte.
»Mr Black?«
Ich kannte diese zarte, melodische Stimme und noch ehe ich von meinem Handy hoch schaute, wusste ich, zu wem sie gehörte. Ein paar Meter von mir entfernt stand Drea Dupree und sah mich aus ihren großen, kugelrunden Augen an. Die Überraschung, die ihr aufs Gesicht geschrieben stand, spiegelte sich auch auf meinem eigenen wider und für einen klitzekleinen Moment zuckte ein seltsames Gefühl von Aufregung durch meinen Körper.
Langsam ließ ich mein Handy sinken, außerstande, meinen Blick von ihr abzuwenden.
»Drea?«, fragte ich meinerseits zurück. »Was machen Sie denn hier?«
Dreas Augen wanderten neugierig über mich hinweg und für den Bruchteil einer Sekunde schien ein seltsamer Ausdruck in ihren Augen aufzuflackern. Zu gern hätte ich gewusst, was in ihrem Kopf vorging - wenngleich ich es mir jedoch denken konnte. Ich kannte diese Blicke.
Ihr gefiel, was sie sah - und die Vorstellung, dass Drea auf diese Art und Weise über mich dachte, gefiel mir, auch wenn sie mir nicht hätte gefallen dürfen.
Plötzlich setzte sie sich in Bewegung und kam einige Schritte auf mich zu.
Ich konnte nicht widerstehen und ließ mein Blick meinerseits über sie hinweggleiten. Drea sah anders aus. Sie hatte etwas Make-Up aufgelegt, was sie ein klein wenig älter wirken ließ und ihre braunen Haare fielen ihr in sanften Wellen auf die Brust. Ihr Körper steckte in einem weißen, engen Shirt und einer blauen Jeans, die ihr locker auf den Hüften saß. Dazu ein paar klassische, schwarze Converse Sneaker. Die enge Kleidung umschmeichelte ihrem Körper, zeigte aber auch, wie dünn sie war. Dies war aufgrund der aktuellen Situation und ihrem Kummer wohl verständlich, aber für meinen Geschmack hätte sie etwas mehr auf den Rippen haben können. Das tat ihrer Schönheit jedoch in keinster Weise Abbruch. Die weiblichen Rundungen ließen sich trotzdem noch erkennen...
Innerlich verteufelte ich mich sogleich für den Gang meiner Gedanken. Mit aller Macht zwang ich mich dazu, meine Augen von ihrem Körper zu lösen. Ich wandte mich wieder ihrem Gesicht zu.
»Das Gleiche könnte ich Sie fragen«, erwiderte sie mit gefährlich honigsüßer Stimme. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte man glatt annehmen können, dass sie versuchte mit mir zu flirten. Verwirrt zog ich die Brauen zusammen, während meine Lippen sich zu einem schiefen Grinsen verzogen. Der schockierte Ausdruck und die leichte Schamesröte, die sich über ihr Gesicht zog, waren Hinweis darauf, dass der raue Unterton ihrer Stimme alles andere als beabsichtigt gewesen war. Wäre mir nicht bereits zu Ohren gekommen, dass sie eine zweijährige Beziehung mit einem Footballer hinter sich hatte - Drea und ihr Exfreund waren Top Thema Nummer eins an der Schule und als Lehrer bekam man das ein oder andere mit - hätte man annehmen können, dass sie vollkommen unerfahren war, was Männer anging.
»Na ja, der Club ist erst ab einundzwanzig, also ist meine Frage wohl eher berechtigt«, antwortete ich grinsend und verschränkte - gemein wie ich war - demonstrativ die Arme vor der Brust. Dabei war mir durchaus bewusst, welche Wirkung das Spiel meiner Muskeln auf sie hatte. Natürlich lenkte diese Geste sie ab. Wieder wurde ihr Gesicht puterrot und hastig wandte sie den Blick ab, versuchte einen Punkt in der Ferne zu fixieren. Drea genierte sich.
Sofort bekam ich Gewissensbisse, weil ich sie in Verlegenheit gebracht hatte. Was tat ich hier überhaupt? Ich flirtete mit einer unschuldigen Achtzehnjährigen, bei der es sich nebenbei angemerkt auch noch um meine Schülerin handelte! War ich von allen guten Geistern verlassen?
Verdammt, reiß dich zusammen!
Ich ermahnte mich in Gedanken. Instinktiv schämte ich mich für mein Handeln und war von mir selbst angewidert. Was war nur mit mir los?
»Ich habe Kontakte hier«, ging Drea auf meine Frage ein. »Wie sind Sie eigentlich so schnell hier herein gekommen?«, wollte sie nun mit einem vielsagenden Nicken in Richtung der Schlange wissen, die am Eingang stetig wuchs. Ganz offensichtlich suchte sie nach einem unverfänglicheren Thema. Das war mir ganz recht. Mehr als recht.
»Tja, scheint so, als hätten nicht nur Sie Kontakte«, erwiderte ich und verzog meine Lippen zu einem aufrichtigen Lächeln, von dem ich annahm, dass es weder anzüglich wirkte noch dazu diente, sie aufzuziehen.
Drea wollte zu einer weiteren Antwort ansetzen, als ich David entdeckte, der hinter Drea auf mich zukam.
Gott sei Dank!
»Logan, hey Mann. Cool, dass du es noch geschafft hast«, mit einem freundlichen Schulterklopfen begrüßte er mich. Ich erwiderte die Geste. Nachdem wir uns voneinander lösten, fiel Davids Blick auf Drea, die uns seltsamerweise aus großen Augen ansah.
Ich überlegte schon, wie ich die beiden am besten bekannt machen sollte, als David das Wort ergriff.
»Drea, ich wusste gar nicht, dass du Logan bereits kennst?«
Davids Reaktion nahm mir für einen kurzen Moment jeglichen Wind aus den Segeln und verwirrt wanderte mein Blick zwischen David und Drea hin und her. Die beiden kannten sich? Auch Drea schien zunächst nicht zu begreifen, was hier vor sich ging, doch dann weiteten sich ihre Augen entsetzt und Erkenntnis breitete sich auf ihrem Gesicht aus.
»Ähm, j-ja?«, stotterte sie, als wüsste sie nicht so recht, was sie David zur Antwort geben sollte. Ich dagegen wurde noch immer nicht schlau aus dieser Situation.
»Drea du solltest mal nach deinem Bruder sehen. Poppy trinkt Lukas gerade gnadenlos unter den Tisch«, lachte David und tätschelte ihre Schulter.
Dies war der Moment, in dem ich langsam zu begreifen begann, was hier vor sich ging.
Drea war Lukas' Schwester?!
Das bedeutete... es bedeutete wir waren mit denselben Leuten unterwegs?
Himmel Herrgott! Konnte dieser Abend noch seltsamer werden?
Meine Augen wanderten zu Drea, die mich mit demselben Schock ansah, der ich in diesem Moment empfand. Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Irgendetwas, das der Aufklärung dieser seltsamen Umstände bedurfte, doch es kam nichts über meine Lippen. Es hatte mir buchstäblich die Sprache verschlagen.
»Ja ähm... Ich gehe mal nach ihnen schauen«, Dreas Stimme war kaum mehr als ein Piepsen. Ehe ich mich versah, machte sie auf dem Absatz Kehrt und flüchtete vor mir und diesem überaus grotesken Setting. Ich dagegen konnte ihr nur wie erstarrt hinterherschauen. David schien glücklicherweise nichts von der angespannten Atmosphäre wahrgenommen zu haben. Er begann mich in ein Gespräch zu verwickeln, das relativ einseitig gestrickt war. Dreas Auftauchen hatte dafür gesorgt, dass ich außerstande war, Davids Erzählungen zu folgen. Hin und wieder gab ich ein Nicken zum Besten, während ich darüber nachdachte, wie ich diese Situation auflösen könnte.
Nach einer kurzen Unterredung bedeutete David mir zu ihrem Platz zu folgen. Am liebsten hätte ich ihm eine Ausrede aufgetischt und wäre wieder nach Hause gefahren. Da ich allerdings zu höflich war, folgte ich ihm mechanisch. Schon von weitem erkannte ich Drea, die sich hektisch mit ihrer Freundin Penelope unterhielt.
Wunderbar. Ich hatte ganz außer Acht gelassen, dass ihre Freundin ebenfalls mit von der Partie war. Ich steckte ordentlich in Schwierigkeiten. Ich war mir absolut sicher, dass es nicht erwünschenswert war, wenn sich ein Lehrer in seiner Freizeit mit seinen Schülern in einer Diskothek herumtrieb. Dreas Freundin schien wohl Notiz von mir zu nehmen. Mit großen Augen starrte sie mich über Dreas Schulter hinweg an und sagte irgendetwas, das ich aus der Entfernung weder hören noch erahnen konnte. Drea drehte sich daraufhin sofort um.
An dem Tisch angekommen erhoben Michael und Lukas sich sofort, um mich mit einem freundlichen Schulterklopfen zu begrüßen. Während mich meine Freunde willkommen hießen, überlegte ich krampfhaft, wie ich mit dieser Situation umgehen sollte.
»Also, Logan«, begann David und wandte sich zu Drea und Poppy. »Drea kennst du ja bereits und das neben ihr ist Penelope, ihre Freundin.«
David wollte uns miteinander bekannt machen. Welche Ironie des Schicksals, dass diese Vorstellungsrunde im Grund gar nicht notwendig, sondern völlig überflüssig war. Dennoch war dies der Moment, in dem ich intervenieren konnte. Der Moment, in dem ich meine Freunde über meine Bekanntschaft zu Drea und Penelope aufklären musste, wenngleich ich nicht so recht wusste, wie ich das anstellen sollte. In Anbetracht der Tatsache, dass ich Schriftsteller war, hätte man annehmen können, dass ich für jede Situation die passenden Worte parat hatte. Doch dieses Mal fehlten sie mir und noch bevor ich mir überhaupt etwas im Mund hätte zurechtlegen können, kam Penelope mir zuvor.
Sie sprang auf und streckte mir ihre Hand entgegen.
»Hi Logan, nenn mich doch einfach Poppy«, sie schenkte mir ein strahlendes Lächeln.
Perplex ergriff ich ihre Hand. Ich war viel zu verdutzt über ihr Verhalten, als dass ich hätte adäquat reagieren können. Penelope ließ sich wieder auf den freien Platz neben Lukas fallen.
In diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich soeben einen fatalen Fehler begannen hatte. Ich hatte die Gelegenheit, meinen Freunden die Wahrheit zu sagen, verstreichen lassen, hatte ihnen verschwiegen, dass ich hier inmitten dieses Clubs mit zwei meiner Schülerinnen stand.
War ich von allen guten Geistern verlassen?
Mein Blick wanderte zu Drea und Penelope. Penelope schien sich nicht die Bohne daran zu stören, mit mir hier zu sein. Drea hingegen wirkte angespannt. Ihr war es wohl mindestens genauso unangenehm wie mir. Doch warum hatte sie nichts gesagt? Immerhin hatte auch sie Gelegenheit gehabt, unser Verhältnis aufzuklären. Womöglich war es ihr aber genauso wie mir ergangen.
Sie hatte den Moment schlicht und ergreifend verpasst...
∞
Es war ein sehr unerfreulicher Abend, wobei das Wörtchen unerfreulich kein Ausdruck war, um ihn auch nur ansatzweise zu beschreiben. Lukas und Poppy waren schon kurz nach meinem Ankommen in der Menge verschwunden und ich unterhielt mich die meiste Zeit mit Michael und David über typische Männerthemen, an denen Drea sich allem Anschein nach nicht beteiligen konnte - oder wollte. Sie achtete penibel darauf, mich nicht mit Mr Black anzusprechen. Generell versuchte sie mich so gut wie gar nicht anzusprechen. Für einen kurzen Moment beschlich mich sogar die Sorge, dass sie mich nicht leiden konnte. Doch ich führte es darauf zurück, dass sie sich in meiner Gegenwart, in der Gegenwart ihres Lehrers, einfach unwohl zu fühlen schien. Damit war sie allerdings nicht alleine. Für mich war die gesamte Situation mindestens genauso grotesk.
Hin und wieder erwischte ich Drea dabei, wie sie mir verstohlene Blick zuwarf. Erwiderte ich diese, wandte sie sich mit erröteten Wangen ertappt von mir ab. Absurderweise empfand ich das irgendwie als süß.
Dennoch war der Abend ein totaler Reinfall. Zumindest für Drea. Die Ärmste saß den gesamten Abend mit David, Michael und mir zusammen. Unfreiwillig musste sie unserer Unterhaltung beiwohnen, da ihre Freundin und Lukas sie ganz offensichtlich im Stich gelassen hatten, was meiner Meinung nach eine ziemlich miese Nummer von den beiden war. Insbesondere als Michael und David sich schließlich dazu entschieden, aufzubrechen. Die beiden teilten sich ein Taxi, da sie im selben Viertel wohnten. Sofort horchte Drea auf und ihr Kopf fuhr hoch.
Auch ich begann mich unwillkürlich anzuspannen, da dies bedeutete, dass ich nun mit ihr zurück blieb, schließlich konnte ich sie nicht einfach alleine lassen... Ein weiteres Mal an diesem Abend begann ich mich zu fragen, wohin Lukas sich mit Dreas Freundin wohl verzogen hatte. Sie waren nun schon ein halbe Ewigkeit verschwunden.
»Na dann, richtet Lukas und Poppy noch beste Grüße aus, wenn ihr die beiden Alkoholleichen nach Hause fährt«, amüsierte David sich genüsslich, während er sich von seinem Platz erhob. »Sie halten es ja offensichtlich nicht für nötig, sich von uns zu verabschieden.«
Während David und Michael in Aufbruchstimmung kamen, begann Drea nervös mit ihrem Fuß auf dem Boden zu wippen. Sie versuchte gelassen zu wirken, was ihr jedoch kläglich misslang. Man konnte ihr ansehen, wie unwohl sie sich fühlte. Mit einer letzten Verabschiedung machten Michael und David sich auf den Weg und ließen Drea und mich zurück.
Fabelhaft.
Jedes Mal wenn ich dachte, dass dieser Abend nicht noch schlimmer werden konnte, machte mir das Schicksal einen Strich durch die Rechnung. Mein Blick wanderte zu Drea. Ein unangenehmes Schweigen entstand zwischen, während sie versuchte überall hinzuschauen, nur nicht zu mir. Die Tatsache, dass ich sie stur dabei beobachtete, trug wohl auch nicht gerade zu ihrem Wohlbefinden bei, doch ich konnte nicht anders. Es war einfach zu amüsant, fast schon auf alberne Weise niedlich, wie sie zwanghaft versuchte, mich nicht anzusehen.
Irgendwann hob sie jedoch das Gesicht.
»Ähm...«, begann sie und zog die Stirn kraus. »Es tut mir wirklich leid mit heute Abend. Diese Situation war irgendwie...«, sie schüttelte mit dem Kopf, als versuchte sie die richtigen Worte zu finden.
»Merkwürdig?«, beendete ich ihren Satz. Sie nickte und blickte auf ihre Hände.
»Ich hätte Sie ja gerne als meinen Lehrer vorgestellt, aber irgendwie wäre das... ich weiß nicht...«, sie schüttelte den Kopf.
»Seltsam gewesen?«, wieder vollendete ich ihren Satz und blickte ihr in die Augen.
»Ja. Mr Black, es tut mir...«, mehr brachte sie nicht über ihre Lippen, da ich sie unterbrach.
»Logan«, entgegnete ich.
»Was?« Verwirrt erwiderte sie meinen Blick.
»Logan. Mein Name ist Logan. Ich finde es merkwürdig, wenn Sie mich hier inmitten eines Clubs mit Mr Black ansprechen, Drea«, ich lächelte schief, wohlwissend, welche Wirkung es auf sie hatte. Drea schien zu vergessen, was sie hatte sagen wollen und starrte mich an, als wäre ich von einem anderen Planeten. Schließlich schien sie ihre Sprache wiederzufinden.
»Oh ähm... Ja natürlich. Logan«, sie räusperte sich und war im Begriff weiterzusprechen, als sie zusammenzuckte und verwirrt nach ihrer Tasche griff. Sie entschuldigte sich kurz und nahm ihr Handy aus der Handtasche, das wohl vibriert hatte.
»Hallo? Poppy?«, begrüßte sie ihr Gegenüber. Ich war etwas überrascht darüber, dass ihre Freundin anrief. War sie denn nicht mehr im Club? Aufmerksam lauschte ich und versuchte, etwas von dem Telefonat mitzubekommen.
»Ja tut mir leid, die Musik im Hintergrund«, erklärte Drea und drückte sich das andere Ohr zu, vermutlich um besser hören zu können. »Was gibt's? Wo seid ihr eigentlich? Ist alles in Ordnung?«
Kurze Stille erklang, während Penelope am anderen Ende der Leitung etwas sagte.
»Bei uns Zuhause?«, rief Drea verwundert aus. Panik breitete sich auf ihren Gesichtszügen aus und sie warf mir einen hastigen Blicken zu.
Ich kniff die Brauen zusammen, während mir allmählich zu dämmern begann, was hier vor sich ging...
»Bitte was? Wie meinst du das, ihr wurdet irgendwie aus dem Club geschmissen? Um Himmels Willen Poppy! Ich dachte Lukas sei mit dem Besitzer befreundet? Was habt ihr wieder angestellt?«, die Verzweiflung stand Drea förmlich ins Gesicht geschrieben, während sie wieder den Worten ihrer Freundin lauschte.
»Ihr seid unmöglich, weißt du das?«, Drea schüttelte verärgert den Kopf. Es war nicht zu übersehen, dass sie sehr enttäuscht von ihrer Freundin zu sein schien. Kurz darauf schaute sie erneut zu mir rüber. Es schien, als würde sie krampfhaft über etwas nachdenken.
»Ja. Ja ich komme schon irgendwie nach Hause.«
Ich war absolut schockiert von der Tatsache, dass Lukas seine Schwester allen Ernstes einfach alleine in einem Club zurückließ. Niemals hätte ich Joanna irgendwo mutterseelenallein stehen gelassen und schon gar nicht in einer Absteige wie dieser. Nun gut, Lukas und ich mochten unterschiedlich sein und nicht jeder Mann besaß einen derart ausgeprägten Beschützerinstinkt, wie ich ihn hatte. Doch hatte Lukas stets einen netten und allem voran verantwortungsbewussten Eindruck auf mich gemacht. Ein solches Verhalten passte nicht zu dem Mann, den ich kennengelernt hatte. Ich konnte nur vermuten, dass ziemlich viel Alkohol im Spiel gewesen war - und vielleicht die Tatsache, dass er Penelope hatte beeindrucken wollen. Es war nicht zu übersehen gewesen, dass die beiden sich zueinander hingezogen fühlten. Doch selbst Verliebtheit und die Benommenheit, die mit einem alkoholisierten Zustand einherging, hätten mich niemals meine eigene Schwester vergessen lassen.
»Nein Poppy, das musst du nicht, du kannst dich ruhig schlafen legen. Ich mache mich jetzt auf den Weg. Bis später«, seufzend legte Drea auf.
»Alles in Ordnung?«, fragte ich sogleich und sah Drea neugierig an.
Sie schüttelte lediglich den Kopf.
»Lukas und Poppy sind rausgeschmissen worden, weil sie so betrunken waren. Sie sind schon bei uns zu Hause. Ich soll jetzt mit dem Taxi nachkommen«, erklärte sie und erhob sich sogleich.
In meinem Kopf begann es zu arbeiten. Ich konnte sie nicht einfach alleine in ein Taxi steigen lassen. Schon gar nicht zu dieser Uhrzeit und in dieser Gegend. Ausgeschlossen.
»Ich fahre dich«, hörte ich mich plötzlich sagen. Im Bruchteil einer Sekunde hatte ich mich erhoben und stand mit zwei schnellen Schritten vor ihr. Überrascht hob sie den Blick und sah mich an.
»Das musst du nicht, ehrlich. Ich habe genügend Geld für ein Taxi dabei«, erwiderte sie und nahm ihre Tasche vom Tisch.
»Du solltest um diese Zeit nicht alleine in einem Taxi unterwegs sein, Drea. Ich fahre dich, ich bestehe darauf«, die Dringlichkeit in meiner Stimme war sicher unüberhörbar.
Drea sah mich an. Sie fühlte sich augenscheinlich hin und her gerissen, was ich nur zu gut verstehen konnte. Diese Situation, in die wir uns manövriert hatten, war ohnehin schon alles andere als normal. Aber ich konnte es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, sie einfach alleine nach Hause zu schicken.
Während Drea zu überlegen schien, regte sich tief in mir eine Stimme. Eine Stimmte die mich rügte und mir mitteilte, dass ich nicht ganz uneigennützig handelte. Denn aus einem mir unerfindlichen Grund versetzte mich der Gedanke, Drea nach Hause zu fahren und noch ein klein wenig mehr Zeit mit ihr verbringen zu können, in Freude. Doch noch ehe ich mich intensiver mit diesem Gefühl auseinandersetzen konnte, willigte sie plötzlich ein. Überrascht horchte ich auf. Ich hätte nicht gedacht, dass sie einwilligen würde und die Tatsache, dass mich ihre Antwort auf erklärliche Weise in Euphorie versetzte, stellte ich vorerst hinten an. Gemeinsam bahnten wir uns einen Weg durch die Menge. Als wir den Ausgang erreichten, hielt ich ihr die Tür auf und überließ ihr den Vortritt. Sie murmelte ein kurzes Dankeschön und errötete. Man hätte tatsächlich annehmen können, dass Drea noch nie einen Freund gehabt hatte, so oft, wie ich sie an diesem Abend bereits in Verlegenheit gebracht hatte.
Ich erklärte ihr den Weg zum Auto und sie folgte mir geduldig. Unterwegs lief sie schließlich etwas langsamer und öffnete ihre Handtasche. Sie schien nach etwas zu suchen, bis sie Schließich hektisch begann, darin herumzuwühlen.
»Oh Mist!«, hörte ich sie leise hinter mir murmeln.
Ich hielt inne und drehte mich fragend zu mir herum.
»Ich... Ich habe gar keinen Schlüssel eingesteckt«, beantwortete sie meine unausgesprochene Frage. Beschämt sah sie zu Boden, während sich ein erneuter Anflug von Panik auf ihrem Gesicht ausbreitete.
»Habt ihr keinen Ersatzschlüssel vor der Tür?«, fragte ich.
»Nein«, sie schüttelte verneinend den Kopf. »Aber ich könnte Poppy anrufen. Sie übernachtet bei uns Zuhause, vielleicht ist sie noch wach.«
Sogleich erhellte sich ihr Gesicht und sie schnappte sich ihr Handy. Unterdessen beobachtete ich sie schweigsam. Langsam aber sicher übertrug sich ihre Unruhe auch auf mich. Was sollte ich mit ihr anstellen, wenn sie niemanden erreichte? Immerhin konnte ich sie ja nicht einfach vor ihrem Zuhause absetzen und dort stehen lassen...
Drea wurde immer nervöser, als ihre Freundin nicht abnahm. Sie wählte erneut eine Nummer, die von ihrem Bruder, wie ich annahm. Doch das Universum schien sich gegen sie verschworen zu haben, denn auch ihr Bruder nahm zu meinem Bedauern nicht ab. Himmel Herrgott! Wie konnten ihre Freundin und ihr Bruder sie einfach derart hängen lassen? Sie konnten ja noch nicht einmal wissen, ob Drea sicher Zuhause angekommen wäre. Dieses Verhalten war absolut gedankenlos...
»Geht niemand ran?«, fragte ich vorsichtig und blieb vor der Beifahrertür meines Mercedes' stehen.
»Ähm nein«, betreten blickte sie wieder zu Boden. »Aber ich werde schon einen Weg nach drinnen finden«, sie lachte, wobei sich ihr Lachen in meinen Ohren einen Tick zu hysterisch anhörte. Ich kam nicht umhin zu bemerken, wie unfassbar lächerlich und ausweglos diese ganze Situation doch war. Am liebsten hätte ich laut aufgelacht, unterdrückte mir eine solche Reaktion jedoch. Stattdessen schaute ich Drea nachdenklich an, während ich abwägte, wie wir weiter vorgehen sollte. Es gab nicht viele Optionen. Entweder würde ich sie nach Hause fahren und ihre gesamte Familie aus dem Bett klingeln lassen, was sicher die verantwortungsbewusstere Entscheidung war oder...
»Du kannst mit zu mir.«
Fuck, was hatte ich gerade gesagt?
Noch bevor ich den Gedanken überhaupt ausgiebig abwägen konnte, hatten die Worte auch schon meine Lippen verlassen. Hatte ich das gerade wirklich gesagt? Als wäre mein Kontingent an Bizarrerie heute nicht schon längst erreicht, hatte ich soeben meine Schülerin eingeladen, bei mir Zuhause zu übernachten. War ich von allen guten Geistern verlassen?
Drea stand die Überraschung förmlich auf die Stirn geschrieben und es schien, als benötigte auch ihr Verstand einen kurzen Augenblick, um den Vorschlag, den ich ihr soeben unterbreitet hatte, zu verarbeiten.
»Ich... Nein, nein das geht nicht. Ich komme schon irgendwie rein«, vehement schüttelte sie den Kopf.
»Wie denn?«, ich hob die Brauen und warf ihr einen skeptischen Blick zu. Mir war durchaus bewusst, dass ich am heutigen Abend eine Grenze überschritten hatte. Eine Grenze, die ich niemals hätte überschreiten dürfen. Und als wäre es nicht schon schlimm genug, dass ich meine Freunde mehr oder minder angelogen hatte, was meine Bekanntschaft zu Drea und Penelope betraf, war ich nun auch noch im Begriff, Drea mit zu mir nach Hause zu nehmen. Auf der anderen Seite jedoch würde ich diese Grenze immer wieder überschreiten, wenn ich so sicherstellen konnte, dass Drea nicht mitten in der Nacht alleine durch Seattle irren musste. Ich hätte es niemals mit meinem Gewissen vereinbaren können, wenn ich sie alleine nach Hause geschickt hätte und ihr etwas zugestoßen wäre. Leider gab es zu viele schlechte Menschen auf dieser Welt. Das hatte ich am eigenen Leib erfahren müssen...
»Ich weiß, dass dies moralisch nicht ganz korrekt wäre, aber ich kann dich auch nicht einfach mitten in der Nacht bei dir Zuhause absetzen, ohne dass du rein kommst«, ich lachte ironisch. »Aber wenn du so sehr darauf bestehst, dass ich dich nach Hause fahre, dann wäre die andere Möglichkeit, dass ich mit dir vor dem Haus warte, bis dich jemand rein lässt«, schlug ich eine Alternative vor, die, wenngleich sie wohl die Vernünftigere war, nicht sonderlich attraktiv auf mich wirkte. Ich tat das richtige, redete ich mir immer wieder ein, auch wenn ich wusste, dass ich Drea nicht gleich mit zu mir nach Hause nehmen musste. Und obwohl ich mir darüber im Klaren war, dass sie bei Option Nummer eins genauso sicher Zuhause ankommen würde, versuchte ich sie nun auch noch zu überreden. Was tat ich hier nur? Ich war ein verdammter Mistkerl.
Drea sah mich aus großen Augen an, als hätte ich etwas völlig Absurdes gesagt. Wieder schien sie krampfhaft nachzudenken, innerlich abzuwägen, was sie nun tun sollte... Bis sie schließlich zu einer Entscheidung kam.
»Na schön. Ich komme mit«, erwiderte sie plötzlich.
Etwas in mir regte sich und ein seltsames Gefühl überkam mich beim Gedanken, Drea mit zu mir nach Hause zu nehmen. Ein Gefühl, das ich nicht fühlen sollte.
Das ist nicht gut. Das ist ganz und gar nicht gut...
In diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich einen fatalen Fehler begannen hatte.
Es ging mir nicht darum, dass Drea nichts zustieß. Naja, nicht nur. Hauptsächlich ging es mir darum, mehr Zeit mit ihr zu verbringen. Ich wollte mehr über sie erfahren. Mit ihr reden. Sie verstehen.
Ich wollte sie kennenlernen.
Verdammt...
Noch ehe ich darüber nachdenken konnte, was ich tat, nickte ich Drea zu und hielt ihr die Beifahrertür auf. Dankend stieg sie ein. Ich ging um den Wagen herum und nahm ebenfalls Platz. Die Tatsache, dass wir uns auf unheimlich engem Raum befanden, versuchte ich geflissentlich zu ignorieren. Stattdessen startete ich den Motor, um mich in den Verkehr einzufädeln.
Während der Fahrt fragte ich mich immer und immer wieder, wie ich es nur so weit hatte kommen lassen können. Wie hatte dieser Abend nur so von meinem ursprünglichen Plan abweichen können? Was war nur los mit mir? Dieses Mädchen brachte mich dazu, all meine guten Vorsätze über Bord zu werfen.
Ich warf ihr einen Seitenblick zu.
Obgleich es eigenartig sein sollte, mit ihr hier in meinem Wagen zu sitzen, fühlte es sich seltsam vertraut an. Als würde ich sie schon ewig kennen. Drea starrte gedankenverloren aus dem Fenster und beobachtete die vorbeiziehenden Häuser und Lichter Seattles. Ein weiteres Mal stellte ich fest, wie unfassbar hübsch sie doch war. Sehr hübsch sogar. Ihre braunen Augen wurden von dichten, schwarzen Wimpern umrahmt, die nun lange Schatten auf ihre Wangen warfen. Braune, gleichmäßigen Locken betonten ihre sanften Gesichtszüge, die geschwungene Nase und die vollen Lippen. Sie sah zwar noch sehr jung aus, strahlte aber gleichermaßen eine gewisse Reife und Lebenserfahrung aus, die wohl auf ihre zahlreichen Schicksalsschläge zurückzuführen waren.
Ich bemerkte, dass ich sie anstarrte und verfluchte mich sogleich wieder. Krampfhaft richtete ich meine Aufmerksamkeit zurück auf den Verkehr und versuchte sie aus meinen Gedanken zu streichen.
Ich wollte Drea nur helfen und tat einem Freund einen Gefallen, indem ich auf seine Schwester aufpasste. Die Tatsache, dass es sich dabei um meine Schülerin handelte, tat nichts zur Sache...
Vor meinem Appartement stoppte ich den Wagen und stieg aus. Ich öffnete Drea die Beifahrertür und hielt ihr meine Hand hin, die sie zögernd ergriff. Ihr Hand fühlte sich warm in meiner an. Es war ein angenehmes Gefühl. Nachdem sie ausgestiegen war, ließ sie hastig wieder los und folgte mir schweigend zum Eingang des riesigen, grauen Gebäudes mit der beeindruckenden Glasfront, in dem sich mein Zuhause befand.
Der Portier hielt uns die Tür auf, grüßte mich beim Namen und nahm meine Autoschlüssel entgegen. Sogleich führte ich Drea zum Fahrstuhl und zückte meine Schlüsselkarte, mit der sich der Aufzug sich in Bewegung setzte. Auf dem engen Raum entstand eine angespannte Stimmung zwischen uns. Drea starrte stur zu Boden, als versuchte sie krampfhaft, nicht in meine Richtung zu schauen. Ich dagegen lehnte mit verschränkten Armen an der Wand und verfluchte diesen Abend zum gefühlt hundertsten Mal.
Was hatte ich mir nur dabei gedacht, sie mit hierher zu bringen?
Erleichterung machte sich in mir breit, als wir endlich mein Appartement erreichten und sich die Türen öffneten.
Dreas Reaktion auf mein Heim war wie erwartet. Ihre Augen weiteten sich und erstaunt ließ sie ihren Blick durch meine Wohnung wandern. Sie drehte sich einmal um die eigene Achse und blickte über das Wohnzimmer hinweg, zur Treppe und wieder zu dem großen Panoramafenster an der gegenüberliegenden Wand.
Ich räusperte mich hinter ihr und augenblicklich drehte sie sich erschrocken zu mir um.
»Es ist wirklich sehr schön hier. Danke, dass du das für mich tust«, sie wirkte nervös.
»Du musst dich dafür wirklich nicht bedanken«, ich bedeutete ihr mir zu folgen. »Hier oben ist noch ein Gästezimmer. Dort kannst du übernachten. Ich müsste auch noch ein paar Kleider meiner Schwester hier haben«, ich warf ihr einen Blick über die Schulter zu und ließ meine Augen über ihren Körper wandern. »Die könnten dir passen.«
Unter meinen Blicken errötete sie.
Ich führte sie den Flur entlang und öffnete die Tür zum Gästezimmer, die sich relativ weit am Ende des Ganges befand. Ich bedeutete ihr, einzutreten und machte mich unterdessen auf die Suche, nach etwas zum Anziehen für sie. Tatsächlich wurde ich fündig und reichte ihr eine frisch gewaschene Schlafhose und ein Shirt von Joanna sowie einen meiner Hoodies.
»Hier. Ich habe Ihnen außerdem noch einen meiner Pullover dazugelegt, da es hier drinnen immer sehr kalt ist. Wenn meine Schwester nicht hier ist, ist das Zimmer unbewohnt.«
Sie schaute auf die Kleidung, die ich ihr gab und nahm sie dankend entgegen.
Dann hob sie den Blick und sah mir direkt in die Augen. Ihr Blick traf mich mitten ins Herz und mir stockte kurz der Atem. Ein seltsamer Ausdruck lag darin. Ein Ausdruck, der mich sofort fesselte.
Für einen klitzekleinen Moment hatte ich wieder einmal das Gefühl, als würde sie in mich hinein schauen, als sähe sie bis in meine Seele... Es war erschreckend und schön zugleich und mit Entsetzen stellte ich fest, welche Gefühle ihre Blicke in mir auslösten.
Verlangen.
Es war das pure Verlangen...
Ich unterdrückte das Bedürfnis nach Luft zu schnappen und mein gesamter Körper spannte sich an. Die Versuchung hing in der Luft wie ein unsichtbarer Nebel, der seine Klauen nach mir ausstreckte und mir süße Worte ins Ohr flüsterte. Die Gefahr, dass ich mich selbst vergaß und diese paar Schritte, die uns voneinander trennten, überbrückte, war so unendlich groß. Sie war sogar so groß, dass mit jeder Sekunde, in der wir uns ansahen, meine Beherrschung immer weiter bröckelte.
Ich musste hier weg...
»Gute Nacht, Drea«, sagte ich mit bemüht fester Stimme, krallte mich an dem letzten bisschen Selbstbeherrschung fest, das mir noch geblieben war und bewegte mich langsam einige Schritte aus dem Zimmer. Mein Körper wollte sich dagegen zur Wehr setzen, doch sehr zu meinem Glück wurde er von meinem Verstand übertrumpft. Und noch ehe Drea etwas erwidern konnte, schloss ich die Tür hinter mir.
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