2. Die erste Ernte
Uns wurde gezeigt, wie man schonend die Früchte von den Bäumen pflückte, sodass sie im nächsten Jahr wieder austreiben konnten und man erklärte uns, wo man die Samen daneben am besten eingrub, um einen neuen Sprössling zu erhalten. Mit Faszination lernten wir Bergarbeiter, welche Früchte nun im Sommer zum Essen zur Verfügung standen und welche erst im Herbst dann von uns gepflückt werden konnten, solange die Götter nicht wieder einen Sturm schickten. Zuvor hatten wir uns noch nie wirklich Gedanken darüber gemacht, schließlich war bei der harten Arbeit, die von uns unter Tage verrichtet wurde, jegliches Essen willkommen gewesen. Hauptsache es verlieh uns Kraft. Doch nun genossen wir es, durch die Gärten zu streifen und alles Essbare zusammen zu tragen, schließlich waren wir bei der Arbeit einmal an der frischen Luft. Es störte uns weder die Hitze, die das überschwemmte Dorf in einen tropischen Sumpf verwandelte, noch die stechenden Insekten, die daraufhin schlüpften, wollten uns die Laune verderben. Schließlich hatten wir überlebt. Der Bauer Fasari schlug jedoch die Hände zusammen, als er sah, was nach dem Sturm noch von seinen Feldern übrig geblieben war und schimpfte noch weiter, nachdem das Ehepaar Nátasar verkündet hatte, dass sie in die Hauptstadt Meralin gehen wollten, um zu sehen, ob man von dort aus Hilfe für uns organisieren könnte. Es machte Sinn, sie hatten das meiste Sonnenmetall und konnten für uns Nahrungsmittel, Arzneien und helfende Hände bezahlen. Doch Bauer Fasari behauptete, dass er wiederum, auf deren helfenden Hände nicht verzichten wollte. Sie gingen trotzdem, niemand hatte die Macht, sie davon abzuhalten, da Königin Aciele nicht mehr bei uns war und so brachen sie eines Morgens einfach auf. Sie ließen die beiden Töchter jedoch zurück, von denen die ältere sogar dazu in der Lage war, tatsächlich mit anzupacken. Trotzdem wurde Fasari des Jammerns nicht müde. Seine Felder waren zerstört, seine Ernte nur mickrig und bei den Feldern seiner verstorbenen Nachbarn, sah es ebenso aus. Doch Loely sagte uns, dass wir nicht verzagen sollten, schließlich waren wir nun auch weniger Leute, die somit auch weniger zu Essen bräuchten und so ignorierten wir Fasari, denn Loelys Einstellung gefiel uns besser. Erst trugen wir alle gesammelten Früchte in die große Abgabenhalle, so wie das die Leute in unserem Dorf schon immer gemacht hatten und auch, weil es die Halle war, in der wir nun zusammen wohnten. Doch Fasari schüttelte nur den Kopf und ermahnte uns, dass man in dem heißen Wetter das ganze Essen doch nicht einfach in der Abgabenhalle liegen lassen könnte. Also nickten wir einander zu und trugen es wieder nach draußen. Ein Korb nach dem anderen verschwand in Fasaris Keller, oder dem Keller einer seiner verstorbenen Nachbarn. Wir hatten keinen Überblick darüber, was sich wo befand, denn alle wuselten durcheinander und brachten alles so geschwind wie möglich in die Keller, angsterfüllt darüber, dass das Obst und Gemüse, tatsächlich so schnell verderben könnte, wie Fasari dies prophezeite. Loely war derweil damit beschäftigt, die Aufräumarbeiten im Dorf zu organisieren. Man musste die Straßen wieder begehbar machen, die Ställe trocken legen, damit Vieh wieder dort gefahrlos stehen konnte und die Kadaver der Tiere beseitigen, die zu uns gespült worden waren. Außerdem, war da die Handvoll an Soldaten, die wir noch hatten, die darauf bestand, dass man das Dorf wieder befestigen müsste, sonst könnten sie nicht für unsere Sicherheit sorgen. Das war ihre einzige Aufgabe. Sie halfen nicht auf den Feldern, oder beim Tragen, oder beim Aufräumen. Sie sagten, dass sie dazu da waren, um uns zu beschützen, doch das konnten sie nur, wenn es Anlagen zu unserem Schutz gab. Wenn nicht, dann würden sie nur herum stehen und nichts zu tun haben. Man konnte nicht mit ihnen streiten, denn sie hatten Waffen.Es gab also viel Arbeit, doch nicht genug Expertise und ein jeder von uns wünschte sich, dass man vier Arme am Körper trüge und drei Berufe gelernt hätte. Wir, die in den Mienen praktisch aufgewachsen waren, wussten so wenig von der Welt, in diesen ersten Wochen nach dem Sturm und der Seuche. Und so blickten wir etwas erwartungsvoll zu Loelys Weisungen. Als Witwe des Verwaltungsbeamten, der die Abgaben geregelt hatte, war sie das Nächste zu einer Autoritätsperson, das wir hatten und sie sollte uns den Willen des Königs mitteilen, auch wenn sie genau so abgeschnitten von der Verbindung zur Hauptstadt war, wie wir alle anderen.Doch sie sagte, sie würde die Aufgabe übernehmen, solange das Ehepaar Nátasar zur Hauptstadt unterwegs war und wir alle noch nicht wussten, ob die beiden Stofffärber, nicht vielleicht eine neue Königin mit bringen würden.Damals glaubten wir noch, dass es nur einige Tage dauern würde, bis wir alle wieder unser gewohntes Leben aufnehmen konnten. Die Hauptstadt würde uns eine der verbleibenden Frauen des Königs schicken, die Bergarbeiter hätten wieder in die Mienen zu gehen, eine neue Schamanin würde uns sagen, was wir falsch gemacht hatten und wie man den erneuten Zorn der Götter abwehren konnte und das Dorf würde sich erholen. Doch erst musste man sich um die Toten kümmern, nun da die Grundbedürfnisse der Lebenden gestillt waren. Auch das organisierte Loely. Man war sich nicht sicher, ob man überhaupt eine Zeremonie für die Verstorbenen abhalten sollte, schließlich hatten ihnen die Götter anscheinend gezürnt und wir alle machten das Zeichen über der Brust, das Dämonen und die Strafen der Götter abwehren sollte, nur bei dem Gedanken schon, dass wir wieder in Ungnade fallen könnten.Aber Loely sagte uns, nein, sie kenne die meisten Verstorbenen, diese waren keine schlechten Feuerschmiede gewesen. Sie erinnerte uns an Lamana Ohna, unsere Schamanin. War sie nicht die frommste aller Frauen gewesen und den Göttern am nächsten? Nie zuvor hatte unser Dorf eine Schamanin gehabt, die solch eine Persönlichkeit gewesen war, kein anderes Großmütterchen, konnte sich mit solcher Weisheit, solchem Einsatz und solch starkem Herzen rühmen. Warum sollten die Götter dann Lamana Ohna zürnen? Oder die Kinder? Loelys Kinder selbst waren alle gestorben. Die großen und die kleinen auch. Und sie konnte bezeugen, dass ihre Kinder alle gut und edel gewesen waren und sie drückte die beiden Töchter des Ehepaares Nátasar an ihre Brust, als wären sie die eigenen kleinen Töchter gewesen. Wir nickten einander zu. Alle hatten Freunde, Eltern, Kinder oder Partner an die Seuche verloren und niemand konnte sich erinnern, dass diese Leute schlechte Feuerschmiede gewesen waren. Eine neue Arbeit stand also nun auf unserer Liste. Wir sollten Feuerholz aus dem Wald suchen, das noch ein wenig trocken schien, um ein großes Abschiedsfeuer zu entfachen. Die Toten selbst ließen wir in ihren Häusern, um uns nicht vielleicht doch noch anzustecken. Auch wenn es uns bei dem Gedanken fröstelte und es mittlerweile im ganzen Dorf roch. Nach dem diese Sache beschlossen war, wollte ich eigentlich zu Loely gehen. Lamana Loely, wollte ich sagen, ich möchte Euch ausdrücken, wie es mir leid tut, dass Eure Kinder in das Reich der Toten, zur großen Ninri, gegangen sind. Und auch Euer Mann.Doch ich wurde nervös. Die Zunge der einfachen Bergarbeiter war nicht eloquent genug, um meine Gefhle auszudrücken und Loely war bereits mit der nächsten Aufgabe beschäftigt. Sie ging zu Fasari und forderte diesen auf, ihr die Vorräte in den Kellern zu zeigen. Sie sollten gezählt und aufgeschrieben werden und man müsste einen Plan erstellen, wie die Rationierung auszusehen hatte.Fasaris Gesicht wurde grau.
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